Parlamentskorrespondenz Nr. 760 vom 20.10.2003

ASYLGESETZ: AUSSCHUSS IN DER ZIELGERADEN

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Wien (PK) – Heute befasste sich der Ausschuss für innere Angelegenheiten nochmals mit der AsylG -Novelle 2003 und der Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes. Seitens der Regierungsparteien wurde ein weiterer Abänderungsantrag eingebracht. Demnach sind u.a. anlässlich der Einbringung eines Asylantrages in der Erstaufnahmestelle die Kleidung und mitgeführte Behältnisse Fremder durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. durch Organe des Bundesasylamtes desselben Geschlechts unverzüglich zu durchsuchen. Ferner sind Asylwerber, die ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, von Organwaltern desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass sie Anderes verlangen. Zudem sollen Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt weden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 geführt werden.

Eingebracht wurde von ÖVP und FPÖ auch eine Ausschussfeststellung zum Kriterienkatalog des Bundesbetreuungsgesetzes. Dieser Kriterienkatalog, durch den die Voraussetzungen für die Aufnahme und den Verbleib in der Bundesbetreuung klargestellt werden sollen, wurde formal in Anlehnung an die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern entwickelt. Die darin enthaltenen Kriterien stellen aber auch einen tauglichen Maßstab für die nunmehr explizit ermöglichte Überprüfung der Sachlichkeit von in der Vergangenheit erfolgten Ausschlüssen aus der Bundesbetreuung dar, heißt es in der Ausschussfeststellung.

In der Debatte meinte Abgeordneter Walter Posch (S), das Expertenhearing, das heute Vormittag stattfand und an dem die oppositionellen Mitglieder des Innenausschusses teilnahmen, habe die S-Abgeordneten in der Meinung bestärkt, dass die Novellierung des Bundesbetreuungsgesetzes Verfassungswidrigkeiten enthält und Aussicht bestehe, dass es vom VfGH aufgehoben werde. Daher hielt er es nicht für klug, das Gesetz in dieser Form zu beschließen.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) gab einen kurzen Überblick über das Expertenhearing, nannte Beispiele, die von Experten zur Illustration vorgetragen worden, und meinte, der vorgelegte Abänderungsantrag sollte überdacht werden. Dabei ging es ihr nicht nur um mögliche Verfassungswidrigkeiten, sondern auch um 15a-Vereinbarungen.

Auch Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) nahm Bezug auf das Expertenhearing, zitierte aus der Stellungnahme des UNHCR, der im Hinblick auf eine Neuordnung der Bundesbetreuung eine umfassende Diskussion mit allen Beteiligten begrüßt hätte und sich über den vorgelegten Entwurf enttäuscht gezeigt habe. Damit sei Österreich das EU-Schlusslicht bei der Bundesbetreuung von Asylsuchenden.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) warf den Experten des heutigen Hearings vor, einseitig und emotional zu reagieren. Sie nannte es „einfach“, zu behaupten, es liege eine Verfassungswidrigkeit vor, und wies darauf hin, dass für Asylwerber, die tatsächlich verfolgt werden, Bundesbetreuung bestehe, aber nicht für Wirtschaftsflüchtlinge.

Bundesminister Ernst Strasser strich in seiner Wortmeldung heraus, man wolle Rechtsklarheit und der Gesetzgeber habe keinen Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung normiert. Das Verhalten des Vertreters von UNHCR hielt der Ressortchef für „merkwürdig“, zumal von UNHCR die schärferen Regelungen der Bundesrepublik und Englands nicht kritisiert werden.

Abgeordneter Walter Murauer (V) erklärte, man müsse für jene, die asylberechtigt und wirkliche Flüchtlinge sind, Platz haben und habe sie zu versorgen. Für all jene, die sich aus anderen Gründen „in den Westen aufmachen“, müsse ein Signal gesetzt werden, dass das bei uns in Österreich nicht möglich sei.

Abgeordneter Günter Kößl (V) machte darauf aufmerksam, dass hilfsbedürftige Asylwerber auch in Zukunft in die Bundesbetreuung aufgenommen werden. Auch für Schutzbedürftige wie Kinder und Schwangere werde die Bundesbetreuung erhalten.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) strich heraus, dass das, was der OGH sage, das Innenministerium nicht sehr interessiere, und sprach von einem „Stellvertretermatch zwischen OGH und Ministerium“. Sie forderte die Regierungsparteien auf, die Vorlage zurückzuziehen, da sie nicht ausgereift sei, und über den Winter eine vernünftige Regelung der Bundesbetreuung auszuarbeiten.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) sprach das Problem von Gemeinden, die Flüchtlinge in Bundesbetreuung haben, an, dass für Flüchtlingskinder, die die Hauptschule besuchen, Gastschulbeiträge bezahlt werden müssen; dies sei aus Sicht der Gemeinden nicht in Ordnung.

Innenminister Ernst Strasser bekräftigte, dass es grundsätzlich nicht möglich sein soll, dass bei der Berufung nachträglich neue zusätzliche Asylgründe genannt werden; man könne nämlich davon ausgehen, dass jemand, der ein Land verlässt, die Gründe dafür kennt. Der S-Abgeordneten Hagenhofer versprach Strasser, dieses Problem im Rahmen einer 15a-Vereinbarung einer Lösung zuzuführen.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) wandte sich gegen den von ÖVP-Abgeordnetem Walter Murauer verwendeten Begriff "Asylant" und betonte, dieser Begriff existiere in der deutschen Sprache nicht und habe eine eindeutige negative Konnotation. Er werde in der Regel verwendet, um Asylwerber und Menschen auf der Flucht zu diskreditieren. Sowohl Stoisits als auch ihre FraktionskollegIn Brigid Weinzinger übten überdies scharfe Kritik an den Ausschussfeststellungen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) machte geltend, es wäre eigentlich Zweck des Asylverfahrens, festzustellen, ob jemand ein "Wirtschaftsflüchtling" oder ein Flüchtling gemäß der Genfer Konvention ist. In Zukunft werde dies aber nicht im Rahmen des Asylverfahrens erhoben, sondern von Gesetzes wegen festgestellt. Im Übrigen gab er zu bedenken, dass bisher bei allen juristischen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem UNHCR und Österreich der UNHCR Recht behalten habe.

Abgeordneter Anton Gaal (S) brachte die Befürchtung zum Ausdruck, dass durch die seiner Ansicht nach bestehenden unzähligen Einschränkungen des Asylgesetzes eine Vielzahl von Verfahren vor den Höchstgerichten landen wird. Es stehe "die Gefahr eines rechtspolitischen Desasters" im Raum, meinte er, dies könnte vermieden werden, wenn sich die Parteien nochmals in Ruhe zusammensetzten und die einzelnen Punkte diskutierten. Der vorliegende Gesetzentwurf gehört für Gaal "sicher zu den restriktivsten Europas".

Innenminister Ernst Strasser erklärte in Richtung der Grünen, er würde die entsprechende EU-Richtlinie gerne früher umsetzen, Voraussetzung dafür sei aber der Abschluss der avisierten 15a-Vereinbarungen mit den Ländern in Bezug auf die Betreuung von Asylwerbern. Dass auch immer wieder Staatsangehörige aus EU-Ländern in Österreich um Asyl ansuchen, erklärt sich Strasser damit, dass das bestehende Asylgesetz offenbar die Möglichkeit biete, für ganz andere Zwecke verwendet zu werden als eigentlich intendiert. Einem Vertreter des Innenministeriums zufolge haben im vergangenen Jahr beispielsweise drei Personen aus Deutschland, zwei aus Frankreich, acht aus Tschechien, zwei aus Ungarn und zwölf aus der Slowakei in Österreich um Asyl angesucht.

Ausschussvorsitzender Rudolf Parnigoni (S) zog vor der Abstimmung das Resümee, dass die Materie nicht ausreichend behandelt worden sei. Er kündigte daher für das Plenum des Nationalrates einen Antrag auf Rückverweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss und einen Antrag auf namentliche Abstimmung seitens seiner Fraktion an. Deutlich wandte sich Parnigoni auch gegen Vorwürfe von Innenminister Strasser, das Parlament habe die Beschlussfassung des Gesetzespaketes verzögert. Wer wolle, dass Gesetze zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Nationalrat beschlossen werden, müsse entsprechende Vorlagen zeitgerecht vorlegen, betonte er.

Die Asylgesetz-Novelle 2003 und die damit in Zusammenhang stehenden Gesetzesänderungen wurden unter Berücksichtigung des heute von ÖVP und FPÖ vorgelegten Abänderungsantrages mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen. Auch die beiden Ausschussfeststellungen - betreffend allgemeine Bemerkungen des Innenausschusses und betreffend Kriterienkatalog des Bundesbetreuungsgesetzes - wurden ebenfalls mit VP-FP-Mehrheit angenommen. (Schluss)