Parlamentskorrespondenz Nr. 192 vom 17.03.2004

GESUNDHEITSAUSSCHUSS: KLINISCHE PRÜFUNGEN WERDEN VEREINHEITLICHT

Strengere Kontrolle der Nahrungsergänzungsmittel beschlossen

Wien (PK) - Bei der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses stand zunächst die Umsetzung einer EU-Richtlinie im Mittelpunkt, die die Festlegung eines genauen Verfahrensablaufes bei der Durchführung von klinischen Prüfung bringt. Ein dazu eingebrachter Abänderungsantrag sah zudem vor, dass Nahrungsergänzungsmittel, die in Sportgeschäften und Supermärkten angeboten werden und eventuell Dopingmittel enthalten, untersucht und beschlagnahmt werden können. Weiters befassten sich die Abgeordneten noch mit Anträgen der SPÖ betreffend Arzneimittel für Kinder und Jugendliche, mit Anpassungen beim In-vitro-Fertilisationsgesetz, mit der Qualitätssicherung von Blut und Blutprodukten (S-Antrag) sowie mit dem Einsatz von GrenztierärztInnen für die Kontrolle von Tiertransporten (S-Antrag).

Vor Eingang in die Tagesordnung wurde noch über ein Verlangen der SPÖ abgestimmt, eine aktuelle Aussprache abzuhalten. Die Sozialdemokraten waren ebenso wie die Grünen der Meinung, dass aufgrund des aktuellen VfGH-Urteils zum Ausgleichsfonds der Krankenkassen eine Diskussion über die zukünftige Finanzierung des Sozialversicherungssystems dringend notwendig sei. Bundesministerin Maria Rauch-Kallat gab zu bedenken, dass die schriftliche Ausfertigung der VfGH-Entscheidung noch gar nicht vorliege, sondern nur ein Kurzbericht. Da es sich um eine extrem komplizierte Materie handle, wäre es wahrscheinlich besser, noch etwas abzuwarten. Sie bot den Abgeordneten aber an, nach dem Ende der Tagesordnung eine informelle Aussprache abzuhalten. - Der SPÖ-Antrag wurde sodann mehrheitlich abgelehnt.

GENAUER VERFAHRENSABLAUF BEI DURCHFÜHRUNG VON KLINISCHEN PRÜFUNGEN VON HUMANARZNEIMITTELN FESTGELEGT

Bei der Änderung des Arzneimittelgesetzes, des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten, des Arzneiwareneinfuhrgesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen“ geht es vorwiegend um die Umsetzung von EU-Vorgaben zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln.

Der Entwurf enthält folgende Regelungsschwerpunkte: Die Festlegung eines genauen Verfahrens vor Beginn einer klinischen Prüfung für Ethikkommissionen und die zuständige Behörde sowie die Einführung bestimmter Verfahrensfristen; Bestimmungen über multizentrische Prüfungen, Änderungen bei der Durchführung einer klinischen Prüfung, Schutz von Prüfungsteilnehmern, insbesondere von Minderjährigen und nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen sowie Berichte über unerwünschte Ereignisse und schwerwiegende Nebenwirkungen. (384 d.B.)

Ein in der Sitzung eingebrachter V-F-Abänderungsantrag zielt vor allem darauf ab, Lücken in der Kontrolle von Dopingmitteln zu schließen. Produkte, die als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht werden, die Dopingmittel beinhalten und daher als Arzneimittel einzustufen sind, werden nämlich auch in Sportgeschäften und Supermärkten vertrieben. In diesem Bereich fehlte bislang eine entsprechende Kontroll- und Beschlagnahmemöglichkeit. Diese Aufgabe wird nun ausdrücklich den Landeshauptleuten übertragen, die sich dazu besonders geschulter Organe zu bedienen haben. Um nicht unnötige Verwaltungsstrukturen zu kreieren, ist es vorgesehen, dazu die Lebensmittelaufsichtsorgane heranzuziehen.

Abgeordneter Kurt Grünewald und seine Kollegin Theresia Haidlmayr (beide G) unterstützten grundsätzlich das Gesetz, schlugen aber einige aus ihrer Sicht notwendige Verbesserungen vor. Für nicht günstig erachtete es Grünewald, dass die Kontaktstelle für Probanden vom Sponsor einzurichten ist. Diese wäre seiner Meinung nach besser bei der Patientenantwaltschaft aufgehoben. Weiters sollten Ethikkommissionen nicht nur Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten, sondern auch die angewandte Forschung am Menschen beurteilen. Abgeordnete Haidlmayr befasste sich mit den Änderungen im Arzneimittelgesetz. Ihr war es ein wichtiges Anliegen, dass entsprechende Studien getrennt nach Männern und Frauen gemacht werden.

Abgeordneter Johann Maier (S) befürwortete die Intentionen des Abänderungsantrages. Er machte allerdings darauf aufmerksam, dass ein großes Problem, nämlich der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmittel über Internet und Versandhandel, damit nicht gelöst sei. Maier schlug in diesem Zusammenhang vor, im Gesundheitsressort eine cyber-crime-unit - analog wie im Finanzministerium - einzurichten. Eine derartige Einrichtung könnte Testkäufe durchführen und generell die Marktentwicklung beobachten, argumentierte er. In einer von ihm eingebrachten Ausschussfeststellung bringt seine Fraktion den Wunsch zum Ausdruck, dass all jene Waren beschlagnahmt werden sollen, die auch noch nicht zugelassene Substanzen enthalten. Bedenken äußerte Maier noch hinsichtlich des Datenschutzes bei den klinischen Prüfungen, da die Daten seiner Ansicht nach verschlüsselt sein müssten.

Abgeordnete Beate Schasching (S) wünschte sich vor allem mehr Öffentlichkeitsarbeit, um Kinder und Jugendliche über die Gefahren des Dopings besser aufzuklären.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) sprach von einer wichtigen Vorlage und hob insbesondere die Schutzbestimmungen für die Prüfungsteilnehmer hervor. Sodann brachte er noch einen mit dem Gesetz im Zusammenhang stehenden so genannten Paragraph 27-Antrag ein, der eine Änderung beim Apothekerkammergesetz brachte. Demnach soll es sich beim Vorsitzenden des Disziplinarberufungssenats um einen Richter des Aktivstandes handeln, der sich bereits unmittelbar vor Übertritt in den Ruhestand befindet.

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (F) sprach im Zusammenhang mit den Nahrungsergänzungsmitteln von einem großen Problem. Wichtig sei daher, die Bevölkerung noch besser zu informieren; eine entsprechende Kampagne werde von Staatssekretär Waneck vorbereitet. Er freue sich sehr, dass es heute zu dieser Regelung gekommen ist.

Bundesministerin Rauch-Kallat wies in der Beantwortung der Fragen zunächst darauf hin, dass die Auswahl der Leitethikkommission durch das Ministerium erfolge und dass es die Möglichkeit gebe, Inspektionen vorzunehmen. Was die Kontaktstelle angeht, so haben sich im Begutachtungsverfahren sowohl die Mehrzahl der Länder als auch die Patientenanwaltschaft auf Grund der finanziellen Situation dagegen ausgesprochen, diese Stelle bei der Patientenanwaltschaft anzusiedeln. Der Abgeordneten Haidlmayr teilte die Ressortchefin mit, dass die meisten klinischen Prüfungen und Medikamentenprüfungen sowohl an Männern als auch an Frauen durchgeführt werden. Auch bei den Studien zeige sich eine derartige Tendenz, da die Pharmaindustrie die Notwendigkeit erkannt habe.

Wenn nicht zugelassene Stoffe bei den Untersuchungen entdeckt werden, dann werden diese automatisch gemeldet, merkte Rauch-Kallat in Richtung des S-Abgeordneten Maier an. Außerdem gebe es noch eine Verordnungsermächtigung des Bundeskanzlers. Die Anregungen der Abgeordneten Schasching könne sie nur unterstützen und dies werde auch im Rahmen der Gesundheitsförderungsbewegung berücksichtigt. Dabei werde nämlich ein Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche (besonders 14-Jährige) gelegt, die in Projekttagen und -wochen über die Themen Ernährung, Bewegung und auch Nahrungsergänzungsmittel besser informiert werden sollen. Sie werde sich als Präsidentin des Fonds „Gesundes Österreich“ darum bemühen, dass dieses Thema auch dort verstärkt Beachtung findet.

Staatssekretär Reinhart Waneck ging auf eine Frage des Abgeordneten Maier ein und informierte darüber, dass keine Stellungnahmen vom Datenschutzrat und vom Verfassungsdienst eingelangt sind. Ihm erscheine die Regelung als ausreichend, zumal der Datentransfer verschlüsselt sein müsse.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung des V-F-Abänderungsantrages einstimmig angenommen. Ebenfalls einstimmig angenommen wurde die Änderung des Apothekerkammergesetzes sowie die Ausschussfeststellung, wonach individuelle Heilversuche, die notwendiger Bestandteil einer Therapie sind, nicht unter den Begriff der klinischen Prüfung fallen. Der Ablehnung verfielen der G-Abänderungsantrag sowie die Ausschussfeststellung der SPÖ.

RAUCH-KALLAT KÜNDIGT KINDER-GESUNDHEITSPLAN FÜR ENDE JUNI AN

Die Abgeordneten befassten sich noch mit drei Entschließungsanträgen der Sozialdemokraten, die sich alle mit dem Thema Arzneimittel für Kinder und Jugendliche befassten. - Bei der Abstimmung wurden alle drei Anträge abgelehnt.

So geben die S-Abgeordneten etwa zu bedenken, dass nach Einschätzung von Experten 80 % der Arzneimittel, die in der Kinderheilkunde eingesetzt werden, für diesen Indikationsbereich nicht zugelassen sind. Für etwa 40 % der in Deutschland verordneten Medikamente, die nach der Klassifizierung der WHO unverzichtbar sind, gelte sogar nach Herstellerangaben in der Kinderheilkunde ein prinzipielles Anwendungsverbot. Es sei daher dringend erforderlich, die Sicherheit und die therapeutische Wirksamkeit der Arzneimittel für jede einzelne Altersgruppe zu untersuchen.

Die Bundesministerin wird daher von ihnen aufgefordert, einen Bericht vorzulegen, der eine Reihe von offenen Fragen beantwortet (im Detail unter (271/A[E]) zu finden). Weiters sollte das Bundesinstitut für Gesundheitswesen nach Ansicht der SPÖ eine Studie erstellen, die nationale und internationale empirische Erkenntnisse über den Einsatz von „Erwachsenenmedikamenten“ in der Kinderheilkunde erfasst. (270/A[E]) Überdies appellieren die Abgeordneten an die zuständige Ministerin, bis 29. Mai 2004 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende zentrale Punkte enthält: Bei der wissenschaftlichen und ethischen Evaluation von Prüfplänen, die Arzneimittel für Kinder und Jugendliche betreffen, müsse stets eine pädiatrische Expertise herangezogen werden. Überdies soll bei der Zulassung von Arzneimittelspezialitäten für Kinder und Jugendliche pädiatrischer Sachverstand einbezogen werden. (272/A[E])

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat zeigte großes Verständnis gegenüber den Anliegen der Sozialdemokraten. Als Reaktion auf die Präsentation des Buches "Weggelegt - Kinder ohne Medizin" wurde in ihrem Ressort eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die mittlerweile auch schon einen Abschlussbericht erstellt hat, teilte sie den Abgeordneten mit. Es gebe allerdings noch eine Sitzung, zu der die kritisierten Leiter der Klinikabteilungen eingeladen werden; danach werde sie den Bericht an die Abgeordneten übermitteln. Eine weitere Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, um einen Kindergesundheitsplan zu erarbeiten, führte die Ministerin weiter aus. Dabei nehmen nicht nur Experten aus allen Bereichen der Kinderheilkunde, sondern auch Eltern, Vertreter aus dem Pflege- und Therapiebereich sowie ein Betroffener teil. Ein wichtiges Thema dabei wird auch der Einsatz von innovativen Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche sein.

ANPASSUNGEN BEIM IN-VITRO-FERTILISATIONSGESETZ TEILS EINSTIMMIG BESCHLOSSEN

Sodann debattierten die Mitglieder des Ausschusses über einen Entwurf der Regierungsparteien, mit dem das In-vitro-Fertilisationsgesetz geändert wird. Nach dem gegenständlichen Beschluss sind nun Personen, die vom so genannten „opting out“ aus der gesetzlichen Krankenversicherung Gebrauch gemacht haben, in den Kreis der Anspruchsberechtigten einzubeziehen. Da eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Unfruchtbarkeitsgründen nicht gerechtfertigt erscheint, sollen durch die Aufnahme von "Endometriose" sowie des "polyzystischen Ovarsyndroms" ein Großteil der - auch leicht nachweisbaren - physischen Sterilitätsursachen bei der Frau erfasst werden.

Abgeordnete Barbara Riener (V) begrüßte die Änderungen, weil notwendige Klarstellungen vorgenommen werden. Positiv bewertete sie vor allem die Regelungen hinsichtlich privater Krankenkassen sowie die Berücksichtigung der Endometriose und des polyzystischen Ovarsyndroms als Sterilitätsursachen. Sodann brachte sie einen Abänderungsantrag ein, der klar stellt, dass der Hauptverband den Zuschuss zu leisten hat.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) stand ebenso wie Abgeordneter Kurt Grünewald (G) der Vorlage grundsätzlich positiv gegenüber. Seitens der Opposition wurde aber die Altersgrenze von 40 Jahren bemängelt, die Grünen hätten sich auch eine In-Vitro-Fertilisation bei HIV-Infektion des Mannes vorstellen können.

Bundesministerin Maria Rauch Kallat gab zu bedenken, eine Ausweitung der Altersgrenze würde zu zusätzlichen Kosten führen.

Das Gesetz wurde in getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mit V-F-Mehrheit angenommen.

ANTRÄGE DER OPPOSITION VERTAGT

Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde ein SP-Antrag auf Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes vertagt, in dem Abgeordneter Manfred Lackner insbesondere vorschlägt, dass Samen und Eizellen, die für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden, bis höchstens zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Mannes bzw. der Frau aufbewahrt werden dürfen. Weiters sollte das Verbot der Überlassung von Samen und Eizellen im Falle des Wechsels des behandelnden Arztes oder der Krankenanstalt, sofern diese für die Durchführung von solchen Maßnahmen berechtigt sind, aufgehoben werden.

Gesundheitsministerin Maria Rauch Kallat wies auf ein derzeit in Begutachtung stehendes Gesetz hin, das, wie sie betonte, hinsichtlich der Aufbewahrungsfrist in die Richtung des SP-Antrages geht.

Ebenfalls mit V-F-Mehrheit vertagt wurde ein SP-Antrag auf verstärkte Qualitätssicherung bei der Verwendung von Blut und Blutprodukten, auch dies mit dem Argument, ein entsprechendes Gesetz sei bereits in Ausarbeitung.

Schließlich vertagte der Ausschuss gegen die Stimmen der Oppositionsparteien auch einen Antrag der Grünen, der das Ziel verfolgte, die ab 1. Mai 2004 nicht mehr benötigten Grenztierärzte zur Kontrolle der Tiertransporte einzusetzen.

Für Abgeordneten Erwin Rasinger (V) bestand kein unmittelbarer Handlungsbedarf, zumal die Materie seiner Meinung nach in Anbetracht des kommenden Bundestierschutzgesetz noch nicht spruchreif sei.

Bundesministerin Maria Rauch Kallat teilte mit, dass von den derzeit 32 Grenztierärzten zehn auch weiterhin gebraucht werden und vornehmlich am Flughafen Wien-Schwechat zum Einsatz kommen. Hinsichtlich der restlichen 22 werde mit jedem Einzelnen über eine Verwendungsmöglichkeit gesprochen, wobei ein Einsatz in den Ländern oder etwa beim Vollzug des geplanten Tierschutzgesetzes denkbar sei. Mit Nachdruck schloss die Ministerin Kündigungen aus und versicherte, in jedem einzelnen Fall werde man eine Verwendung finden. (Schluss)