Parlamentskorrespondenz Nr. 511 vom 01.07.2003

ALLE VIER PARLAMENTSPARTEIEN FÜR BEHINDERTEN-GLEICHSTELLUNGSGESETZ

Verfassungsausschuss drängt auf Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs

Wien (PK) - Die Abgeordneten des Verfassungsausschusses des Nationalrats sprachen sich heute einhellig für die Schaffung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes aus. Sie stimmten einem Entschließungsantrag zu, in dem die Bundesregierung ersucht wird, dem Nationalrat möglichst noch heuer einen entsprechenden Gesetzentwurf zuzuleiten. Aufbauen soll der Gesetzentwurf auf den Ergebnissen einer im Sozialministerium eingerichteten Arbeitsgruppe, der Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Ministerien, der Parteien, der österreichischen Behindertenbewegung, des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, der Sozialpartner und der Verbindungsstelle der Bundesländer angehören. Gerade das von der EU ernannte "Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen" sei ein guter Anlass dafür, ein solches Gesetz zu initiieren, meinen die Abgeordneten. Weiters beschloss der Verfassungsausschuss die Einsetzung eines Unterausschusses zum Thema Gebärdensprache.

In der Debatte verwiesen Abgeordnete der ÖVP, der SPÖ und der Grünen auf die Wichtigkeit eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes. So gab etwa Abgeordnete Christine Lapp (S) zu bedenken, dass Menschen mit Behinderungen nach wie vor aus Lokalen "geschmissen" würden. Für sie ist es wichtig, dass Behinderte ihre Rechte auch durchsetzen können. Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) machte auf zahlreiche Barrieren für Behinderte, etwa im beruflichen Bereich, aufmerksam.

Zufrieden mit der Formulierung des Entschließungsantrags zeigte sich auch die Behindertensprecherin der Grünen, Abgeordnete Theresia Haidlmayr.

SPÖ-Abgeordnete Lapp wies darüber hinaus darauf hin, dass bereits eine andere Arbeitsgruppe österreichische Rechtsvorschriften auf diskriminierende Bestimmungen durchforstet hat und die nun im Sozialministerium eingerichtete Arbeitsgruppe damit auf einem guten Fundament aufbauen könne.

Grundlage für den heute gefassten Beschluss bildete ein Ende Februar im Nationalrat eingebrachter Vier-Parteien-Entschließungsantrag. Da die damalige Formulierung nicht mehr dem aktuellen Stand der Verhandlungen entspricht und mittlerweile eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, wurde in der heutigen Sitzung dazu von Abgeordnetem Huainigg ein gemeinsamer Abänderungsantrag eingebracht und der Entschließungsantrag in der Fassung dieses Abänderungsantrags angenommen.

Auf Vorschlag der Grünen einstimmig vertagt wurde ein Antrag von Grün-Abgeordneter Theresia Haidlmayr, in dem die Grünen ihre Vorstellungen von einem Allgemeinen Behinderten-Gleichstellungsgesetz bereits konkret festschrieben haben. Dabei geht es ihnen etwa um den Abbau von Diskriminierungen in den Bereichen Bildung, Beruf, öffentlicher Verkehr, Zugänglichkeit von Gebäuden und bei Verwaltungsverfahren. So sollten etwa Gehsteige innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschrägt werden müssen und jedes neu errichtete Gebäude von Behinderten ohne Schwierigkeiten benützt werden können. Bestehende Bauwerke wären umzugestalten. Bildungsinhalte müssten den Grünen zufolge so vermittelt werden, dass sie von allen Menschen, unabhängig von ihrer Behinderung, aufgenommen werden können. Im Abschnitt Beruf heißt es, Behinderten habe der gleiche Berufszugang offen zu stehen wie nicht Behinderten.

UNTERAUSSCHUSS WIRD SICH MIT GEBÄRDENSPRACHE BESCHÄFTIGEN

In Bezug auf das Thema Gebärdensprache vereinbarten die Abgeordneten die Einsetzung eines Unterausschusses. Diesem Unterausschuss werden insgesamt 11 Abgeordnete (5 ÖVP, 4 SPÖ, 1 FPÖ, 1 G) angehören. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses, Peter Wittmann, kündigte an, die Konstituierung dieses Unterausschusses im Anschluss an eine der Plenarsitzungen des Nationalrats nächste Woche vornehmen zu wollen.

Basis für die Beratungen des Unterausschusses bilden ein Antrag der Grünen betreffend Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache und ein Antrag der SPÖ, der eine Verankerung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung zum Inhalt hat. Konkret fordern die Grünen von der Regierung die Ausarbeitung entsprechender legistischer Maßnahmen zur Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache bis Ende 2003 ein. Ihnen zufolge wurde ein solcher Schritt bereits in 8 von 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gesetzt.

Die SPÖ hält, wie sie in ihrem Antrag ausführt, die derzeitige Situation für Gehörlose für unbefriedigend, da in der Schulzeit in erster Linie die Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden gelehrt und vermittelt, die für Gehörlose so wichtige Gebärdensprache hingegen zu wenig gefördert würde. Abgeordnete Christine Lapp meinte heute zudem, es wäre wichtig, die Parlamentsdebatten durch Gebärdendolmetscher übersetzen zu lassen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)