Parlamentskorrespondenz Nr. 54 vom 28.01.2004

AKTUELLE STUNDE IM NATIONALRAT: KOMMT DIE UMWELT UNTER DIE RÄDER?

G und S kritisieren Verkehrspolitik; Gorbach: LKW nicht verteufeln

Wien (PK) - "Kommt die Umwelt unter die Räder?" lautete die Frage, die die Grünen als Thema für die Aktuelle Stunde wählten, mit der die heutige Nationalratssitzung eingeleitet wurde. Grüne und Sozialdemokraten brachten verkehrsbedingte Gesundheits- und Umweltgefahren zur Sprache und kritisierten Verkehrsminister Hubert Gorbach wegen Versäumnissen in der Verkehrs- und Transitpolitik. Der Vizekanzler warnte davor, den LKW zu verteufeln, wies auf die ambitionierten Schienenausbaupläne der Bundesregierung und auf sein persönliches Engagement für eine umweltfreundliche und nachhaltige Verkehrspolitik in Brüssel hin.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) begründete die Themenwahl seitens ihrer Fraktion mit der dramatisch schlechten Gesundheitssituation an den Transitrouten in Tirol und Salzburg, auf die zuletzt auch tausend Ärzte in einer Resolution aufmerksam gemacht haben. Die Rednerin kritisierte die Bundesregierung, die tatenlos zusehe, wie sich der Verkehr seit 1990 um 54 % vermehrt und der Schwerverkehr mehr als verdoppelt habe. Das hochrangige Straßennetz habe in diesem Zeitraum um 14 % zugenommen, während das Schienennetz geschrumpft sei. Nebenbahnen seien ein zwar beliebtes Thema für Sonntagsreden, aber kein Anliegen dieser Bundesregierung. Dazu komme nun das "Transitdesaster", durch das die letzten Beschränkungen für den Schwerverkehr gefallen sind. Das versprochene Kontrollstellennetz komme aber erst in vier Jahren und werde nur 1 % der LKW erfassen. Lichtenberger vermisste ein Nachtfahrverbot und einen verpflichtenden Einbau von Partikelfiltern. Bis 2011 soll sieben Mal mehr Geld in den Straßenbau investiert werden als in den Ausbau der Schiene, klagte die Tiroler Abgeordnete und meinte, dass Straßenbauprojekte, etwa die B 100 in Kärnten, so gestückelt werden, dass eine UVP-Pflicht umgangen werden könne. Diese Regierung legt, so Lichtenbeger, einen roten Teppich für den internationalen Schwerverkehr und vernachlässige den Klimaschutz. Denn die Emissionsminderungen von Wirtschaft und Haushalten werden durch die zunehmenden Verkehrsschadstoffe überkompensiert.

Verkehrsminister Hubert GORBACH erinnerte an sein umweltpolitisches Engagement in Brüssel, wo ihn seine europäischen Kollegen bereits als "Umweltminister" ansprechen würden. Der Kontrollmasterplan sei auf Knopfdruck erweiterungsfähig, teilte der Verkehrsminister mit, hielt aber unmissverständlich fest, dass Wohlstand, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze ohne Verkehr nicht denkbar seien und er es daher ablehne, den LKW zu verteufeln. Gorbach machte auch darauf aufmerksam, dass nur 1 % des LKW-Verkehrs auf den Transit zurückzuführen, der Rest aber hausgemacht sei.  Beim Schienenausbau bestehe tatsächlich Nachholbedarf, dies sei Folge einer jahrzehntelangen Politik, mit der der rote Teppich für die Schiene eingerollt worden sei.

Die Verkehrsinvestitionspolitik der Bundesregierung bis 2021 sehe demgegenüber völlig anders aus: Bei Investitionen von insgesamt 45 Mrd. € entfallen 30 Mrd. auf die Schiene und 15 Mrd. € auf die Straße. Die ÖBB-Reform habe das Ziel, die Schiene funktions- und wettbewerbsfähig zu machen. Überdies sei es gelungen, insgesamt fünf Schienenprojekte auf die Prioritätenliste für die Transeuropäischen Netze zu setzen, was eine 20 prozentige EU-Kofinanzierung für Investitionen von 12,27 Mrd. € bedeutet.

Breiten Raum widmete der Verkehrsminister der Lärmschutzoffensive der Bundesregierung. Die diesbezüglichen Aufwendungen steigen von 2003 bis 2005 von 34 Mill. € auf 52 Mill. €, führte Gorbach aus. Es werde so viel investiert wie noch nie und es wird uns gelingen, die Verkehrssituation für die österreichische Bevölkerung erträglich zu machen, zeigte sich der Verkehrsminister überzeugt.

Abgeordneter MIEDL (V) sah einen Lösungsansatz für die Transitverkehrsproblematik in der erwarteten Wegekostenrichtlinie der EU, die es Österreich erlauben wird, in sensiblen Gebieten wie Tirol in der Mautpolitik flexibler vorzugehen. Wir wollen einen 25-prozentigen Zuschlag einheben, der zweckgebunden für den Umweltschutz eingesetzt werden kann. Diese Position sollte Österreich gemeinsam vertreten, sagte Miedl und forderte die Grünen dazu auf, auch die Grünen Minister Fischer und Trittin in Deutschland als Verbündete für die österreichische Transitpolitik zu gewinnen.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) würdigte die Leistungen des sozialdemokratischen Salzburger Umwelt-Landesrats Othmar Raus und erinnerte an die Erfolge von Umweltminister Steyrer, dem es gelungen sei, den Katalysator einzuführen. Warum engagiere sich die Bundesregierung nicht für die Entwicklung eines Partikelfilters für LKW? fragte Prähauser und wies darauf hin, dass die Russemissionen der LKW 80 % der verkehrsbedingten Emissionen ausmachen, obwohl die LKW nur 20 % zum Verkehrsaufkommen beitragen.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) warf den Grünen vor, sich von ihrer ursprünglichen Kernkompetenz Umweltschutz, für die Abgeordnete Freda Meissner-Blau und Herbert Fux noch gestanden seien, verabschiedet zu haben. Die Transitpolitik Brüssels kritisierte der Redner als zynisch und überheblich und sprach die Erwartung aus, dass die "unsinnigen" EU-Vorgaben von der Regierung sicher nicht vollzogen werden. Lichtenberger erinnerte Mainoni daran, dass ein großer Anteil der Straßeninvestitionsaufwendungen nicht in den Neubau, sondern in die Sanierung und überdies in hohem Ausmaß in Umweltschutzinvestitionen fließe. Die Verkehrsinvestitionen der Bundesregierung beleben das BIP-Wachstum um 0,5 %, hielt Mainoni schließlich fest.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) warnte davor, das durch die EU-Erweiterung zu erwartende Verkehrswachstum um 200 bis 300 % einfach hinzunehmen, ohne über Alternativen nachzudenken. Besonders ärgerlich fand sie, dass der Kärntner Landeshauptmann Haider durch seine Weigerung, die Öko-Stromverträge zu verlängern, Investitionen in Alternativenergien blockiere. Gerade bei den Zukunftsinvestitionen in Windkraft, Biogas und Fotovoltaik sei die Verknüpfung einer modernen Wirtschaftspolitik mit dem Nachhaltigkeitsprinzip und der Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze besonders deutlich.

Abgeordnete Mag. HACKL (V) zeigte sich betroffen, dass Grüne und SPÖ das Transitthema parteipolitisch behandeln. Die Lösung der Transitprobleme setze ein gemeinsames und einiges Auftreten im Europäischen Parlament voraus. Nur so sei es möglich, eine Wegekostenrichtlinie zu erreichen, die dem Prinzip der Kostenwahrheit entspricht. Überdies seien nicht nur Tirol und Salzburg von Transitproblemen betroffen, sondern auch Wien, wo die SPÖ aufgerufen sei, ihre Hausaufgaben zu machen und Wien zur sensiblen Zone zu erklären.

Vizekanzler Hubert GORBACH ergänzte seine Ausführungen mit der Information, dass von den kurzfristigen Verkehrsinfrastruktur-investitionsmitteln 72,5 % für Schieneninvestitionen vorgesehen sind. Weiters unterstrich Gorbach sein Engagement für den Ausbau des Kombiverkehrs. Gemeinsam mit Deutschland, Italien und Griechenland bemühe er sich, den Kombiverkehr bis 2005 um 50 % auszubauen. Das Ziel der ÖBB-Reform sei es, für die Schiene eine attraktive Betriebsfirma zu haben, damit die Schiene auch verwendet wird.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) wandte sich zunächst dem Lärmschutz zu und konfrontierte die Regierung mit der Frage, warum sie die EU-Lärmschutzrichtlinien nicht umsetze und warum es bei Lärm keine verpflichtenden Grenzwerte und kein Recht auf Lärmschutz gebe. Scharf kritisierte Sima die Haltung Jörg Haiders zum Öko-Strom: Wenn Haider 2 € jährlich pro Haushalt für den Öko-Stromausbau zuviel sind, müsse er sich schon die Frage gefallen lassen, wo er und die FPÖ gewesen seien, als die Bundesregierung ihre letzte Belastungslawine auf die Österreicher losgelassen habe, sagte Sima pointiert.

Abgeordneter WITTAUER (F) machte seine Vorrednerin darauf aufmerksam, dass gerade der Kärntner Landeshauptmann eine sehr erfolgreiche Initiative zur Förderung von Solaranlagen gestartet hat. Was die Verkehrspolitik betrifft, so könnten die großen Fehler der Vergangenheit nicht in kurzer Zeit repariert werden. Die ÖVP-FPÖ-Regierung bemühe sich aber sehr und habe ein großes Infrastrukturpaket, das besonderes Augenmerk auf die Schiene legt, beschlossen. Außerdem sei es gelungen, das Immissionsschutzgesetz-Luft zu novellieren, dass die Landeshauptleute nicht nur in die Pflicht nimmt, sondern ihnen auch mehr Kompetenzen gibt.

Die Bundesregierung kümmere sich kaum um die Themen Umwelt und Gesundheit, kritisierte Abgeordnete REST-HINTERSEER (G), wobei die Verkehrspolitik ein besonderes krasses Beispiel sei. Im besonderen kam sie auf die Tauernautobahn zu sprechen, wo es dringenden Handlungsbedarf gebe. Es sei nicht richtig, dass nun der Schwerpunkt auf die Schiene gelegt werde, da 2004 das Jahr des Straßenbaus werden soll. Sie frage sich, wie das der Minister all den leidgeprüften Anrainern erklären wolle.

(Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)