Parlamentskorrespondenz Nr. 122 vom 25.02.2004

AKTUELLES IM NATIONALRAT: FAMILIEN - DREHSCHEIBE DER GENERATIONEN

Eine pointierte Debatte über Grundsätze der Familienpolitik

Wien (PK) - Der Nationalrat startete seinen heutigen Plenarsitzungstag unter der Vorsitzführung von Präsident Dr. KHOL auf Verlangen der Freiheitlichen mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Familien - Drehscheibe der Generationen".

Abgeordnete ROSSMANN (F) begründete die Themenwahl ihrer Fraktion mit der Notwendigkeit, in einer globalisierten Gesellschaft, in der die Ellbogenmentalität immer stärker und der Verdrängungswettbewerb in der Arbeitswelt immer brutaler werde, eine Familienpolitik zu betreiben, die Vertrauen und Nestwärme in den Familien sichert. Denn die Familie sei nicht überholt, wie linke Weltverbesserer glauben machen wollten, sagte Rossmann. Der Vorstellung, Kinder sollten nach der Geburt möglichst rasch in einer Krippe untergebracht werden, Schüler von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends in einer Ganztagsschule verbringen und ältere Menschen möglichst bald in einem Altenheim betreut werden, erteilte die Rednerin eine Absage. Die FPÖ bekenne sich zur heilen Familie, in der Geborgenheit herrsche und die Großeltern noch mit ihren Enkelkindern spielen können.

Daher verfolgten die Freiheitlichen eine konsequenten Familienpolitik und forderten schon 1999 den Kinderscheck, eine Erfindung des Kärntner Landeshauptmannes Haider. ÖVP und SPÖ haben dies damals für unfinanzierbar gehalten, es sei aber gelungen, den Kinderscheck von Kärnten aus auf ganz Österreich auszudehnen. Diesen Weg setze die FPÖ nun mit der Forderung nach einer Geburtenprämie in der Höhe von 800 € für junge Familien fort und sie habe in Kärnten das Pilotprojekt "Pflegescheck" gestartet. Familien, die alte Menschen pflegen, können Rollstühle ausborgen, Hauskrankenhilfe in Anspruch nehmen und einmal jährlich einen zweiwöchigen Pflegerurlaub antreten, während die zu pflegenden Familienangehörigen vorübergehend in einem Pflegeheim aufgenommen werden. Dazu kommt die sozialrechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen. "Das ist die gelebte Sozialpolitik der Freiheitlichen, die energisch dafür sorgen, dass die Menschen in Würde zuhause alt werden können. Die Freiheitlichen reden nicht nur vom Sozialstaat, sie schließen die Lücken im Sozialsystem, wo diese rasch geschlossen werden müssen."

Staatssekretärin HAUBNER unterstrich die Bedeutung der Familie im Wertekanon junger Menschen. Für die meisten Menschen in Österreich stelle die Familie den wichtigsten Lebensbereich dar. Daher bekenne sich die Bundesregierung zu einer familien- und kinderfreundlichen Gesellschaft und betrachte Investitionen in Familien und in ein gerechtes Miteinander der Generationen als Investitionen in die Zukunft. So konnten 2002 und 2003 erfolgreiche Maßnahmen zur Stärkung der Familien eingeleitet werden: Vor allem habe mit dem Kinderbetreuungsgeld die Zweiklassengesellschaft für Mütter ein Ende  gefunden. 150.000 Menschen beziehen heute das Kinderbetreuungsgeld mit höheren Zuverdienstgrenzen, teilte Haubner mit und wies den Vorwurf zurück, die Regierung wolle die Frauen an den Herd zurückdrängen.

Stolz zeigte sich die Rednerin darauf, dass jetzt mehr Geld für Mehrlingsgeburten zur Verfügung stehe, denn Zwillinge und Drillinge bringen nicht nur mehr Freude, sondern auch höhere Kosten mit sich. Und sie erinnerte an die Einführung der Familienhospizkarenz, da die meisten Menschen zuhause alt werden wollen. Nachdrücklich bekannte sich Haubner auch dazu, Familienleistungen sozialrechtlich abzusichern, um zu verhindern, dass aus Familienzeiten Löcher in der Erwerbsbiographie werden: "Die Frauen brauchen eine eigenständige Altersvorsorge", lautete Haubners Credo. Daher werden die Kindererziehungszeiten pensionsrechtlich höher bewertet.

Als ein zentrales Handlungsfeld der österreichischen Familienpolitik bezeichnete die Staatssekretärin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wobei sie darauf hinwies, dass die OECD die diesbezüglichen österreichischen Initiativen als vorbildlich gelobt habe. Die Elternteilzeit soll berufstätige Eltern unterstützen und dazu beitragen, dass Kinder nicht zu einem Armutsrisiko werden. In der Steuerreform werden höhere Absetzbeträge kinderreichen Familien zugute kommen, sagte Haubner.

Abgeordnete STEIBL (V) hielt einleitend fest, dass das Kinderbetreuungsgeld von ÖVP und FPÖ gemeinsam eingeführt worden sei und betonte die gelebte Sozialpolitik der Präsidentin des Hilfswerks, Elisabeth Scheucher. Der Bundesregierung sei auf ihren Weg, Österreich zum familienfreundlichsten Land der Welt zu machen, erfolgreich unterwegs, sagte Steibl und listete die familienpolitischen Fortschritte seit 2000 auf: Kinderbetreuungsgeld, Familienhospizkarenz, Pflegegeld ab Geburt, gemeinsame Obsorge nach der Scheidung, höhere Familienbeihilfe, mehr Geld bei Mehrlingsgeburten. Als familienpolitische Schwerpunkte der Zukunft nannte die Rednerin die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Partner- und Elternbildung und weiteren Maßnahmen für eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Sie erinnerte an Vorschläge des Wirtschaftsministers für einen Dienstleistungsscheck für das Unternehmen Haushalt sowie an den Rechtsanspruch auf Teilzeit bis zum Schuleintritt des Kindes.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) wollte die "familienpolitische Märchenstunde" und die "Wahlkampfansagen" der Koalitionsrednerinnen mit einem Blick auf die Realität der Familien unterbrechen. Die Menschen wollen sich nicht vorschreiben lassen, in welche starre Form von "heiler Familie" sie zurückkehren sollen, stellte Kuntzl fest und erinnerte daran, dass sich die Welt verändere und daher auch in den Familien nicht alles beim Alten bleiben könne. Die Politik müsse die Menschen in der ganzen Vielfalt unterstützen, die es im familiären Zusammenleben gibt, sagte die Rednerin und machte darauf aufmerksam, dass bereits ein Viertel der Kinder in Einelternfamilien leben. Vor diesem Hintergrund zerplatzten "die Aussagen der Koalitionsparteien über ihrer großartige Familienpolitik wie Seifenblasen". Das Kindergeld führe viele Frauen in eine Armutsfalle, weil sie zu lange aus dem Beruf aussteigen und daher nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurückfinden. Das effizienteste Mittel gegen die Familienarmut sei es, dass Frauen arbeiten. Wer hier von Wahlfreiheit spreche, zwinge die Frauen, sich zwischen Beruf oder Kind zu entscheiden.

Abgeordneter SCHEUCH (F) unterstrich demgegenüber den Grundsatz der Freiheitlichen, Wahlfreiheit für die Menschen zu schaffen. In der Familienpolitik bedeute dies die Freiheit, kleine Kinder oder ältere Familienmitglieder zuhause zu betreuen. Der Opposition, der Scheuch durchaus auch gute Ansätze konzedierte, warf er klassenkämpferische und parteipolemische Aussagen vor, was bei diesem wichtigen Thema besonders bedauerlich sei. In Kärnten gehe man erfolgreich den Weg dezentraler Altenheime, um zu verhindern, dass Menschen im Alter aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden. Denn es sei wichtig, dass alte Menschen im Kontakt zu ihren Familien leben können.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) wollte wichtige Grundsätze in der Familienpolitik außer Streit stellen. Dazu gehöre das Prinzip der Partnerschaft. Es genüge nicht, die Pflege alter Menschen in die Familien zurück zu verlagern. Die Familien brauchen Pflegeinfrastruktur und auf diesem Gebiet sei Kärnten das Schlusslicht Österreichs. Schlecht bestellt sei es in ganz Österreich um die Partnerschaft zwischen Mann und Frau - die Verdreifachung der Väterkarenz stelle in Wahrheit eine Steigerung von 0,x % auf 0,x % dar. Falsch laufe in Österreich auch die Bildungspolitik, die den Familien höhere Kosten bringe, kritisierte Glawischnig und bedauerte die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Man sollte nicht versuchen, den jungen Menschen vorzuschreiben, zu heiraten oder nicht, Kinder zu bekommen oder nicht. Hier sei das Prinzip der freien Entscheidung ganz besonders wichtig, unterstrich die Rednerin. Abschließend klagte sie, wie wenig bei der Kinderbetreuung und bei der Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" - beides Jahrzehnte alte Themen - weitergehe.

Abgeordnete HÖLLERER (V) sah in den Familien die Grundlage für die soziale Absicherung der Gesellschaft sowie den Ort, wo Kinder in Geborgenheit aufwachsen und die Generationen zusammen leben. Die SPÖ habe es in dreißig Jahren nicht geschafft, eine erfolgreiche Familienpolitik zu betreiben. Die jetzige Bundesregierung habe hingegen einen Weg eingeschlagen, der es den jungen Menschen leichter macht, ja zur Familie zu sagen sowie Familie und Beruf zu vereinbaren. Abgeordnete Höller hielt es für wichtig, den Generationenvertrag zu sichern, indem man die Akzeptanz für die Arbeit der Väter und Mütter erhöht. "Hier wird wertvolle Arbeit für die Zukunft der Gesellschaft geleistet." Die SPÖ sollte sich der Diskussion über die Familienwerte stellen und erkennen, wie wichtig es sei, den Kindern in den ersten Jahren nach ihrer Geburt Geborgenheit zu geben.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) forderte die Abgeordneten auf, an die generationenübergreifenden Diskussionen zu denken, die an den österreichischen Familientischen geführt werden. Dort fragen sich junge Menschen, warum sie in Kärnten und Salzburg nicht schon mit 16 Jahren mitwählen dürfen. Und viele von ihnen müssen sich fragen, warum sie keine Lehrstelle und keinen Arbeitsplatz haben. Die Älteren wiederum fragen sich, warum der reale Wert ihrer Pensionen sinke, während die Bundesregierung bereits eine Milliarde Schilling für Beratungen ausgegeben habe. "Politik braucht ein Gewissen. Das vermissen wir bei Ihnen", sagte Heinisch-Hosek in Richtung Koalitionsparteien.

Abgeordneter LICHTENEGGER (F) konzentrierte sich auf die familienpolitischen Maßnahmen, die die Bundesregierung im Zuge der Steuerreform plane und stellte fest, dass noch niemals ein Steuerreformpaket geschnürt wurde, das so viel an Familienpolitik enthalte wie das der Bundesregierung. Lichtenegger begrüßte die höheren Absetzbeträge für Familien, denen nur ein Einkommen zur Verfügung stehe, weil dies dazu führen werde, dass Alleinverdienerfamilien um 10 % weniger Steuern als heute zahlen müssen.

Für Mag. WEINZINGER (G) hat die Bundesregierung das Ziel, Beruf und Familie zu vereinbaren, glatt verfehlt. Im Gegenteil werde derzeit eine Familienpolitik verfolgt, in der dem Mann das Familienleben und der Frau das Berufsleben zunehmend unmöglich gemacht werde. Weinzinger räumte ein, dass die direkten Familienleistungen im internationalen Vergleich zwar hoch seien, dennoch führten diese nicht dazu, die Geburtenrate zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Die gegenwärtige Bundesregierung sei mehr und mehr von der Familien- und Sozialpolitik hin zur "Scheckpolitik" übergegangen und stehle sich damit aus der Verantwortung, ein soziales Sicherheitsnetz zur Verfügung zu stellen, so Weinzinger.

Für die Grünen stünden die tatsächliche Partnerschaftlichkeit, die Wahlfreiheit und die Eigenständigkeit im Vordergrund, fuhr Weinzinger fort. Diese Eigenständigkeit fehle aber älteren Menschen, da diese abgeschoben würden. Auch jüngere Menschen könnten nicht eigenständig entscheiden, da ein Grundrecht auf ein eigenes Einkommen und auf Arbeit fehle. Ziel müsse es daher aus ihrer Sicht sein, Vätern und Müttern gleichermaßen die Möglichkeit zu bieten, Familie zu leben und einen Beruf zu ergreifen. Es bedürfe eines ausgedehnten Familienbegriffs, denn Menschen müssten so leben können, wie sie es für sich selbst entscheiden.

(Schluss Aktuelles Stunde/Forts. NR)