Parlamentskorrespondenz Nr. 115 vom 20.02.2004

FEKTER IM JUSTIZAUSSCHUSS: UNTERNEHMENSSTRAFRECHT NOCH HEUER

Aktuelle Aussprache über Kaprun-Verfahren und Unternehmensstrafrecht

Wien (PK) - Die Freisprüche aller Beklagten in erster Instanz im Verfahren zur Katastrophe von Kaprun im November 2000 waren heute der Anlass für eine aktuelle Aussprache mit Justizminister Dieter Böhmdorfer im Justizausschuss. Zentrales Thema bei der Aussprache - für die die Opposition vergeblich die Zulassung der Medienöffentlichkeit beantragt hatte - waren der aktuelle Stand der Überlegungen zu einer Strafbarkeit juristischer Personen bzw. von Unternehmen sowie mögliche Schlussfolgerungen aus dem Kaprunprozess für die Justizverwaltung. Ausschuss-Vorsitzende Fekter kündigte an, die Beschlussfassung eines Unternehmens-Strafrechts werde noch heuer erfolgen.

AUSFÜHRLICHE DEBATTE ZUR GESCHÄFTSORDNUNG

Dieser Debatte ging eine längere Geschäftsordnungsdebatte voraus. Ausschuss-Vorsitzende Maria Theresia Fekter betonte am Beginn der Ausschusssitzung, im Sinne der Gewaltentrennung könne der Ausschuss keine Debatte über Gerichtsurteile durchführen. Es könne ausschließlich um Fragen an den Justizminister über Konsequenzen aus dem Verfahren für die Justizverwaltung gehen.

Seitens der Sozialdemokraten wurde auf im Verfahren aufgetretene Probleme verwiesen und die Zulassung der Medienöffentlichkeit beantragt. Von der Fraktion der Grünen wurde dieses Verlangen unterstützt, während die Vertreter der Regierungsfraktionen für die Zulassung der Öffentlichkeit im Rahmen einer aktuellen Aussprache Probleme - nicht zuletzt geschäftsordnungsmäßiger Natur - sahen. Die Opposition untermauerte ihr Begehren nach Öffentlichkeit u.a. mit dem Argument, es bestehe ein intensiver Zusammenhang mit der in der Sitzung zu behandelnden Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens, während von den Regierungsfraktionen ins Treffen geführt wurde, an einem Tag nach einem derartigen Urteil sollten nicht so schwerwiegende Beratungen angesetzt werden.

Die Ergänzung der Tagesordnung um eine aktuelle Aussprache fand die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Antrag auf Zulassung der Öffentlichkeit wurde von Vorsitzender Fekter mit dem Hinweis nicht zugelassen, der Antrag sei nicht geschäftsordnungskonform. Ein Antrag der Sozialdemokraten, die Tagesordnung um den Antrag Nr. 334 zu ergänzen, fand nicht die erforderliche Mehrheit.

AKTUELLE AUSSPRACHE: KAPRUN-VERFAHREN UND UNTERNEHMENSSTRAFRECHT

Justizminister Dieter Böhmdorfer stellte zunächst fest, beim Kaprun-Verfahren seien seitens der Justizverwaltung alle Vorkehrungen getroffen worden, um ein schnelles, reibungsloses und gründliches Verfahren zu gewährleisten. Die Urteilsverkündung sei offenbar gut vorbereitet gewesen, das Urteil werde vermutlich bald in schriftlicher Form vorliegen. Böhmdorfer kündigte in diesem Zusammenhang an, dass nach der Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens die Reform des Hauptverfahrens angegangen werde.

Zum Thema Unternehmensstrafrecht stellte der Justizminister fest, dass es diesbezügliche Vorgaben seitens der EU, des Europarats und der OECD gebe und Österreich "im Verzug" sei. Die Arbeiten innerhalb des Ressorts seien zwar abgeschlossen, doch fehle die politische Einigung. Grundsätzlich solle, wenn nicht Verschulden einer Einzelperson, sondern einer Organisation vorliege, das vom Strafrichter festzustellen und eine Geldbuße zu verhängen sein, skizzierte Böhmdorfer und sah in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines "Schulterschlusses" mit Fragen der Erfolgshaftung.

In der Debatte wies Abgeordneter Christian Puswald (S) darauf hin, dass seine Fraktion die Frage der Strafbarkeit von Unternehmungen bereits 1998 thematisiert habe. Es irritiere, wenn das Thema ausgerechnet jetzt aufgegriffen werde, nachdem es jahrelang unnötiger Weise verschleppt worden sei.

Abgeordneter Johann Maier (S) bezweifelte, dass der Kaprun-Prozess optimal vorbereitet worden sei. Es habe ein "überhastetes Vorverfahren" gegeben, es seien möglicherweise "die Falschen" angeklagt worden, im Verfahren sei eine einzige Staatsanwältin 16 Rechtsanwälten gegenüber gewesen. Es habe Fehler im Ermittlungsverfahren gegeben, wichtiges Beweismaterial sei verschwunden. Aus diesen Vorfällen gelte es für die anstehende Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens zu lernen, betonte Maier. Zum Thema Unternehmensstrafrecht fragte er nach Details. Auch seine Fraktionskollegin Gisela Wurm forderte Aktivitäten in diese Richtung.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) stellte in Abrede, dass die von Maier kritisierten Versäumnisse beim Kaprun-Verfahren in die Verantwortung des Justizministers fielen. In der Frage des Unternehmensstrafrechts habe sich seinerzeit die SPÖ bei ihrem Koalitionspartner ÖVP nicht durchgesetzt - der FPÖ werde das aber gelingen, sagte Partik-Pable.

VP-Abgeordneter Walter Tancsits sah die Debatte bei einem derartigen "Systemwechsel" wie der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts "zu nah am aktuellen Anlass" und meinte, die Verantwortung des einzelnen dürfe dabei nicht unter die Räder kommen. Sein Fraktionskollege Michael Ikrath befürchtete den Übergang vom Verschuldens- zum Erfolgsstrafrecht.

Justizminister Böhmdorfer begegnete diesen Befürchtungen mit dem Hinweis, dass vom Verschuldensprinzip nicht abgegangen werde.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) plädierte für Sorgfalt bei der Ausarbeitung eines Unternehmensstrafrechts, zumal es sich dabei um ein Novum in der österreichischen Rechtsordnung handle. Froh zeigte sie sich darüber, "dass der Minister endlich Gas gibt". Mit dem Kaprun-Verfahren habe das Thema allerdings überhaupt nichts zu tun, betonte sie: Es handle sich um Vorgaben, an die sich Österreich zu halten habe.

Abgeordnete Maria Theresia Fekter (V) stellte klar, dass Österreich sehr wohl die Strafbarkeit juristischer Personen kenne, und zwar im Verwaltungsstrafrecht, allerdings keine gerichtliche gemäß Strafgesetzbuch. Die Diskussion gehe also darum, wie das bestehende Recht zu ergänzen sei. Damit und mit der Entwicklung einer systemkonformen Lösung habe sich bereits eine Arbeitsgruppe im Justizministerium befasst. Fekter geht davon aus, dass das entsprechende Gesetz noch heuer beschlossen werden kann, man stehe bereits "unmittelbar vor der Begutachtung".

(Schluss Aussprache/Forts. Justizausschuss)