Parlamentskorrespondenz Nr. 740 vom 15.10.2003

VERFASSUNGSAUSSCHUSS BEFASST SICH MIT BERICHTEN DER VOLKSANWALTSCHAFT

Volksanwälte orten geringes Grundrechtsbewusstsein in der Verwaltung

Wien (PK) - Die Volksanwälte Peter Kostelka und Ewald Stadler kritisierten heute im Verfassungsausschuss des Nationalrates das ihrer Ansicht nach zu geringe Grundrechtsbewusstsein in der Verwaltung. Die Verwaltung gehe in weiten Bereichen davon aus, dass sich das Parlament um Grundrechte zu kümmern habe und Gesetze grundrechtkonform gestalten müsse, und vertrete die Auffassung, sie selbst gehe der Grundrechtskatalog nichts an, meinte Kostelka. Immer wieder landeten grundrechtsrelevante Beschweren bei der Volksanwaltschaft. Als Beispiel für mangelndes Grundrechtsbewusstsein der Behörden nannte Stadler beispielsweise den Verkauf von Meldedaten aus dem zentralen Melderegister und den Umgang mit überlangen Verfahren im Justizbereich.

Im Verfassungsausschuss debattiert wurden darüber hinaus von der Volksanwaltschaft aufgezeigte Probleme im Bereich der Gemeindeverwaltung und in Teilbereichen der Sozialgesetzgebung. Lob für die Verwaltung gab es seitens Volksanwältin Rosemarie Bauer für die Abwicklung der Hochwasserentschädigungen. Abgeordnete Terezija Stoisits (G) beklagte, die Anregungen der Volksanwaltschaft würden vom Parlament "nicht so hundertprozentig ernst genommen, wie es notwendig wäre".

Grundlage für die Diskussion im Verfassungsausschuss bildeten zwei Berichte der Volksanwaltschaft (III-4 d.B. und III-39 d.B.). Aus ihnen geht hervor, dass sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger an die Volksanwaltschaft wenden, allein im Jahr 2002 wurden 14.851 Fälle gezählt. Ursache dafür dürfte nicht zuletzt die ORF-Sendereihe "Volksanwalt - Gleiches Recht für alle" sein, die, wie es im Bericht 2002 heißt, gleich zu Beginn auf ein sehr positives Echo gestoßen ist und den Bekanntheitsgrad der Volksanwaltschaft stark erhöht haben dürfte.

Allerdings können die drei VolksanwältInnen - Rosemarie Bauer, Peter Kostelka, Ewald Stadler - nicht allen, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, auch tatsächlich helfen. Viele Beschwerdefälle betrafen nicht den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft, bei einer Reihe weiterer war ein Prüfungsverfahren nicht möglich, weil die behördlichen Verfahren noch im Laufen waren oder den BeschwerdeführerInnen noch ein Rechtsmittel offen stand. Letztendlich wurden im Jahr 2002 6.896 Prüfungsverfahren eingeleitet.

Abgeschlossen wurden im gleichen Zeitraum 7.410 Prüfverfahren, wobei 23 besonders schwer wiegende Fälle zu einer formellen Empfehlung bzw. zu einer Missstandsfeststellung führten. Weitere 642 Beschwerden waren nach Ansicht der Volksanwaltschaft berechtigt. In immerhin 3.698 Fällen sahen die VolksanwältInnen hingegen keinen Anlass für eine Beanstandung. Die übrigen erledigten Beschwerden wurden entweder zurückgezogen, erwiesen sich als unzulässig bzw. als nicht in die Kompetenz der Volksanwaltschaft fallend oder waren zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung nicht geeignet.

Für sich selbst wünschen sich die VolksanwältInnen eine Ausdehnung ihrer Prüfungsbefugnis auf ausgegliederte Rechtsträger. Zudem drängen sie auf eine Ermächtigung, selbst Normenprüfungsverfahren einleiten und Amtsbeschwerden zur Wahrung eines Gesetzes erheben zu dürfen. Eine Hemmung von Verjährungsfristen würde es BeschwerdeführerInnen ihrer Ansicht nach darüber hinaus ermöglichen, das Ergebnis des Prüfverfahrens der Volksanwaltschaft abzuwarten, ohne dass damit der Verlust eines Rechtsanspruches wegen Verjährung eintritt.

Sämtliche Abgeordnete lobten in ihren Wortmeldungen die Arbeit der Volksanwaltschaft. Sie selbst leite immer wieder Fälle an die Volksanwaltschaft weiter, meinte etwa Abgeordnete Maria Fekter (V). Ihre Fraktionskollegin Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) wies auf die Fülle von Anregungen in den Berichten der Volksanwaltschaft hin.

Sowohl Abgeordneter Walter Posch (S) als auch Abgeordnete Terezija Stoisits (G) brachten das Thema Grundrechte zu Sprache. Einige Vorkommnisse in letzter Zeit würden Anlass für die Vermutung geben, dass die Verwaltung auf das Thema Grundrechte zum Teil wenig Bedacht nehme, meinte etwa Posch. Er sieht die Notwendigkeit, die Sensibilität auf diesem Gebiet zu erhöhen.

Abgeordneter Josef Bucher (F) und Abgeordnete Maria Fekter (V) wiesen auf die steigende Anzahl von Beschwerden betreffend die lange Dauer von Verfahren im Justizbereich hin. Laut Fekter ist das Problem nicht nur auf personelle Engpässe zurückzuführen, vielmehr kommt es immer wieder auch zu mangelnder Sorgfalt der Gerichte. Die Berichte der Volksanwaltschaft zeigten nicht erklärbare Verfahrensstillstände über Monate hinweg auf. Positiv vermerkte Fekter, dass offenbar die Kommunikation der Gerichte mit Opfern und Zeugen besser geworden sei.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) unterstrich, es wäre wichtig, dass es auch im Verwaltungs- und im Justizbereich ein hohes Grundrechtsbewusstsein gebe. Bedauert wurde von ihr, dass die Volksanwaltschaft seitens des Gesetzgebers zu wenig ernst genommen werde, was für sie daraus ersichtlich ist, dass zahlreiche Anregungen der VolksanwältInnen jahrelang ohne Erfolg wiederholt würden.

Abgeordneter Roderich Regler (V) erinnerte daran, dass es die Volksanwaltschaft gewesen sei, die ursprünglich die Initiative für "Recht auf Licht" im Zusammenhang mit Schatten spendenden Pflanzen in Nachbargärten ergriffen habe. Sein Fraktionskollege Hans Langreiter erkundigte sich nach Problemen in Bezug auf die Gemeindeverwaltung.

Volksanwältin Rosemarie Bauer wies auf personelle Engpässe in der Volksanwaltschaft durch die enorm gestiegene Zahl von Beschwerden hin, zeigte sich aber zuversichtlich, dass die vom Parlament genehmigte Personalaufstockung zu einer Entlastung führen wird. Besonders erfreut äußerte sie sich außerdem über die beschlossene Gesetzesänderung im Bereich des Nachbarschaftsrechtes. Gerade im Zusammenhang mit dem "Recht auf Licht" habe es immer wieder zahlreiche Beschwerden an die Volksanwaltschaft gegeben, skizzierte sie. Bauer hofft, dass es durch die nunmehrige Klagemöglichkeit in Hinkunft leichter sein wird, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.

Was die Gemeindeverwaltung betrifft, betonte Bauer, die Gemeinden seien in einigen Bereichen oft mit ihren Aufgaben überfordert, weshalb immer wieder Fehler passierten. Volksanwalt Ewald Stadler meinte dazu, er verstehe die Scheu der Gemeinden nicht, Verwaltungsgemeinschaften mit anderen Gemeinden zu bilden und so die Verwaltung auf eine professionellere Ebene zu stellen.

Lob gab es von Bauer in Bezug auf die Hochwasserentschädigungen. Die Volksanwaltschaft habe geprüft, ob in allen betroffenen Bundesländern die gleichen Maßstäbe angewendet worden seien und welche Berufungsmöglichkeiten Geschädigten offen standen, habe aber nichts zu beanstanden gefunden, skizzierte sie. Auch von den zwölf hierzu eingebrachten Individualbeschwerden habe sich keine einzige als berechtigt erwiesen.

Sowohl Bauer als auch Volksanwalt Peter Kostelka appellierten an die Abgeordneten, Sonderberichte der Volksanwaltschaft zu aktuellen Problemen gesetzlich zu ermöglichen. Es sei die Aufgabe der Volksanwaltschaft, Missstände in der Verwaltung aufzuzeigen, betonte Kostelka, Sonderberichte würden helfen, diese zu verdeutlichen. Der Volksanwalt zeigte darüber hinaus einige Probleme im Bereich der Sozialgesetzgebung auf und wertete beispielsweise die unterschiedlichen Leistungsniveaus einzelner Krankenkassen als unbefriedigend.

Volksanwalt Ewald Stadler führte aus, ein Großteil der Beschwerden, die sich auf den Justizbereich beziehen, betreffe die lange Dauer eines Verfahrens. Besonders problematisch sei das bei Strafrechtsverfahren, da Personen oft jahrelang unter Beschuldigung stünden, ohne verurteilt zu sein. Viele Verfahren wären Stadler zufolge allein dadurch verkürzbar, wenn Richter Sachverständigen bzw. Notaren Fristen setzen würden. Er wünscht sich in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Volksanwaltschaft, solche Fristsetzungsanträge vor Gericht einzubringen. Der Volksanwalt gab in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass es im Justizbereich eine gewisse Scheu gebe, mit dem Instrument des Disziplinarrechts vorzugehen.

In Bezug auf den im Bericht angeschnittenen Verkauf von Meldedaten aus dem zentralen Melderegister kritisierte Stadler die Vorgangsweise der Behörden. Die Verwaltung habe nicht eindeutige Gesetzesbestimmungen grundrechtsfeindlich ausgelegt, statt sie grundrechtsfreundlich zu interpretieren, klagte er.

Als eine legistische Anregung der Volksanwaltschaft, die leicht umzusetzen wäre, nannte Stadler eine Adaptierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Es würden sich immer wieder Bürger an die Volksanwaltschaft wenden, die erfahren, dass sie keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen , obwohl sie seit Jahren an Wahlen teilgenommen und zum Teil ihren Präsenzdienst geleistet haben bzw. auch Reisepässe besitzen.

Die beiden Berichte wurden vom Verfassungsausschuss  einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Volksanwaltschaft hält regelmäßig Sprechtage ab und bietet auch via Internet (www.volksanw.gv.at) ein Online-Beschwerdeformular an. Für Rat- und Hilfesuchende steht außerdem täglich zwischen 8 Uhr und 16 Uhr ein telefonischer Auskunftsdienst (Tel. 51505-100) bzw. eine kostenlose Service-Nummer (0800/223 223) zur Verfügung. (Schluss)