Parlamentskorrespondenz Nr. 370 vom 19.05.2004

LÄNDERKAMMER DEBATTIERT ABBAU VON BENACHTEILIGUNGEN VON FRAUEN

Justizminister will für die Justizverwaltung mehr Planstellen

Wien (PK) - Der erste Punkt der Tagesordnung des Bundesrat es betraf den Bericht der Bundesregierung zum Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2001 – 2002).

Bundesrätin BACHNER (S) stellte fest, ungeachtet des internationalen Vergleiches und der von der Regierung gesetzten Maßnahmen habe sich an der prekären Situation der Frauen am Arbeitsmarkt nicht viel geändert. Frauen seien häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Männer, für Frauen mit Betreuungspflichten werde es zudem immer schwieriger, eine geeignete Beschäftigung zu finden, das Erwerbseinkommen von Frauen liege nach wie vor deutlich unter jenem der Männer. Ansatzpunkt müsste die Qualifikation sein, meinte Bachner und erinnerte daran, dass die Mehrzahl der Frauen immer noch in niedriger qualifizierten Branchen tätig ist.

Die Rednerin warnte überdies davor, Frauenpolitik mit Familienpolitik zu verknüpfen. Nicht alle Maßnahmen, die für Familien gut sind, sind auch für Frauen gut, sagte sie. So führe das Kindergeld zu langen Berufsunterbrechungen, die ihrerseits wieder eine der Hauptursachen für die schlechte Situation der Frauen am Arbeitsmarkt bilden, gab Bachner zu bedenken. Den Frauen sei nur dann geholfen, wenn man ihnen ausreichende, ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stellt und wenn die Verantwortung für die Versorgungsarbeit gleichmäßig auf die Geschlechter verteilt wird. In diesem Sinn mahnte Bachner entsprechende Rahmenbedingungen ein, die es auch Männern ermöglichen, ihren Anteil an der Versorgungsarbeit zu leisten.

Bundesrat BADER (V) stimmte mit seiner Vorrednerin überein, dass beim Abbau der Benachteiligungen von Frauen noch viel zu tun bleibt, und verwies vor allem auf die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Als positive Schritte verbuchte der Redner allerdings jene Aspekte der Steuerreform, die in besonderem Maße den allein erziehenden Müttern zugute kommen, sowie die Einigung auf eine Elternteilzeit. Klar war für den VP-Mandatar, dass Benachteiligungen von Frauen nicht allein durch legistische Maßnahmen beseitigt werden können, sondern dass es dazu vielmehr auch einer Bewusstseinsänderung bedürfe.

Bundesrat SCHIMBÖCK (S) machte auf die Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg von Frauen nach längerer Arbeitsunterbrechung aufmerksam und merkte kritisch an, für das Kindergeld werde sechsmal so viel ausgegeben wie für Kinderbetreuungseinrichtungen. Der Mangel an Betreuungseinrichtungen mit erweiterten Öffnungszeiten, aber auch das Fehlen von qualifizierten Teilzeitangeboten für Frauen wirke sich als Benachteiligung aus, lautete der Befund Schimböcks.

Bundesrat HAGEN (F) verteidigte das Kinderbetreuungsgeld und meinte, ganztägige Betreuungseinrichtungen könnten nicht als Allheilmittel gesehen werden. Hinsichtlich der Nachtarbeit forderte er die Gleichstellung von Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst. Ein weiteres Anliegen Hagens war gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) drängte auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und verlangte darüber hinaus einen eigenständigen Pensionsanspruch für Frauen, um die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen abzusichern.

Ein Vorschlag Lichteneckers betraf das Gender-budgeting, bei dem die Geschlechtergerechtigkeit anhand der ökonomischen Ströme überprüft werden kann.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT resümierte, der Bericht zeige einmal mehr, dass der Weg zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern noch ein weiter sei. Sie versicherte mit Nachdruck, diesen Weg konsequent weiter zu gehen. Den Vorschlag des Gender-budgeting griff Rauch-Kallat mit Interesse auf. Allgemein meinte sie zur Qualität von Berichten, in Zukunft werde es darum gehen, weniger, aber dafür aussagekräftigere Berichte zu erstellen.

Der Bericht wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen.

In der Debatte über das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität unterstrich Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) die Wichtigkeit des vorliegenden Abkommens. Die organisierte Kriminalität sei eine Geißel geworden, die die Globalisierung ausnütze. Daher müsse man ihr den Kampf ansagen und sie mit effizienten Mitteln verfolgen. Das vorliegende Abkommen stelle eine gemeinsame Grundlage für eine konzertierte Zusammenarbeit dar und gleiche die Begriffswelten sowie die Tatbestände an. Kühnel forderte gleichzeitig Maßnahmen ein, um Geldwäsche und Korruption einzudämmen. Für besonders wichtig hielt er es, juristische Personen einzubinden und Erträge aus deren Tätigkeiten zu beschlagnahmen, sollten sie sich eines strafbaren Vergehens schuldig machen. Abschließend betonte der Bundesrat, Österreich möge in dieser Beziehung rasch handeln und somit eine Vorbildfunktion ausüben, zumal im Inland auch die entsprechende UNO-Organisation ihren Sitz habe und für nächstes Jahr eine Konferenz geplant sei.

Bundesrätin Dr. HLAVAC (S) stimmte der positiven Beurteilung des vorliegenden Abkommens durch ihren Vorredner vollinhaltlich zu und wies auf die Notwendigkeit hin, gemeinsam gegen diese abscheulichen Verbrechen wie Menschenhandel, Geldwäsche, Drogenhandel vorzugehen. Geldwäsche komme beispielsweise nicht nur in der Bankenwelt vor, sondern jeder wisse, dass dubiose ausländische Unternehmen und Privatpersonen in Österreich Liegenschaften erwerben. Hlavac verteidigte in diesem Zusammenhang auch die ehemals umstrittene Bestimmung der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen, da sich diese bewährt habe. Hinsichtlich der Einbeziehung juristischer Personen in die Verantwortlichkeit hofft sie auf eine baldige sinnvolle Lösung.

Hlavac ging am Schluss ihrer Ausführungen auf das Abkommen zwischen der EU und der USA betreffend die Erfassung von Flugpassagieren auf transatlantischen Flügen ein und kritisierte dieses als "skandalös". Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung werde hier der Datenschutz außer Kraft gesetzt. Die EU habe das Abkommen trotz massiver Bedenken des Europäischen Parlaments unterzeichnet, weshalb nun auch der EuGH angerufen worden sei. Hlavac erläuterte, dass durch dieses Abkommen 34 Passagierdaten abgefragt werden dürfen und diese Daten mehrere Jahre lang gespeichert würden. Ungeklärt bleibe, wer die Daten bekomme, was man damit machen könne und ob Betroffene etwas richtig stellen könnten.

Bundesrat Dr. BÖHM (F) begrüßte das Abkommen als ein globales Rechtsinstrument, das der internationalen Staatengemeinschaft zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zur Verfügung gestellt werde. Dieses habe durch seine Vernetzung in den letzten Jahren einen qualitativen und quantitativen Sprung getan und dieser Vorsprung müsse nun eingeholt werden. In Hinkunft sei ein koordiniertes Vorgehen notwendig und man werde auch verzichtbare bürokratische Schranken abbauen müssen, die inner- und außereuropäisch der justiziellen Zusammenarbeit entgegenstehen. Österreich habe die im Abkommen festgelegten Anforderungen bereits weitgehend umgesetzt, sodass nur mehr ein geringfügiger Bedarf einer Anpassung bestehe.

Der Bundesrat sprach sich abermals dezidiert gegen eine europäische Staatsanwaltschaft aus, da die inländischen Behörden dann nur mehr Erfüllungsgehilfen wären. Böhm kam auch auf die Problematik hinsichtlich der Einbeziehung juristischer Personen in die Verantwortung zu sprechen, da das österreichische Strafrecht lediglich von der Ahndung Straftaten individueller Personen ausgeht. Aufgrund einiger EU-Richtlinien sei man aber bereits derzeit verpflichtet, juristische Personen nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Er teile auch die Einschätzung der Justizministers, dass erhebliche Organisationsverschulden einer juristischen Person ausreichen, um diese juristische Person auch haftbar zu machen.

Als "widerwärtige" Form der Kriminalität bezeichnete Bundesrat SCHENNACH (G) die organisierte Kriminalität. Schennach sprach vor allem den Handel mit Frauen an, wo Anzeigen und Verurteilungen ständig im Steigen begriffen und die Dunkelziffern sehr hoch seien. Er regte daher an, Frauen, die sich melden, nicht Repressionen auszusetzen und in Schubhaft zu nehmen, sondern diesen besonderen Schutz angedeihen zu lassen und eine rasche Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Schennach wies auch auf den steigenden Organhandel hin, wovon besonders Kinder betroffen seien. Kritisch setzte sich der grüne Bundesrat mit den USA auseinander, die ihm zufolge den 11. September missbrauchten, um Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken. Das sei eine "Schande" und er erwarte sich von der österreichischen Bundesregierung eine ähnlich mutige Stellungnahme, wie sie von der Schweizer Regierung erfolgt war.

Bundesrätin EBNER (S) kritisierte in ihrem Debattenbeitrag die finanzielle und personelle Situation im Sicherheitsbereich. Wenn man international erfolgreich zusammenarbeiten wolle, dann dürfe man im eigenen Land nicht bei den Sicherheitsstandards kürzen, meinte sie. In der Verbrechensbekämpfung sei zu wenig geschehen, die Regierung kürze bei der Gendarmerie, wodurch die Kriminalität in Niederösterreich dramatisch ansteige. Sie forderte mehr Personal, eine Investitionsoffensive bei der Ausrüstung und eine Ausweitung der Präventions- und Überwachungstätigkeit.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER stimmte den Ausführungen der Bundesrätin Hlavac vor allem hinsichtlich der Geldwäsche vollinhaltlich zu. Zum Abkommen EU-USA meinte er, man dürfe den USA nicht gleichzeitig vorwerfen, mit Warnungen sorglos umgegangen zu sein und sich nun zu umfassend zu informieren. Dennoch teile er die Ansicht Schennachs, dass man mit den USA ein offenes und kritisches Gespräch unter Freunden führen müsse. Der Justizminister verhehlte nicht die Personalnot in der Justizverwaltung, verlieh aber seiner Hoffnung Ausdruck, dass er, wie der Innenminister, eine entsprechende Aufstockung der Planstellen erreichen werde. Dankbar zeigte er sich bei Bundesrat Böhm für dessen Ablehnung einer europäischen Staatsanwaltschaft, die seiner Meinung nach keine Lösung darstelle. Sie wäre ein Souveränitätsverlust und eine Anmaßung gegenüber den Nationalstaaten, dass diese nicht im Stande wären, Unrecht selbst zu verfolgen. Einen dringenden Nachholbedarf sieht der Justizminister bei der Strafverfolgung juristischer Personen.

Bundesrat HAGEN (F) stellte aus seiner Sicht fest, dass die EU-Erweiterung die organisierte Kriminalität begünstigt habe und noch Einiges auf uns zukommen werde. Die internationale Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg sei daher für eine schnelle Verfolgung notwendig, sagte Hagen und dankte dem Justizminister für dessen Einsatz zur Verbrechensbekämpfung. Im Bereich der Sicherheit, so Hagen, dürfe keineswegs gespart werden, hier müsse ausreichend Personal zur Verfügung stehen, das auch entsprechend bezahlt werde. In diesem Zusammenhang forderte er ein Exekutivdienstgesetz.

Dieser Debattenbeitrag provozierte eine weitere Wortmeldung von Bundesrat SCHENNACH (G), der sich gegen die Behauptung verwehrte, die Beitrittsländer seien krimineller als die alten Mitgliedsstaaten. Das sei ein Vorurteil, das bekämpft werden müsse. Hinter den kleinen Kriminellen stünden große, die oft aus Österreich kämen, und vor allem gegen die Großen müsse man vorgehen. Eine genetische Vererbung von Kriminalität gebe es einfach nicht.

Bei der Abstimmung wurde einhellig beschlossen, gegen das vorliegende Abkommen keinen Einspruch zu erheben.

Unter einem wurden die Beschlüsse des Nationalrates betreffend Übereinkunft über die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über eine Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit sowie die Änderung des Militärauszeichnungsgesetzes verhandelt.

Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) erläuterte, beim vorliegenden Übereinkommen gehe es lediglich um formale Fragen, inhaltlich würden keine Änderungen vorgenommen. Hintergrund für die Änderung des Militärauszeichnungsgesetzes ist ihm zufolge, dass sich Österreich verpflichtet habe, im Rahmen des Europa-Korps Kräfte für internationale Operationen zur Verfügung zu stellen, wobei sich bis zu 1.500 SoldatInnen gleichzeitig im Ausland befinden könnten. Es handle sich dabei um Freiwillige, die als Vertragsbedienstete des Bundes mit Sondervertrag angestellt würden. Auch sie sollten künftig Militärauszeichnungen erhalten können.

Bundesrat KALTENBACHER (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ sowohl zum vorliegenden Übereinkommen als auch zur Änderung des Militärauszeichnungsgesetzes an. Generell kritisierte er, dass im Bundesheer durch dauernde Reformdiskussionen Unsicherheit auf der Tagesordnung stünde. Darüber hinaus wies er auf die prekäre personelle Situation im Fliegerhorst Zeltweg hin und prophezeite, dass Verteidigungsminister Platter durch den Mangel an technischem Personal weder die F5 noch die Eurofighter "in die Luft kriegen wird".

Verteidigungsminister PLATTER informierte die Mitglieder des Bundesrates darüber, dass es bisher 1.600 freiwillige Meldungen für die von Kühnel genannten internationalen Operationen gebe. 253 Eignungsverfahren seien bereits positiv abgeschlossen worden, 918 seien derzeit im Laufen. Platter begrüßte es, dass künftig auch KIOB-Soldaten Militärauszeichnungen bekommen können.

Der Bundesrat erteilte einhellig dem vorliegenden Übereinkommen die verfassungsmäßige Zustimmung und erhob gegen die Änderung des Militärauszeichnungsgesetzes keinen Einspruch. (Forts.)


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