Parlamentskorrespondenz Nr. 737 vom 14.10.2003

EINE WACHSTUMSSTRATEGIE FÜR EUROPA

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Wien (PK) - Bundeskanzler Schüssel berichtete in der heutigen Sitzung des Hauptausschusses über die von der italienischen Präsidentschaft forcierte Wachstumsinitiative, die Gesamtinvestition in transeuropäische Netze und wichtige F&E-Vorhaben vorsieht.

Diese seien mit dem Wachstums- und Stabilitätspakt vereinbar und stellten keinen Widerspruch zur Reformagenda von Lissabon dar. Nachdem die Fortschritte bei den TEN-Projekten in den letzten zehn Jahren ungenügend gewesen seien, habe die Kommission nun einen Vorschlag für 29 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 200 Mrd. € bis zum Jahr 2020 vorgelegt. Österreich sei dabei gut vertreten mit der Brennerachse, mit der Donauachse (Eisenbahnverbindungen Paris-Pressburg-Athen-Dresden sowie Danzig-Warschau-Brünn-Wien)  und mit der Autobahnverbindung Danzig-Brünn-Pressburg-Wien. Der Kofinanzierungssatz werde von 10 % auf bis zu 30 % angehoben. Darüber hinaus stelle die Europäische Investitionsbank bis zum Jahr 2010 50 Mrd. € zur Verfügung. Für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprojekte sollen bis 2010 40 Mrd. € zur Verfügung gestellt werden.

Das Ziel, die Forschungsquote auf 3 % des BIP anzuheben, werde man nur erreichen, wenn man auch den privaten Sektor stärker miteinbeziehe. Daher wolle man den Risikokapitalmarkt öffnen und steuerliche Anreize schaffen. Es soll nun ein Quickstart-Programm erstellt werden, über das bei der Frühjahrstagung des Europäischen Rates Bericht erstattet werde, eine abschließende Bewertung soll es nach fünf Jahren geben.

Als zentral und notwendig bezeichnete Caspar Einem seitens der SPÖ dieses Wachstumsinitiative, da sie ein klares Signal darstelle, aus der Stagnation herauszukommen. Es sei daher notwendig, rasch Schritte zu setzen, weshalb ihn die Aussage der Außenministerin überrascht habe, man wolle den Frühjahrsrat nicht präjudizieren. Dazu meinte der Bundeskanzler, dass die Beschäftigung ganz bewusst ein zentrales Thema des Frühjahrsrates sein werde, die Wachstumsinitiative solle aber bereits jetzt gestartet werden, da die Umsetzung ohnehin nicht von heute auf morgen möglich sei. Nachdem Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) die Task-Force zum Beschäftigungsprogramm angesprochen hatte, erläuterte der Bundeskanzler die Zusammensetzung dieses Weisenrates aus sieben Beratern und sagte, dass man mit dieser Gruppe ständig in Kontakt sei.

Abgeordneter Niederwieser (S) thematisierte auch die stärkere Heranziehung privaten Kapitals, worauf der Bundeskanzler zur Problematik der Eigenmittelquelle der EU Stellung nahm. Man werde nach 2005, so der Kanzler, um eine Verteilungsdiskussion nicht herum kommen, da die Aufgaben der EU bald nicht mehr finanzierbar seien.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) erläuterte nochmals die im grünen Antrag dargelegten Bedenken gegen die Wachstumsinitiative und unterstrich die Notwendigkeit, Wirtschafts- und Verkehrswachstum zu entkoppeln. Man sollte auch der Forschung und Entwicklung mehr Gewicht verleihen, sagte Evelin Lichtenberger, und warnte davor, die Fortschritte auf sozialem und ökologischem Gebiet zunichte zu machen.

Vorbehaltlos begrüßt wurde die Wachstumsinitiative von Abgeordnetem Wattaul (F) sowie von den V-Abgeordneten Regler und Molterer. Abgeordneter Regler meinte, dass es auch im österreichischen Interesse liege, die nunmehr verknüpften Netze rasch zu realisieren. Begrüßenswert sei die Tatsache, dass der Schwerpunkt der Projekte eindeutig beim Schienenverkehr liege. Er unterstrich abermals, dass keinerlei Konventionen, soziale und ökologische Standards aufgehoben werden sollen, die Beseitigung technischer Hemmnisse bedeute lediglich die Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme und der unterschiedlichen Ausbauelemente.

MIGRATION UND ASYLPOLITIK, JUSTIZIELLE ZUSAMMENARBEIT

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel berichtete den Abgeordneten auch, dass abseits von den Themen Regierungskonferenz und Wachstumsinitiative Themen des Justiz- und Innenbereiches auf der Tagesordnung des kommenden Europäischen Rates stünden. So werde man die Außengrenzkontrolle, die Migrationskontrolle, die Zurückführungspolitik, Biometrie, Erhöhung der Sicherheit von Visa und Reisedokumenten sowie die justizielle Zusammenarbeit diskutieren. Österreich hege Bedenken gegen die Außengrenzagentur, da hier mehr das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen kommen solle. Die Kommission habe auch einen Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Quote und Erleichterungen im Visabereich vorgelegt. Österreich wolle aber hier vorsichtig vorgehen, denn die Visapolitik dürfe nicht als politische Belohnung aufgefasst werden. Österreich unterstütze auch die Vorschläge in Bezug auf Biometrie, hier wünsche man sich aber auch ein koordiniertes Vorgehen mit den USA.

IRAK UND IRAN

Schließlich beantwortete Bundesministerin Ferrero-Waldner Fragen der Abgeordneten Ulrike Lunacek (G) zum Irak und zum Iran. Die EU werde zum Aufbau im Irak einen Beitrag von 200 Mill. € leisten. Wie hoch der österreichische Beitrag sei, konnte die Ministerin noch nicht sagen, über die Entwicklungszusammenarbeit werde man aber 1,7 Mill. € zur Verfügung stellen, wobei die 50.000 € für die aus dem Irak geholten verletzten Kinder eingerechnet seien. Die EU trete auch für eine stärkere Rolle der UNO ein sowie für baldige demokratische Wahlen und die Wiederherstellung einer repräsentativen Regierung. Dies sei aber ein äußerst heikler Prozess. Man sei bestrebt, Aufträge auch an irakische Firmen zu vergeben, sagte die Ministerin und ließ durchblicken, dass der neue US-Entwurf für eine Irak-Resolution echte Chancen habe, im UNO-Sicherheitsrat angenommen zu werden.

Man habe auch über die Menschenrechte im Iran diskutiert, sagte Ferrero-Waldner und wies auf den Menschenrechtsdialog vom 8. Oktober hin. Dabei habe ein sehr offenes Klima geherrscht und die EU habe ein Moratorium zur Todesstrafe verlangt. Prinzipiell sei der Iran ein Sorgenkind in Bezug auf Atomwaffen. (Schluss)