Parlamentskorrespondenz Nr. 465 vom 17.06.2004

GENTECHNIK: FLUCH ODER SEGEN?

Alle 4 Parteien gegen Neuzulassung von GVOs auf EU-Ebene

Wien (PK) – Der nächste Tagesordnungspunkt betraf den V-F-Antrag 373/A (E) zum Gentechnik-Moratorium sowie zur Regelung der Koexistenz und der Haftung in Zusammenhang mit GVOs.

Als ein äußerst emotionales Thema bezeichnete Abgeordneter GRILLITSCH (V) die Frage der Gentechnik. Er sprach sich dafür aus, offen darüber zu diskutieren, ob es sich dabei um einen Fluch oder einen Segen handelt. Generell zeigte er sich froh über das Gelingen eines von allen vier Parteien unterstützten gesamtändernden Abänderungsantrages. Denn hier gehe es um die Sicherheit für KonsumentInnen.

Grillitsch forderte, sich auch weiterhin gegen die Neuzulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) einzusetzen, zumal die Klärung der Koexistenz und einer umfassenden Haftung bislang nicht erfolgt sei. Der Pollenflug mache vor der Grenze nicht halt, deshalb müssten diese Fragen auf der Ebene der EU diskutiert und gelöst werden. Strategische PartnerInnen in dieser Frage seien die KonsumentInnen, und deshalb sei es erforderlich, gentechnisch veränderte Produkte klar zu kennzeichnen. Es bedürfe auch geeigneter Rahmenbedingungen, die den Bauern und Bäuerinnen Planbarkeit, Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit geben.

Abgeordneter GRADWOHL (S) begrüßte die Vier-Parteien-Einigung ebenfalls, da diese mehreren Kriterien gerecht würde. Einerseits stärke sie dem Bundesminister in den EU-Gremien den Rücken, sich für GVO-Freiheit einzusetzen, die Bundesländer, welche entsprechende Beschlüsse gefasst haben, würden Rechtssicherheit erhalten und den Sicherheitsbedürfnissen der KonsumentInnen und ProduzentInnen würde Rechnung getragen. Dennoch gehe der vorliegende Antrag der SPÖ nicht weit genug, weshalb Gradwohl einen zusätzlichen Entschließungsantrag, der sich vor allem auf das ÖPUL bezieht, einbrachte.

Abgeordneter WITTAUER (F) bedauerte das Fallen des Moratoriums in der EU als einen Rückschritt, äußerte sich aber zufrieden über das rasche Reagieren aller vier Parteien. Amerika und auch andere Staaten hätten bewiesen, dass der Einsatz der Gentechnik ein Fluch sei, sagte Wittauer. Als einen wichtigen Faktor bezeichnete er eine klare Kennzeichnung und eine umfassende Regelung der Haftungsfrage. Er wies auch auf das Kärntner Modell hin, das erfolgreich sei und dem andere Bundesländer nun folgten. 

Abschließend brachte er den Vier-Parteien-Abänderungsantrag ein, der die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht, weiterhin auf EU-Ebene gegen die Neuzulassung von GVOs einzutreten und sich für die Möglichkeit der Schaffung gentechnikfreier Regionen einzusetzen. Darüber hinaus sollen Initiativen zum freiwilligen Zusammenschluss zu gentechnikfreien Regionen auf EU-Ebene unterstützt werden. Die Regierung soll sich auf EU-Ebene auch weiterhin für eine harmonisierte Regelung der Koexistenz und der Haftung stark machen und bis zu einer EU-weiten Regelung eine diesbezügliche nationale Gesetzgebung umsetzen. Schließlich verlangen die Abgeordneten, die österreichischen Pflanzenzüchter und die österreichische Saatgutindustrie in ihrer Bereitschaft, GVO-freies Saatgut und hochqualitative Sorten auf den Markt zu bringen, zu unterstützen, klare und transparente Umsetzungsmaßnahmen für die Kennzeichnung gentechnikhältiger Lebensmittel zu setzen und sich auf europäischer Ebene für möglichst niedrige Grenzwerte an der technischen Nachweisgrenze für GVO-Saatgutverunreinigungen einzusetzen.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) begrüßte diesen Antrag und die intensive Debatte sowie das gemeinsame Bemühen in dieser Frage. Wenn die Gentechnik auch in der Medizin von Nutzen sei, stelle sie im Agrarbereich doch einen Fluch dar, zeigte sich Pirklhuber überzeugt und wies auf eine Studie des US-Department of Agriculture hin, wonach durch den Einsatz der Gentechnik nicht mehr Erträge zu verzeichnen seien und auch die Reduktion der Pestizide nicht erreicht werden konnte, da die Unkräuter resistent werden.

Pirklhuber geht der vorliegende Antrag jedoch zu wenig weit, weshalb er einen zusätzlichen Entschließungsantrag einbrachte, der sich auf eine transparente Haftung nach dem Verursacherprinzip bezieht und als Voraussetzung für die Förderung im Rahmen des ÖPUL eine gentechnikfreie Produktion verankert wissen will. Darüber hinaus fordern die Grünen ein Rahmengesetz zur Errichtung gentechnikfreier Anbaugebiete. 

Bundesminister DI PRÖLL verwies auf den Konsens in Österreich über die Ablehnung von gentechnisch verändertem Saatgut, gab aber zu bedenken, entscheidend sei es nun, in dieser Frage auf europäischer Ebene Allianzen zu schmieden. Wenn Österreich den Kampf gegen die Gentechnik verliert, dann müssen nationale Antworten gefunden werden, wobei, wie Pröll betonte, Regelungsbedarf vor allem bei der Koexistenz und in der Haftungsfrage bestehe.

Abgeordneter KEUSCHNIGG (V) schickte voraus, in Österreich wollten weder die Bauern noch die Konsumenten gentechnisch veränderte Lebensmittel. Er bedauerte, dass es nicht gelungen ist, in der EU rechtliche Fragen wie jene der Koexistenz und der Haftung zu lösen. Klar war für Keuschnigg, dass die Haftungsregelungen jedenfalls nicht auf dem Rücken der Bauern ausgetragen werden dürfen. Ein Anliegen des VP-Sprechers war darüber hinaus auch die Schaffung von Rahmenbedingungen für Modellregionen, in denen auf den Einsatz von Gentechnik verzichtet wird.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) betrachtete den heutigen Antrag als ersten Schritt, vermisste aber weitergehende Maßnahmen und forderte Pröll auf, die gesamte nationale Palette auszuschöpfen. Sie verlangte insbesondere die Koppelung der ÖPUL-Förderungen an Gentechnikfreiheit sowie ein Importverbot von Genmais. Der Regierung warf Glawischnig vor, sich auf Lippenbekenntnisse zurückzuziehen und die Gentechnik bereits still akzeptiert zu haben.

Abgeordneter SIEBER (V) bezeichnete den Weg der EU in der Gentechnikfrage als falsch und sah die Bundesregierung aufgerufen, jene Voraussetzungen zu schaffen, die auch in Zukunft gentechnikfreie Landwirtschaft ermöglichen. Die Botschaft müsse lauten: Wer Produkte österreichischer Bauern kauft, kauft gentechnikfrei.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) betonte, die österreichischen Bauern können und wollen auf Gentechnik verzichten. Der Antrag helfe dem Minister, in einem schwierigen europäischen Umfeld eine klare Linie zu vertreten.

Abgeordneter ESSL (V) unterstrich, die Regelung der Haftungsfrage dürfe nicht auf Kosten der Bauern gehen. Er verwies auf das Problem des grenzüberschreitenden Pollenfluges und sprach sich mit Nachdruck gegen eine Beweislast für die Bauern und gegen die Koppelung der ÖPUL-Förderungen an Gentechnikfreiheit aus.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) kündigte an, die freiheitliche Regierungsbeteiligung werde dazu betragen, dass es zu einer klaren Haftungsregelung kommt. Als scheinheilig kritisierte der Redner die Position der Grünen, deren deutschen Kollegen er vorwarf, eine qualifizierte Mehrheit gegen Gentechnik verhindert zu haben.

Die Entschließung wurde in der Fassung des Vier-Parteien-Abänderungsantrages einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen erhielt keine Mehrheit. (Forts.)