Parlamentskorrespondenz Nr. 706 vom 07.10.2003

VERKAUF VON BUNDESWOHNUNGEN ALS THEMENSCHWERPUNKT IM BAUTENAUSSCHUSS

Bartenstein betont Vorrang für Mieter - Opposition: Wucherpreise

Wien (PK) - Der Bautenausschuss hielt heute Vormittag unter dem Vorsitz seiner Obfrau Doris Bures eine aktuelle Aussprache mit Bundesminister Martin Bartenstein zum Themenkomplex Wohnbau und Veräußerung bundeseigener Wohnungen ab. Der Kritik grüner und sozialdemokratischer Abgeordneter, die Wohnungen würden nicht, wie ursprünglich angekündigt, an die Mieter verkauft, sondern an VP- und FP-nahe Immobilienhändler, trat der Minister mit dem Hinweis entgegen, dass die BIG die Wohnungen zuerst den Mietern anbiete und erst dann, wenn die Mieter kein Interesse zeigten, Verhandlungen mit Finanzinvestoren führe, wobei stets der Bestbieter zum Zug komme.

Beim Thema Erreichung des Kyoto-Ziels (Reduzierung klimaschädlicher Gase um 13 % bis 2013) waren sich der ehemalige Umweltminister Bartenstein und die Abgeordneten darin einig, dass der thermischen Gebäudesanierung zentrale Bedeutung bei der Verminderung des CO2-Ausstosses zukomme. Während ÖVP-Abgeordnete, allen voran Maria Fekter, in den Ländern bereits viele Projekte zur Treibgasreduzierung auf Schienen sahen, kritisierten die Abgeordneten Gabriela Moser (G) und Werner Kummerer (S) die weiter zunehmenden Emissionen und drängen auf eine Zweckbindung der Wohnbauförderung im nächsten Finanzausgleich. - Diesbezügliche Anträge der Grünen wurden vom Ausschuss einstimmig vertagt.

DIE KRITIK DER OPPOSITION           

Abgeordneter Peter Marizzi (S) leitete die Aussprache ein, indem er die Bedeutung der Bauwirtschaft und der Wohnungswirtschaft für den Arbeitsmarkt unterstrich und darüber klagte, dass derzeit zu wenig gebaut werde, obwohl die Arbeitslosigkeit sehr hoch sei. Außerdem kritisierte Marizzi Verschlechterungen im Mietrecht und im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. Marizzis Appell an den Wirtschaftsminister lautete, dafür zu sorgen, dass mehr Wohnungen gebaut und wirtschaftliche Impulse gesetzt werden.

Abgeordneter Johann Rädler (V) machte die sozialdemokratischen Abgeordneten darauf aufmerksam, dass noch nie so viel gebaut wurde wie derzeit. Seine Frage galt dem Energie-Contracting zur Erreichung des Kyoto-Ziels.

Abgeordnete Ruth Becher (S) wies auf die Kritik des Rechnungshofs an der Vorgangsweise beim Verkauf bundeseigener Wohnungen hin. Das Ziel, die Wohnungen den Mietern zu verkaufen, sei nicht erreicht worden, vielmehr seien die Wohnungen vorrangig an Investoren verkauft worden, die der Volkspartei und den Freiheitlichen nahe stehen.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) wollte vom Bundesminister wissen, ob in den nächsten beiden Jahren eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes beabsichtigt sei. Für kontraproduktiv hielt die Abgeordnete die Verwertung der bundeseigenen Wohnungen in kurzer Zeit, weil dies den Erlös mindere und Großinvestoren begünstige.

Auch Abgeordneter Dietmar Hoscher (S) erkundigte sich nach Plänen zur Aufhebung der Mietzinsobergrenzen und wollte wissen, wie mit der Wohnbaugenossenschaft der Eisenbahner verfahren werden soll.

Abgeordneter Johann Kurzbauer (V) interessierte sich für den Stand der großen Bau- und Sanierungsprojekte der BIG.

Abgeordneter Karl Dobnigg (S) kritisierte den Verkauf von BIG-Objekten an FP- und VP-nahe Investoren zu wie er sagte, "günstigen Preisen".

BARTENSTEIN WILL BEI DER THERMISCHEN GEBÄUDESANIERUNG JOBS SCHAFFEN  

Bundesminister Martin Bartenstein räumte ein, dass die Bauwirtschaft wichtige Funktionen für den Arbeitsmarkt habe, die österreichische Bauwirtschaft hinsichtlich BIP-Anteil und Arbeitsplätze im internationalen Vergleich jedoch eher als überbesetzt gelte. Es wäre daher zu kurz gegriffen, würde man einfach sagen: Wir brauchen mehr Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft.

Bei der thermischen Gebäudesanierung, der der ehemalige Umweltminister Bartenstein bei der Erreichung des Kyoto-Ziels zur Reduzierung der Treibhausgase große Bedeutung beimisst, könne man allerdings "Jobs schaffen".

Eine Verschlechterung der Situation der Mieter könne er nicht erkennen, sagte Bartenstein, im Gegenteil, der vermehrte Einsatz von Marktmechanismen im Wohnungsbau nütze den Wohnungs-Interessenten.

Beim Thema BIG vertrat der Ressortleiter eine andere Meinung als der Rechnungshof. Die Ausgliederung sei erfolgreich verlaufen und zeige positive Auswirkungen, schickte Bartenstein voraus und erläuterte den Abgeordneten die Preisgestaltung bei der Veräußerung bundeseigener Wohnungen, insbesondere den Unterschied zwischen "unbelastetem Verkehrswert", wie er Mietern verrechnet werde, und dem "Ertragswert", der bei der Veräußerung an Drittkäufer zur Anwendung komme.

Die Liegenschaftsverwaltung der BIG habe 4.650 Wohneinheiten übertragen erhalten und davon mit Stand Ende September 2003 3.752, also 79 % dieser Wohnungen verkauft, davon 602 an Mieter und 425 an Drittkäufer. Der Erlös betrug laut Bartenstein insgesamt 160 Mill. €, der Quadratmetererlös lag bei 538 €.

Die Mieter werden in jeden Fall gefragt, ob sie Kaufinteresse haben, wobei ein Kaufwunsch in der Regel erfüllt werde. Akzeptiert der Mieter eine zwölfjährige Verfügungsbeschränkung, erhält er einen Abschlag von 30 %, im Falle einer siebenjährigen Frist beträgt der Abschlag 20 %. Wohnungen, an denen kein Kaufinteresse seitens der Mieter besteht, werden im Zuge einer öffentlichen Versteigerung verkauft, teilte Bundesminister Bartenstein mit. Die kritisierten Veräußerungen seien jeweils an den Bestbieter erfolgt. Mieter seien jeweils nur dort nicht zum Zug gekommen, wo auf Seiten der Mieter zu wenig Interesse bestanden habe, die Wohnungen zu erwerben, unterstrich der Minister.

Aus seiner Sicht bestehe keine Absicht, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zu ändern, hielt Bartenstein fest.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen informierte der Ressortleiter über Bau- und Sanierungsprojekte der BIG, vor allem im Bereich von Schulen, Universitäten und Justizanstalten. Weitere bauliche Maßnahmen seien geplant beim Palais Epstein, im Wiener Universitätscampus, bei der Technischen Universität Graz, der Montanuniversität Leoben und bei der Wirtschaftsuniversität Wien.

Der Wirtschaftsminister bekannte sich nachdrücklich zum Energie-Contracting und nannte als Beispiel 300 BIG-Liegenschaften mit einem Gesamtenergieverbrauch von 663 MW/h, die durch thermische Gebäudesanierung um 15 % reduziert werden können, was eine CO2-Reduktion von 100.000 Tonnen pro Jahr und eine jährliche Energieersparnis von 7,2 Mill. € bringe.

Abgeordnete Doris Bures (S) erinnerte daran, dass es der für Österreich charakteristische Mix an Eigenheimen, Eigentumswohnungen und gemeinnützigen Wohnungen sei, der die Ursache dafür sei, dass leistbare Wohnungen zur Verfügung gestellt werden können. Daher warnte Bures davor, die gemeinnützigen Mieten zu erhöhen.

Hinsichtlich der BIG machte Bures auf deren Zuständigkeit für die Erhaltung der Gebäude aufmerksam. Massive Kritik übte sie an der Entscheidung des Justizministeriums, das Handelsgericht Wien und das Bezirksgericht Innere Stadt aus der Riemergasse abzusiedeln. Die BIG müsse nun für ein von ihr kürzlich saniertes Gerichtsgebäude eine neue Verwendung finden. Bures kritisierte auch die massiven Hindernisse, die dem Verkauf von bundeseigenen Wohnungen an die Mieter entgegenstehen. Von einem vorrangigen Verkauf an die Mieter könne keine Rede sei, sagte die Abgeordnete und wies darauf hin, dass jeweils 40 % der Mieter eines Gebäudes Kaufinteresse haben müssen, dieses Interesse aber wegen der "Wucherpreise" für die Wohnungen gering sei. Es sei einfacher an Immobilienhändler zu verkaufen, dies stehe aber im Widerspruch zu den Beteuerungen der Volkspartei, die Wohnungen vorrangig an die Mieter zu verkaufen.

Abgeordnete Moser (G) schlug in einer zweiten Verhandlungsrunde vor, Justizeinrichtungen und Schulen in bundeseigenen Gebäuden unterzubringen statt in fremden Objekten einzumieten. Beim Finanzausgleich 2005 sollte eine Zweckbindung für die Wohnbauförderung im Hinblick auf Sanierungsmaßnahmen vorgesehen werden, verlangte die Abgeordnete.

Abgeordneter Detlev Neudeck (F) wandte sich entschieden dagegen, dass Mieter, die eine bundeseigene Wohnung kaufen, "durch die Medien geschleift werden", wenn sie einer der beiden Regierungsparteien angehören. Die Absiedlung des Handelsgerichts aus der Riemergasse habe zu wesentlich verbesserten Arbeitsbedingungen der Richter und der Justizbediensteten geführt, sagte Neudeck und wandte sich gegen jede Skandalisierung durch die Opposition.

Bundesminister Martin Bartenstein bekannte sich zur bevorzugten Bedienung kaufwilliger Mieter und teilte mit, dass 16 % der verkauften Wohnungen von Mietern übernommen wurden, und zwar nicht zu überhöhten Preisen, wie der Minister festhielt. Nur dort, wo das Kaufinteresse zu gering war, habe die BIG mit Finanzinvestoren verhandelt. - Die Erhaltung der Gebäude sei von großer Bedeutung, sagte der Minister und bezifferte die für 2003 budgetierten Erhaltungskosten mit 157 Mill. €, fast gleich viel wie für Neubau und Sanierung zur Verfügung stehen.

Die thermische Althaussanierung ist der sinnvollste Weg zur Erfüllung des Kyoto-Ziels, eine Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel beim nächsten Finanzausgleich könne er aber nicht zusagen, weil dies nicht seine Kompetenz sei, schloss der Minister.

Weitere Fragen der Abgeordneten Dietmar Hoscher (S) und Maria Fekter (V), die der finanziellen Zukunft der BIG, einer allfälligen Gewinnabfuhr der Schloss Schönbrunn Gesellschaft an den Finanzminister und Schulbauten in Oberösterreich galten, versprach der Ressortleiter schriftlich zu beantworten.

Schließlich verhandelte der Bautenausschuss über zwei Entschließungsanträge der Grünen, die nach einer lebhaften Debatte einstimmig vertagt wurden.

GRÜNE WOLLEN WOHNHÄUSER ÖKOLOGISCH MODERNISIEREN ...

Um das Kyoto-Klimaschutzziel zu erreichen, seien auch Maßnahmen zur ökologischen Modernisierung des Wohngebäudebestandes notwendig, erläuterte Abgeordnete Gabriela Moder den Entschließungsantrag ihrer Fraktion. Deshalb müsse die Wohnbauförderung der Bundesländer mit dem Ziel weiterentwickelt werden, den Einsatz erneuerbarer Energien stärker zu fördern und die Objektförderung an ambitionierte Energie- und Klimaschutzkriterien zu binden bzw. entsprechende Staffelungen vorzusehen. Auch auf Bundesebene sollen Sanierungsanreize im Mietrechtsgesetz, im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und im Wohnungseigentumsgesetz geschaffen werden. Dabei soll unter anderem der Begriff "Erhaltungsmaßnahme" klar definiert und der Ausdruck "angemessene Rücklage" präzisiert werden. Generell soll der Bund eine Vorbildfunktion erfüllen und in einem Bundesgebäude-Klimaschutzprogramm eine 30-prozentige CO2-Reduktion bis 2010 anstreben (108/A[E]).

... UND EINHEITLICHE BAUORDNUNGEN

Darüber hinaus drängten die Grünen mit der Vorlage ihres Antrages 135/A[E] auf ein einheitliches Baurecht statt der bislang neun unterschiedlichen Bauordnungen in Österreich. Abgeordnete Gabriela Moser argumentierte mit Einsparungen von bis zu 15 %. Sie forderte den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auf, unverzüglich mit den Bundesländern in Verhandlung zu treten, um eine Vereinheitlichung der Bauordnungen auf einem hohen ökologischen Niveau zu erreichen.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) unterstrich die Zielsetzung, die Treibhausgase zu reduzieren und die Vereinbarungen von Kyoto zu erfüllen, auch deshalb, um zu verhindern, dass Österreich Pönale zahlen müsse.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) sah keine Gefahr für ein österreichisches Pönale, weil keine Strafzahlungen vereinbart worden seien. Es sei aber richtig, dass die thermische Gebäudesanierung ein wichtiges Thema sei, wobei sich Großruck mit Bezug auf aktuelle Studien auf Eigenheime konzentrieren möchte, die älter als 20 Jahre sind, da dort die größten Emissionsreduktionen erzielbar seien.

Abgeordneter Werner Kummerer (S) meinte, es sei hoch an der Zeit zu handeln, wobei er daran erinnerte, dass das auf europäischer Ebene für Österreich zunächst mit 25 % festgesetzte Reduktionsziel in Kyoto auf 13 % reduziert worden war und bereits im Jahr 1998 alle Hauptemittenten bekannt waren. Die Umweltminister der letzten Jahre hätten es aber nicht einmal geschafft, das Emissionsniveau von 1990 zu halten. "Wir sind vom Kyoto-Ziel meilenweit entfernt!", sagte Kummerer und appellierte an den Bundesminister, das Instrument der Wohnbauförderung für die thermische Wohnbausanierung einzusetzen.

Abgeordnete Maria Fekter (V) warf ein, dass der Wohnbau und seine Förderung in der Kompetenz der Länder liege. Dort stehe schon sehr viel auf Schiene, sagte die Abgeordnete und wies auf den "Energieausweis" hin, den das Institut für Bautechnik bereits 1997 konzipiert habe, eine Vorgabe, an die sich die Länder sehr genau halten. Sie sei gegen Zentralismus und für eine Vorreiterfunktion der gut geführten Bundesländer.

Abgeordnete Moser (G) unterstrich die Aufgabe der Bundespolitik, sich mit der Verwendung der Wohnbauförderungsmittel zu beschäftigen, weil es der Bund sei, der den Ländern das Geld dafür zur Verfügung stelle.

Abgeordneter Roderich Regler (V) erklärte den steigenden Energiebedarf mit dem steigenden Bedarf an Wohnfläche für eine zunehmende Bevölkerung, die mehr Einfamilienhäuser baue und in immer größeren Wohnungen lebe. Die Länder unternehmen sehr viel, um die Wärmedämmung zu forcieren. Man werde zusätzliche Förderungsmittel brauchen um zu verhindern, dass der Neubau zugunsten der Sanierung zurückgefahren werden müsse.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) plädierte dafür, sich die Aktivitäten der Bundesländer genau anzuschauen und machte darauf aufmerksam, dass viele bereits eingeleitete Maßnahmen in ihren Wirkungen statistisch noch nicht erfasst seien. Hofmann präferierte Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern durchzuführen und zwar dort, wo die größten Emissionsreduktionen erzielt werden können.

Während Abgeordnete Gabriela Moser (G) und Abgeordnete Ruth Becher (S) beim Thema einheitliche Bauordnungen dafür eintraten, der Bauwirtschaft bundeseinheitliche Rahmenbedingungen zu geben, wies Abgeordneter Roderich Regler (V) auf die sehr verschiedenen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern hin, die es zu berücksichtigen gelte. Da die Vereinheitlichung aber wichtig sei - etwa bei der Wärmedämmung - schlug Regler 15a-Verträge zur Abstimmung von Baunormen vor.

Staatssekretär Alfred Finz, der den bei den letzten beiden Tagesordnungspunkten abwesenden Wirtschaftsminister vertrat, stellte die Veröffentlichung einer Studie über die Musterbauordnung bis Ende dieses Jahres und eine Studie zur Abstimmung von Ö-Normen bis Ende 2005 in Aussicht. (Schluss)