Parlamentskorrespondenz Nr. 34 vom 20.01.2004

EXPERTENHEARING ÜBER HEIMVERTRAGSGESETZ UND HEIMAUFENTHALTSGESETZ

Vorlagen als erster Schritt begrüßt, aber Wünsche offen

Wien (PK) - Zum Heimaufenthaltsgesetz wurde in der heutigen Sitzung des Justizausschusses (siehe PK Nr. 33) zunächst ein Expertenhearing durchgeführt. Univ.Prof. Dr. Heinz Barta (Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck) eröffnete sein Statement mit der Feststellung, die rechtlichen Rahmenbedingungen für alte Menschen seien dann gut genug, wenn sie "die besten sind". Mit dem vorliegenden Entwurf sei dies nicht gelungen, sagte Barta, und wertete es als Nachteil, dass die "einheitliche Materie" auseinander gerissen und nicht der Weg eines einheitlichen Gesetzes gegangen werde. Den Einzelinteressen - von Bund, Ländern und Trägern - hätte man zudem mehr gegensteuern müssen.

Beim Heimvertragsgesetz sei das "Hineinstopfen" ins Konsumentenschutzgesetz keine optimale Lösung, ein eigenes Gesetz wäre vor zu ziehen gewesen. Neben diesen formalen Mängeln gebe es aber auch inhaltlich "große Schwächen". Barta sieht es immerhin als erfreulich, dass die Vertragslösung gewählt wurde - sie sei aber in vielfältiger Weise nicht genützt worden: die Schriftlichkeit sei nicht in für alte Menschen sachgerechter Weise ins Gesetz gekommen, es bestehe keine Leistungsanpassungspflicht, Regeln über Entgelterhöhung fehlten völlig, die neuen Vertreter für Heimbewohner müssten eine Verbandsklagsbefugnis erhalten. Schwächen ortete Barta auch bezüglich der Rückstellung der Wohnungseinheit, hier müsste es Minimalfristen geben. Probleme gebe es bei den Wartelisten. Weiter fehle ein Hinweis, dass abweichende Vereinbarungen unwirksam sind. Als Mangel sieht Barta auch, dass im Heimvertragsgesetz die Behinderten nicht erwähnt sind. Die Kündigungsregelung des Gesetzes erachtet Barta als "untragbar"; eine Verschuldensklausel fehle. Auch müsste im Falle der Kündigung eine Ersatzunterbringung sicher gestellt sein. Darüber hinaus monierte der Experte Musterverträge.

Zum Bereich Persönlichkeitsrechte meinte Barta, er müsse in einer für alte Menschen geeigneten Weise aufbereitet werden; als praktisches Beispiel nannte er die freie Arztwahl. Eine Verrechtlichung des Themenbereichs Freiheitsbeschränkung sei notwendig und richtig, führte der Experte weiter aus. Fraglich sei aber, ob es so funktionieren könne, dass drei Systeme - Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Heimvertretung - unverbunden nebeneinander bestehen.

Abschließend plädierte Barta für eine Allparteienlösung. Der vorliegende Entwurf sei als 1. Schritt, mehr könne er aber nicht sein.

Dr. Michael Ganner (Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck) begrüßte, dass es nun zu Regelungen und damit zu mehr Rechtssicherheit für Trägereinrichtungen und Pflegebedürftige kommen werde. Es gebe aber auch Punkte, die verbesserungsfähig wären. Zum Heimvertragsgesetz meinte der Experte, dem Verein für Sachwalterschaft sollte zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Verbandsklage einzubringen. Als nicht ganz klar bezeichnete Ganner die Situation der "alten" Heimbewohner: Muss mit ihnen ein Vertrag abgeschlossen werden? Was ist mit jenen, die nicht geschäftsfähig sind? Gar nicht berücksichtigt seien Klarstellungen bei Haftungsfragen. Auch die Angemessenheit des Entgelts sei nicht ausreichend klar. Bei Kündigungen wegen Zahlungsverzug sollte eine Nachfrist eingeräumt werden.

Zum Heimaufenthaltsgesetz und dem dort geregelten Bestimmungen zur Freiheitsbeschränkung regte Ganner an, den Geltungsbereich ab fünf Pflegeplätzen zu definieren. Unklar sei auch die Geltung für Tagesstätten. Hinsichtlich des Grundrechts auf körperliche Bewegungsfreiheit meinte der Experte, es sollte in diesem Zusammenhang auch das Grundrecht auf persönliche Privatsphäre im Zusammenhang mit der dauernden elektronischen Überwachung genannt werden. Die Bewohnervertretungen müssten in ihrer Aufgabe unterstützt werden, etwa durch Fortbildungen, wie überhaupt die Fragen der Qualifikation von großer Bedeutung seien, zumal viele Pflegepersonen von ihnen verfügte Freiheitsbeschränkungen gar nicht als solche gesehen würden.

Gerda Ressl (Verein Behindertenombudsmann - Rat und Hilfe für Behinderte) stellte sich als Mutter einer mental behinderten Tochter und damit als "Mitbetroffene von der Basis" vor. Man habe sich mit der Vorlage Mühe gegeben, den Beteiligten gerecht zu werden. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass alle, die gute Arbeit zu leisten entschlossen sind, auch bei Missständen bereit seien, nach besseren Lösungen zu suchen. Gerade im Behindertenbereich gebe es aber Personen, die andere Ziele als erfolgreiche Arbeit verfolgten. Hirn, Herz und Hand seien in dieser Arbeit erforderlich, keines davon dürfe fehlen. An den Gesetzesentwürfen regte Ressl die Wiedereinführung des Popularantragsrechts ein, weil Menschen, die nicht mehr im Stande seien, eine Vollmacht zu unterschreiben, Fremden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert seien. Das Gesetz setze voraus, dass alle beteiligten Personen - Leiter, Ärzte, Richter, Bewohnervertreter, Vertrauenspersonen - untadelig, integer und charakterlich in Ordnung seien. Das aber sei nicht immer der Fall, meinte die Rednerin und erinnerte an die Fälle Gross, Wurst und Lainz.

Mit drastischen Worten sprach Ressl sich für die Vorsorgevollmacht aus, wolle man nicht, etwa bei längerer Bewusstlosigkeit, dass man selbst, sein Hab und Gut und die Angehörigen "in ernste Gefahr" zu geraten. Manche derartige Fälle könnten mit den Vorlagen verhindert werden, meinte Ressl, die konkrete Beispiele aus der Praxis brachte. Selbstbestimmung bedeute "so viel Freiheit wie möglich und so viel Hilfe wie nötig".

Dr. Peter Schlaffer (Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft) begrüßte zunächst die Vorlage zum Heimvertragsgesetz, insbesondere die Gebührenfreiheit, die verpflichtende Aufschlüsselung des Entgelts, den verpflichtenden Vertragsabschluss an sich sowie die gesetzliche Verankerung der Vertrauensperson. Auch er vermisse die gesetzliche Angemessenheit des Entgelts.

Auch das Heimaufenthaltsgesetz sei grosso modo sehr zu begrüßen, vor allem die Tatsache, dass es nun eine bundeseinheitliche Regelung geben werde. Als sinnvoll wertete Schlaffer die Parallelität zum Unterbringungsrecht. Positiv sieht er den ausgebildeten Rechtsschutz. Besonders begrüßte er die vorgesehene Personenvertretung durch die Sachwaltervereine, da diese Vereine einen besonderen Zugang zu den betroffenen Menschen hätte und zudem Experten im Bereich der Freiheitsbeschränkung seien. Er skizzierte den spezifischen Zugang zum Thema Zwang: Dort, wo er notwendig sei, müsse er deklariert sein und überprüft werden. Freiheitsbeschränkungen dürften nur als "letzte Möglichkeit" eingesetzt werden.

Abschließend regte Schlaffer eine umfassende Evaluierung der neuen Regelungen an, um durch begleitende Forschung allfällige Nachbesserungen vorsehen zu können. "Die Regelungen, die da geschaffen werden, werden wir alle als Betroffene im Alter möglicherweise selbst evaluieren", schloss der Experte, weil die Wahrscheinlichkeit steige, die letzten Lebensjahre pflegebedürftig zu werden. (Fortsetzung)