Parlamentskorrespondenz Nr. 201 vom 18.03.2004

ZUSCHÜSSE ZUM KARENZGELD MÜSSEN NICHT ZURÜCKGEZAHLT WERDEN

Familienausschuss einstimmig für entsprechende Gesetzesänderung

Wien (PK) - Eltern bzw. Elternteile, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens ab 1996 einen Zuschuss zum Karenzgeld erhalten haben, müssen diesen Zuschuss nicht - wie ursprünglich vorgesehen - zurückzahlen. Der Familienausschuss des Nationalrats genehmigte einstimmig einen von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf, mit dem die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen rückwirkend aufgehoben werden sollen. Abgeordnete und Regierung begründen ihr Vorgehen mit der verfassungsrechtlich bedenklichen Rechtslage und geben zu bedenken, dass eine Rückzahlung mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Bisher eingehobene Rückzahlungen werden von den Finanzämtern rückerstattet.

Vom Rückzahlungsstopp nicht umfasst sind Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld. Für Geburten ab dem 1. Jänner 2002 gilt die Rückzahlungsverpflichtung also wie bisher. Der Grund dafür ist, dass im Kinderbetreuungsgeldgesetz eine verpflichtende Information der betroffenen Eltern bzw. Elternteile verankert ist. Allerdings soll der bisherige Rückzahlungszuschlag von bis zu 15 % entfallen. Durch den Verzicht auf alte Rückzahlungsforderungen entsteht dem Bund ein Einnahmenausfall von etwa 4 Mill. €.

Ein in der heutigen Sitzung eingebrachter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage enthält lediglich redaktionelle Korrekturen.

Der Gesetzentwurf wurde im Rahmen der Debatte von allen vier Fraktionen begrüßt. Abgeordnete Sabine Mandak (G) sprach sich allerdings dafür aus, auch die Rückzahlungsverpflichtung für Zuschusszahlungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz aufzuheben. Die Zuschüsse würden Familien in finanziell schwierigen Lagen gewährt, argumentierte sie, es sei nicht einzusehen, dass die Betroffenen dann, wenn sie finanziell ein bisschen Luft hätten und aufgeschobene Investitionen nachholen könnten, gleichzeitig auch Rückzahlungen tätigen müssten. Sie verwies darüber hinaus auf bestehende Probleme im Zusammenhang mit der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld.

Seitens der SPÖ zeigten sich die Abgeordneten Andrea Kuntzl, Gabriele Binder und Barbara Prammer über die Gesetzeskorrektur erfreut. Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) meinte, angesichts der bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken sei es vernünftig, die Rückzahlungsverpflichtung rückwirkend aufzuheben.

Finanzstaatssekretär Alfred Finz erinnerte daran, dass die Rückzahlungsverpflichtung von Zuschüssen zum Karenzgeld durch das Sparpaket 1996/97 mit der Intention eingeführt worden sei, die soziale Treffsicherheit zu erhöhen und sozialen Missbrauch zu vermeiden. Viele Paare hätten damals, um den Zuschuss zum Karenzgeld zu erhalten, getrennte Wohnsitze gehabt. Mit der Einführung der Rückzahlungsverpflichtung sei die Zahl der Anträge um zwei Drittel zurückgegangen.

Finz sprach sich dennoch für die rückwirkende Aufhebung der entsprechenden Bestimmung aus, weil seiner Auffassung nach sowohl das Gesetz als auch die technische Durchführung mangelhaft gewesen sind. Finz zufolge sind im letzten Jahr an 647 Personen Rückforderungsbescheide mit einer Gesamtsumme von 863.719 € ergangen, 229 dieser Personen haben die Nachforderungen nicht entrichtet. Es wäre ein zu großer Verwaltungsaufwand, diesen Fällen nachzugehen, betonte er.

Sozialminister Herbert Haupt bezeichnete den Rückzahlungsstopp als notwendige Reparatur und wies vehement Medienberichte zurück, wonach er hinter der Aktion gestanden sei, die Zuschüsse nunmehr "einzutreiben". Er habe bereits Ende letzten Jahres den Verdacht geäußert, dass die Rückzahlungen verfassungswidrig seien, sagte Haupt, da nur Teile der Betroffenen die Zuschüsse zurückzahlen hätten müssen, andere auf Grund von Verjährungen jedoch nicht.

Was die Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld betrifft, wies Haupt auf den vereinbarten dreijährigen Beobachtungszeitraum des Gesetzes hin, stellte in weiterer Folge aber eine Verordnung in Aussicht, um bestehende Unklarheiten bei der Zuverdienstgrenze zu beseitigen. Haupt zufolge soll es möglich sein, die Zuverdienstgrenze um bis zu 15 % zu überschreiten, ohne dass die Rückzahlungsverpflichtung schlagend wird. Gleiches solle für unvorhergesehene Überschreitungen der Zuverdienstgrenze gelten.

SPÖ-ANTRÄGE BETREFFEND KINDERGELD UND VATERSCHUTZMONAT VERTAGT


Vom Familienausschuss mit VP-FP-Mehrheit vertagt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ, in dem Abgeordnete Andrea Kuntzl und ihre FraktionskollegInnen eine Reihe von Verbesserungen des Kinderbetreuungsgeldes fordern. Ihrer Ansicht nach bestätigt eine Wifo-Studie, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes eine Verlängerung des Rückzugs von Frauen aus dem Erwerbsleben und keine verstärkte Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung bewirkt hat.

Die Forderungen der SPÖ zielen vor allem auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab. U.a. verlangen sie eine flexible Gestaltung des Kinderbetreuungsgeldes, die Abschaffung der derzeit geltenden Zuverdienstregelungen, die Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf die gesamte Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes, ein Recht auf Elternteilzeitarbeit bis zum Ablauf des ersten Schuljahres des Kindes mit einem Rückkehrrecht in Vollzeitbeschäftigung, ein Recht auf flexible Arbeitszeitgestaltung für Eltern mit noch nicht schulpflichtigen Kindern, verstärkte Wiedereinstiegshilfen für Eltern nach der Berufsunterbrechung, einen Ausbau von bedarfsgerechten, flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen mit bundeseinheitlichen Qualitätsstandards und einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder von AlleinerzieherInnen ab dem ersten Lebensjahr des Kindes.

Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) erläuterte, Anlass für den Antrag der SPÖ sei das "Chaos" um die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld gewesen. Für sie ist der gegenwärtige Zustand unbefriedigend, es gebe große Rechtsunsicherheit in den Familien. Sinnvollste Lösung aus Sicht der SPÖ ist ihr zufolge die ersatzlose Streichung der Zuverdienstgrenze, dies wäre auch gerechtfertigt, da das Kinderbetreuungsgeld vom Grundprinzip her kein Einkommensersatz, sondern eine Transferleistung sei. Dringenden Reparaturbedarf sieht Kuntzl auch bei der Verlängerung des Kündigungsschutzes.

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) begründete den von ihr eingebrachten Antrag auf Vertagung der Beratungen damit, dass für eine kritische Bewertung des Gesetzes ein gewisser Beobachtungszeitraum erforderlich sei. Generell wies sie darauf hin, dass das Kinderbetreuungsgeldgesetz die Wahlfreiheit der Eltern fördern wolle. In Richtung SPÖ hielt Rosenkranz fest, deren Forderung nach Ausdehnung des Kündigungsschutzes stehe im Widerspruch zur Intention der SPÖ, Anreize für Eltern zu schaffen, rasch wieder in das Berufsleben zurückzukehren.

Ausschussvorsitzende Ridi Steibl (V) verwies auf den geplanten Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Eltern von Kindern im Vorschulalter. Zur Forderung nach mehr Kinderbetreuungsplätzen merkte sie an, niemand stelle in Abrede, dass es da und dort zu wenig Kindergartenplätze gebe, das Problem sei aber nicht so groß, wie von der Opposition immer wieder behauptet.

Abgeordnete Christine Marek (V) mahnte eine gewisse Eigenverantwortung seitens der KindergeldbezieherInnen ein und machte darauf aufmerksam, dass die Höhe der Zuverdienstgrenze von Anfang an festgestanden sei. Eine völlige Aufhebung der Zuverdienstgrenze sieht sie nicht zuletzt als Budgetfrage. Bezweifelt wird von Marek, dass eine Ausweitung des Kündigungsschutzes auf zweieinhalb Jahre eine Verbesserung für Mütter bewirken würde, da sich damit nichts an der vierwöchigen Behaltefrist im Betrieb ändere. Wichtiger ist für sie vielmehr, dass Frauen auch während der Karenzzeit mit ihrer Firma in Kontakt bleiben.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) erklärte, die Grünen unterstützten den Antrag der SPÖ. Dass es nur hie und da an Kindergartenplätzen fehle, gilt ihrer Ansicht nach vor allem für ländliche Regionen nicht, dort seien auch die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen ein Problem. Was die Rückzahlungsverpflichtung des Kinderbetreuungsgeldes bei Überschreiten der Zuverdienstgrenze betrifft, meinte Mandak, die Berechnung sei gerade für Leute mit zwei Jobs und für neue Selbständige ein Problem. Die geplante Einführung von Elternteilzeit nutzt ihr zufolge wegen zu rigider Voraussetzungen zwei Drittel der betroffenen Frauen nichts.

Abgeordnete Gabriele Binder (S) bekräftigte, es gebe bereits zwei Studien, eine der OECD und eine vom Wifo, zum Kinderbetreuungsgeld. Die Wifo-Studie zeige u.a. auf, dass es nunmehr zu einem längeren Rückzug der Frauen aus dem Erwerbsleben komme und keine verstärkte Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung gegeben sei.

Abgeordnete Barbara Prammer (S) forderte eine stärkere Arbeitszeitautonomie für Eltern von Kleinkindern ein und machte geltend, dass in jenen Ländern, wo dies eine Selbstverständlichkeit sei, etwa in Skandinavien, wesentlich mehr Arbeitsstunden von den Betroffenen geleistet würden. Ihrer Ansicht nach ist es auch wichtig, den betroffenen Frauen klar zu machen, was eine längere Abwesenheit vom Berufsleben, etwa für die eigene Alterssicherung, bedeute.

Abgeordnete Anna Höllerer (V) skizzierte, viele Eltern würden eine angebotene Nachmittagsbetreuung für ihre Kinder nicht in Anspruch nehmen. Zum Thema Zuverdienstgrenze hielt sie fest, deren Höhe erlaube es den Betroffenen, auch während der Karenzzeit mit einem Fuß im Erwerbsleben zu bleiben.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) hielt dem entgegen, dass die Zuverdienstgrenze nicht klar durchschaubar sei und daher enorme Probleme verursache. Bedauert wurde von ihr, dass Eltern in Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern und mit einer kürzeren Beschäftigungsdauer als drei Jahren nicht vom geplanten Anspruch auf Elternteilzeit umfasst seien.

Sozialminister Herbert Haupt will, wie er erklärte, bestehende Unklarheiten im Zusammenhang mit der Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld durch eine Verordnung beseitigen. Zur Forderung nach mehr Kinderbetreuungseinrichtungen sagte er, Kinderbetreuung liege eindeutig in der Kompetenz der Länder, das werde auch beim Finanzausgleich berücksichtigt. Einer Zweckbindung der entsprechenden Mittel, wie es Grün-Abgeordnete Sabine Mandak vorgeschlagen hatte, räumte er wenig Realisierungschancen ein.

Als großen Fortschritt bezeichnete Haupt den geplanten Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Eltern von Kindern im Vorschulalter, auch wenn Beschäftigte in kleinen Betrieben davon nicht umfasst seien. Generell konstatierte er, im ländlichen Raum wollten viele Frauen während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren, weil Arbeitsangebot und Verdienst oft sehr unbefriedigend seien.

Ebenfalls mit VP-FP-Mehrheit vertagt wurde ein zweiter Entschließungsantrag der SPÖ, demzufolge jeder Arbeitnehmer das Recht auf einen Vaterschutzmonat nach der Geburt des Kindes erhalten soll. Die SPÖ will damit den Trend unterstützen, dass immer mehr Väter eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder einnehmen wollen. Durch die Anwesenheit in den ersten Lebenstagen ihres Kindes würden Väter eine wichtige Chance erhalten, in ihre Vaterrolle hineinzuwachsen, heißt es im Entschließungsantrag. Der Arbeitnehmer soll, geht es nach der SPÖ, ab der Bekanntgabe des Wunsches auf Inanspruchnahme des Vaterschutzmonats kündigungs- und entlassungsgeschützt sein.

Auch zu diesem Punkt wurde von den Koalitionsparteien ein Vertagungsantrag eingebracht und damit begründet, dass gerade über das Recht auf Elternteilzeit verhandelt werde. Abgeordnete Anna Höllerer (V) gab außerdem zu bedenken, dass die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf einen Vaterschutzmonat für kleine Betriebe gewaltige Belastungen verursachen würde.

Ähnlich argumentierte auch ihr Fraktionskollege Reinhold Mitterlehner, der kein Verständnis dafür zeigte, warum der Wunsch nach stärkerer Beteiligung der Väter an der Familienarbeit auf Kosten und zu Lasten der Betriebe gehen solle. Seiner Meinung nach kann außerdem mit den bestehenden Möglichkeiten - Urlaubsvereinbarung, Pflegeanspruch etc. - der selbe Zweck erreicht werden.

Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) sieht hingegen, wie sie meinte, keinen sachlichen Zusammenhang zwischen Vaterschutzmonat und Elternteilzeit. Der Vaterschutzmonat würde ihr zufolge den Vätern die Möglichkeit bieten, in den ersten Lebenswochen eine tiefere Beziehung zum Kind aufzubauen. Gerade junge Männer seien verstärkt daran interessiert, sich stärker in die Familienarbeit einzuklinken.

Seitens der Grünen unterstützte Abgeordnete Sabine Mandak den Antrag der SPÖ. (Schluss)