Parlamentskorrespondenz Nr. 513 vom 01.07.2003

WAHLRECHT: KÜNFTIG KÖNNEN 18-JÄHRIGE WÄHLEN

Verfassungsausschuss nimmt Vier-Parteien-Antrag einstimmig an

Wien (PK) - Künftig können alle Österreicherinnen und Österreicher, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei Nationalratswahlen, Bundespräsidentenwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament wählen. Das sieht ein von allen vier Fraktionen des Nationalrats gemeinsam eingebrachter Antrag vor, der heute vom Verfassungsausschuss des Nationalrats einstimmig angenommen wurde. Gleiches gilt für die Teilnahme an Volksabstimmungen und Volksbefragungen. Bei Volksbegehren ist der letzte Tag des Eintragungszeitraumes maßgeblich - wer bis dahin 18 wird, ist in Hinkunft stimmberechtigt.

Das Mindest-Wahlalter liegt zwar heute schon bei 18 Jahren, allerdings ist der maßgebliche Stichtag der 1. Jänner des Wahljahres. Nur wer vor dem 1. Jänner des Wahljahres das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist derzeit wahlberechtigt, was insbesondere bei späten Wahlterminen - wie bei den letzten Nationalratswahlen Ende November 2002 - dazu geführt hat, dass de facto viele bereits 18-Jährige nicht wählen durften.

Zur Umsetzung der neuen Bestimmungen sind künftig alle Österreicherinnen und Österreicher, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, in die Wählerevidenz der Gemeinden aufzunehmen. In die jeweiligen Wählerverzeichnisse werden allerdings nur jene übernommen, die das 18. Lebensjahr bis zum Wahltag erreichen. Für eine Kandidatur bei Nationalratswahlen und Europawahlen muss man künftig ebenfalls erst am Wahltag das 19. Lebensjahr vollendet haben, das gleiche gilt die Vollendung des 35. Lebensjahres für eine Kandidatur bei Bundespräsidentenwahlen.

Die neue Stichtagsregelung wurde von allen Abgeordneten begrüßt. Abgeordnete Maria Fekter (V) gab zu bedenken, dass viele Jugendliche bei den letzten Nationalratswahlen darüber überrascht gewesen seien, dass sie nicht wählen durften, obwohl sie das 18. Lebensjahr vollendet hatten. FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner erklärte, er habe ursprünglich eine andere Meinung gehabt, diese aber revidiert und sich von der nun gefundenen Lösung überzeugen lassen.

Seitens der SPÖ äußerte Abgeordneter Kai Jan Krainer Genugtuung darüber, dass aus einem ursprünglichen SPÖ-Antrag ein Vier-Parteien-Antrag geworden sei. Als die derzeit geltende Regelung beschlossen wurde, lag das Alter für die Erreichung der Volljährigkeit noch bei 19, skizzierte er, durch die Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze auf 18 sei zuletzt aber die "absurde Situation" entstanden, dass Volljährige nicht wählen durften. Abgeordnete Eva Glawischnig (G) bezeichnete die neue Regelung als "Reparatur einer Schräglage".

Der Vier-Parteien-Antrag wurde vom Verfassungsausschuss einstimmig angenommen, ein Antrag der SPÖ und ein Antrag der Grünen mit dem selben Ziel gelten mit der Beschlussfassung als miterledigt.

Vertagt wurden hingegen die Beratungen über einen Antrag der SPÖ auf Senkung des Wahlalters auf 16 und über einen Antrag der Grünen auf Gewährung des Wahlrechts für Nicht-EU-Staatsbürger auf Gemeindeebene.

Mit der Senkung des aktiven Wahlalters auf das vollendete 16. Lebensjahr will die SPÖ, wie sie im Antrag festhält, den geänderten sozialen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Jugendliche würden immer stärker in die Verantwortung für sich selbst und in sie betreffende Entscheidungen eingebunden. Weiters sieht der Antrag der SPÖ vor, allen AusländerInnen, die sich seit fünf Jahren legal in Österreich aufhalten, das aktive und passive Wahlrecht bei Wahlen zu ihrer gesetzlichen Interessenvertretung - z.B. bei Arbeiterkammerwahlen - zu gewähren. (96/A)

Der Antrag der Grünen auf Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zielt darauf ab, künftig allen Menschen, die ihren Hauptwohnsitz (bzw. Nebenwohnsitz) in einer österreichischen Gemeinde haben, das Wahlrecht bei Gemeinderatswahlen zuzugestehen und ihnen so die Partizipation am politischen Geschehen der Gemeinde zu ermöglichen. Für die Grünen gibt es keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss bestimmter Personengruppen vom kommunalen Wahlrecht. Nach der geltenden Rechtslage sind lediglich StaatsbürgerInnen aus Ländern der Europäischen Union in Österreich bei Gemeinderatswahlen wahlberechtigt. Klargestellt werden sollte nach Meinung der Grünen auch, dass sich die Wahlberechtigung zum Wiener Gemeinderat generell nach den verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu Gemeinderatswahlen und nicht nach jenen zu Landtagswahlen richtet.

FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner führte aus, er könne einer Wahlaltersenkung auf 16 auf kommunaler Ebene einiges abgewinnen. Eine generelle Senkung des Wahlalters würden viele Experten aber nicht als zielführend sehen, skizzierte er. Innerhalb der FPÖ gebe es darüber unterschiedliche Ansichten. Dezidiert ablehnend äußerte sich Scheibner zur Ausweitung des Ausländerwahlrechts und unterstrich, seine Fraktion vertrete die Auffassung, dass das Wahlrecht ein Staatsbürgerrecht sei und diesen vorbehalten bleiben solle.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) hielt fest, sie könne einer prinzipiellen Senkung des Wahlalters nichts abgewinnen. Bevor der Kreis der Wahlberechtigten ausgedehnt wird, soll man ihrer Meinung nach zunächst die Wahlbedingungen für bereits Wahlberechtigte verbessern. Insbesondere urgierte Baumgartner-Gabitzer die Einführung der Briefwahl und wies darauf hin, dass dies eine langjährige Forderung der ÖVP sei. Ihr Fraktionskollege Roderich Regler wertete sowohl den SPÖ-Antrag als auch jenen der Grünen als nicht ausgegoren und betonte, für Wien dürften keine anderen Regelungen gelten als für andere Bundesländer. Abgeordneter Hans Langreiter (V) sieht, wie er sagte, andere Möglichkeiten, bei Jugendlichen ein höheres Bewusstsein für Politik und Demokratie zu schaffen als durch die Herabsetzung des Wahlalters.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) vertrat hingegen die Auffassung, jemand, der alt genug sei, arbeiten zu gehen und Steuern zu zahlen, müsse auch alt genug sein, bei Wahlen mitzubestimmen, was mit seinen Steuergeldern passiere. Im Übrigen wies er auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hin, wonach türkische Staatsbürger aufgrund eines Assoziierungsabkommens zwischen der Türkei und der EU das Recht haben müssen, bei Arbeiterkammerwahlen zu kandidieren. Die SPÖ wolle keine Differenzierung verschiedener Ausländergruppen, bekräftigte er.

Der Beschluss auf Vertagung der beiden vorliegenden Anträge wurde mit VP-FP-Mehrheit gefasst. Ein Antrag von G-Abgeordneter Terezija Stoisits, einen Unterausschuss einzusetzen, um über die Anliegen der SPÖ und der Grünen umfassend zu diskutieren, fand keine Mehrheit. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)