Parlamentskorrespondenz Nr. 708 vom 07.10.2003

VÄTERKARENZ MUSS GELEBTES PARTNERSCHAFTLICHES MODELL WERDEN

----

Wien (PK) – Im öffentlichen Teil der Ausschusssitzung befassten sich die Mitglieder des Gleichbehandlungsausschusses mit dem Gleichbehandlungsbericht für das Jahr 2001 und führten diesen mit der einhelligen Kenntnisnahme einer Enderledigung zu.

Im Jahr 2001 verzeichnete die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen insgesamt 6.254 Beratungen (persönliche Gespräche, Telefonate, Interventionen im Betrieb, Kontakte mit AnwältInnen, Gespräche mit ExpertInnen in den Interessenvertretungen). Davon entfielen 46 auf das Arbeitsrecht, 27 auf das Sozialversicherungsrecht und fast 90 % (5.760) auf das Gleichbehandlungsgesetz. Hier wurden vor allem Informationen über die Tatbestände, Rechtsfolgen des Gesetzes und Unterstützungsmöglichkeiten (26 %) eingeholt. Die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung war in 21 % der Fälle ein Thema, gefolgt von der Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts bzw. Gewährung freiwilliger Sozialleistungen (15 %) sowie der Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg (11 %) und bei den Arbeitsbedingungen (10 %).

Im Berichtsjahr wurden 1.548 neue Beratungsfälle verzeichnet: 1.264 (76 %) betrafen das Gleichbehandlungsgesetz, 46 (4 %) das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und 238 (20 %) sonstige Gleichbehandlungsfragen. Gegliedert nach Tatbeständen ergibt sich, dass die Hälfte der Beratungsfälle das GlBG betreffen, 15 % sexuelle Belästigung, 9 % die Arbeitsbedingungen, je 8 % Entgelt/Sozialleistungen und die Begründung des Arbeitsverhältnisses und 5 % die Beförderung.

Der bereits im Jahre 2000 erkennbare Trend hat sich verstärkt, dass Frauen es selbst in die Hand nehmen wollen, ihre Benachteiligung im Betrieb anzusprechen und gegenüber ArbeitgeberInnen und Vorgesetzten für eine Verbesserung zu kämpfen. Daher wird die präzise rechtliche Abklärung der konkreten Arbeitsplatzsituation immer wichtiger, ebenso das Wissen über häufig vorgebrachte Gegenargumente. Auch Coaching und das Erarbeiten einer individuellen Verhandlungsstrategie bilden zunehmend einen wichtigen Teil der Beratungstätigkeit für selbst aktiv werdende Beschwerdeführerinnen.

Abgeordnete Heidrun Walther (S) hinterfragte die finanzielle Bedeckung für Coaching und das Erarbeiten einer individuellen Verhandlungsstrategie, ihr Fraktionskollege Hermann Krist kam auf die Gleichbehandlungsstandards von Beschäftigten bei Privatisierungen und Ausgliederungen zu sprechen, und die Abgeordneten Brigid Weinzinger (G) und Gertrude Brinek (V) interessierten sich für die Weiterentwicklung der Gesetzgebung. Die Personalausstattung der Gleichbehandlungsanwaltschaften war eine Frage der Abgeordneten Elisabeth Grossmann (S). Die Installierung von Frauenförderplänen, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Benachteiligung von Frauen beim Wiedereinstieg etwa durch  Rückstufung oder Verweigerung von Teilzeit aus betrieblichen Gründen sprach S-Abgeordnete Gisela Wurm an.

In diesem Bericht werde darauf hingewiesen, dass es den Frauen nicht leicht gemacht werde, einen Kinderwunsch zu realisieren, sagte Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) und wies darauf hin, dass den wenigen Männern, die den Karenzurlaub in Anspruch nehmen wollen, oft eine Kündigung angedroht werde. Mit der sexuellen Belästigung und mit den regionalen Unterschieden bei den Anwaltschaften befasste sich Elke Achleitner (F). Angesprochen wurden weiter von Abgeordneter Sabine Mandak (G) der Entwurf zum Gleichbehandlungsgesetz, von Abgeordneter Gabriele Binder (S) der Leitfaden für ArbeitgeberInnen zur geschlechtergerechten Sprache und von Ausschussobfrau Barbara Prammer vor allem die „extrem knappe personelle“ Ausstattung der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat verwies im Zusammenhang mit der personellen Ausstattung der Gleichbehandlungsanwaltschaft darauf, dass im Jahr 2002 die Kommissionsvorsitzende hauptamtlich eingesetzt wurde und die Regionalanwaltschaften ausgebaut werden konnten. Gerade mit den erleichterten Zugängen zu den Gleichbehandlungsanwaltschaften werde die Frequenz steigen; damit nehme auch die Bereitschaft zu, Diskriminierungen auf- und anzuzeigen, so die Ressortchefin.

Im Rahmen einer neuen Geschäftseinteilung im Ministerium wurde eine Frauenserviceabteilung geschaffen, die sich auch mit Fragen von MigrantInnen, insbesondere mit der Strategie zur Integration von MigrantInnen, beschäftigen wird. Dieser Schwerpunkt wurde bewusst gesetzt; unberührt bleiben die Förderungen an die 33 Beratungsstellen, die sich auch mit der Beratung von MigrantInnen befassen, sagte Rauch-Kallat. Zwei Personen arbeiten in dieser Abteilung, und zwar eine türkische Kurdin mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die seit mehr als 10 Jahren in Österreich lebt, und eine österreichische Staatsbürgerin polnischer Herkunft, um den „Bereich der Erweiterung der EU abzudecken“.

Gemäß dem neuen Gleichbehandlungsgesetz werde es insgesamt 7 Planstellen mehr geben. Von den 4 A-Stellen sind 2 für die Kommission und 2 für die Gleichbehandlungsanwaltschaft vorgesehen.

In einer Regierung ist es üblich, dass man im Entwurfstadium miteinander redet und kooperiert, meinte die Ministerin zu der Frage, weshalb die Stellungnahme ihres Ressorts „schlank“ ausgefallen sei. Sie habe im Vorfeld ihre Vorstellungen eingebracht, sie wurden aber nicht ganz befriedigend berücksichtigt. Dies betreffe den Zeitraum der Geltendmachung der sexuellen Belästigung und das Strafausmaß.

Im Hinblick auf die aufgezeigten Diskriminierungen aufgrund schlechterer Einstufungen nach der Karenz sprach Rauch-Kallat davon, dass dies laut Gesetz nicht erlaubt sei und die entsprechende Einstufung sichergestellt sein müsse.

Hinsichtlich der Kinderbetreuung werde es einen Runden Tisch mit den Bundesländern geben. Die Ministerin kann sich ein kombiniertes Modell von Kindergarteneinrichtungen und qualifizierten Tagesmüttern vorstellen. Was die Öffnungszeiten anlangt, gebe es ein neues Modell, das den Eltern entgegenkomme: von 7 Uhr bis 20 Uhr; ab 17 Uhr erfolge die Betreuung durch qualifizierte Tagesmütter.

Hinsichtlich der Väterkarenz meinte Rauch-Kallat, man müsse Bewusstsein bildend bei den Unternehmern, bei den Vätern und den Kollegen wirken und die Väterkarenz als etwas Positives darstellen. Väterkarenz darf – so Rauch-Kallat – nichts Exotisches, sondern hat ein gelebtes partnerschaftliches Modell zu sein.

Ingrid Nikolai-Leitner (Gleichbehandlungsanwaltschaft) machte darauf aufmerksam, dass Coaching als Teil der Beratung kostenlos erfolge; hierbei gehe es nicht um ein Coaching im wirtschaftlichen Sinn, sondern darum, die Frauen zu motivieren, selbst zu verhandeln. Dass es bei den Ausgliederungen Probleme gibt, räumte die Gleichbehandlungsanwältin ein und hielt es für die beste Lösung, das Bundesgleichbehandlungsgesetz weiter gelten zu lassen.

Im neuen Gleichbehandlungsgesetz werden einige Wünsche der Anwaltschaft umgesetzt; der Leitfaden der Anwaltschaft werde man auf die Website der Anwaltschaft stellen.

Bundesminister Martin Bartenstein machte darauf aufmerksam, dass nun das Begutachtungsverfahren zum neuen Gleichbehandlungsgesetz abgeschlossen sei. 2, 3 Antidiskriminierungsrichtlinien seien eingearbeitet worden. Der Entwurf „docke an das Arbeitsrecht an“, weil das Problem der Ungleichbehandlung überwiegend im Arbeitsleben bestehe. Bei diesem Gesetz handle es sich um „keine Neuerlassung, sondern um eine umfassende Novelle“, unterstrich der Ressortleiter.

Zur Regelung auf Teilzeitarbeit erklärte der Minister, er stehe zu der 20-Mitarbeiter-Grenze, weil man die wirtschaftliche Realität im Auge haben müsse, ein Arbeitgeber mit 2, 3, 4 oder 5 Arbeitnehmern werde sich schwer tun, wenn es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit gibt. Bisher gab es den Rechtsanspruch auf Teilzeit im Zusammenhang mit der Teilkarenz, das werde nun ausgebaut: In Zukunft werde es in einem Unternehmen bis 20 Mitarbeiter innerhalb der ersten vier Lebensjahre des Kindes einen Rechtsanspruch auf Teilzeit geben, mit der Einschränkung, wenn es kein Einvernehmen mit dem Arbeitgeber gibt, dann habe der Arbeitnehmer zu klagen.

Eine Bestimmung betreffend Behandlungspflicht der Gutachten der Anwaltschaft durch die Richterschaft (eine Frage der Abgeordneten Grossmann, S) sei laut Justizministerium überflüssig, weil sich der/die RichterIn mit diesem Gutachten schon derzeit auseinander zu setzen habe.

Diskriminierende Bewerbungsgespräche sind nicht statthaft, sagte Bartenstein in Richtung Abgeordneter Kuntzl und sprach davon, dass Arbeitgeber und Personalisten umdenken müssen. (Forts.)