Parlamentskorrespondenz Nr. 459 vom 16.06.2004

NATIONALRAT BESCHLIESST WEITERE SOZIALGESETZE

Wien (PK) - Mit der Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes im Zusammenhang mit der Möglichkeit zur Errichtung so genannter Europäischer Gesellschaften und dem 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz standen weitere Themen aus dem Sozialbereich auf der Tagesordnung. Beide Vorlagen fanden mehrheitlich Zustimmung.

V-F-G-MEHRHEIT FÜR ÄNDERUNG DES ARBEITSVERFASSUNGSGESETZES

Abgeordneter SCHOPF (S) meinte grundsätzlich, die Regierungsvorlage setze die betreffende EU-Richtlinie im Großen und Ganzen in befriedigender Weise um. In einem Abänderungsantrag forderte er aber, den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat die gleichen Rechte einzuräumen, über die die Kapitalvertreter verfügen.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) sah in dem Gesetz einen tauglichen Interessenausgleich und bemerkte im Übrigen, die Anliegen des SPÖ-Abänderungsantrages seien in Österreich bereits erfüllt.

Abgeordneter KECK (S) appellierte an die Koalitionsparteien, dem Abänderungsantrag der SPÖ zuzustimmen, und fügte an, in diesem Fall gebe es dann kein Hindernis mehr für eine Zustimmung der SPÖ.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) äußerte sich positiv zu der Regierungsvorlage, die er als wichtiges Instrument der Arbeitnehmervertretung auf europäischer Ebene bezeichnete.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN meinte zum Abänderungsantrag der SPÖ, die darin geforderte Gleichberechtigung von Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat gehe zu weit, die von der Koalition gefundene Regelung in der Regierungsvorlage setze die Richtlinie in ausreichender Weise um.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) stellte fest, bei allen positiven Aspekten würden die Mitbestimmungsrechte nicht jene Qualität aufweisen, die sich die SPÖ vorstellt. Eine Zustimmung durch die Sozialdemokraten sei daher nicht möglich.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen an, bedauerte aber, dass hinsichtlich des Arbeitsrechtes weite Bereiche auf europäischer Ebene nach wie vor ungeregelt sind. Als Beispiel nannte Öllinger das Arbeitsrecht im Verkehr, wo, wie er sagte, immer noch Ausbeutungsverhältnisse aus dem 19. Jahrhundert bestehen.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) bezeichnete das Gesetz als Fortschritt und lehnte die weitergehende Lösung im Sinne des SP-Antrages als unrealistisch ab.

Bei der Abstimmung fand der SP-Abänderungsantrag keine Mehrheit. Das Gesetz wurde mit V-F-G-Mehrheit angenommen.

2. SOZIALVERSICHERUNGS-ÄNDERUNGSGESETZ 2004 MIT KOALITIONSMEHRHEIT

Abgeordnete SILHAVY (S) kritisierte, dass der Abänderungsantrag der Regierungsparteien mit seinen Bestimmungen über die Finanzierung der Bauernkrankenversicherung wesentlich mehr Änderungen als ursprünglich angekündigt enthält. Die Koalition betreibe damit einmal mehr Klientelpolitik, habe aber nach wie vor keinerlei Konzepte, um die Krankenversicherungen finanziell wieder auf gesunde Beine zu stellen.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) erläuterte, beim vorliegenden Gesetz gehe es um die Sanierung der Regelung der Hinterbliebenenpensionen aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs. Ursprünglich vorgesehene umfangreiche Änderungen in Bezug auf die Krankenversicherung würden nicht vorgenommen, da kein zusätzlicher Sozialausschusstermin zustande gekommen sei.

Tanscits zufolge bleibt es beim Grundsatz, dass bei in etwa gleich hohen Einkommen der Ehepartner 40 % an Hinterbliebenenpension ausgezahlt wird. Bei hohem Einkommen kann die Hinterbliebenenversorgung hingegen bis auf null sinken, bei niedrigem Einkommen steigt sie auf bis zu 60 %. Änderungen gibt es laut Tancsits bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage, dadurch kommt es zu Mehrkosten von 3 Mill. €.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) befasste sich mit der Chefarztpflicht bei Medikamenten und meinte, die vorgesehene Regelung wäre in einigen Zügen positiv gewesen, weil sie Erleichterungen für Patienten gebracht und diesen mühsame, zeitaufwendige Besuche bei den Krankenkassen erspart hätte. Er beklagte aber generell, dass sachorientierte Lösungen durch Zeichnen von "Feindbildern" seitens der Regierung erschwert würden. Grünewald sieht verschiedene Möglichkeiten, Medikamentenkosten zu reduzieren.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) wies darauf hin, dass die Berechnung der Witwenpensionen nunmehr verfassungskonform geregelt würde. Die Pensionsberechnungsformel bleibe dabei unverändert, Adaptierungen gebe es bei der Bemessungsgrundlage. Dolinschek zufolge bringt die Neuregelung vor allem Verbesserungen für Frauen.

Gesundheitsstaatssekretär Dr. WANECK nahm zur Frage der Neuregelung der Witwenpensionen Stellung und verwies auf positive Stellungnahmen zum Gesetzentwurf.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) machte darauf aufmerksam, dass im Jahr 2003 437.000 Menschen von der Hinterbliebenenversorgung betroffen waren. Dem Verfassungsgerichtshof sei es darum gegangen, den Versorgungsstandard der Betroffenen zu sichern, skizzierte sie. Das sei, meinte die Abgeordnete, durch die "notdürftige Reparatur" allerdings fraglich.

Abgeordnete STEIBL (V) machte geltend, dass zur Vorbereitung der Neuregelung der Hinterbliebenenpensionen eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei, in der unter anderem die Sozialpartner, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die zuständigen Ministerien vertreten waren. Sie erläuterte Details der Neuregelung und verwies u.a. darauf, dass es weiterhin eine untere Schutzgrenze für die Hinterbliebenen und eine Leistungsobergrenze gebe. Die Gesamtausgaben für die Hinterbliebenenpension bezifferte Steibl mit 2,8 Mrd. €, die Mehrkosten der Neuregelung mit 3 Mill. €.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) sprach von einem "absurdem Theater". Unter anderem zeigte er sich darüber verwundert, dass der zum Gesetz angekündigte Abänderungsantrag heute doch nicht eingebracht werde, und urgierte seitens der Regierungsparteien eine diesbezügliche Begründung.

Für die vorgesehene Variante der Chefarztpflicht hätte er eine gewisse Sympathie gehabt, sagte Öllinger, allerdings hätte man darüber noch genauer beraten müssen. Im Übrigen glaubt er, dass der Abänderungsantrag nicht an Differenzen bezüglich der Chefarztpflicht gescheitert ist, sondern weil sich ein FPÖ-Bauernvertreter gegen eine vorgesehene Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Bauern quergelegt habe. Die Neuregelung der Witwenpensionen hält Öllinger für "keinen guten Entwurf".

Abgeordneter WALCH (F) klagte, die Opposition habe noch nie bei Verbesserungen von Gesetzen zugestimmt. Er gab zu bedenken, dass es durch die Neuregelung 3 Mill. € mehr für die Hinterbeliebenen geben werde.

Gesundheitsministerin RAUCH-Kallat verlieh ihrer Freude darüber Ausdruck, dass im Zuge der notwendigen Gesetzesreparatur die Witwenpensionen einer Verbesserung zugeführt würden. Im Zusammenhang mit dem nicht eingebrachten Abänderungsantrag merkte sie an, dass zur Vorberatung eine weitere Sitzung des Sozialausschusses notwendig gewesen wäre. Im Abänderungsantrag wären ihr zufolge u.a. die Chefarztpflicht neu, Präzisierungen zum Heilmittelpaket und "wichtige Maßnahmen zur Konsolidierung der Bauernkrankenkasse" enthalten gewesen. Für Rauch-Kallat ist es "kein Malheur", dass die Neuregelung der Chefarztpflicht nun nicht in das vorliegende Sozialversicherungs-Änderungsgesetz integriert wird, es gebe, so die Ministerin, noch ausreichend Zeit. 

 

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) kritisierte, dass zwei Drittel der Tagesordnungspunkte im Sozialausschuss vertagt worden seien und somit wichtige Anliegen der SPÖ nicht im Plenum diskutiert werden könnten. Bei den Anträgen gehe es unter anderem um Verbesserungen für Nacht- und Schwerarbeiter, ein umfassendes Lehrlingspaket und Maßnahmen zur Lückenschließung in der Arbeitslosenversicherung.

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) hielt fest, durch den vorliegenden Gesetzentwurf komme es zu Verbesserungen in der Hinterbliebenenversorgung. Künftig werde stärker auf die Versorgungslage der Betroffenen zum Zeitpunkt des Todes ihres Partners Rücksicht genommen. Im Gegensatz zu Abgeordneter Heinisch-Hosek ist Scheucher-Pichler auch davon überzeugt, dass in dieser Legislaturperiode sehr viel für Frauen gemacht worden sei.

Abgeordneter LACKNER (S) erinnerte an einen Entschließungsantrag der Koalitionsparteien, wonach die Regierung bis Ende 2003 eine Gesetzesvorlage zur Pensionsharmonisierung vorlegen müsse. Die Koalition sei in diesem Punkt säumig, kritisierte er. In Richtung Gesundheitsministerin Rauch-Kallat meinte Lackner, er hätte schon gerne gewusst, wie es mit der Chefarztpflicht weitergehe, das "leidige Thema" müsse endlich vom Tisch.

Von den Hinterbliebenenpensionen seien in erster Linie Frauen betroffen, deren Versorgungslage mit dem vorliegenden Gesetz gesichert wird, erklärte Abgeordnete MAREK (V). Sie ist der Auffassung, dass es ausreichend sei, sich die zwei letzten Jahre vor dem Tod des Partners anzusehen, um den zu erhaltenden Lebensstandard zu ermitteln. Außerdem gebe es noch eine untere Schutzgrenze in der Höhe von 1.503 €, wodurch Härtefälle verhindert werden können. Ein klares Bekenntnis legte Marek noch dafür ab, dass Frauen im Alter ein eigenständiges Auskommen haben sollen, was auch im Rahmen der Harmonisierung der Pensionssysteme berücksichtigt werden müsse.

Abgeordneter DONABAUER (V) konnte absolut nicht nachvollziehen, warum man dieser Vorlage nicht zustimmen kann, weil damit eine große Verbesserung für die Hinterbliebenen erreicht werde. Durch die Ausdehnung des Berechnungszeitraums auf zwei Jahre sei gewährleistet, dass der Lebensstandard gesichert werden könne, hob Donabauer positiv hervor. Lob zollte er auch dem Bericht der Arbeitsinspektion, der beweise, dass die Sozialpolitik in Österreich in Ordnung sei.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen.

(Schluss Sozialgesetze/Forts. NR)


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