Parlamentskorrespondenz Nr. 738 vom 14.10.2003

INNENAUSSCHUSS DEBATTIERT ASYLGESETZ

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Wien (PK) - Am 23. September hielt der Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Asylgesetz-Novelle 2003, zu Änderungen des Bundesbetreuungsgesetzes, des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat und des Meldegesetzes ein Hearing mit Experten ab. Heute erfolgte die politische Debatte hiezu. Vorerst einigte man sich aber darauf, am Montag, dem 20. Oktober, die Ausschussberatungen ab 14 Uhr fortzusetzen und abzuschließen.

Von der ÖVP wurde namens der beiden Regierungsparteien ein Abänderungsantrag und eine Ausschussfeststellung eingebracht. Der Antrag sieht u.a. vor, dass die Fremden bis zur Entscheidung, ob ein anderer Mitgliedstaat der EU oder Norwegen oder Island zur Behandlung des Asylantrages zuständig ist, einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden können. Auch sind der Fremde und das von ihm mitgeführte Gepäck anlässlich der Einbringung eines Asylantrages in der Erstaufnahmestelle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder von hiezu ermächtigten Organen des Bundesasylamtes zu durchsuchen. Neu ist auch, dass der Berufung stattzugeben ist, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei zurückzuweisen, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde den Antrag zuzulassen und an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Der Berufung ist auch stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, wenn der Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde. Wurde der Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt, hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Neu definiert werden auch die Betreuungseinrichtungen.

Änderungen gibt es auch im Bundesbetreuungsgesetz. Demnach übernimmt der Bund die Betreuung hilfsbedürftiger Asylwerber. Die Bundesbetreuung umfasst Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Trotz bestehender Hilfsbedürftigkeit können in die Bundesbetreuung nicht aufgenommen werden: Staatsangehörige von EU-Mitgliedsländern, der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein; Staatsangehörige von Staaten, die ab 1.5.2004 EU-Mitgliedsstaaten sind; Asylwerber, die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität bzw. ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken; Asylwerber, die ihren Asylantrag aus asylfremden Motiven eingebracht haben; Asylwerber, die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, wenn auch nicht rechtskräftig, verurteilt wurden.

In einer Ausschussfeststellung deponiert der Ausschuss, dass die in der AsylG-Novelle 2003 getroffenen Abweichungen von den allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzen in Anlehnung an die Judikatur des VfGH geschehen und diese Abweichungen zur effektiven und effizienten Führung der Asylverfahren unerlässlich sind. Außerdem legt der Ausschuss Wert auf die Feststellung, dass Bestimmungen im Zweifelsfall verfassungskonform zu interpretieren sind. Vom Ausschuss wird insbesondere die Norm des § 24b begrüßt, mit der erstmals ein "Sonderverfahren" für Folteropfer und Traumatisierte in die österreichische Rechtsordnung Eingang findet, und unterstrichen, dass die Zulassung zum materiellen Verfahren bei diesen Menschen zu einer besonders raschen Asylgewährung führen kann und wird.

In der Debatte listete Abgeordneter Walter Posch von der SPÖ die Mängel der Regierungsvorlage auf. So seien die Drittstaatensicherheit und Punkte bei unbegründeten Anträgen unzureichend geregelt. Verbesserungen müsste es seiner Meinung nach beim Rechtsschutz, bei der Berufungsmöglichkeit, der Ausweisung, beim Asylverzicht, bei der Zurückweisung und bei der Durchsuchung geben. Er bedauerte auch, dass all das, was die Experten im Hearing gesagt haben, im Abänderungsantrag keine Berücksichtigung gefunden habe. Daher zog er für sich den Schluss, dass diese Novelle dazu diene, Asylanten ausweisen zu können.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) meinte, es sei gemeinsames Anliegen aller Fraktionen, dass die Asylverfahren schneller und effizienter abgewickelt werden. Die Kritik an der überlangen Verfahrensdauer sei nicht neu; die Verfahren können aber, da keine personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, nicht beschleunigt werden; hinzu komme, dass die Zahl der Asylsuchenden, die Schutz vor Vertreibung und Verfolgung suchen, "imponierend" groß ist. Die "politische Kunst" bestehe nun darin, Wege zu finden, damit internationale Verpflichtungen eingehalten werden und gleichzeitig humanitär einwandfrei vorgegangen wird und ein rechtsstaatlich gesichertes Verfahren abgewickelt wird. Alle wollten, dass die Verfahren gestrafft werden, aber die Grünen lehnen den von der Koalition eingeschlagenen Weg ab. Enttäuschung zeigte sie über den Abänderungsantrag.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) erklärte, bei fast 40.00 Asylansuchen müsse man nüchtern überlegen, was man machen könne. Ein Großteil dieser Menschen komme nach Österreich, weil sie keine Arbeit haben oder sich hier operieren lassen wollen, meinte sie unter Bezugnahme auf ihren Besuch im Flüchtlingslager Traiskirchen. Die Genfer Konvention nannte sie sehr streng und konsequent. Gemäß der Konvention können straffällig gewordene Asylwerber abgeschoben werden, nur die Rechtsprechung habe diesen Grundsatz der Konvention aufgeweicht, merkte sie an. Eine strikte Handhabung des Asylgesetzes werde ihrer Meinung nach die Verfahren beschleunigen.

Innenminister Ernst Strasser erläuterte die Intentionen des Entwurfs und meinte, die Ziele seien klar. Die Verfahren sollten rascher zu Ende gebracht und im Rahmen der EU sollte eine Harmonisierung herbeigeführt werden können, weiters gehe es um Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Das Regierungsmitglied dankte dem Abgeordneten Miedl für die Abänderungen und ging auf gestellte Detailfragen ein.

Abgeordnete Gisela Wurm (S) kritisierte die Vorgangsweise der Regierungsfraktionen, eine so große Änderung wie hier mit dem Bundesbetreuungsgesetz, welches möglicherweise sogar verfassungs- und Flüchtlingskonventionswidrig sei, so kurz vor der geplanten Beschlussfassung einzubringen. So gesehen sei es beruhigend, dass es am Montag eine weitere Sitzung geben werde, wodurch man sich zuvor alles in Ruhe anschauen und mit den Ländern besprechen könne. Abgeordneter Otto Pendl (S) thematisierte vor allem die Situation bei den Quartieren und bemängelte ebenfalls die von den Regierungsfraktionen gewählte Vorgangsweise.

Abgeordneter Günter Kößl (V) verteidigte die gewählte Vorgangsweise der Regierungsparteien als der Geschäftsordnung entsprechend und meinte, bei diesem Entwurf sei alles gesetzeskonform. Man habe vieles von dem, was die Experten vorgebracht hätten, in den Entwurf aufgenommen. Die Rechtssicherheit werde deutlich erhöht, die Verfahren würden beschleunigt, der Schutz der Familienangehörigen und die Familienzusammenführung optimiert, während man Missbrauch nun effizient verhindern könne. Seine Fraktionskollegen Norbert Kapeller, Alfred Schöls und Matthias Ellmauer unterstrichen diesen Standpunkt. Abgeordneter Eduard Mainoni (F) meinte, laut Spruchpraxis seien 90 Prozent der ins Land kommenden Fremden keine Flüchtlinge, und darauf müsse das Gesetz abstellen. Der vorliegende Entwurf beseitige die bestehenden Probleme, Österreich setze dadurch ein Signal. Einerseits werde sichergestellt, dass alle Asyl erhielten, die es benötigen, andererseits zeige man, dass Österreich eben kein Einwanderungsland sein könne.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) warf den Regierungsparteien vor, mit diesem Entwurf zynisch zu agieren und ortete einen grundlegenden Widerspruch zwischen dem behaupteten Anspruch und den zu erwartenden Auswirkungen dieser Vorlage, die ja von den Experten generell kritisiert worden sei. Es sei empörend, wie mit Menschen, die Folter und Verfolgung erdulden mussten, umgegangen wird, sagte Weinzinger, die darauf hinwies, dass Waris Dirie für ihr Engagement gegen Genitalverstümmelungen zwar unlängst einen Preis in Österreich erhalten habe, sie aber nicht Asyl bekommen würde. Drohende Genitalverstümmelung sei in letzter Zeit nur in zwei Fällen als Asylgrund anerkannt worden, so Weinzinger.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) konstatierte, die Regierung habe offenbar aus den VfGH-Erkenntnissen nichts gelernt und laufe sehenden Auges in die Verfassungswidrigkeit. Es werde halt die 44. Aufhebung werden, prophezeite Krainer, der zahlreiche Widersprüche zur EU-Richtlinie ortete und die Aussagen Partik Pables als sachlich falsch zurückwies. Österreich müsse Asylanträge entgegennehmen, das sei durch eine eigene EU-Verordnung klar geregelt. Durch die Genfer Flüchtlingskonvention sei Österreich zudem verpflichtet, einem Flüchtling Schutz zu gewähren, der im übrigen auch gar nicht auf diesen verzichten könne, weshalb entsprechende Passagen in der Vorlage entbehrlich seien.

Auch der UNHCR sehe die Sache hier völlig klar, die Kritik an Österreich erfolge bei weitem nicht nur von regionaler Seite, hier gebe es eine eindeutige Linie des gesamten Hochkommissariats. Krainer votierte dafür, die Standards des Asylgesetzes sollten nicht die niedrigsten, sondern die höchsten sein, weil hier potentiell über Leben und Tod entschieden werde. Krainer berichtete zudem von einem Fall, wo ein Inder in 1. Instanz abgelehnt worden war, weil seine Ortsangaben unzutreffend gewesen seien. Die Berufungsinstanz habe aber aufgedeckt, dass sich die 1. Instanz auf eine veraltete Karte gestützt und so eine falsche Entscheidung getroffen habe. Es sei fraglich, ob mit dem neuen Entwurf solche Fehler noch korrigiert werden könnten, schloss Krainer.

Bundesminister Strasser sagte, die EU-Richtlinie werde natürlich umgesetzt, persönlich würde er sie gerne so früh wie möglich umsetzen, doch müsste man zunächst hier zu einem Ergebnis kommen. In Sachen Genitalverstümmelung gebe es eine ganz klare Verwaltungspraxis, wonach diese selbstverständlich als Asylgrund anerkannt werde. Diesbezüglich gebe es auch zahlreiche Spruchentscheidungen des UBAS. Die Quartierfrage müsse, so Strasser weiter, einer zufrieden stellenden Lösung zugeführt werden, denn Massenquartiere seien in der Tat nicht mehr zeitgemäß. Konkrete Detailfragen wurden von Mitarbeitern des Ressorts beantwortet. (Schluss)