Parlamentskorrespondenz Nr. 796 vom 31.10.2003

GRÜNER BERICHT ZIEHT BILANZ ÜBER DAS LANDWIRTSCHAFTSJAHR 2002

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Wien (PK) - Dem Nationalrat liegt seit kurzem ein umfassender Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft vor; der 44. Grüne Bericht wird Gegenstand der Beratungen des Landwirtschaftsausschuss am Dienstag kommender Woche sein (4. November). Auf insgesamt 352 Seiten informiert er ausführlich über die wirtschaftliche und soziale Lage der Land- und Forstwirtschaft in Österreich sowie über die Situation der ländlichen Regionen. Auch die Entwicklung der europäischen Agrarpolitik und deren Auswirkungen auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Österreich wird behandelt. Weitere Kapitel geben Auskunft über die Agrarstruktur, die Einkommenentwicklung sowie über die Produktionsergebnisse. Der gesamte Bericht kann im Internet unter www.gruener-bericht.at nachgelesen werden.

Der Grüne Bericht wurde fertig gestellt, nachdem sich die Agrarminister der EU am 26. Juni 2003 auf die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt haben. Mit diesem Beschluss sei es gelungen, noch vor der mit 1. Mai 2004 stattfindenden historischen Erweiterung der Union auf 25 Mitgliedstaaten planbare Rahmenbedingungen für dieses größere Europa zu schaffen, konstatiert Landwirtschaftsminister Josef Pröll in der Einleitung zum Bericht. Dieser Entscheidung sei eine intensive Diskussion vorausgegangen, und mit dem nun vorliegenden Kompromiss konnte eine tragbare Basis für die weitere Zukunft der österreichischen Familienbetriebe geschaffen werden. Wichtig für Österreich sei die beschlossene Aufrechterhaltung der Quotenregelung für Milch bis 2015 ohne weitere Quotenaufstockung über den Beschluss der Agenda 2000 hinaus. Die Aufrechterhaltung der Höhe der Interventionspreise auf dem bestehenden Niveau, eine Abschwächung der von der Kommission vorgeschlagenen vollständigen Entkoppelung sowie die Aufstockung der Mutterkuhquoten um 50.000 Stück seien wichtige Korrekturen, die er zur Sicherstellung der multifunktionalen und flächendeckenden Bewirtschaftung erreicht habe, resümiert Pröll.

AGRARSTRUKTUR SOWIE VOR- UND NACHGELAGERTE WIRTSCHAFTSBEREICHE DER LANDWIRTSCHAFT

Laut Agrarstrukturerhebung 1999 wurden in Österreich 217.508 Betriebe bewirtschaftet. Trotz des voranschreitenden Strukturwandels ist die Land- und Forstwirtschaft nach wie vor kleinstrukturiert. Rund 90.000 Betriebe (41 %) bewirtschaften weniger als 10 ha Kulturfläche (LN und Wald). Über 85.000 Betriebe (39 %) weisen eine Erschwerniszone auf.

An der Gesamtfläche Österreichs hat die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) einen Anteil von rund 41 %, der Wald 46 % und sonstige Flächen (Gewässer-, Bau-, Verkehrsflächen) ca. 13 %. Österreich hat, bezogen auf die Landesfläche, innerhalb der EU mit 70 % den höchsten Anteil an Berggebieten. 52 % der Betriebe und 57 % der LN liegen im Berggebiet. Betrachtet man das gesamte benachteiligte Gebiet sind das 70 % der Betriebe und 69 % der LN. Die LN umfasst rund 3,4 Mill. ha. Davon beträgt der Anteil der Ackerfläche 41 %, das Wirtschaftsgrünland 27 %, das extensive Grünland 30 % und die sonstigen Kulturarten (Wein-, Obst-, Hausgärten etc.) 2 %. In Österreich wurden im Jahr 2002 rund 2 Mill. Rinder gehalten, davon 834.000 Kühe. Der Schweinebestand betrug 3,3 Mill. Stück. Der Bestand an Schafen und Ziegen machte 304.000 bzw. 58.000 Stück aus.

Durch die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche (Betriebsmittel, Verarbeitungssektor) ist die Landwirtschaft eng in die intersektorale Arbeitsteilung eingebunden. In diesem Bereich sind ca. 302.000 Personen beschäftigt. Zuzüglich der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft umfasst der Agrar- und Ernährungskomplex 447.500 Beschäftigte.

AGRARPRODUKTION UND MÄRKTE 2002

Das Jahr 2002 war einerseits geprägt von einer äußerst warmen ersten Jahreshälfte mit Trockenperioden, andererseits teils katastrophalen Niederschlagsereignissen im August sowie regenreicher Witterung in den letzten Monaten des Jahres.

Die Getreideernte 2002 ist von schwachen Erträgen, aber sehr guten Qualitäten, gekennzeichnet. Die Ölsaatenfläche ist leicht gesunken (90.400 ha), die Eiweißpflanzenfläche leicht gestiegen (45.000 ha). Die Zuckerrübenverarbeitung betrug 3,04 Mill. t. Die Gemüseanbaufläche blieb annähernd gleich, es wurden aber um rund 20.900 t mehr geerntet als im Vorjahr. Die Obsternte ist geringfügig gestiegen. Obwohl die hohen Niederschlagsmengen in der zweiten Jahreshälfte besonders den Winzern aus Niederösterreich und Wien Probleme bereiteten, fiel die Weinernte um 3 % höher aus als 2001. Das österreichische Grünland wird auf Grund der äußerst unterschiedlichen standörtlichen Verhältnisse sehr differenziert bewirtschaftet und weist derzeit noch eine vielfältige Nutzung mit ökologisch wertvollen Strukturen auf. Im biologischen Landbau nahm vor allem die biologisch bewirtschaftete Ackerfläche stark zu, während die Bio-Grünlandflächen nur einen leichten Anstieg verzeichneten.

Die tierische Veredelungswirtschaft in Österreich ist durch natürliche Produktionsbedingungen und eine bäuerliche Besitzstruktur geprägt. Die Milchanlieferung lag im Berichtsjahr geringfügig unter der Vorjahreshöhe. Es wurden im Kalenderjahr 2002 um 0,5 % weniger Rinder als im Vorjahr geschlachtet. Der Schweinesektor war durch die internationale Entwicklung geprägt, nach relativ stabilen Preisen in den ersten Monaten erfolgte ab Herbst ein Preisverfall. Die Produktion bei Geflügelfleisch ging im Jahr 2002 um 0,9 % zurück, auch die Eierproduktion stagnierte, womit Österreich dem Trend innerhalb der EU entsprach. Der Schaf- und Ziegenbestand war rückläufig, während die Pferdebestände - aufgrund des Interesses am Pferdesport - wieder anstiegen. Die Bienenhaltung wird durch die Varroamilbe erschwert, Schulungen und Beratungen der Imkerschaft sollen hier Abhilfe schaffen. Der Fischbestand der heimischen Teichwirtschaft setzt sich vorwiegend aus Forellen und Karpfen zusammen.

Mit 47 % Waldanteil an der Staatsfläche und 171.000 Forstbetrieben nimmt der Wald in Österreich eine wichtige Stelle im Hinblick auf das bäuerliche Einkommen ein. Trotz gedämpfter Preisentwicklung wurden 2002 um 10,2 % mehr Erntefestmeter als 2001 eingeschlagen. Stark gestiegen ist hierbei jedoch der Schadholzanfall, der 20 % des gesamten Wertes betrug.

BEREITS 11 % DER BETRIEBE BIOLOGISCH BEWIRTSCHAFTET

Die Anzahl der Biobetriebe nahm von 2001 auf 2002 um 284 Betriebe zu (18.292 auf 18.576). Auch die biologisch bewirtschaftete Fläche stieg um 7 % an, und zwar von 276.000 auf 295.000 (ohne Almflächen) Das Ausmaß der biologisch bewirtschafteten Fläche erreichte 2002 einen neuen Höchstwert, die absolute Anzahl der Biobetriebe bleibt jedoch unter denen der 90er Jahre. Trotzdem ist der Anteil der Biobetriebe an den Gesamtbetrieben weiter gestiegen, und zwar auf 11 %. - Dies ist ein neuer Spitzenwert.

GESAMTWIRTSCHAFT UND AGRARSEKTOR IN ÖSTERREICH

Die Einkommen in der Landwirtschaft in Österreich sind im Jahr 2002 je Arbeitskraft real um 5,1 % zurückgegangen. Es waren vor allem die niedrigen Erzeugerpreise bei Milch und Schweinen, die zu Verlusten bei den Erträgen in der tierischen Erzeugung führten. Auch die pflanzliche Produktion verzeichnete Einbußen. Der Produktionswert der Land- und Forstwirtschaft zu Herstellungspreisen betrug 6,81 Mrd. €, davon machte die Landwirtschaft 5,68 Mrd. € und die Forstwirtschaft 1,13 Mrd. € aus. Der Produktionswert des Wirtschaftsbereiches Forstwirtschaft betrug 1,1 Mill. €, was einen Anstieg um 11,9 % gegenüber 2001 bedeutete. Ausschlaggebend dafür waren die Steigerung beim Einschlag um ca. 10 %, wobei hier insbesondere die größten Anstiege im Kleinwald zu verzeichnen waren. Die Vorleistungen der Landwirtschaft sind um 1,2 % zurückgegangen. Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt war mit 1,4 % unverändert auf dem Niveau der letzten drei Jahre.

Die Ausfuhr von Waren des Agrarsektors stieg 2002 um 7,5 % auf 4,2 Mrd. €. Die Einfuhr expandierte ebenfalls, und zwar um 4,1 % auf 5,1 Mrd. €. Ein Großteil der Importe als auch der Exporte kommt bzw. geht in die EU. Das agrarische Handelsbilanzdefizit hat sich 2002 weiter verringert und beträgt nun 0,9 Mrd. € (2001: 1,1 Mrd. €). Was den Tourismussektor betrifft, so habe sich der Trend bei den Nächtigungen auf Bauernhöfen weiter fortgesetzt: während die Nächtigungen in der Kategorie Ferienwohnungen um 6,6 % zulegten, nahm die Zahl der Nächtigungen bei der Kategorie Privat am Bauernhof um 0,6 % ab.

Österreich im Europäischen Binnenmarkt

Der EU-Haushalt sieht Ausgaben in der Höhe von 97,5 Mrd. € vor. Die Agrarausgaben (EAGFL-Garantie) betragen 44,8 Mrd. € bzw. 46 % des Gesamtbudgets. Rund 10 % dieser Mittel werden im Rahmen des Programmes Ländliche Entwicklung verwendet.

Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik wurde im Juni in Luxemburg beschlossen. Die wesentlichen Eckpfeiler der Reform waren die Entkoppelung der Beihilfen von der Produktion, wobei den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wurde, unter genau festgelegten Bedingungen eine Koppelung der Beihilfen beizubehalten. Weiters wird die neue einzelbetriebliche Zahlung künftig an die Einhaltung von Umwelt-, Lebensmittel-, Sicherheits- und Tierschutznormen gebunden. Für die neue Förderperiode von 2000-2006 stehen für alle Mitgliedstaaten für das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raumes rund 32,9 Mrd. € zur Verfügung. Österreich wurde mit 9,7 % ein überproportional hoher Anteil dieses Betrages zugestanden.

DIE EINKÜNFTE AUS DER LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT

Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 2002 betrugen im Durchschnitt 21.389 € je Betrieb (- 7%) und 13.685 € je FAK (Familienarbeitskraft). Hauptursache für den Einkommensrückgang waren die starken Einbußen bei Schweinen in Folge der erheblich gesunkenen Erzeugerpreise. Die Forstwirtschaft hatte auf Grund des gestiegenen Holzeinschlages bessere Erträge als 2001. Die öffentlichen Gelder waren 2002 im Durchschnitt je Betrieb um 3 % höher. Der Unternehmensertrag lag mit 71.367 € je Betrieb auf dem Vorjahrniveau. Der Unternehmensaufwand (49.978 €) war gegenüber 2001 um 3 % höher.

Nach Betriebsformen mussten die Veredelungsbetriebe die größten Einkommensrückgänge hinnehmen (- 29 %), gefolgt von den landwirtschaftlichen Gemischt- und Dauerkulturbetrieben (- 12 % bzw. - 9 %). Die Einbußen der Marktfruchtbetriebe betrugen 3 %. Die Höhe der öffentlichen Gelder je Betrieb betrug im Durchschnitt 15.495 €. Das waren 22 % vom Unternehmensertrag. Das ÖPUL hat mit 39 % den höchsten Anteil an den öffentlichen Mitteln, gefolgt von den Ausgleichszahlungen laut GAP (36 %) und der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete mit 15 %. Das Erwerbseinkommen je Gesamtfamilienarbeitskraft erreichte 16.583 € (- 3 %), das Gesamteinkommen 19.668 €. Der Einkommensabstand der bergbäuerlichen Betriebe zu den Nichtbergbauern hat sich im Jahr 2002 spürbar verringert. Die ackerbaubetonten Biobetriebe schnitten auch 2002 gegenüber den konventionell wirtschaftenden Betrieben besser ab. Bei den Spezialbetrieben wiesen die Biobetriebe mit höheren Bodennutzungsanteil und die spezialisierten Schweinehalter die höchsten Einkommen auf. Im längerfristigen Vergleich (ab 1992) haben die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft je FAK im Bundesmittel jährlich um 3 % zugenommen. Das Erwerbseinkommen je GFAK stieg um 3,3 %, das Gesamteinkommen um 2,3 % je Betrieb.

2002 betrug die durchschnittliche Alterspension der Bauern inkl. Ausgleichszulage und Kinderzuschuss 618 € (Frauen 421 € und Männer 844 €). Die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes betrug 2002 für Alleinstehende 630,92 € und für Ehepaare 900,13 €.

FÖRDERUNGEN FÜR DIE LAND-, FORST- UND WASSERWIRTSCHAFT

Im Jahr 2002 wurden 2.092 Mill. € an EU-, Bundes- und Landesmitteln für den Agrarsektor aufgewendet. Der größte Anteil der Finanzierung des Agrarbudgets wird von der EU (1.120 Mill. €) getragen; national werden die Mittel für die meisten Förderungen im Verhältnis 60:40 zwischen Ländern und Bund. Das Agrarbudget umfasst grundsätzlich drei gleich große Ausgabenblöcke: es sind dies die umweltschonenden Maßnahmen mit einem Anteil von 31 % am Agrarbudget, die Ausgleichszahlungen und Prämien der gemeinsamen Agrarpolitik der EU mit 27 % und die Strukturmaßnahmen mit 26 %. Bei den umweltschonenden Förderungen ist das ÖPUL mit einem Umfang von 616 Mill. € (inkl. der Nachzahlungen für 2001) mit Abstand die wichtigste Maßnahme. Bei den EU-Ausgleichszahlungen sind vor allem die Flächenzahlungen (370 Mill. €) und die Tierprämien (197 Mill. €) von großer Bedeutung. Bei den Strukturmaßnahmen ist die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete mit 280 Mill. € dem Volumen nach die bedeutendste Förderungsart. Der Anteil der Förderungen, der 2002 direkt an die Bauern überwiesen wurde, belief sich auf 1.663 Mill. € (EU, Bund, Länder). (Schluss)