Parlamentskorrespondenz Nr. 388 vom 26.05.2004

DEBATTE ÜBER ÖSTERREICHS ANTI-ATOMPOLITIK

Dringlicher Antrag der Grünen kritisiert Schweigen und Untätigkeit

Wien (PK) - In den Nachmittagsstunden unterbrach der Nationalrat seine Debatte über eine Neugestaltung der Semesterferien und nahm einen Dringlichen Antrag der Grünen betreffend "Schweigen und Untätigkeit zur den Ausbauplänen der slowakischen Regierung bezüglich Mochovce, der Lebenszeitverlängerung von Bohunice V1 sowie dem Europäischen Atomausstieg" in Verhandlung. Nach mehr als zweistündiger Debatte fand der Dringliche Antrag ebenso wenig eine Mehrheit wie ein Antrag der Sozialdemokraten, in dem die Regierung ersucht wird, sich für die Abhaltung einer EU-weiten Volksabstimmung über den Ausstieg aus der Atomenergie einzusetzen. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen, betreffend die Bekräftigung der bisherigen österreichischen Anti-Atompolitik, wurde mit der Mehrheit der Regierungsparteien angenommen.

Abg. Dr. GLAWISCHNIG (G) begründete den Dringlichen Antrag ihrer Fraktion damit, dass aus der Sicht der Grünen der Bundeskanzler offensichtliche die Dramatik nicht mitbekommen habe, die der Slowakische Wirtschaftsminister mit seinen Ankündigungen am Wochenende, das AKW Mochovce auf alle Fälle fertig zu bauen und Bohunice V1 nicht, wie vorgesehen, zu schließen, ausgelöst hat. Sie könne nicht verstehen, warum der Bundeskanzler geschwiegen hat, zumal beide Reaktoren besonders gefährlich seien. Wien könne im Falle eines Unfalls oder eines Terrorangriffs nicht evakuiert werden, sagte Glawischnig. Die Slowakei sei drauf und dran, europäisches Primärrecht zu brechen.

Glawischnig stellte fest, dass die Antiatompolitik offensichtlich nie Priorität beim Bundeskanzler gehabt habe. Daraus seien auch die Niederlagen Österreichs erklärbar. Die Bilanz des Scheiterns setze sich nun mit den "erschreckenden" Reaktionen der Außenministerin und des Umweltministers fort. Im Gegensatz zu deren Auffassung könnten die Aussagen des slowakischen Energieministers Rusko keineswegs als Einzelmeinung dargestellt werden, die man abwiegeln könne. Notwendig wäre es vielmehr, unverzüglich und scharf dagegen vorzugehen, sonst passiere dasselbe wie bei Temelin.

Die Grün-Mandatarin konstatierte auf europäischer Ebene eine dramatische Renaissance der Atomenergie und bedauerte, dass man im Hinblick auf die EU-Verfassung von einem Atomausstieg oder einer Revision des Euratom-Vertrages meilenweit entfernt sei. Abschließend forderte sie die Abgeordneten auf, dem vorliegenden Dringlichen Antrag zuzustimmen, zumal dessen Inhalte leicht umzusetzen wären. Darin wird der Bundeskanzler dringend ersucht, unverzüglich eine offizielle Protestnote an die slowakische Regierung zu übermitteln, ein klares Nein gegen die Aufnahme von Neuverhandlungen über die Stilllegung von Bohunice auszusprechen und erforderlichenfalls eine Beschwerde wegen Bruchs des Beitrittsvertrags vorzubereiten und umgehend Gespräche mit der slowakischen Regierung aufzunehmen, um den AKW-Ausbau zu verhindern.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL bekräftigte daraufhin, dass niemand in der Bundesregierung mit dem Weiterbau von Mochovce oder dem Hinausschieben der Schließung von Bohunice einverstanden wäre. Abgeordnete Glawischnig habe auch nicht gesagt, was man anderes tun könnte, zumal die Bundesregierung mit den Nachbarn sachlich und vernünftig verhandelt habe, eine Vorgangsweise, die auch die Grünen immer gefordert hätten. Außerdem hätte sowohl der Umweltminister als auch die Außenministerin sofort Stellung bezogen und sich mit dem Slowakischen Außenminister in Verbindung gesetzt. Bundesminister Pröll habe einen klaren Brief an den Slowakischen Wirtschaftminister geschrieben. Darüber hinaus habe die Kommission bereits klargestellt, dass es keine Neuverhandlungen geben werde. Er, Schüssel, habe mit seinem slowakischen Amtskollegen telefoniert, der ihm versichert hätte, der Beitrittsvertrag gelte auf alle Fälle. Für Österreich, so Schüssel dezidiert, gelte klipp und klar, dass der Beitrittsvertrag auf Punkt und Beistrich umgesetzt werden müsse.

Der Bundeskanzler ging dann auf den Entwurf einer Europäischen Verfassung ein und erläuterte, dass die Revision des Euratom-Vertrages im Konvent nicht konsensfähig gewesen sei. Wichtig bleibe, dass keiner Nation das Recht genommen werden könne, sich seine Energieform auszusuchen. In den Beitrittsverträgen sei erreicht worden, dass drei Kraftwerke zugesperrt und fünf weitere wesentlich sicherer gemacht werden. Der Bundeskanzler hofft auch auf das Gelingen einer gemeinsamen Initiative mit Deutschland, eine Revisionskonferenz für den Euratom-Vertrag zustande zu bringen. Durch ein neues Erkenntnis des EuGH sei auch die Sicherheitsfrage von Atomreaktoren zu einer europäischen Kompetenz geworden, merkte Schüssel an.

Der Bundeskanzler nahm auch zu Thema Wasser Stellung und hielt fest, dass sich Österreich hinsichtlich der Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips in dieser Frage durchgesetzt habe. Österreich entscheide weiterhin über das eigene Wasser selbst und sonst niemand. Ferner wies der Bundeskanzler auf die sechs für Österreich wichtigen TEN-Projekte hin, erinnerte an die Durchsetzung der Gentechnik-Kennzeichnungspflicht, an die gemeinsamen Initiativen zur Asylpolitik und an die Übergangsfristen in Bezug auf den Arbeitsmarkt und unterstrich damit, dass das Projekt Europa funktioniere, wenn man professionell arbeite.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) zeigt sich von der Stellungnahme des Bundeskanzlers enttäuscht. Dieser sei sich dessen nicht bewusst, dass Dämme gebrochen würden, stieße die Initiative des Slowakischen Wirtschaftsministers auf eine Mauer des Schweigens oder auf nur einzelne Reaktionen. Ein derartiger Dammbruch wäre eine Katastrophe für die Energiepolitik Europas, sagt Lichtenberger. Wie ihre Klubkollegin Glawischnig befürchtet auch sie, dass die Atomlobby wieder Oberhand gewinnen könne. Was nämlich unter dem Deckmantel von Sicherheitsinvestitionen gemacht werde, sei dazu da, die Lebensdauer gefährlicher Reaktoren zu verlängern. Der Richtlinienvorschlag der Kommission sei unannehmbar, weil er keine Fortschritte brächte. Die Reaktoren vor Österreichs Haustür würden weder gegen Unfälle noch gegen terroristische Angriffe gesichert. Die Regierung dürfe sich angesichts des direkten Sicherheitsinteresses der österreichische Bevölkerung nicht der Verantwortung entziehen, sondern müsse eine Vorreiterrolle in der Anti-Atompolitik einnehmen.

Abgeordneter KOPF (V) unterstrich aus seiner Sicht, kein Land habe konsequenter auf die Atomkraft verzichtet als Österreich und keine Regierung trete engagierter für eine Revision des Euratom-Vertrages ein als die gegenwärtige. Dabei gehe man auch oft an die Grenzen der Belastbarkeit bilateraler und multilateraler Beziehungen. Der Melker Prozess beweise, dass man mit der bisherigen Politik Erfolg gehabt habe. Auch er bedauerte, dass es hinsichtlich verbindlicher Sicherheitsstandards noch kein Acquis gebe, dies aber deshalb, weil Österreich strengere Regelungen verlange, und das könne doch wohl von den Grünen nicht kritisiert werden, sagt Kopf. Abschließend fasste er die Atompolitik der Regierung zusammen und wies darauf hin, dass man weiterhin für die Schließung nicht nachrüstbarer AKW, für einheitliche Sicherheitsstandards und für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie eintreten werde. Österreich werde nicht bereit sein, auch nur einen Beistrich in den Beitrittsverträgen zu ändern, sicherte er zu.

Abgeordneter Dr. CAP (S) widersprach seinem Vorredner heftig und zitierte eine Aussendung der EU-Kommission, wonach Österreich nie für die Abschaltung von Mochovce eingetreten wäre. Cap vermisste auch ein glaubwürdiges Eintreten gegen die Atomenergie. Wäre die Bundesregierung tatsächlich an einem Ausstieg interessiert, hätte sie sich für eine europaweite Volksabstimmung stark gemacht, meinte Cap. Er brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag betreffend das Instrument einer EU-weiten Volksabstimmung zu einem europaweiten Ausstieg der Atomenergie ein. Ebenso wie Abgeordnete Lichtenberger sieht Cap die Gefahr, die Atomlobby versuche durch die Hintertür die Atomenergie auszubauen und salonfähig zu machen. Das bedürfe eines eindeutigen Signals, dass man dies im Interesse der Sicherheit nicht zulassen werde.

Nachdem Cap den ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament vorgeworfen hatte, dafür gestimmt zu haben, die Wasserressourcen den Regeln des Binnenmarktes zu unterwerfen, erwiderte Klubobmann Mag. MOLTERER (V) in einer Tatsächlichen Berichtigung, dass die ÖVP-Abgeordneten erfolgreich für das Einstimmigkeitsprinzip gekämpft hätten.

Abgeordneter WITTAUER (F) reklamierte die klare Haltung gegen eine Liberalisierung der Wasservorkommen allein für die FPÖ. Sie sei die einzige Partei gewesen, die immer dafür eingetreten sei, das Wasser in österreichischer Hand zu behalten. Im Gegensatz dazu habe beispielsweise der SPÖ-Bürgermeister von St. Veit das Wasser verkaufen wollen. Die FPÖ habe auch Recht behalten, als sie auf die Probleme der EU-Erweiterung hingewiesen habe. Mit Tschechien und der Slowakei habe die Atomlobby Stimmen dazu gewonnen. Wittauer verteidigte die Bundesregierung in der aktuellen Diskussion mit der Slowakei und lobte deren sofortige Reaktion. Die Grünen hingegen betrieben eine scheinheilige Atompolitik, da sie einigen FPÖ-Anträgen nicht zugestimmt hätten. Schließlich brachte er einen umfassenden Antrag der Koalitionsparteien ein, in dem die bisherige Antiatompolitik Österreichs bekräftigt wird.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) meinte in Richtung ihres Vorredners, der namens der beiden Regierungsparteien einen umfangreichen Entschließungsantrag eingebracht hatte, er sei sichtlich noch nicht lange genug im Parlament, um zu wissen, dass das, was heute „bekräftigt“ werden soll, mindestens seit dem 10. Juli 1997 in detaillierter Form aufliegt. Das alles haben wir schon beschlossen, sagte sie, warum sollen wir das noch einmal beschließen? Sie listete die Forderungen aus diesem damals gemeinsam verabschiedeten Entschließungsantrag nochmals auf und strich heraus, dass Anliegen bis heute nicht umgesetzt sind. Offensives Handeln wäre angesagt und nicht Schweigen! Notwendig wären klare Aussagen des Kanzlers und ein „beherztes persönliches Engagement“ bei den Anti-AKW-Fragen.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) betonte, heute sei die Slowakei eine Demokratie, ein Mitglied der EU und habe sich verpflichtet, die Kraftwerksblöcke der ersten Generation sowjetischer Bauart zu schließen und bei den anderen die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. Wir werden über alle Vorfälle informiert, wir sind im Frühwarnsystem, die Slowakei bekommt dafür 190 Mill. € aus dem gemeinsamen europäischen Topf, erklärte Schultes und fuhr fort: Wir wollen ein AKW-freies Mitteleuropa, wir wollen in guter Nachbarschaft leben und wollen wissen, was in der Atomwirtwirtschaft geplant ist, weil wir wissen, dass das kein Zukunftsweg ist.

Der slowakische Wirtschaftsminister Rusko verlange den Ausbau der Atomkraft, das sei eine politische Einzelmeinung; Rusko brauche eine emotionales Thema für den Wahlkampf, brauche eine Bühne, und wir in Österreich bieten ihm die Bühne im Parlament, meinte der Redner . Wir brauchen keine künstlichen Probleme mit der Slowakei, wir haben genügend Probleme, sind doch 60 Jahre nach dem Ende des Krieges die Brücken über die March noch immer nicht aufgebaut, wir brauchen Eisenbahnen und Autobahnen, und hiezu brauchen wir eine vernünftige Arbeitsbasis und tägliche Arbeitsgespräche.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) nannte die Anti-Atompolitik der Bundesregierung der letzten Jahre „dilettantisch“. Was hat der Melker-Vertrag gebracht? – Der Output ist Null, sagte sie. Wir wollen nicht, dass Scheinaktivitäten gesetzt oder Aktivitäten vorgetäuscht werden, die nicht über das Schreiben eines Briefes hinausgehen. Wenn der Kanzler wirklich ernsthaft vorhat, etwas zu tun, dann könnte Schüssel dem Dringlichen Antrag der Grünen zustimmen. Aber es werde ein eigener „lahmer“ Entschließungsantrag verteilt, der offensichtlich der Besänftigung diene. Die Regierung hätte nicht nur dafür zu sorgen, dass der Beitrittsvertrag penibel eingehalten wird, sondern sie müsste auch bereit sein, diesen einzuklagen, gibt es jetzt doch – anders als bei Temelin – ein Rechtsinstrument. Weiters drängte die Rednerin auf das Auslaufen des Euratom-Vertrages und trat auch dafür sein, dass „kein österreichischer Steuer-Cent“ in den AKW-Ausbau investiert wird.

Für Abgeordnete ROSENKRANZ (F) ist es ein Faktum, dass Österreich sich mit gutem Grund gegen die Atomkraft entschieden hat; es sei zudem ein Faktum, dass dies von allen Parteien akzeptiert wird. Tatsache ist aber auch, dass wir uns in einem Wahlkampf befinden. Ausgerechnet die Grünen fordern Dinge ein, die jetzt „nicht wirksam sind“, sondern mehr dem Show-Bereich und einem „Wahlkampfspektakel“ zuzuordnen sind. Die Ankündigung von Rusko, Mochovce weiter auszubauen und Bohunice nicht stillzulegen, ist aus ihrer Sicht ernst zu nehmen, vertrete doch nicht er allein diese Meinung. Bedauerlich für Niederösterreich sei, dass die Ankündigung, die beiden Blöcke nicht zu schließen, keine vier Wochen nach dem Beitritt erfolgt. Es wäre ein großer Fehler, würde Österreich dieses Match allein aufnehmen, meinte sie, dies sei vielmehr Sache der EU.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) wies darauf hin, dass es keinen Beschluss der slowakischen Bundesregierung gebe, die Stilllegung von Bohunice neu zu verhandeln, sondern der Wirtschaftsminister der slowakischen Republik habe sich offenbar aus innenpolitischen Überlegungen dazu durchgerungen, medienwirksam einen solchen Vorschlag zu machen. Es gebe daher keinen Grund für die österreichische Bundesregierung, tätig zu werden; der österreichische Umweltminister und die Außenministerin hätten Kontakt mit ihren slowakischen Kollegen aufgenommen und feststellen können, dass die Slowakei die Verträge, die sie mit der EU und auch mit Österreich abgeschlossen hat, einhalten werde und nicht daran denke, diese abzuändern.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) meinte, die Meldung beunruhige, zumal Pläne vorliegen, die einem Ausbau von Mochovce klare Priorität einräumen. Auch der heutigen Presse sei zu entnehmen, dass Wirtschaftsminister Rusko auch beim Verkauf darauf bestehen werde, dass Mochovce weiter ausgebaut wird. Tatsache ist für den Redner, dass sich die Haltung der tschechischen und slowakischen Repräsentanten nicht geändert habe. Daher sei es notwendig, keinen „weichen“ Kurs zu signalisieren, sondern einen Kurs einzuschlagen, der „einen Aufschrei“ erwarten lassen kann.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) hielt es für überzogen, der Bundesregierung in der jetzigen Situation „Versäumnisse“ vorzuwerfen. Man habe aber deutlich zu machen, wenn die Aussage des slowakischen Wirtschaftsministers keine Einzelmeinung ist, dass es eine klare und deutliche Handlung der österreichischen Bundesregierung geben wird, bis hin zu Maßnahmen auf der Ebene der EU. Den einzigen Trumpf, die so genannte „Veto-Keule“, habe man schon längst verspielt. Mit der Aufforderung, die Arbeit der österreichischen Bundesregierung zu unterstützen, jetzt einmal zu warnen, dass Österreich davon ausgeht, dass das eine Einzelmeinung ist, aber gegebenenfalls alle Möglichkeiten auf der europäischen Ebene ausnützen wird, dass das, was die Slowakei vor dem Beitritt versprochen hat, auch nach dem Beitritt zu gelten hat, schloss Scheibner seine Darlegungen.

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) warf seinem Vorredner vor, er und seine Partei falle in der Anti-Atompolitik „von einem Extrem in das andere“. Jahrelang habe die SPÖ darauf hingewiesen, dass ein Junktim, die so genannte „Veto-Keule“, keinen Sinn macht, weil das nicht „durchzubringen ist“. Seit die FPÖ in der Regierung ist, sei sie „auf Tauchstation“ gegangen. Der heutige Entschließungsantrag, bemängelte der Redner, bringe gegenüber dem Entschließungsantrag von 1997 einen Rückschritt. Der damalige Antrag sollte endlich einmal umgesetzt werden! Auch warnte Oberhaidinger davor, die so genannte „Einzelmeinung“ von Rusko nicht ernst zu nehmen, sickert doch bereits durch, dass das große tschechische Energieunternehmen CEZ größtes Interesse am Erwerb von Mochovce und Bohunice habe. Wenn sich die CEZ, die in Temelin eine ungünstige Kostensituation hat, dort einkauft, dann verfolgt sie damit ein klares Ziel: Mit dem Erwerb der beiden Atomkraftwerke und deren Ausbau bekomme sie eine Kostensituation, durch die sich der Strom aus Temelin auch für die Tschechen rechnen wird, sagte der Redner.

Abgeordneter WALCH (F) wehrte sich gegen den Vorwurf der Grünen, dass die Bundesregierung nichts gegen Bohunice oder das gefährliche Schrottkraftwerk Temelin unternehme. Die Bundesregierung verhandle und „schreit nicht soviel“ wie die Opposition, meinte er. Besonders verärgert zeigte sich Walch über die Grünen in Oberösterreich, die das Temelin-Volksbegehren nicht unterstützt haben; trotzdem habe man 914.873 Unterschriften zusammen gebracht. Der dadurch entstandene Druck habe zum Melker-Abkommen geführt, und es wurden Sicherheitsstandards für die bestehenden AKW eingeführt. Fest steht für Walch auch, dass man alles daran setzen muss, dass die „bestehenden Schrottkraftwerke“ still gelegt und bei den anderen Kraftwerken die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden.

V-Abgeordneter HORNEK erinnerte daran, dass Österreich aufgrund eines Volksentscheides für sein eigenes Territorium im Zuge des Atomsperrgesetzes ein Verbot von atomarer Stromproduktion festgelegt habe, aber von einer Vielzahl von Atomkraftwerken in den Nachbarländern umgeben sei. Um die Risken dieser Anlagen zu minimieren, müsse das Ziel sein, einen europaweiten Ausstieg aus der Atomstromproduktion zu unterstützen. Der Maßstab für die Glaubwürdigkeit in der Anti-Atompolitik ist seiner Meinung nach der Umgang mit alternativen Energieformen bzw. alternativen Stromproduktionsformen. Die Umweltminister Molterer und Pröll hätten sich bisher schon massiv für erneuerbare Energien eingesetzt, machte er aufmerksam.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL regte an, die Projekte Bohunice und Mohovce auseinander zu halten. Bohunice sei ein uraltes Kraftwerk sowjetischen Stils, Mohovce hingegen modernerer Bauart und erst seit einigen Jahren am Netz. Bohunice nicht zu schließen, wäre ein Bruch des Beitrittsvertrages der EU durch die Slowakei, da gibt es für Schüssel keinen Dissens. Die Slowakei stehe aber zu ihrem Vertrag mit der EU, hielt Schüssel anhand von Aussagen des slowakischen Außenministers und des Regierungschefs fest.

Außerdem sollte man das bisher Erreichte nicht klein reden: Die Schließung der AKWs Kosloduj, Ignalina und Bohunice - das sind große Erfolge, für die die EU 600 Mill. € ausgebe, betonte der Bundeskanzler. Schließlich klärte Schüssel darüber auf, dass der letzte Bericht zur Antiatompolitik seit 2002 vorliegt.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) lehnte es ab, dem "batzweichen" Antrag der Regierungsparteien zuzustimmen. Der einzige hart formulierte Punkt betreffe Bohunice, was "keine Kunst" sei, weil dies der EU-Position entspreche. Van der Bellen machte aber darauf aufmerksam dass der kommende Staatspräsident der Slowakei Vereinbarungen mit der EU über die Abschaltung von Bohunice als bloße "Vorschläge" der EU bezeichnet habe. Von Seiten der ÖVP habe er überdies Aussagen darüber vermisst, dass sich die Sicherheitsaspekte bei AKW seit den neuen Terrorbedrohungen wesentlich verändert haben.

Die von der ÖVP vorgeschlagene Fortsetzung der Energiepartnerschaften entspreche nicht den Vorstellungen der Grünen. Die Partnerschaften haben in der Vergangenheit zu nichts geführt und werden laut Van der Bellen auch in Zukunft nichts bringen. Der Euratom-Vertrag schließlich - ein "Fremdkörper im europäischen Vertragswerk, der sicher nicht in die europäische Verfassung gehört", werde im Antrag der Koalition nicht einmal erwähnt, kritisierte Van der Bellen.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) stellte klar, dass die ÖVP in der Anti-Atomfrage eine unmissverständliche und klare Haltung habe: sie ist für einen europäischen Atomausstieg. Sie hat auch die Schließung von Kernkraftwerken durchgesetzt, die nicht den geltenden Sicherheitsstandards entsprechen. Österreich habe erstmals erreicht, dass das Sicherheitsthema bei EU-Beitritten ein Thema wurde. "Wir beharren auf der Einhaltung der entsprechenden Vereinbarungen in den Beitrittsverträgen auf Punkt und Beistrich, auch mit der Slowakei", sagte Molterer. Außerdem machte der VP-Klubobmann auf den Melker Prozess aufmerksam, mit dem Österreich Neuland betreten habe und der nun zu einem internationalen Vorbild, etwa für Irland und Großbritannien in Sachen AKW Sallafield, geworden sei.

Wir stehen zur Umorientierung der Energiepolitik in Europa und tragen maßgeblich zu einer neuen Politik in Richtung Nachhaltigkeit bei, betonte Molterer. Zum Thema EURATOM unterstrich der VP-Klubobmann den Konsens der Parteien und erinnerte daran, dass Österreich die Revisionskonferenz gemeinsam mit dem deutschen Außenminister Joschka Fischer ins Leben gerufen hat. "Wir sollten den Weg des Konsenses in der Antiatompolitik fortsetzen. Das ist das richtige Signal an die Slowakei. Stimmen Sie unserem Antrag zu", lautete Molterers Appell an die Abgeordneten. 

Abgeordneter Dr. CAP (S) schloss sich der Kritik Van der Bellens an und begründete, warum auch seine Fraktion dem "weichen Antrag" der Koalition nicht zustimmen könne. Der Antrag sei unpräzise, weil ÖVP und FPÖ keine klare Position beziehen wollten, vor allem fehlt Cap  der Bezug auf EURATOM. Die Koalition könne keinen Nachweis für Erfolge bei der Ausstiegsstrategie vorlegen und sie könne nicht belegen, dass österreichisches Steuergeld nicht für den Ausbau von Kernkraftwerken verwendet werde. Die bisherige Politik der Koalition weise nicht nach, dass sie tatsächlich auf den europäischen Atomausstieg gerichtet sei.

Bei der Abstimmung verfielen der Dringliche Antrag der Grünen und der SP-Entschließungsantrag mangels Mehrheit der Ablehnung. Mit Mehrheit angenommen wurde V-F-Entschließungsantrag betreffend Bekräftigung der bisherigen österreichischen Anti-Atompolitik.

KURZE DEBATTE ÜBER FRISTSETZUNG ZUM THEMA DEVISENTRANSAKTIONSSTEUER

Abgeordnete Mag. LUNATSCHEK (G) wies darauf hin, dass die Grünen zu Beginn der Gesetzgebungsperiode einen Antrag zur Besteuerung von  Devisentransaktionen eingebracht habe, nachdem die Außenministerin im letzten Nationalratswahlkampf vorgeschlagen habe, Devisentransaktionen, die für kleine Volkswirtschaften problematisch sein können, mit einer kleinen Steuer zu belegen und die Erträge für Zwecke der Entwicklungshilfe zu verwenden. Die nach dem Nobelpreisträger "Tobin-Tax" benannte Steuer wäre geeignet, spekulationsbedingte Wirtschaftsschocks zu vermeiden und zugleich eine neue Geldquelle für die Entwicklungshilfe zu erschließen. Unverständlicherweise sei die ÖVP bis dato nicht bereit, über diese Idee auch nur zu reden. Sie müsse erklären, warum sie eine Initiative nicht unterstütze, die schwächere Volkswirtschaften stützt, ohne dass dies Österreich einen Cent kostet.

Abgeordneter STUMMVOLL (V) räumte ein, dass die Tobin-Tax, eine Idee aus dem Jahr 1972, faszinierend sei. Der Verwirklichung stünden aber Hindernisse entgegen und Tobin selbst sah vor wenigen Jahren keine Chance mehr, dass seine Steuer eingeführt werden könnte. Denn sie müsste weltweit eingehoben werden, niemand wisse aber, wie man erreichen könne, dass sowohl die USA als auch die großen asiatischen Volkswirtschaften mitmachen. Stummvoll wies zudem darauf hin, dass Devisen heute hauptsächlich über Steueroasen transferiert werden, würde man auch diese nicht erfassen, wäre das Instrument Tobin-Tax wirkungslos.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) hielt es für hoch an der Zeit, einen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, der am ersten Tag der laufenden Gesetzgebungsperiode eingebracht worden ist. Matznetter will über Ideen diskutieren, die darauf gerichtet sind, den Ärmsten der Armen dieser Welt zu helfen. Die Debatte über einen Entschließungsantrag bedeute nicht das geringste Problem für die Regierung. Die Idee der Tobin-Tax sei bestechend, weil sie das Tagesgeschäft auf den Devisenmärkten nicht berühren würde, aber einen Impuls zu Stabilisierung schwacher Volkswirtschaften geben und zugleich dringend benötigte zusätzliche EZA-Mittel bringen würde.

Abgeordneter BUCHER (F) hielt es nicht für zweckmäßig, die Tobin-Steuer nur im europäischen Raum zu diskutieren, überdies habe dieses theoretische Modell keine Chance auf Realisierung. Eine Devisentransaktionssteuer wäre auch kein positives Signal für die Börsen, sagte Bucher, genau darum, nämlich um die Stärkung der Börsen gehe es aber derzeit - Österreich wäre nicht gut beraten, sich dieser Theorie anzuschließen.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) unterstrich den Wunsch der Grünen, über die Tobin-Steuer im Ausschuss zu diskutieren. Säumig sei die Koalition auch bei der längst vereinbarten Enquete über Investitionsschutzabkommen, fügte er hinzu. Niemand behaupte, man könnte die Tobin-Tax, eine Lenkungsabgabe, einfach einführen. Es gehe vielmehr darum, Devisenspekulationsgeschäfte zu besteuern, reale Geschäfte oder längerfristige Devisengeschäfte wären davon praktisch nicht belastet, argumentierte Kogler. Dass die USA nicht mitmachten, sei ein Problem, aber es sei nicht so groß, wie manche behaupten. Denn zwei Drittel der Geschäfte werden außerhalb der USA abgewickelt.

Der Fristsetzungsantrag fand nicht die erforderliche Mehrheit.

(Schluss Dringlicher Antrag/Forts. NR)