Parlamentskorrespondenz Nr. 808 vom 04.11.2003

BREITE DISKUSSION ÜBER GRÜNEN BERICHT IM LANDWIRTSCHAFTSAUSSCHUSS

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Wien (PK) - Heute Nachmittag fand eine Sitzung des  Landwirtschaftsausschuss statt, in der zunächst der 44. Grüne Bericht ausführlich debattiert und einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Er wurde zum Anlass genommen, nicht nur die einzelnen Kapitel sondern auch grundsätzliche Fragen des Fördersytems sowie aktuelle Fragen (z.B. Milchquote) zu erörtern. Mit V-F-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde ein weiterer Bericht, der die Maßnahmen gemäß Paragraph 9 (Abs.2) Landwirtschaftsgesetz im Jahre 2004 enthält. Sie sind die agrarpolitische Konsequenz aus dem Grünen Bericht 2002 und für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Förderungsfinanzierung entscheidend.

Der Grüne Bericht informiert auf insgesamt 352 Seiten ausführlich über die wirtschaftliche und soziale Lage der Land- und Forstwirtschaft in Österreich sowie über die Situation der ländlichen Regionen. Auch die Entwicklung der europäischen Agrarpolitik und deren Auswirkungen auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Österreich wird behandelt. Weitere Kapitel geben Auskunft über die Agrarstruktur, die Einkommensentwicklung sowie über die Produktionsergebnisse. Der gesamte Bericht kann im Internet unter www.gruener-bericht.at nachgelesen werden.

Die Abgeordneten der SPÖ brachten zunächst den Antrag ein, den Grünen Bericht nicht endzuerledigen. Es handle sich dabei um eine wertvolle Grundlage sowie eine sehr gute Darstellung der Situation der heimischen Landwirtschaft, die es wert wäre, auch im Plenum zu diskutieren, argumentierte Abgeordneter Rainer Wimmer (S). - Dieser Antrag, der auch von den Grünen unterstützt wurde, fand keine Mehrheit.

Abgeordneter Rainer Wimmer (S) thematisierte die Einkommensentwicklung und wies u.a. darauf hin, dass die Grünlandbauern wiederum das Schlusslicht seien und es immer noch große Unterschiede zwischen den Bergbauern und den anderen Landwirten gibt. Ein wichtiges Anliegen sind ihm - ebenso wie seinen Fraktionskollegen - die "Ungerechtigkeiten des Fördersystems". 500 Betriebe würden mehr als 73.000 € an Direktzahlungen erhalten, zeigte er auf. Außerdem bemängelte er, dass der Faktor Arbeit noch immer keine Berücksichtigung im Fördersystem finde.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) vermisste die nationale Umsetzungsstrategie für die EU-Agrarreformbeschlüsse im Bericht. Kritik übte er auch an den Rahmenbedingungen für die Biobetriebe, die von Jahr zu Jahr schlechter würden. Er fürchtet, dass vor allem immer mehr Bergbauern aus dem Biolandbau aussteigen würden, da am Biomilchmarkt nichts weiter gehe. Stagnation gebe es seiner Auffassung nach auch beim ÖPUL-Programm, und zwar was die Nitrat- und die Pestizidbelastungen angehe. Außerdem kam er auf die Verteilung der Milchquote zu sprechen, die seiner Meinung nach die Großbetriebe bevorzuge.

In diesem Punkt schloss sich auch Abgeordneter Uwe Scheuch (F) der Kritik seines Vorredners an. Die Verteilung des Milchkontingents sei "eine Sauerei", v.a. was die Vorgangsweise angeht. Dabei gehe es immerhin um 500 Mill. S; eine solche Frage hätte man breiter und ausführlicher diskutieren müssen, meinte er. Sodann ging Scheuch auf die bevorstehende EU-Erweiterung ein, die große Herausforderungen für die heimische Landwirtschaft bringe, da die Beitrittsländer sehr unterschiedliche Standards (z.B. im Tierschutz, Tiertransport, Lebensmittelrecht, Gentechnik) aufweisen.

Der Bauer bringe unverzichtbare Leistungen für die gesamte Gesellschaft, betonte Abgeordneter Franz Eßl (V). Deshalb müssten die Direktzahlungen außer Streit gestellt werden. Sie seien eine Abgeltung u.a. für die Preisabsenkungen sowie für die Umweltleistungen, die von den Landwirten erbracht werden. Außerdem müsse man bedenken, dass diese Leistungen nicht nur am ersten Hektar, sondern auch am 27. und 28. Hektar erbracht werden, argumentierter er. Er warnte auch davor, den Bauern noch strengere Auflagen aufzubürden.

Weitere Fragen und Wortmeldungen betrafen die Forstwirtschaft (Abgeordneter Klaus Auer, V), neue Wertschöpfungslinien (Abgeordneter Georg Keuschnigg, V), den Rückgang bei den Einkünften (Abgeordneter Gerhard Reheis, S), die Situation der Frauen in der Landwirtschaft (Abgeordnete Gabriele Binder, S), die Schaffung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes (Abgeordnete Heidrun Walther, S), Gender Mainstreaming und Erwachsenenbildung (Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer, G) und die Grundwasserbelastungen durch landwirtschaftlichen Eintrag (Abgeordneter Kurt Gaßner, S).

Landwirtschaftsminister Josef Pröll führte aus, dass die Einkommensentwicklung im Jahr 2002 nicht zufrieden stellend war, da es ein Minus von 6 % je Familienarbeitskraft und 7 % je Betrieb gegeben hat. Allerdings sei die Situation noch besser als im EU-Durchschnitt, gab der Minister zu bedenken. Erfreulich sei, dass ein niedrigerer Rückgang bei den Bergbauernbetrieben und in der höchsten Stufe sogar ein Zuwachs von 2 % zu verzeichnen war.

Sodann ging Pröll auf die grundsätzliche Diskussion über das Fördersystem ein, das von den Sozialdemokraten als ungerecht bezeichnet wurde. Die Agrarpolitik habe sehr genau darauf geachtet, einen Ausgleich zu schaffen und es wurden sehr gezielte Maßnahmenpakete geschaffen. Er sei überzeugt davon, dass es insgesamt ein sehr ausgewogenes System gebe, betonte Pröll. Wenn schon darauf hingewiesen werde, dass manche Großbetriebe mehr als 1 Mill. € an Fördermitteln erhalten, dann müsse man auch bedenken, dass dies nur einen Teil jenes Einkommens kompensiere, das sie um Zuge der Umstellung der Agrarreform Mitte der 90-er Jahre verloren haben.

Hinsichtlich der Fragen des Abgeordneten Pirklhuber stellte der Minister fest, dass die Umsetzung für die GAP-Reform ab 2005 beginne und deshalb noch keine nationalen Strategien im Bericht enthalten sind. Der Bio-Aktionsplan sei seiner Auffassung nach eine Erfolgsgeschichte, zumal es auch heuer wieder mehr Bio-Bauern gebe. Auch beim ÖPUL-Programm gebe es eine klare Differenzierung der Prämien zwischen konventionellem und biologischem Landbau, führte der Ressortchef weiter aus, aber man dürfe auch die Erfordernisse des Marktes nicht außer Acht lassen. Der richtige Weg werde auch hinsichtlich der Nitratbelastungen beschritten, wo die Werte teils stark zurückgehen. Auch die Pestizidbelastungen seien um 10 % gesunken; das ÖPUL-Programm gebe die richtige Antwort auf diese Probleme.

Was die Zuteilung der A-Quote betrifft, so trage er als Minister natürlich die Verantwortung für die Verordnung. In der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer wurde diese Frage ausführlich diskutiert und dann mehrheitlich entschieden, erläuterte er. Es stimme jedenfalls nicht, dass damit die großen Betriebe bevorzugt würden. Zwei Drittel der Quote sind an Betriebe, die unter 100.000 kg produzieren, verteilt worden, zeigte der Ressortchef auf.

Abgeordneten Scheuch informierte er darüber, dass alle zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten den Acquis auf Punkt und Beistrich erfüllen müssen. Es sei sicher, dass die Verarbeitungsindustrie in diesen Ländern Probleme haben wird; dies werde von der EU auch kontrolliert werden müssen. Er habe den Eindruck, dass es auch eine tendenziell positivere Einstellung zur Gentechnik gebe. Umso klarer sei, dass Österreich noch deutlicher Position beziehen werde. Nicht ganz ideal sei die Situation der österreichischen Exporte in die neuen Mitgliedsstaaten, räumte Pröll ein. Er habe deshalb eine Exportoffensive ins Leben gerufen und sei zum Beispiel vorige Woche gemeinsam mit Vertretern der Lebensmittelindustrie und mit Weinbauern in Prag gewesen, wo wieder unzählige Kontakte geknüpft werden konnten.

Die Förderungen für den ländlichen Raum stehen nicht nur für den agrarischen Bereich zur Verfügung, was durch die Öffnung des Artikel 33 zum Ausdruck komme. So werden etwa Projekte der Dorferneuerung, Diversifizierungsmaßnahmen und Kooperationen mit dem Gewerbe unterstützt, wofür insgesamt 28,14 Mill. € ausgegeben werden.

Ein besonderes Anliegen war Pröll die Forcierung des Bildungsbereiches, weil er ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft des ländlichen Raumes sei. Als Beispiel nannte er die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Betriebsführer. Neben den produktionsbezogenen Modulen soll ein Schwerpunkt auf die Persönlichkeitsentwicklung gelegt werden. Da durch die EU-Erweiterung der Wettbewerb härter werde, soll, wie etwa im Rahmen des "bfu" (Bäuerliches Familienunternehmen), das unternehmerische Denken und Handeln gefördert werden.

Weiters teilte Pröll den Mitgliedern des Ausschusses mit, dass es im Bundeskanzleramt eine Arbeitsgruppe zum Thema Bundestierschutzgesetz gebe. Er rechne damit, dass noch heuer ein Entwurf in Begutachtung gehen könne. Sodann ging Pröll auf den Sektor Forstwirtschaft ein, der 1 Mrd. € an Wertschöpfung bringe und der zweitgrößte Devisenbringer nach dem Tourismus sei. Auch wenn die nationalen Mittel vielleicht zurückgegangen sind, blieb die Fördersumme aufgrund der gestiegenen EU-Kofinanzierung insgesamt gleich hoch. Stolz sei er auf die Entwicklung bei den Bundesforsten, wo ein Konzept bis 2010 erstellt wurde und neue Ansätze auch außerhalb der Holzwirtschaft entwickelt werden. (Fortsetzung)