Parlamentskorrespondenz Nr. 947 vom 04.12.2003

HEFTIGE DEBATTE ÜBER ÖBB-REFORM IM NATIONALRAT

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Wien (PK) - Mehr als 30 Redner standen auf der Rednerliste, als Nationalratspräsident Dr. KHOL heute zu Beginn der 41. Sitzung des Nationalrats mit der Debatte über die ÖBB-Strukturreform die gestern vertagten Punkte der Tagesordnung wieder aufnahm. In einer teilweise emotional und heftig geführten Debatte sprachen die VertreterInnen der Regierungsfraktionen von einer notwendigen Reform, durch die zeitgerecht die Zukunft der Bundesbahnen gesichert werde, während die RednerInnen der Opposition eine Zerschlagung der ÖBB zum Schaden Österreichs sahen.

Vor Eingang in die Debatte teilte Präsident Dr. Khol mit, dass die Grünen eine Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 855/AB durch den Finanzminister ihrer Anfrage 845/J betreffend Kafka beim Karenzgeldzuschuss beantragt haben. Diese Kurzdebatte wird um 15 Uhr durchgeführt.

Die ÖBB-Reform komme zu früh, sei unausgegoren und falsch, eröffnete Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) die Debatte zum Bundesbahnstrukturgesetz. Die Regierung verfahre bei der Reform eines der größten österreichischen Unternehmen "wie bei der Reform eines Würstelstandes". Die durch den Streik der Eisenbahner erzwungene Diskussion habe wenig an der Substanz des Reformpapiers geändert, sagte der SP-Vorsitzende. Die Kritik hochkarätiger Experten - wie von Rechnungshofpräsident Fiedler und vom Chef der Schweizer Bahnen - würden nicht berücksichtigt, und dieses "Drüberfahren" sei "schlecht für die Bundesbahn und schlecht für die Demokratie". Es gebe weder eine Verbesserung im Service, noch Sicherheit beim Ausbau und für die Zukunft, die finanziellen Grundlagen würden untergraben. "Dieses Gesetz löst kein einziges Problem der ÖBB", fasste Gusenbauer seine Kritik zusammen, der österreichischen Verkehrspolitik werde damit der Todesstoß versetzt.

Abgeordneter MIEDL (V) verteidigte die Reform als eine der am besten vorbereiteten Reformen und führte die intensiven Beratungen des Verkehrs- resp. des Unterausschusses als Beleg an. Durch beabsichtigte Entschuldungsmaßnahmen und jährliche Investitionen würde die Zukunft der ÖBB gesichert, sagte Miedl und betonte, dass jene europäischen Bahnunternehmungen, die reformiert wurden, die produktiveren seien. Daher sei die ÖBB-Reform "notwendig und unaufschiebbar". Ausführlich ging der Mandatar sodann auf die Beratungen im Ausschuss ein und würdigte das ernsthafte Bemühen von SP-Politikern und Gewerkschaftern um einen Kompromiss. Montag aber sei "die Bombe geplatzt", die SP habe "parteipolitisch taktiert" und betreibe jetzt "Angstmache". Eine Privatisierung der Bundesbahn sei, wie Miedl betonte, nicht beabsichtigt.

"Cui bono, wem nützt die Reform?" Diese Frage stellte die Verkehrssprecherin der Grünen, Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER, an die Spitze ihrer Rede. Nach Ansicht der Regierung nütze die Reform dem Steuerzahler, weil Mittel eingespart würden, und der Bahn, weil sie die Handlungsfähigkeit erhöhe. Was aber bleibe sei, dass die Reform gut für den Straßenverkehr sei, weil dieser immer noch konkurrenzfähiger werde, während der Personen- und Güterverkehr auf der Bahn weniger werde. Die Gewinner seien die Frächter, resümierte Lichtenberger. Die Länder seien für die Aufschiebung der Reform, weil sie durch die Erhöhung der Schienenmaut nur die Wahl hätten, die Fahrpreise zu erhöhen oder weniger Züge fahren zu lassen. Die von Rechnungshofpräsident Fiedler monierte Offenlegung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes sei nach wie vor nicht erfolgt. Darüber hinaus befürchtet Lichtenberger in der Folge der Zerschlagung der ÖBB, dass "einige Stücke mundgerecht für bestimmte Freunde aufbereitet" würden. In Wahrheit sei die Zerschlagung der Gewerkschaften das Reformziel, sagte die Rednerin und brachte einen Entschließungsantrag auf Einführung eines generellen Nachtfahrverbots in Österreich und die Streichung der derzeit geltenden Ausnahmen für lärmarme LKW ein.

"Angstmache" lautete der Vorwurf von F-Klubobmann SCHEIBNER an die Adresse des Abgeordneten Gusenbauer. Auch er ging auf die intensiven Verhandlungen im Ausschuss ein und würdigte die guten Verhandlungen, die zu einem Kompromisspapier geführt hätten. Hinter dem Nichtzustandekommen des Kompromisses vermutete der Redner ein von "mächtigen Landeschefs" der SPÖ eingelegtes Veto und den Vorrang der Parteitaktik.

Im zweiten Teil seiner Rede kritisierte der Klubobmann die Haltung der Eisenbahnergewerkschaft scharf. Sie ließe sich parteipolitisch vereinnahmen - etwa für den Landtagswahlkampf in Kärnten - und bedenke nicht, welchen Schaden sie mit ihren Streikaktionen anrichte. 1,2 Millionen Österreicher seien vom letzten ÖBB-Streik betroffen gewesen. Der Schaden für das Unternehmen habe sich täglich auf 3 Mill. € belaufen. Bedauerlich sei auch der Imageschaden der Bahn bei den Industriekunden, klagte Scheibner. Minister Gorbach und Staatssekretär Kukacka haben ein gutes Konzept für die Reform der ÖBB vorgelegt, schloss Scheibner und zeigte sich überzeugt von der Notwendigkeit, eine moderne Struktur für die ÖBB zu schaffen.

Verkehrsminister GORBACH wandelte ein Eisenhower-Zitat ab, indem er sagte, er wolle es nicht zulassen, dass die ÖBB vom Zug der Zeit überfahren werden. Es sei "höchste Eisenbahn", den ÖBB eine moderne Struktur zu geben. Daher habe er eine Reform vorgelegt, die monatelang ausführlich diskutiert worden sei - der Vorwurf, hier werde etwas "durchgepeitscht", sei völlig falsch. Ihm wäre ein Konsens, wie er sich in den Verhandlungen der letzten Woche abgezeichnet habe, wichtig gewesen, hielt Gorbach fest. Daher habe er sowohl mit der Opposition als auch mit der Gewerkschaft lange verhandelt und viel Zeit auf die Diskussion mit internen und externen Experten verwendet. Ihre Kompromissbereitschaft habe die Bundesregierung bewiesen, indem sie bereit war, das Dienst- und Personalrecht aus der ÖBB-Reform herauszunehmen. Dass ein weiter gehender Konsens nicht möglich war, bedauerte der Verkehrsminister und wies dabei den "Würstelstand"-Vergleich von SPÖ-Vorsitzendem Gusenbauer zurück, indem er sagte: "Die Regierung schaut, dass bei den ÖBB nichts mehr anbrennt."

Die Grundsätze der vorliegenden ÖBB-Reform verteidigte der Verkehrsminister unter anderem auch mit den Erfahrungen, die die Schweizer Bundesbahnen mit ihrer Reform gemacht haben. Gorbach erinnerte daran, dass die SBB Entlassungen von Mitarbeitern vermeiden konnten, weil sich die SBB-Gewerkschaft zu den Grundsätzen einer effizienten Bahn bekennt, die haushälterisch mit öffentlichen Mitteln umgeht und bereit gewesen sei, die geographische und berufliche Mobilität der Bediensteten sicherzustellen.

Die Strukturreform der ÖBB entspreche den EU-Vorgaben, den Bedürfnissen des Marktes, das heißt der Kunden, und sie garantiere, dass die ÖBB im Wettbewerb überleben und neue Marktanteile gewinnen können. Was Kritiker als "Zerschlagung" anprangern, sei die Stärkung kleinerer Einheiten, die sich auf Kerngeschäfte der ÖBB konzentrieren und nachhaltige Erlöse erwirtschaften sollen. Denn das Ziel laute, eine ÖBB zu haben, die weniger öffentliche Zuschüsse brauche. "Es geht nicht nur um die ÖBB, nicht nur um 1,2 Millionen Betroffene eines Streiks, sondern auch um 8 Millionen Österreicher", betonte Minister Gorbach.

In seinen weiteren Ausführungen bekannte sich der Verkehrs- und Infrastrukturminister dazu, den Bahnausbau sicherzustellen und wandte sich entschieden dagegen, die ÖBB-Holding mit einem Weisungsrecht gegenüber den operativen Gesellschaften auszustatten. "Wir wollen Eigenverantwortung in den Aktiengesellschaften."

Abgeordneter EDER (S) warf Bundesminister Gorbach vor, mit seiner Reform die "rote Bahn" zerstören zu wollen. "Volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Fragen sind ihm dabei völlig wurscht", formulierte der Abgeordnete pointiert. Gorbach schade mit seiner Reform aber nicht nur den ÖBB, sondern auch der Republik sowie der Umwelt- und Verkehrspolitik. "Sie fahren mit Volldampf aufs Abstellgleis. Statt die ÖBB auf den Markt zu schicken, blockieren Sie durch diese Reform das Unternehmen. Statt Kunden zu werben und sich im europäischen Wettbewerb zu behaupten, werden bei den ÖBB nun 'Kastln gezeichnet'", sagte Eder und warf ÖVP und FPÖ vor, sie habe sich die Kritik vieler Experten im Verkehrs-Unterausschuss nicht anhören wollen und sich daher geweigert sie einzuladen. "Sie wollten nicht hören, dass künftig fünf verschiedene Aktiengesellschaften tätig werden müssen, ehe ein Zug aus einem Bahnhof fährt." Den Regierungsparteien gehe es vielmehr darum, in den Vorständen von 12 neuen Firmen ihre Günstlinge unterzubringen. Die Volkspartei rede zwar oft vom Föderalismus, sei aber nicht bereit gewesen, Vertreter der Länder im Unterausschuss zu hören, außerdem hat sie, so Eder, verhindert, dass Wirtschaftskammerpräsident Leitl gehört werden konnte.

Schließlich erinnerte Abgeordneter Eder daran, wie sich im Unterausschuss die behaupteten Einsparungen von 1 Mrd. € in ein Minus von 300 Mill. € verwandelt haben, nachdem man die Zinsbelastungen eingerechnet habe. 660 Mill. Euro sollen eingespart werden, indem man 12 000 Eisenbahner heimschicke, klagte Eder und führte zum Scheitern der Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition aus: "Wir wollten Schadensbegrenzung betreiben, Sie wollten aber nicht einmal das zulassen. Sie wollen der Eisenbahn schaden."

Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) widersprach der Behauptung, dass "12.000 Menschen hinausgeworfen werde sollen", es gehe vielmehr darum, die Arbeitsplätze bei den ÖBB zu sichern. Die Bahn brauche eine Reform für die Zukunft, die SPÖ blicke aber nicht nach vorwärts, sondern zurück in die Vergangenheit. SPÖ-Abgeordneter Gusenbauer, der ursprünglich auch für Veränderungen bei den ÖBB eingetreten sei, habe, wie so oft, auf dem Weg von der Ankündigung zur Umsetzung den Mut verloren. Die SPÖ habe offenbar nichts aus dem Konsumdebakel gelernt. "Wir hingegen wollen ein betriebswirtschaftlich geführtes Unternehmen und keinen strukturell veralteten Staatsbetrieb." Denn die Bahnkunden brauchen ein modernes, attraktives und wettbewerbsfähiges Unternehmen, sagte der Abgeordnete und untermauerte den dringenden Reformbedarf bei den ÖBB mit dem Hinweis, dass der Zinsaufwand für die ÖBB-Schulden die jährlichen Kartenerlöse bereits übersteige. "Wir brauchen klare Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Wettbewerbsfähigkeit in den ÖBB. Denn wir wollen nicht, dass Geld für die Infrastruktur in andere Bereiche des Unternehmens fließe. Wir geben den ÖBB eine Zukunft, Ihr Blick ist aber in die Vergangenheit gerichtet", sagte Abgeordneter Lopatka in Richtung SPÖ.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) warf ihrem Vorredner Missbrauch der Begriffe "modern", "attraktiv" und "zukunftsorientiert" vor. Es sei nicht sinnvoll, die ÖBB zu zerschlagen, ein Großunternehmen, dessen Teilbereiche eng miteinander kooperieren sollen. Eine Zerschlagung sei auch von der EU nicht vorgeschrieben, verlangt sei Kostentransparenz, ein Grundsatz, zu dem sich auch die Grünen bekennen. Das Argument, die Bahn soll die Kosten für die Schieneninfrastruktur hereinbringen, wies die Rednerin aber zurück, indem sie sagte: "Die Frächter müssen sich auch nicht zu einer AG zusammenschließen und sich die Straßen selber finanzieren".

Wie die Landeshauptleute und der Rechnungshofpräsident befürchtete auch Glawischnig ein Ausdünnen des Personennahverkehrs und bezweifelte, dass die vorliegende Reform dem Ziel dienen könne, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Angesichts der enormen Belastungen, die im Zuge der EU-Erweiterung auf die österreichische Bevölkerung zurollen, brauche Österreich eine Politik für die Schiene. Die Bundesregierung arbeite aber an einer Strategie, die auf eine Verbilligung des Gütertransports auf der Straße hinauslaufe. "Sie investieren siebenmal mehr Geld in die Straße als in die Schiene", warf Glawischnig der Bundesregierung vor.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) resümierte, man habe im Unterausschuss über ein konstruktives Papier der SPÖ verhandelt, dann habe sich aber der destruktive Teil der SPÖ durchgesetzt. Gusenbauer und Häupl wollten die Reform verhindern, war für den Redner klar.

Die Reform sei notwendig, betonte Mainoni. In ihrer jetzigen Form koste die ÖBB zuviel, dazu komme noch, dass die EU eine Neustrukturierung der Bahn vorschreibt. Darüber hinaus sah der Redner den Reformbedarf auch unter dem Aspekt der Privilegien. Wenn Eisenbahner mit weniger als 53 Jahren in Pension gehen, während ASVG-Pensionisten nun länger arbeiten müssen, dann stimme doch etwas nicht, sagte er.

Staatssekretär Mag. KUKACKA betrachtete die Reform als Meilenstein in der österreichischen Verkehrspolitik und meinte, die ÖBB werde damit von den letzten Fesseln einer Staatsbahn befreit und für den Wettbewerb fit gemacht. Sie werde zu einem normalen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtpunkten geführten Unternehmen.

Vor allem die ständig steigenden Budgetzuschüsse unterstrichen für Kukacka den Handlungsbedarf der Regierung.

Er bedauerte, dass es zu keinem Kompromiss mit der Opposition gekommen ist und wies die Kritik der SPÖ scharf zurück. Tatsache sei, dass der Konzern auch in Zukunft zu 100 % im Staatseigentum bleibt, betonte er. Die ÖBB würden nicht zerschlagen, sie stehen vielmehr unter einer koordinierenden Holding. Auch in Zukunft werden rund 2 Mrd. € jährlich aus dem Budget für den Betrieb zur Verfügung stehen, der Ausbau der Schienenwege sei durch umfangreiche öffentliche Investitionen gesichert. Die Strukturreform werde keinerlei Leistungsschmälerungen im öffentlichen Verkehr bringen, da ja die Leistungsverträge der Bahn mit den Gebietskörperschaften voll aufrecht bleiben. Weder den Gemeinden noch den Ländern werden zusätzliche Kosten entstehen, versicherte Kukacka.

Der Staatssekretär äußerte die Vermutung, die SPÖ-Führung habe aus Rücksicht auf ihre Kernwähler diese Reform verweigert und deshalb ihre in den Verhandlungen auf Kompromisskurs befindlichen Vertreter wieder zurückgepfiffen.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) vermisste ein gesetzliches Bekenntnis zur Finanzierung der notwendigen Infrastrukturinvestitionen der ÖBB und warf der Regierung vor, sie würde in Wirklichkeit die Bezahlung der Infrastruktur bloß auf die Zukunft hinausschieben. Für den Redner lag die Befürchtung nahe, dass die Koalition die Bahn jetzt zerschlage, um sie später leichter privatisieren zu können. Das Konzept fasste Verzetnitsch dabei mit den Worten zusammen: Mehr Häuptlinge, weniger Indianer.

Abgeordneter DI REGLER (V) wies die Argumentation der SPÖ zurück und unterstrich, die Holding stehe zu 100 % im Eigentum des Bundes, von einer Privatisierung könne daher keine Rede sein. Von der Aufteilung in operative Tochtergesellschaften erwartete sich Regler mehr Kundenfreundlichkeit, wobei er bemerkte, in Zukunft werde der Fahrgast nicht mehr als Störfaktor behandelt werden. Im Güterverkehr rechnete Regler mit einer Steigerung des Marktanteils. Vergleiche mit Großbritannien ließ der Redner nicht gelten, zumal, wie er betonte, auch die Infrastrukturgesellschaften im Eigentum des Staates verbleiben. Dadurch sei sicher gestellt, dass der Staat weiterhin die Schiene ausbauen werde. Überhaupt sei noch nie so viel Geld für den Ausbau der Bahn zur Verfügung gestanden wie jetzt.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) erwiderte, der Koalition gehe es bei der Reform nur um "Macht- und Rachepolitik". Er stellte fest, die Regierung sei bis heute nicht in der Lage gewesen, konkrete Zahlen über die Einsparungen vorzulegen. Die Aufteilung in verschiedene Tochtergesellschaften führe nach der Einschätzung Öllingers bloß zu mehr Jobs in der Unternehmensleitung und zu Einschränkungen im Nahverkehr, einer Ausdünnung des Netzes und insgesamt einer Verteuerung des Systems.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) kommentierte den bisherigen Zustand der ÖBB mit den Worten: Die rote Bahn schreibt rote Zahlen. In Zukunft werde man aber schwarze Zahlen schreiben, weil es einen blauen Verkehrsminister gibt. Den Stimmungswandel in der SPÖ führte Bleckmann auf parteitaktische Überlegungen zurück. Der Gewerkschaft wiederum gehe es, wie sie sagte, nur darum, ihre eigenen Gewerkschaftsarbeitsplätze zu sichern. Der Streik habe dem Unternehmen und damit ganz Österreich geschadet, kritisierte Bleckmann.

Vizekanzler GORBACH nahm zu einigen Kritikpunkten der Opposition Stellung und versicherte den Abgeordneten, dass die Kritik des Rechnungshofes ernst genommen werde. Sein Ressort stelle den Abgeordneten auch gerne zusätzliche Unterlagen zur Verfügung, wenn solche gebraucht würden. "Wir haben nichts zu verbergen", bekräftigte er.

Das immer wieder genannte Einsparungsziel von 1 Mrd. € ist Gorbach zufolge "keine Erfindung der Politik", sondern beruhe im Wesentlichen auf dem Programm des Vorstandes. In dieser Summe enthalten seien auch beabsichtigte Umsatz- und Erlössteigerungen. Dass Zielvorgaben nicht auf Punkt und Beistrich genau belegt werden können, liegt für den Minister in der Natur der Sache.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung verwahrte sich SPÖ-Klubchef Dr. CAP gegen eine "Beschimpfung" von Abgeordneten durch Verkehrsminister Gorbach. FPÖ-Klubchef SCHEIBNER machte daraufhin geltend, dass Gorbach bereits eine Richtigstellung getroffen habe. Gorbach wird die Sache, wie der vorsitzführende Zweite Nationalratspräsident Dr. FISCHER festhielt, in einem Gespräch mit SPÖ-Abgeordnetem Eder bereinigen. 

Abgeordneter BROUKAL (S) rechnete in Richtung der Freiheitlichen vor, jeder Österreicher zahle für die Autobahnen 1.100 € und für die Landwirtschaft 825 € jährlich. Er zahle den Betrag für die Landwirtschaft gerne, sagte er, genau so wichtig sei ihm aber ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr.

Broukal wies auf die umfassenden Verhandlungen zwischen Koalition, Opposition und Gewerkschaft über die ÖBB-Reform hin und skizzierte, hinsichtlich der meisten Punkte habe man gemeinsame Denkansätze und Lösungen gefunden. Die Koalition habe die Vereinbarungen aber lediglich in einer rechtlich schwachen Form, nämlich durch Ausschussfeststellungen, festlegen und nicht im ÖBB-Gesetz verankern wollen. Dass die Verhandlungen gescheitert seien, sei ihm endgültig nach einem Radio-Interview Gorbachs am Samstag klar geworden, meinte Broukal.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) begründete die Notwendigkeit der ÖBB-Strukturreform unter anderem mit einer Vorgabe der EU, Betrieb und Infrastruktur der Bahn zu trennen. Würde die Trennung nicht in Form einer Holding durchgeführt, wäre Österreich gezwungen, das Unternehmen tatsächlich zu zerschlagen, betonte sie. Laut Hakl wird die Holding die Strategie vorgeben und als eine Art Trainer eines Fußballteams agieren.

Die Abgeordnete unterstrich darüber hinaus, dass die ÖBB auch nach der Reform einen hohen Eigenkapitalanteil haben würden. "Wir machen ein ganz gesundes, entschuldetes Unternehmen, das fit ist", zeigte sie sich überzeugt. Es werde klare Zuständigkeiten und eine klare Struktur geben. Für den Bau des Brenner-Basistunnels kündigte Hakl die Gründung einer eigenen AG im nächsten halben Jahr an.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) konstatierte, es gebe "einen Europameister" bei der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene und das sei die Cargo-Bahn, der Güterverkehr der ÖBB. Dieses Erfolgsmodell wird ihrer Ansicht nach durch die Zerlegung der ÖBB zerstört. Sie fürchtet zudem, dass durch die Reform die unternehmenspolitische Verantwortung verloren gehen wird.

Namens der Grünen brachte Moser einen Entschließungsantrag ein, der auf eine Qualitätsverbesserung der ÖBB abzielt. Er sieht u.a. die Schaffung eines Kundenbeirats vor.

Abgeordneter WITTAUER (F) gab der SPÖ die Schuld am Scheitern der Verhandlungen zur ÖBB-Reform und erklärte, die ÖVP habe sich bemüht, einen Konsens zu finden. Man sei auch knapp vor einer Einigung gestanden.

Wittauer wies erneut darauf hin, dass jeder Österreicher pro Jahr einen Zuschuss zur ÖBB im Ausmaß von 525 € zahle, damit würden auch die Privilegien der Eisenbahner finanziert. Einen Vergleich mit den Kosten für die Straße erachtet er für unstatthaft, da das Straßennetz stärker benutzt werde. "Jede Familie hat heute zwei Autos."

Abgeordneter Mag. MAIER (S) wies den Vorwurf Wittauers zurück, Eisenbahner würden Privilegien haben. "Kennt einer von Ihnen einen reichen Eisenbahner?" fragte er, "ich nicht". Zum Scheitern der Verhandlungen über die ÖBB-Reform merkte der Abgeordnete an, was solle die SPÖ mit "vagen Absichtserklärungen" anfangen, kein Vorstandsdirektor müsse sich an Ausschussfeststellungen halten.

Besonders bedauerte Maier, dass der Bahnkunde nichts von der ÖBB-Reform haben werde. Er fürchtet auf Grund eines vorliegenden Papiers im Gegenteil, dass die Bahnverbindungen überall dort, wo es Busverbindungen gebe, eingestellt würden. Ein von Maier eingebrachter Entschließungsantrag hat den sofortigen Um- bzw. Ausbau des Bahnhofs Salzburg zum Ziel.

Abgeordneter GLASER (V) führte aus, die ÖBB müsse auf den prognostizierten Anstieg des Transitverkehrs vom Osten in den Süden reagieren. Eine Reform hält er daher für unbedingt erforderlich. Das haben nach Meinung Glasers auch die SPÖ und die Grünen erkannt, sonst hätten sie nicht verhandelt. Er selbst sieht u.a. die Notwendigkeit, die Qualität des Transports zu steigern und die Verkehrsströme besser zu organisieren.

Da die Bahn laut Glaser gerade im Bereich des Personenverkehrs gegenüber ihren Kunden viel gut zu machen habe, brachte er einen gemeinsamen Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ ein, der das Ziel hat, die Qualität für den Fahrgast in Zukunft zu erhöhen.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) führte aus, sie habe die meisten Abgeordneten mit ganz wenigen Ausnahmen noch nie im Zug gesehen. Der öffentliche Personenverkehr ist für sie kein betriebswirtschaftliches Unternehmen und darf es auch nicht werden. Vielmehr gelte es sozialpolitische und umweltpolitische Aufträge zu erfüllen.

Haidlmayr räumte ein, dass eine Verbesserung der Serviceleistungen der Bahn notwendig sei, wandte sich aber gleichzeitig gegen die vorgesehene Reform. Wenn jemand krank sei, amputiere man ihm auch nicht die Füße und die Hände, damit er wieder gesund werde, sondern versuche das Ganze zu erhalten, argumentierte sie. Die Abgeordnete ist überzeugt davon, dass Verkehrsminister Gorbach die Bahn privatisieren will, "nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen, aber in den nächsten Jahren".

Abgeordneter WATTAUL (F) erklärte, Parteipolitik habe grundsätzlich nichts auf dem Rücken eines Unternehmens verloren. Die ÖBB seien jahrzehntelang ein sozialdemokratischer Betrieb gewesen, nun gelte es, daraus ein modernes Unternehmen zu machen. Das ÖBB-Strukturgesetz biete die besten Voraussetzungen dafür. Wattaul erachtet es u.a. für notwendig, die ÖBB mehr am Kunden zu orientieren.

Der Abgeordnete brachte zum Bundesbahnstrukturgesetz 2003 namens der Koalition auch einen Abänderungsantrag ein. Mit diesem soll verhindert werden, dass sich die Besetzung der neuen Organfunktionen sowohl bei der ÖBB-Holding als auch bei den Tochter- und Enkelgesellschaften verzögert. Konkret kann nun bei der Bestellung der ersten Vorstandmitglieder und Geschäftsführer der Holding sowie der Tochter- und Enkelgesellschaften von der gemäß Stellenbesetzungsgesetz verpflichteten Ausschreibung abgegangen werden, wenn diese dem jetzigen ÖBB-Vorstand oder den Geschäftsführungen der von den Umstrukturierungen betroffenen Gesellschaften angehören bzw. aus dem Personenkreis der Leiter der Geschäftsbereiche kommen.

Abgeordnete SCHARER (S) erklärte, ihre Fraktion werde dieser Reform keinesfalls zustimmen, weil sie keinerlei Verbesserungen, sondern vielmehr zahlreiche sichtbare Verschlechterungen beinhalte. Die Haltung der Regierung bei diesen Verhandlungen sei zu kritisieren, sei sie doch auf keinerlei Gegenargumente eingegangen. Ihre Fraktion aber nehme die Bedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung, aber auch der Beschäftigten, ernst und werde weiter in diesem Sinne agieren. Die SPÖ wolle eine Bahn, die fährt, im Interesse der Wirtschaft und der Bevölkerung, im Interesse Österreichs.

Abgeordneter RÄDLER (V) meinte, die Aussagen der S-Redner müssten korrigiert werden. Sie entsprächen nicht den Tatsachen. Eigentlich gehe es der SPÖ um den Erhalt eines Machtapparates, während es der Regierung darum zu tun sei, die Zukunft der Bahn zu sichern. Der Redner erläuterte die Kernpunkte der Reform und wies die Kritik der Opposition an dieser Reform zurück. Diese sei aber notwendig, um die Zukunft des Unternehmens sicher zu stellen. Österreich brauche die Bahn, und die Veränderungen nützten der Wirtschaft wie den Bahnkunden.

Abgeordnete MANDAK (G) brachte einen Entschließungsantrag betreffend Aufwertung der Schiene gegenüber der Straße und entsprechender Umweltprüfung des Generalverkehrsplans ein. Die Regierung handle zwar, aber die Handlungen nutzten den falschen Personen. Die ÖBB habe sich in den letzten Jahren sehr zu ihrem Vorteil verändert und viele Verbesserungen vorgenommen, wodurch sich die Bahn im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen könne. Es gebe weiterhin Verbesserungsbedarf, doch diese Reform diene nicht der Verbesserung, sondern realiter der Zerschlagung der ÖBB, und das könne nicht im Sinne des Landes sein. (Forts.)