Parlamentskorrespondenz Nr. 390 vom 26.05.2004

GLEICHBEHANDLUNGSGEBOT NACH EU-STANDARDS AUSGEWEITET

Opposition hält Regelungen für nicht weitgehend genug

Wien (PK) - Mit der Änderung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes und des Gleichbehandlungsgesetzes wurden diese Materien an EU-Standards angepasst. U.a. wurde damit das Gleichbehandlungsgebot auf die Gründe der Rasse und ethnischen Herkunft, der Religion und Weltanschauung sowie des Alters und der sexuellen Orientierung ausgeweitet. Unter einem debattiert wurden zwei Anträge der Grünen (27/A[E] und 146/A). Die frühere Frauenministerin Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) sprach zur Geschichte eines Antidiskriminierungsgesetzes und erläuterte dessen Hintergrund. Österreich sei auf diesem Gebiet säumig, betonte die Rednerin, die entsprechende Maßnahmen gemäß den Vorgaben der EU einmahnte. Österreich sei auf diesem Gebiet jahrelang Vorreiter gewesen, man sollte daher nun nicht ins Hintertreffen geraten, mahnte Prammer unter Bezugnahme auf die zur Diskussion stehende Vorlage. Man sollte zumindest die entsprechenden Richtlinien umsetzen, so Prammer, widrigenfalls ihre Fraktion der Vorlage nicht zustimmen könne.

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) nannte die Vorlage hingegen eine gelungene Umsetzung der EU-Richtlinien, wobei der Entwurf sogar weitergehend genannt werden könne. Österreich könne auf diesem Gebiet auf gute Arbeit aufbauen und setze diesen Weg entschlossen fort.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) betonte, die Opposition wolle nach wie vor ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, und umso bedauerlicher sei es, dass an einer solchen Norm seit mittlerweile sechs Jahren gearbeitet werde, ohne dass es endlich vorliege. Die EU gebe auf diesem Gebiet Mindeststandards vor, Österreich habe hier aber eine entsprechende Tradition, auf die man nicht nur aufbauen, sondern die auch adäquat fortgeschrieben werde sollte.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) bedauerte, dass trotz langer und guter Verhandlungen keine Einigung zwischen den Regierungsparteien und der Opposition erzielt werden konnte, meinte aber, dass die EU-Richtlinie gut und umfassend umgesetzt würde. Man habe es hier mit einer sehr guten Regelung zu tun, sodass es schade sei, dass die Opposition dieser nicht beitreten könne, erklärte Achleitner, die sodann einzelne Aspekte der Vorlage konkret erläuterte.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN dankte der sozialdemokratischen Verhandlungsführerin für die gute Zusammenarbeit und meinte, man könne durchaus von einer guten Regierungsvorlage sprechen. Die Vorgaben seien übererfüllt worden, er selbst trage dieses Ergebnis gerne mit. Die gewählte Vorgangsweise sei richtig, denn eine Gesetzesflut könnte nicht sinnvoll sein. Man habe eine gute Lösung auf dem Tisch, auf der man aufbauen könne.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) ortet in der Beweislastregelung und in der Gestaltung der Verbandsklage Schwächen des Gesetzes und vermisst überdies die Installierung eines Ombudsmannes gegen Diskriminierung durch das Parlament in einem demokratischen Verfahren. In Summe meinte Posch, mit dieser Novelle sei eine große Chance versäumt worden.

In einem Entschließungsantrag forderte der Redner die gänzliche Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie durch ein eigenes Anti-Diskriminierungsgesetz.

Abgeordneter ELLMAUER (V)bekannte sich zur Gleichbehandlung, die er als Anliegen der ÖVP bezeichnete, und betonte, durch den vorliegenden Entwurf werde die EU-Richtlinie voll und ganz umgesetzt. An die Adresse der Opposition gewandt, stellte Ellmauer fest, Fragen der Menschenrechte und der Gleichbehandlung seien nicht geeignet, um daraus parteipolitisches Kleingeld zu schlagen.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) widersprach ihrem Vorredner und kritisierte, dieses Gesetz schreibe die Ungleichbehandlung fest, indem es unterschiedliche Kriterien für den Diskriminierungsschutz definiere. Die Rednerin warf den Regierungsparteien vor, keine wirklichen Verhandlungen mit der Opposition geführt zu haben, und beharrte mit Nachdruck auf der Forderung ihrer Fraktion nach Verankerung eines einheitlichen Diskriminierungsbegriffes.

Abgeordneter WALCH (F) zeigte sich verwundert über die Ablehnung des Gesetzes durch die SPÖ und erinnerte daran, dass die Regierungsparteien auf einen Großteil der Forderungen der Sozialdemokraten eingegangen seien.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT sah in dem Gesetz eine Reihe von Verbesserungen für Frauen und hob insbesondere die Einführung eines Diskriminierungstatbestandes der geschlechtsbezogenen Belästigung sowie die Schadenersatzuntergrenzen als positive Neuerungen hervor.

Die Ministerin bedauerte aber, dass es nicht möglich war, die Weisungsfreiheit der Gleichbehandlungsbeauftragten durch Verfassungsbestimmung umzusetzen.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) machte die Zustimmung ihrer Fraktion zur Verfassungsbestimmung über die Weisungsfreiheit von der Zustimmung der Regierungsparteien zu den letzten vier der elf von der SPÖ geforderten Punkte abhängig, die Gegenstand eines im Rahmen ihrer Wortmeldung eingebrachten Abänderungsantrages waren.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) kommentierte die Forderung ihrer Vorrednerin mit der Bemerkung, Verhandlungen seien kein Lizitationsverfahren. Klar war für Brinek, dass Österreich die EU-Richtlinien durch dieses Gesetz voll umsetzt. Ein Abänderungsantrag der Rednerin hatte redaktionelle Anpassungen zum Inhalt.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) forderte gleiches Schutzniveau für alle und sah in den differenzierten Kriterien des Gesetzes einen neuerlichen Ausdruck von Diskriminierung.

Abgeordnete HÖLLERER (V) wies den Vorwurf der mangelnden Verhandlungsbereitschaft zurück und erinnerte daran, dass es der SPÖ nicht einmal in Wien gelungen sei, ein Anti-Diskriminierungsgesetz durchzusetzen, das ihren im Nationalrat gemachten Forderungen entspricht.

Staatssekretär MORAK begrüßte insbesondere den Ausbau des bisherigen Schutzes in der Gleichbehandlung der Geschlechter sowie die Ausweitung des Gleichbehandlungsgebotes über geschlechtsspezifische Diskriminierungen hinaus. Der wirksame Schutz vor Diskriminierung sei und bleibe eine wichtige Aufgabe im Bundesdienst, versicherte Morak.

Abgeordnete BINDER (S) bezeichnete es als gravierenden Mangel, dass dieses Gesetz vier unterschiedliche Schutzniveaus enthält. In einem Abänderungsantrag drängte sie auf weiter gehende Bestimmungen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung.

Abgeordnete RIENER (V) zeigte kein Verständnis für die Kritik der SPÖ und bemerkte, die Sozialdemokraten hätten wohl auch dann nicht zugestimmt, wenn sämtliche ihrer elf Forderungen von den Regierungsparteien erfüllt worden wären.

Abgeordneter KRIST (S) untermauerte die Kritik seiner Fraktion, wonach das vorliegende Gleichbehandlungsgesetz dem Anliegen der Gleichbehandlung zuwider laufe.

Abgeordnete FRANZ (V) vermisste ein Entgegenkommen der Opposition, wobei sie meinte, wenn sieben von elf Punkten erfüllt wurden, dann sei sehr viel geschehen.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) übte vor allem Kritik an der Beweislastregelung und betonte, durch die vom Gesetz vorgenommene Variante sei es diskriminierten Personen nicht in ausreichendem Umfang möglich, zu ihrem Recht zu kommen.

Abgeordnete GRANDER (V) erläuterte noch einmal die Eckpunkte der zur Debatte stehenden Regierungsvorlagen. Sodann ging sie noch auf die Situation in Tirol ein, wo die ÖVP u.a. die erste Bürgermeisterin einer Bezirkshauptstadt in Österreich gestellt hat und wo es auch die erste Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt gibt. Die Stadt Innsbruck leiste auch im Bereich des Gender Mainstreaming eine hervorragende Arbeit, hob sie hervor.

Abgeordnete FLECKL (S) drückte noch einmal von Seiten ihrer Fraktion das Bedauern darüber aus, dass es den Regierungsparteien nicht gelungen ist, die EU-Richtlinien in diesem Bereich adäquat umzusetzen. Österreich werde es damit nicht schaffen, weiterhin als Musterland in der Frage der Anti-Diskriminierung zu gelten. Auf der Strecke bleiben effiziente Maßnahmen zur Förderung der Menschenrechte und zum Abbau von Diskriminierungen.

Abgeordnete MAREK (V) erinnerte daran, dass dem heutigen Beschluss monatelange Verhandlungen vorausgegangen sind. Die Fraktionen konnten sich auch sehr weit annähern und es wurden viele Zugeständnisse gemacht. Sie bedauere es daher sehr, dass die Sozialdemokraten trotzdem nicht zustimmen können, vor allem was die Weisungsfreiheit der Gleichbehandlungsanwaltschaft angeht.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung beschränke sich darauf, die Mindeststandards bei der Umsetzung der drei EU-Richtlinien einzuhalten, bedauerte Abgeordnete WALTHER (S). Vor allem sei es betrüblich, dass die NGOs nicht wirklich einbezogen werden. - In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordnete SBURNY (G) fest, dass nicht Landesrätin Zanon, sondern Landesrätin Lichtenberger die erste weibliche Vertreterin in diesem Amt war.

Abgeordneter SIEBER (V) wies darauf hin, dass das Gleichbehandlungsgebot auf die Bereiche der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters und sexuellen Diskriminierung ausgedehnt wird. Ihm erscheine es sinnvoll, dass die Regierungsvorlage nun alle diese Gebote in einem einzigen Gesetz zusammenfasst, weil dadurch Mehrfachdiskriminierungen einheitlich behandelt werden können.

Die Politik müsse dafür sorgen, dass alle Arbeitnehmer faire und gerechte Bedingungen vorfinden, leitete Abgeordneter SCHOPF (S) seine Wortmeldung ein. Eine Schwäche des vorliegenden Gesetzes sei, dass die Regelungen bezüglich der Schadenersatzansprüche für bewiesene Diskriminierungen nicht umgesetzt wurden.

Die SPÖ fordere permanent weitere Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter, übersehe dabei aber ihre eigenen Schwachstellen, meinte Abgeordnete STEIBL (V). Bei den Verhandlungen habe die SPÖ ein Papier vorgelegt mit dem Absender einer Mitarbeiterin, die als Klubsekretär bezeichnet wird.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) urgierte ein Behindertengleichstellungsgesetz ein, das nun schon seit Jahren versprochen werde. Sie ersuchte Ministerin Rauch-Kallat, beim Bundeskanzler Druck in dieser Sache auszuüben, damit zumindest im Juli "ein halbwegs brauchbarer Entwurf" vorgelegt werden könne.

Bei der Abstimmung wurde die Änderung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes mehrheitlich angenommen; der S-Abänderungsantrag verfiel der Ablehnung. Das Bundesgesetz, mit dem ein Gleichbehandlungsgesetz erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben geändert wird, wird in der Fassung von V-F-Abänderungsanträgen mehrheitlich angenommen; auf einzelne Paragraphen bezogene Streichungsanträge wurden teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen. Ein S-Entschließungsantrag betreffend Aufforderung an die Bundesregierung, dem Nationalrat ein echtes Anti-Diskriminierungsgesetz zuzuleiten fand keine Mehrheit. Das Bundesverfassungsgesetz über die Weisungsfreiheit der Organe der Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundesverfassungsgesetz über die Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten fanden nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit. Schließlich wurde noch der Bericht des Ausschusses für Menschenrechte mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

(Schluss Gleichbehandlung/Forts. NR)