Parlamentskorrespondenz Nr. 636 vom 02.09.2003

IM NATIONALRAT VERBALER SCHLAGABTAUSCH ÜBER ÖIAG UND VOEST

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Wien (PK) - Nationalratspräsident Dr. KHOL begrüßte die Abgeordneten zur zweiten Sondersitzung in diesem Sommer. Behandelt wird die Anfrage 784/J des S-Abgeordneten Dr. Cap an den Finanzminister betreffend „Freunderlwirtschaft statt Wirtschaftspolitik am Beispiel von ÖIAG und voestalpine“. Der Aufruf der Dringlichen erfolgt um 15 Uhr.

Außerdem haben die Abgeordneten Mag. Mainoni (F) und Miedl (V) den Antrag gestellt, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über das Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Protokoll 1999) samt Erklärung der Republik Österreich eine Frist bis 17. Oktober zu setzen. – Auch darüber wird eine Debatte abgeführt.

Um 15 Uhr gelangt die dringliche Anfrage zum Aufruf.

Abgeordneter Dr. CAP (S) begründete die Notwendigkeit der Sondersitzung aus seiner Sicht damit, dass der Rechnungshofbericht in der ÖIAG einen "Privilegienstadl" aufgedeckt habe und die VOEST als erfolgreiches Unternehmen nun "verscherbelt" werden solle. Dies sei ein ungeheurer Skandal und ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler.

Der Finanzminister habe das Anti-Privilegiengesetz in Hinblick auf die Managerverträge in der ÖIAG umgangen, kritisierte Cap weiter. Die VOEST-Alpine sei in ihrer Branche derzeit das erfolgreichste Unternehmen in Europa, was nicht zuletzt durch die Misch-Struktur von öffentlichem und privatem Eigentum begründet sei. Es sei daher unverständlich, warum es jetzt zu einer Total-Privatisierung kommen soll und welcher Vorteil damit verbunden sei. Dem Vizekanzler warf er vor, dass er sich über den Tisch habe ziehen lassen, denn die entscheidende Sitzung des ÖIAG-Aufsichtsrates finde erst am kommenden Freitag statt. Der Ministerrat hätte heute die Privatisierung durchaus stoppen können.

Weiters führte Cap ins Treffen, dass die VOEST-Aktie mit 37 € offenbar zu billig sei, wodurch 200 Mill. € verschleudert würden. Wenn privatisiert werde, dann sei alles möglich, so Cap, denn dann gelten die Beschlüsse der Bundesregierung nicht mehr. Scharinger & Co. werden bei günstiger Aktienentwicklung ihre Anteile wieder verkaufen, mutmaßte Cap, und warf der ÖVP sowie dem Finanzminister vor, statt Wirtschaftspolitik "Parteifilz und Freunderlwirtschaft" zu betreiben. Denn die Profiteure der Privatisierung seien Leute der ÖVP, mit privatwirtschaftlichem Marktverständnis habe das alles nichts zu tun.

Bundesminister Mag. GRASSER hielt dem ein Zitat von Otto Bauer entgegen: "Niemand verwaltet Betriebe schlechter als der Staat!" Offensichtlich sei die SPÖ damals innovativer gewesen als heute, sagte der Finanzminister und bekräftigte den Kurs der Regierung, die Privatisierung konsequent fortzusetzen.

Zwischen 1982 und 2000 hätten die Steuerzahler 1,4 Mrd. € an Zinsen und 2,4 Mrd. € an Tilgungen der VOEST zuschießen müssen. Gleichzeitig seien mehr als 50.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Die VP-FP-Regierung habe die ÖIAG mit einem Schuldenstand von 6,3 Mrd. € übernommen und man habe diesen Schuldenstand auf derzeit unter 2 Mrd. € drücken können. Grasser erinnerte auch an die massive Rechnungshofkritik bei früheren Privatisierungen unter SPÖ-geführten Regierungen und wies darauf hin, dass im Aufsichtsrat heute Top-Manager säßen, die in ihren eigenen Betrieben für 2.000 Mrd. € Umsatz und 650.000 Beschäftigte Verantwortung tragen. Die VOEST sei erstmals seit mehr als 30 Jahren wieder saniert und man wolle nie wieder rote Zahlen schreiben.

In der konkreten Beantwortung der Fragen unterstrich Grasser, dass die Bundesregierung "klug und umsichtig" die Privatisierungsziele festgelegt habe: die Wahrung der Einheit des Unternehmens, den Verbleib der Entscheidungszentrale in Österreich, das Festhalten am österreichischen Kernaktionär, der Verbleib von Forschung und Entwicklung in Österreich, die Sicherung der Arbeitsplätze und die Stärkung der Wettbewerbsposition. Das alles erreiche man am besten mit der Privatisierung über die Börse. Grasser betonte in diesem Zusammenhang, dass heute bereits 36 % der Aktien in privaten österreichischen Aktionärshänden lägen, und zeigte sich überzeugt davon, dass es einen österreichischen Kernaktionär und mehr als 50 % österreichische Aktionäre geben werde.

Die Frage nach dem Vorteil der Privatisierung beantwortete Grasser, indem er den Zustand des Unternehmens, als sich dieses noch zu 100 % im staatlichen Eigentum befand, mit der heutigen Situation verglich. Man habe sich daher in den neunziger Jahren zu einer Teilprivatisierung entschlossen und nun gehe es in die Vollprivatisierung, um die Unabhängigkeit der VOEST zu sichern und deren Erfolg am Markt zu prolongieren. Die Bewertung der Aktie, so Grasser, sei von der Politik nicht beeinflussbar.

Zu den Vorstandsverträgen bemerkte der Finanzminister, dass er über keinerlei Einwirkungsrechte verfüge. Er habe jedoch schriftlich dazu aufgefordert, die Vertrags-Schablonenverordnung einzuhalten, darüber hinaus habe er die Finanzprokuratur mit einer Prüfung beauftragt. Selbstverständlich werde das Anti-Privilegiengesetz umgesetzt, meinte der Minister, und erinnerte angesichts des angekündigten Misstrauensantrags gegen ihn daran, dass Finanzminister Edlinger im Falle der Post die Vertrags-Schablonenverordnung klar gebrochen habe. Ein Misstrauensantrag der SPÖ sei jedoch damals nicht erfolgt.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) konterte, dass das wirtschaftspolitische Verständnis des Finanzministers offenbar auf dem Niveau des Jahres 1927 stecken geblieben sei. Heftig widersprach er der Aussage Grassers, die Totalprivatisierung sei die Fortsetzung der Teilprivatisierung, denn das derzeit bestehende Mischverhältnis bei der Eigentümerstruktur sei die Grundlage für den Erfolg gewesen. Dadurch hätte es nämlich einerseits zu keiner feindlichen Übernahme kommen können, andererseits habe es Druck gegeben, Gewinne zu erwirtschaften. Durch die Totalprivatisierung würde jedoch der Stabilitätsfaktor weg brechen, da nur mehr Gewinne erzielt werden sollen. Denn jeder Finanzinvestor kaufe Aktientitel mit der Zielsetzung, bei Steigen des Kurses diese wieder zu veräußern.

Gusenbauer warnte daher davor, die Illusion zu erzeugen, man könne die VOEST verkaufen und gleichzeitig Eigentümer bleiben. Künftige Eigentümer hätten nämlich keinerlei Verpflichtungen, sich an den Wunschzettel der Regierung zu halten, weshalb Garantieerklärungen unehrlich seien.

Grasser habe keinen einzigen Grund für die Totalprivatisierung geliefert, so die massive Kritik Gusenbauers, der in diesem Zusammenhang mutmaßte, das österreichische Paradeunternehmen solle an eine bestimmte "Clique" verkauft werden; aus Staatseigentum solle offensichtlich ÖVP-Eigentum gemacht werden, sagte der SP-Chef. "Stoppen sie die Privatisierung jetzt, das ist ein Gebot der Stunde!", schloss Gusenbauer.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) meinte daraufhin, dass Cap und Gusenbauer mit ihren Redebeiträgen das Argument geliefert hätten, warum die Privatisierung wichtig sei. Das Rezept der SPÖ in der Verstaatlichtenpolitik liege uns noch heute im Magen, bemerkte Molterer und wies auf den Schuldenstand der ÖIAG in der Höhe von 6,3 Mrd. € im Jahr 2000 hin. Im Zeitraum von 1982 bis 1999 seien 3,8 Mrd. € an das Unternehmen ÖIAG geflossen, alles Geld der Steuerzahler, gleichzeitig hätten 50.000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verloren. Vor wenigen Jahren habe man darüber debattiert, ob die VOEST ein Konkursfall sei, und habe mit der Teilprivatisierung die richtige Antwort gegeben. Diese Strategie habe dazu geführt, dass die VOEST ein Paradeunternehmen geworden sei und diesen Weg wolle man im Interesse der VOEST, der Mitarbeiter und des Wirtschaftsstandortes weiter beschreiten.

Die Unternehmensleitung der VOEST-Alpine unterstreiche den Kurs der Bundesregierung, der da heiße, die VOEST solle ein österreichisches Unternehmen bleiben und es müsse einen österreichischen Kernaktionär geben. Die SPÖ stelle dem gegenüber privates Investment in Frage. Früher sei die Unternehmenspolitik nicht von Managern, sondern im Parteivorstand der SPÖ entschieden worden. Und wenn Hannes Androsch Betriebe kaufe, wo würde die ÖVP nie sagen, dass diese Betriebe dann SPÖ-Eigentum seien, sagte Molterer in Richtung seines Vorredners.

Abgeordneter WALCH (F) erinnerte die SPÖ daran, dass sie es gewesen sei, die damit begonnen habe, die VOEST zu verkaufen und warf ihr vor, die VOEST-Mitarbeiter "schon lange vergessen zu haben". Den Sozialdemokraten gehe es heute nur darum, die Koalition zu sprengen, wie sie dies bei einer Veranstaltung in Linz kürzlich zum Ausdruck gebracht habe. - "Die Interessen der VOESTler werden heute von der FPÖ verteidigt", sagte Walch, der betonte, dass die FPÖ den erfolgreichen Weg des ehemaligen verstaatlichten Betriebs fortsetzen wolle.

Ein von Walch eingebrachter Entschließungsantrag der Koalitionsparteien zielte auf die Aufstockung der Mitarbeiterbeteiligung und auf die Ausweitung der Anteile der österreichischen Aktionäre, sodass eine österreichische Kernaktionärsstruktur von über 25 % gesichert bleibt. Außerdem verlangen die Antragsteller die Wahrung der Einheit des Unternehmens, die Erhaltung und den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Österreich, die Erhaltung der Entscheidungszentrale in Österreich und die Bestimmung des optimalen Zeitpunkts der Privatisierung durch die Organe der ÖIAG.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) erinnerte daran, dass die Verstaatlichung österreichischer Industriebetriebe nach dem Krieg wichtig gewesen sei. Die Krise der Betriebe habe die Steuerzahler viel Geld gekostet, anderswo seien aber viel mehr Subventionen geflossen als in Österreich. Außerdem würden in der Landwirtschaft heute viel höhere Subventionsbeträge fließen.

Auf der Grundlage einer für ihn optimalen gemischten privat-öffentlichen Eigentümerstruktur habe die VOEST zuletzt eine Erfolgsstory absolviert, wobei Kogler seine Überzeugung ausdrückte, dass dieses Konzept auch in der Zukunft erfolgreich sein kann. Denn die VOEST-Alpine sei das einzige europäische Unternehmen, in dem ein Stahlunternehmen mit einem automotiven Element kombiniert sei, woraus sich das Interesse des MAGNA-Konzerns an der VOEST erkläre. Die so genannte "Oberösterreich-Lösung" entspreche der Situation dieses Landes, in dem sich ein Bankdirektor einen Landeshauptmann halte, kritisierte Kogler pointiert und sprach die Befürchtung aus, dass der Börsegang "mit Mauscheleien und Tricks" dem Börseplatz Wien großen Schaden zufügen werde. Es gebe keine Gewähr, dass bei diesem "marktkommunistischen Modell" nicht doch ein strategischer Investor "mit einem hohen Angebot Anteile herauskaufe". Scharinger, Oberbank und Erste würden jede Syndizierung ablehnen, weil sie sich für die Zukunft nicht binden lassen wollten. Ein Entschließungsantrag der Grünen verlangte daher eine Änderung des Privatisierungsbeschlusses in Richtung auf Erhaltung einer öffentlichen Sperrminorität von 25 % und einer Aktie.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL bejahte die Frage, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für die Privatisierung der VOEST gekommen sei und erinnerte daran, dass unter sozialistischer Verantwortung 66 % der VOEST-Alpine zu einem Aktienkurs von 20 € erfolgte, der Kurs heute aber bei 36 € liege. Der Bundeskanzler dankte den VOEST-Mitarbeitern für ihre hervorragende Leistung und trat zugleich der SPÖ entgegen, die Angst unter den Mitarbeitern schüre und österreichische Interessenten an VOEST-Anteilen abwerte. Der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien sehe vor, den VOEST-Mitarbeitern mit einem 10-prozentigen Anteil an den Aktien ihres Unternehmens eine wesentlich stärkere Position zu geben, als sie sie bisher hatten. Den Erfolg der Regierungspolitik im Bereich der ÖIAG illustrierte der Bundeskanzler mit dem Hinweis darauf, dass die Dividenden seit dem Jahr 2000 gegenüber dem Vergleichszeitraum davor von 300 Mill. € auf 826 Mill. € und die Privatisierungserlöse von 1,2 Mrd. € auf 3,3 Mrd. € gestiegen sind. "Lassen Sie die VOEST-Alpine in Ruhe!", lautete die Aufforderung des Bundeskanzlers an die SPÖ.

Abgeordneter KECK (S) rief den Regierungsmitgliedern und den Koalitionsparteien zu, die Österreicher hätten angesichts des drohenden Ausverkaufs ihres Eigentums Angst vor der Zukunft und lehnten daher die Totalprivatisierung der VOEST-Alpine in ihrer überwältigenden Mehrheit ab. Für diesen Verkauf der VOEST-Aktien gebe es weder einen betriebswirtschaftlichen noch einen volkswirtschaftlichen Grund, klagte der Abgeordnete und machte den Finanzminister darauf aufmerksam, dass er kein Eigentümer und auch kein Aktienhändler sei, sondern Treuhänder für das Eigentum der Österreicher und Österreicherinnen. Auch die Abgeordneten der Regierungsparteien sollten den von ihm eingebrachten Entschließungsantrag der SPÖ unterstützen, insbesondere jene aus Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich. Keck verlangte, auf eine vollständige Privatisierung der VOEST-Alpine zu verzichten und weiterhin 25 % plus eine Aktie in öffentlichem Eigentum zu halten. Weiters forderte Keck die Bundesregierung auf, 9,5 % des jetzigen ÖIAG-Anteils an oberösterreichisch-österreichische Unternehmen bzw. in Form einer weiteren Mitarbeiterbeteiligung abzugeben.

Die SPÖ-Abgeordneten bedachten die Rede des Abgeordneten Keck ebenso mit starkem Beifall wie eine Aktion von VOEST-Mitarbeitern im Publikum, die sich mit der Aufschrift "KEIN VOEST-VERKAUF" auf ihren T-Shirts präsentierten.   

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) warf seinem Vorredner vor, mangels Landtagsthemen das Thema VOEST politisch zu instrumentalisieren und Angst in der Bevölkerung zu schüren. Er sollte sich Rechnungshofberichte aus der Zeit der sozialistischen Regierungsverantwortung anschauen, um sich ein Bild darüber zu machen in welchem Ausmaß damals öffentliches Eigentum verschleudert worden sei.

Mitterlehner begrüßte die Privatisierung über die Börse, weil dadurch der österreichische Kapitalmarkt belebt werde, und er bekannte sich nachdrücklich zur Privatisierungspolitik, weil klar geworden sei, dass private Anleger nach Rentabilität entscheiden, öffentliche Eigentümer aber nach anderen Kriterien entscheiden. Das Ziel, Beschäftigung zu schaffen und zu verstetigen, wie es die SPÖ mit ihrer Verstaatlichtenpolitik verfolgt habe, sei gescheitert. Man wisse heute, dass jede Entscheidung gegen den Markt eine Entscheidung gegen das Unternehmen ist.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) kritisierte die SPÖ, die deutlich erkennen lasse, dass sie keine Lösung für die VOEST-Alpine wolle. Die Österreicher seien aber sehr wohl an Lösungen für dieses Unternehmen interessiert, und zwar an Lösungen, wie sie der Entschließungsantrag der Regierungsparteien vorsehe: Aufstockung der Mitarbeiterbeteiligung und damit mehr Mitsprache der Mitarbeiter und Sicherung der österreichischen Kernaktionärsstruktur. Die SPÖ "mit ihrer roten Parteibrille" könne nicht erkennen, dass dieses Modell sinnvoll sei. Bleckmann forderte die SPÖ auf, sich vom Insiderhandel, den der VOEST-Alpine-Generaldirektor eingestanden habe, und vom Aufsichtsratspräsidenten Streicher, der dagegen nichts unternommen habe, zu distanzieren. Die SPÖ sollte nicht mit Steinen werfen, da sie im Glashaus sitze, schloss Bleckmann.

Abgeordnete SBURNY (G) zeigte sich verwundert darüber, dass die Regierung von dem erfolgversprechenden Konzept abgehe, das für die VOEST-Alpine bis ins Jahr 2006 vorliege. Sburny sah keinen Anlass, die ÖIAG-Anteile an der VOEST zu verkaufen. Alle aktuellen Probleme seien erst entstanden, als bekannt wurde, dass eine Arbeitsgruppe "Minerva" den Verkauf öffentlicher VOEST-Anteile an die Firma MAGNA plane. Darauf habe der oberösterreichische Landtag mit einem Beschluss reagiert, dass 25 % und eine Aktie im Besitz der ÖIAG bleiben müssen. Die Oberösterreich-Lösung von Landeshauptmann Pühringer könne hingegen nicht garantieren, dass die Raiffeisen-Bank oder die Oberbank ihre Anteile nicht weiterverkauften. Daher fordern die Grünen in ihrem Entschließungsantrag, dass 25 % und eine Aktie in der Hand der ÖIAG bleiben.

Bundesminister GORBACH bekannte sich nachdrücklich dazu, die VOEST-Alpine in Ruhe arbeiten zu lassen und stellte zur Frage öffentliches oder privates Eigentum an Industriebetrieben fest, dass die Frage, wer der bessere Eigentümer sei, eindeutig beantwortet worden sei. Der Wert der VOEST-Alpine-Aktie sei seit der Bildung der gegenwärtigen Bundesregierung um 60 % gestiegen. Mit einer Aufstockung der Mitarbeiterbeteiligung auf 10 % erhalten die Mitarbeiter alle Rechte mit Ausnahme von Satzungsänderungen. Besonders wichtig war dem Technologieminister, dass die Forschungs- und Entwicklungskompetenzen der VOEST-Alpine in Österreich bleiben.

Abgeordneter Mag. Hans MOSER (S) präsentierte Zahlenmaterial, um die "Sanierungslegende" des Finanzministers zu widerlegen. Sowohl die Privatisierungserlöse als auch die Dividendenbeträge, die der Finanzminister genannt habe, seien nicht korrekt, meinte der Abgeordnete und wies überdies darauf hin, dass sich die Eigenkapitalsituation der VOEST-Alpine im Jahr 2002 verschlechtert habe. Auch sei die Behauptung unrichtig, dass Österreich seiner Stahlindustrie im internationalen Vergleich hohe Subventionen habe zukommen lassen. Österreich liege bei den Subventionen in den achtziger Jahren an zweiter Stelle hinter Deutschland. Auch könne keine Rede sein von einer Entpolitisierung des Aufsichtsrates. Diese sei in Wahrheit bereits im Jahr 1986 eingeleitet worden. In einem Entschließungsantrag verlangte Abgeordneter Moser, Finanzminister Grasser das Vertrauen zu versagen.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) sprach von einem völlig unglaubwürdigen Misstrauensantrag gegen den Finanzminister. "Wir werden dem Finanzminister das Vertrauen aussprechen. Sie können so viele Misstrauensanträge einbringen, wie Sie wollen!". Grossruck erinnerte einmal mehr an die Schuldenpolitik der SPÖ, an den Verlust von 50.000 Arbeitsplätzen in der verstaatlichten Industrie und an den Konkurs des „Konsum“. Demgegenüber sei die Wirtschaftspolitik des Landes Oberösterreich vorbildlich, diese Politik löse Probleme und gebe den Menschen Hoffnung.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) lehnte es entschieden ab, dass die SPÖ die heutige Sondersitzung dazu benütze, um mit den Gefühlen der VOEST-Mitarbeiter zu spielen und ihre Verunsicherungs- und Skandalisierungsstrategie fortzusetzen. Hofmann bekannte sich zur Präzisierung des Privatisierungsweges der Koalitionsparteien. Er unterstützte die Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung und die Wahrung der österreichischen Kernaktionärsstruktur sowie die Erhaltung der Entscheidungszentrale in Österreich. Der erfolgreiche Weg der VOEST-Alpine soll fortgesetzt werden. Von einer Verschleuderung öffentlichen Eigentums könne keine Rede sein.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) warf der Regierung in Sachen VOEST ein "perfides Doppelspiel" vor. Es gebe keine Garantie, dass die von Bundeskanzler Schüssel genannten österreichischen Kernaktionäre ihre Aktien langfristig behalten werden, betonte sie. "Wir wollen einen Kernaktionär in staatlicher Hand", sagte Moser, nur dadurch gebe es Sicherheit. In diesem Sinn verwies sie auf den von den Grünen eingebrachten Entschließungsantrag, wonach der Privatisierungsauftrag an die ÖIAG dahin gehend geändert werden sollte, dass vorerst 25 % plus eine Aktie der VOEST-Alpine nicht verkauft werden.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) bezweifelt die Sinnhaftigkeit des Entschließungsantrages der Koalition zur VOEST-Privatisierung und meinte, hier werde etwas rechtlich Unmögliches beschlossen. "Sie werden diesen Tag noch bereuen", warnte er die Koalition.

Zum Stellenbesetzungsgesetz und zur Vertragsschablonenverordnung brachte Kräuter namens der SPÖ einen Entschließungsantrag ein. Die zuständigen Minister sollten alle notwendigen Schritte unternehmen, damit in Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, alle Vorstandsverträge so geändert werden, dass sie dem Stellenbesetzungsgesetz und der Vertragsschablonenverordnung entsprechen. Auch bei allen Neubestellungen von Leitungsorganen will die SPÖ diese Vorschriften eingehalten wissen. Der durch die Verletzung des Stellenbesetzungsgesetzes und der Vertragsschablonenverordnung entstandene Schaden sollte gemäß dem Entschließungsantrag gegenüber den verantwortlichen Aufsichtsratsmitgliedern geltend werden, wenn diese ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) verteidigte die vollständige Privatisierung der Voest und hielt fest, er vertraue in dieser Frage dem VOEST-Management mehr als der SPÖ-Parteizentrale. Um am Weltmarkt zu bestehen, ist für Missethon vor allem ein Top-Management und Mitarbeiter, die den Weg mitgehen, von Bedeutung. Beides sei bei der VOEST-Alpine in ausreichendem Ausmaß vorhanden. Er urgierte allerdings eine Reduktion der Betriebsratsstrukturen.

Abgeordneter WITTAUER (F) warf der SPÖ vor, sowohl die VOEST als auch den Nationalrat zu missbrauchen. Misswirtschaft im Bereich der verstaatlichten Industrie hat es ihm zufolge gegeben, als sozialdemokratische Regierungen dafür verantwortlich waren. Gegenüber den Arbeitnehmern der VOEST gab Wittauer das Versprechen ab, deren Interessen würden bei der Privatisierung gewahrt werden.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) gab zu bedenken, dass über 65 % der VOEST bereits zu Zeiten privatisiert worden seien, als noch die SPÖ in der Regierung war, und zwar nicht nur an österreichische Aktionäre, sondern zu 29 % an das Ausland. Sie äußerte außerdem die Vermutung, dass die SPÖ vor den Landtagswahlen in Oberösterreich am 28. September gar keine konstruktive Lösung für die VOEST-Alpine haben will.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) hielt fest, die Vertreter der Koalition hätten heute kein einziges Argument für ein Vollprivatisierung der VOEST ins Treffen geführt, außer jenes, dass in der Vergangenheit schon viele andere falsche Schritte gesetzt worden seien. In Richtung Bundeskanzler Schüssel unterstrich er, dieser habe keine österreichische VOEST garantieren können. Öllinger fragt sich, wo der österreichische Kernaktionär sei. "Es gibt ihn nicht." Der FPÖ warf er vor, keine eigenständige Haltung mehr zu vertreten.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) machte geltend, dass die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich im Rahmen der VOEST-Privatisierung eigentlich keine Aktien kaufen dürfte, da deren Vorsitzender Ludwig Scharinger als Aufsichtsratsmitglied Kenntnisse über die Zukunftspläne des Unternehmens und anderes Insiderwissen habe.

Bei der Abstimmung wurde der V-F-Antrag betreffend Weiterführung der erfolgreichen Privatisierungsmaßnahmen der Bundesregierung mehrheitlich angenommen.

Abgelehnt wurde der Misstrauensantrag der SPÖ und der Grünen gegen Finanzminister Grasser.

Auch der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Sicherheitsbeschluss gegen den Ausverkauf der VOEST-Alpine AG und die Entschließungsanträge der SPÖ betreffend Absicherung des Industriestandortes Österreich durch Verbleib der ÖIAG als Kernaktionär der VOEST bzw. betreffend Einhaltung des Stellenbesetzungsgesetzes und der Vertragsschablonenverordnung blieben in der Minderheit. Über den VOEST-Antrag der SPÖ wurde dabei eine namentliche Abstimmung durchgeführt: 83 Abgeordnete stimmten dafür, 97 Abgeordnete dagegen. (Fortsetzung/Fristsetzung)