Parlamentskorrespondenz Nr. 426 vom 08.06.2004

NEUER BERECHNUNGSMODUS FÜR WITWEN(R)PENSION IM AUSSCHUSS BESCHLOSSEN

FPÖ und ÖVP kündigen für die Plenarsitzung Abänderungen an

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales ging es vorerst um das 2. Sozialversicherungs -Änderungsgesetz 2004. Da der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen über die Berechnungsweise der Witwen(r)pension wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben hat und diese Aufhebung mit 1. Juli 2004 in Kraft tritt, müssen das ASVG, das GSVG und das B-SVG geändert werden. Maßgebend für die Höhe der Witwen(r)pension soll in Hinkunft die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten sein. Dabei bleibt insbesondere die Pensionsberechnungsformel unverändert. Die Bandbreite der Pensionshöhe soll weiterhin zwischen 0 und 60 % der (fiktiven) Pension des (der) Verstorbenen betragen, wobei es weiterhin für Hinterbliebene mit geringem Einkommen eine untere Schutzgrenze (2004: 1.503,5 €) sowie eine Leistungsobergrenze bei hohem Einkommen (2004: 6.900 €) geben soll. Bei gleich hoher Berechnungsgrundlage soll – so wie bisher – die Witwen(r)pension 40 % betragen.

Durch die Heranziehung des Einkommens der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Todeszeitpunkt soll die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt besser wiedergegeben werden als beim Abstellen auf die Bemessungsgrundlage, was bisher der Fall war.

Da sich die Fraktionen über die weitere Vorgangsweise nicht einigen konnten, kündigten Vertreter der beiden Regierungsparteien an, einen Abänderungsantrag im Rahmen der Zweiten Lesung in der Nationalratsplenarsitzung einbringen zu wollen. So wurde die Vorlage in der heutigen Ausschusssitzung einer Debatte und auch einer Beschlussfassung zugeführt.

V-Abgeordneter Walter Tancsits machte darauf aufmerksam, dass die bestehende Regelung aus den neunziger Jahren stamme und man damals auf das Haushalts- bzw. gemeinsame Einkommen vor dem Tod eines Partners abgestellt habe. Der Verfassungsgerichtshof habe nun dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, eine Regelung zu finden, mit der die Berechnung der letzten Einkommen zweckmäßig, rasch und zielgerichtet erfolgen könne. Auch wies der Redner darauf hin, dass die Bestimmungen mit dem Verfassungsdienst abgestimmt seien, materielle Veränderungen sind seiner Meinung nach nicht zu erwarten, vielmehr werde es gegenüber der jetzigen Rechtslage Verbesserungen geben.

Ausschussobfrau Heidrun Silhavy zeigte sich verwundert darüber, dass „im letzten Moment“ eine Vorlage präsentiert werde, die noch dazu nur eine Minimallösung beinhalte. Bei der Ausdehnung des Bemessungszeitraumes auf die letzten zwei Jahre habe das Justizministerium im Rahmen der Begutachtung darauf hingewiesen, dass man die „besten 12 Monate“ berücksichtigen sollte; dieser Vorschlag wurde aber nicht aufgegriffen. Bemängelt wurde von ihr auch, dass Leistungen aus der Unfallversicherung, die ja Schadenersatzleistungen sind, als Einkommen angesehen werden. Nicht berücksichtigt wurden auch Pensionskassen, obgleich immer mehr Betriebe Pensionsleistungen in Pensionskassen transferieren. Konkret wollte Silhavy auch wissen, welche Daten den Kalkulationen zu Grunde liegen.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) sprach von der finanziell günstigsten Variante und machte gleichfalls darauf aufmerksam, dass der Verfassungsdienst eingebunden gewesen sei und die Neuregelung den Frauen Verbesserungen bringe.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) hielt den Vorschlag, in Hinkunft die letzten zwei Einkommensjahre zur Berechnung heranzuziehen, für nicht gerecht, zumal durch die Pensionsreform verstärkt mit einer Altersarbeitslosigkeit zu rechnen ist. Ihrer Meinung nach ist die Berechnungsgrundlage auf „Zufälligkeiten und Willkürlichkeiten“ aufgebaut.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) meinte, es sei seltsam, dass man nun über eine Vorlage diskutiere, die nächste Woche verändert werde, und dass man Lösungsvorschläge unabhängig von den „Runden Tischen“ über die Pensionsharmonisierung beschließen wolle. Die in der Vorlage angegebenen finanziellen Auswirkungen im Ausmaß von 3 Mill. € bezweifelte die Sprecherin, stehen doch dem Hauptverband gewisse Daten nicht zur Verfügung. Lösungen für die Frauen, damit diese eine eigenständige Alterssicherung erhalten, seien wichtig.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) meinte zur neuen Berechnungsweise, in den letzten zwei Lebensjahren könne man sich keinen Lebensstandard sichern, dieser werde in den ersten 15 Berufsjahren aufgebaut. Für sie stellt die neue Berechnungsgrundlage eine „gefährliche Geschichte“ dar.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) warf ein, der Gesetzgeber habe vom VfGH nicht den Auftrag bekommen, die in den neunziger Jahren getroffene Regelung der Hinterbliebenenversorgung neu zu regeln, sondern für die Berechnung der Versorgungslage zum Todeszeitpunkt einen „gangbaren und gerechteren Weg“ zu finden.

Abgeordnete Christine Lapp (S) sprach die finanziellen Auswirkungen an und erkundigte sich, von welcher Datenlage man ausgegangen sei, um auf die 3 Mill. € zu kommen. Sie interessierte sich auch für die Abgeltung, die die Pensionsversicherung angesichts ihres Mehraufwandes erhalten sollte.

Bundesminister Herbert Haupt wies vorerst darauf hin, dass der Vorwurf, die Arbeitsgruppe habe zu spät zu arbeiten begonnen, ins Leere gehe, habe sie doch im Oktober ihre Arbeit aufgenommen. Unterschiedliche Varianten wurden gewissenhaft diskutiert. Die von Heinisch-Hosek angesprochene Teilpension habe Nachteile, die von Haupt aufgezählt wurden. So sei etwa eine Neuregelung kurzfristig und verfassungskonform nicht möglich, Kürzungen seien nicht ausgeschlossen und ab einem gewissen Gesamteinkommen verringere sich automatisch die Pension. Als Vorteil nannte Haupt, dass Veränderungen in den Einkommensverhältnissen in Zukunft berücksichtigt werden.

F-Abgeordneter Maximilian Walch wies darauf hin, dass in der Sozialversicherung sehr wohl Daten aus den Jahren vor 1972, was von den Grün-Mandatarinnen bestritten worden war, gespeichert seien; der angekündigte Abänderungsantrag werde diesbezüglich Verbesserungen bringen, kündigte Walch an.

Die Regelung ist für V-Abgeordneten Karl Donabauer zumutbar und besser als die, die 1997 von der Großen Koalition beschlossen wurde.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat widersprach dem Vorwurf, dass das Pensionspaket 2003 nicht frauenfreundlich sei, sei es doch Ziel der Maßnahmen, mehr Einkommensgerechtigkeit vor allem für Frauen im Alter zu erreichen und die Einkommensschere zu schließen. Genauso wie Minister Haupt will auch Ressortchefin Rauch-Kallat keine Auskunft über die laufenden Verhandlungen zur Harmonisierung der Pensionssysteme geben.

Die Regierungsvorlage wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen.

NACHTARBEIT UND KINDERGELD: SP-ANTRÄGE VERTAGT

Gegen den entschiedenen Widerspruch der Opposition wurden schließlich zwei Anträge der Sozialdemokraten vertagt. Zunächst forderte Abgeordneter Dieter Keck (S) in seiner Initiative zum Thema Nachtarbeit die Ausdehnung des Anspruchs auf Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und Sonderruhegeld ab dem 57. Lebensjahr nach den Bestimmungen des Nachtschwerarbeitsgesetzes sowohl auf Nachtarbeit als auch auf Schwerarbeit. Nicht nur Nachtschwerarbeit, sondern auch "normale" Nachtarbeit brächte, wie Keck unter Hinweis auf entsprechende Studien betonte, Gesundheitsrisken und eine Verkürzung der Lebenserwartung mit sich.

Sozialminister Herbert Haupt verwies auf laufende Verhandlungen der Sozialpartner. Die Beratungen wurden deshalb auf Antrag der Regierungsparteien vertagt.

Ebenfalls vertagt wurde ein Antrag der SPÖ betreffend Verbesserungen beim Kindergeld. Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) forderte unter anderem die Abschaffung der derzeit geltenden Zuverdienstregelungen, die Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf die gesamte Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes, ein Recht auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Ablauf des ersten Schuljahres des Kindes mit einem Rückkehrrecht in eine Vollzeitbeschäftigung, ein Recht auf flexible Arbeitszeitgestaltung für Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinder, verstärkte Wiedereinstiegshilfen für Eltern nach einer Berufsunterbrechung, den Ausbau von bedarfsgerechten, flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen und einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder von AlleinerzieherInnen ab dem ersten Lebensjahr des Kindes.

Kuntzl argumentierte ebenso wie die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek (S) und Brigid Weinzinger (G), dass sich das Kinderbetreuungsgeld in seiner jetzigen Form beschäftigungshemmend für Frauen auswirke. Heinisch-Hosek unterstrich, das Kindergeld werde als Familienleistung anerkannt, es gehe der SPÖ nicht um eine Abschaffung, sondern bloß um Verbesserungen.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) sprach sich dafür aus, die Evaluierung seitens des Ministeriums abzuwarten und den Antrag heute zu vertagen. Mit Nachdruck lehnte sie eine gänzliche Abschaffung der Zuverdienstgrenze ab. Dies würde 252 Mill. € kosten und sei finanziell nicht machbar, gab sie zu bedenken. (Schluss)