Parlamentskorrespondenz Nr. 735 vom 14.10.2003

HALBJAHRESBERICHT DES VERSÖHNUNGSFONDS IM HAUPTAUSSCHUSS

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Wien (PK) - Nach der Diskussion im Vorfeld des Europäischen Rates am 16. und 17. Oktober 2003 in Brüssel nahmen die Mitglieder des Hauptausschusses den Bericht des Kuratoriums des Österreichischen Versöhnungsfonds (ÖVF) über dessen Tätigkeit im ersten Halbjahr 2003 in Verhandlung. Weitere Tagesordnungspunkte betrafen die Ausbildung von Grundwehrdienern im Ausland, eine Neufestsetzung der Pauschalvergütung für Leistungen von RechtsanwältInnen und die im zweiten Quartal 2003 bewilligten Ausfuhrförderungen.

Dem Bericht des Kuratoriums des Versöhnungsfonds ist zu entnehmen, dass mit Stichtag 2. Juli 2003 insgesamt 104.061 Anträge von ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern genehmigt wurden, die zu Zeiten des NS-Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich eingesetzt waren. 8.343 Anträge waren zum selben Zeitpunkt noch offen. Die bisher zuerkannte Entschädigungssumme beträgt rund 246,46 Mill. €. Aufgrund einer im Frühjahr dieses Jahres beschlossenen Fristverlängerung können ehemalige Zwangs- und Sklavenarbeiter noch bis zum 31. Dezember 2003 Anträge einbringen, die Funktionsdauer des ÖVF läuft bis zum 31. Dezember 2004.

Von den bis Juli 2003 genehmigten Anträgen entfielen 86.324 Anträge auf die Partnerorganisationen (Ukraine: 38.574, Polen: 19.497, Tschechische Republik: 10.859, Russische Föderation: 11.574, Belarus: 2.906 und Ungarn: 2.914) und 17.737 auf Individualanträge.

Die Mitglieder des Hauptausschusses nahmen den Halbjahresbericht nach kurzer Debatte einstimmig zur Kenntnis, Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) trat angesichts von im Bericht angesprochenen Problemen mit der russischen Partnerorganisation des ÖVF aber dafür ein, die Kontrolle zu verstärken. Das Geld müsse bei den Betroffenen ankommen und dürfe nicht unterwegs hängen bleiben, bekräftigte sie.

Wolfgang Renezeder, der den Generalsekretär des Versöhnungsfonds, Botschafter Richard Wotava, bei der Sitzung vertrat, informierte die Abgeordneten darüber, dass sich die Zusammenarbeit mit der russischen Partnerorganisation mittlerweile stark verbessert habe. Auch deren Gebarung ist seiner Auskunft nach in Ordnung. Alle Beträge, die nicht an die Betroffenen ausbezahlt worden sind, seien auf das Konto des ÖVF rücküberwiesen worden. Renezeder zufolge erfolgt die Kontrolle des ÖVF und der Partnerorganisationen durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, etwa 2 % der Auszahlungen werden durch Schreiben an die Leistungsempfänger selbst geprüft.

Der im Jahr 2000 eingerichtete Versöhnungsfonds erbringt an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des NS-Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich finanzielle Leistungen als freiwillige Geste. Die im vorliegenden Bericht dokumentierten Tätigkeiten und Leistungen des Fonds geben unter anderem auch Aufschluss über dessen oft sehr aufwändige Bemühungen, eine möglichst hohe Anzahl noch lebender Sklaven- und ZwangsarbeiterInnen zu erreichen. Das Büro sowie der Generalsekretär des Versöhnungsfonds unterhalten daher mit den sechs Partnerorganisationen in Polen, in Ungarn, in der Tschechischen Republik, in der Russischen Föderation, in der Ukraine und in Belarus laufend Kontakte.

Da sich die Arbeit mancher Partnerorganisationen bereits in der Schlussphase befindet, häuft sich die Zahl der schwierig zu beurteilenden Fälle, was umfangreiche Recherchen notwendig macht. Als besonders zeitintensiv erweist sich die Bearbeitung der Einzelanträge, weil in den eingelangten Schreiben oft keine Unterlagen zur genauen Dokumentation angeschlossen sind.

Eine intensive Kooperation gibt es auch mit dem Internationalen Wanderungsamt (IOM), mit der Jewish Claims Conference und dem österreichischen Nationalfonds, da als gesichert angenommen werden kann, dass sich unter den tausenden Anträgen an diese Organisationen zahlreiche Ansuchen befinden, die in die Zuständigkeit des ÖVF fallen. Deshalb wird den Ablehnungsschreiben des IOM ein Informationsblatt des ÖVF beigelegt, für die Opfergruppe des Nationalfonds wurde ein eigener Fragebogen entworfen. Mit all diesen Schritten will man verhindern, dass Anträge erst nach Ablauf seiner Funktionsdauer beim Versöhnungsfonds eintreffen.

Im Rahmen des Projekts der österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und des ÖVF konnten im Berichtszeitraum zehn weitere ehemalige Zwangsarbeiter in österreichischen Krankenhäusern kostenlos operiert werden. Die vom ÖVF beigesteuerten Kosten belaufen sich auf 29.875 €.

AUSBILDUNG VON GRUNDWEHRDIENERN IM AUSLAND

In weiterer Folge nahmen die Mitglieder des Hauptausschusses einen Bericht von Verteidigungsminister Günther Platter betreffend die Entsendung von Grundwehrdienern zu Übungen im Ausland einhellig zur Kenntnis. Vorgesehen sind Übungen zur Ausbildung von ABC-Abwehr-Kräften in der Tschechischen Republik am Übungsplatz Vyskov/Dedice vom 15. bis 19. September und vom 3. bis 8. November. Darüber hinaus sollen Grundwehrdiener in Polen eine Ausbildung für die Flugabwehr am Übungsplatz Ustka vom 15. bis 26. September 2003 sowie in der Schweiz eine Fahr-Ausbildung für den Kampfpanzer Leopard am Übungsplatz Thun vom 3. bis 19. Oktober und 14. bis 30. November 2003 erhalten.

PAUSCHALVERGÜTUNG FÜR RECHTSANWÄLTE WIRD NEU FESTGESETZT

Gleichfalls einstimmig passierte ein Verordnungsentwurf des Justizministers zur Neufestsetzung der Pauschalvergütung des Bundes für Leistungen von RechtsanwältInnen den Hauptausschuss. Damit wird die Pauschalvergütung, die dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für Leistungen der Rechtsanwälte im Rahmen der gerichtlichen Verfahrenshilfe 2003 und die folgenden Jahre überwiesen wird, nunmehr mit 15 Mill. € jährlich festgelegt. Die letzte Anpassung war 1995 erfolgt.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) stimmte dem Verordnungsentwurf zwar zu, meinte aber, auf Dauer werde man bei der gerichtlichen Verfahrenshilfe nicht ohne eine Systemänderung auskommen. Wolle man auch weiterhin eine adäquate Rechtsvertretung garantieren, müssten andere Vergütungssätze zur Anwendung kommen.

AUSFUHRFÖRDERUNG IM 2. QUARTAL 2003

Schließlich stand der Bericht des Finanzministers über die im 2. Quartal 2003 gemäß Ausfuhrförderungsgesetz übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen auf der Tagesordnung des Hauptausschusses. Demnach wurden zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2003 zehn Garantien übernommen, die im Einzelfall den Betrag von 7 Mill. € überstiegen haben. Als Abnehmerländer werden im Bericht angeführt: Albanien (1), Bulgarien (1), China (2), Iran (2), Kroatien (1), Philippinen (1), Serbien-Montenegro (1) und Türkei (1).

Gegliedert nach Regionen beziffern sich die Haftungsstände über 36,4 Mill. € per 30. Juni 2003 wie folgt (Beträge auf  Mill. € gerundet): Afrika 2.258; Asien 5.304; Amerika gesamt 796 und Europa 9.108, davon ehemaliger Ostblock 7.414.

Der Haftungsrahmen von 35 Mrd. € wurde zum Quartalsultimo mit 30,28 Mrd. € ausgenützt, davon entfielen 7,368 Mrd. € auf Umschuldungskredite. Neuzusagen gab es in der Höhe von 1,378 Mrd. €.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) wies darauf hin, dass die Grünen bereits mehrfach eine aussagekräftigere Gestaltung des Quartalsberichts eingemahnt hätten. So ist für sie beispielsweise die Gliederung der Daten zum Teil "unlogisch".

Finanzstaatssekretär Alfred Finz sagte zu, eine etwaige Ausweitung der Berichtsdaten zu prüfen. Von Lunacek auf ein bestimmtes Staudammprojekt in der Türkei angesprochen, hielt Finz fest, die die Türkei betreffende Haftungsgarantie beziehe sich auf die Teilerneuerung eines bestehenden Maschinenparks von Bahnbaumaschinen.

Der Bericht des Finanzministers wurde mit SP-VP-FP-Mehrheit zur Kenntnis genommen. (Forts.)