Parlamentskorrespondenz Nr. 526 vom 30.06.2004

EINMAL RUND UM DIE WELT

Aktuelle Aussprache im Außenpolitischen Ausschuss

Wien (PK) - Mit einer ausführlichen aktuellen Aussprache begann der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats seine heutige Sitzung. Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner skizzierte dabei die vier Schwerpunkte ihres Ressorts in der nächsten Zukunft.

Die Prioritäten der österreichischen Außenpolitik, so Ferrero-Waldner, lägen gegenwärtig am Balkan. Sie sei in Wien bereits mit dem Außenminister von SCG, Vuk Draskovic, zusammengetroffen und habe Makedonien besucht, im Herbst wolle sie nach Albanien und nach Serbien-Montenegro reisen. Es sei von besonderer Wichtigkeit, so die Außenministerin, nach der EU-Erweiterung und der Vorbereitung des nächsten Erweiterungsschrittes, der für 2007 geplant sei, nun diese Region zu konsolidieren. Dabei komme auch dem Kosovo eine besondere Bedeutung zu. Generell handle es sich hier um die wichtigste Initiative der regionalen Partnerschaft.

Hinsichtlich des Irak meinte das Regierungsmitglied, es sei erforderlich, dass man an der Befriedung und am Wiederaufbau dieses Landes mitwirke, zumal es jetzt eine entsprechende Sicherheitsrats-Resolution gebe und die Verwaltung auch offiziell in den Händen der Interimsregierung liege. Daneben komme auch dem Nahen Osten weiterhin eine wichtige Rolle zu, an der Road Map müsse weitergearbeitet werden.

Einen weiteren Schwerpunkt sah die Ministerin im Abrüstungsbereich, wo vor allem das Engagement gegen Antipersonenminen fortgesetzt werden solle. Menschenrechte, menschliche Sicherheit und der Kampf gegen den Menschenhandel bildeten weitere zentrale Themen, so Ferrero-Waldner.

Hinsichtlich des EU-Verfassungsvertrages merkte die Ministerin an, es sei erfreulich, dass die Grundrechtscharta jetzt verbindlich geworden sei. In institutionellen Fragen habe man tragfähige Kompromisse erzielt, auch sozialpolitische Aspekte fänden entsprechende Berücksichtigung. Österreich habe sich hier prominent eingebracht und wichtige Erfolge erzielt, was auch für die Gebiete Tier- und Umweltschutz, Struktur- und Ressourcenpolitik gelte.

Schließlich kam die Ressortleiterin noch auf das Thema Frauenförderung im Außenamt zu sprechen, wo sie darauf verwies, dass der Frauenanteil seit ihrem Eintritt in das Ressort fast verdoppelt wurde, dass auch der Anteil bei den Leitungsfunktionen substantiell gestiegen sei. In diesen Belangen sei ihr Ressort "weit über der Quote".

In einer Fragerunde wollte Abgeordneter Michael Spindelegger (V) wissen, wie die konkreten Details bei der Beistandsgarantie aussähen. Prinzipiell, so Spindelegger, habe man bei der europäischen Verfassung einen wichtigen Durchbruch erzielt, und das sei der wichtigste Punkt für die österreichische Außenpolitik zu diesem Zeitpunkt gewesen. Zudem thematisierte der Abgeordnete die regionale Partnerschaft. Abgeordneter Josef Cap (S) fragte nach dem Selbstverständnis der österreichischen Außenpolitik. Welche Rolle spiele Österreich international wirklich? Cap vermisste entsprechende Aktivitäten und hinterfragte Entwicklung und Zukunft der regionalen Partnerschaft.

Abgeordneter Reinhard E. Bösch (F) fokussierte in seiner Wortmeldung auf den Verfassungsentwurf und wollte wissen, wie es mit einer plebiszitären Absegnung dieses Entwurfes stehe. Dieser Aspekt wurde auch von Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) angesprochen, die zudem ein Demokratiedefizit innerhalb der EU ortete, das nach wie vor gegeben sei. Hinsichtlich der Frauenförderung im Außenamt meinte Lunacek, hier sei die Kurve nach 1995 merklich abgeflacht, die großen Anstiege beim Frauenanteil seien zuvor erzielt worden. Schließlich wollte Lunacek wissen, welche Schwerpunkte Österreich während seines Ratsvorsitzes 2006 zu setzen gedenke.

Abgeordneter Walter Murauer (V) meinte, der Schwerpunkt Südosteuropa sei sehr zu begrüßen, die österreichische Außenpolitik sei dort zu finden, wo sie gebraucht werde. Er dankte der Ministerin für ihr Engagement. Abgeordneter Caspar Einem (S) fragte nach Österreichs Position in der Kosovo-Frage und nach den Bestellungskriterien für den österreichischen EU-Kommissar. Abgeordneter Herbert Scheibner (F) brachte seine Sichtweisen über die weitere Vorgangsweise im Kosovo, im Irak und im Nahen Osten ein, wobei er vor zu großem Optimismus im Kosovo warnte und meinte, Österreich habe eine Brückenfunktion zwischen der EU und den Ländern im Nahen Osten, die es nützen sollte.

Ministerin Ferrero-Waldner erklärte, die regionale Partnerschaft sei von Anfang an auf lange Perspektive angelegt gewesen, man befinde sich jetzt in der zweiten Phase, in der man innerhalb der EU zusammenarbeite. Der südosteuropäische Raum sei daher der logische nächste Schwerpunkt, weil Österreich dort gut angesehen sei. Hinsichtlich des Kosovo sei es zu früh, sich hier schon festzulegen, eine Lösung könnte eine Dezentralisierung auf Gemeindeebene sein, wie dies in Makedonien gemäß dem Ohrid-Abkommen bereits praktiziert werde. Daneben müsse man aber auch weiterhin andere Optionen prüfen.

Österreich bringe sich in allen Ratsgremien umfassend ein, meinte Ferrero-Waldner, die sich mit der Regelung zur Beistandsgarantie zufrieden zeigte, die man auch mit Irland, Schweden und Finnland im Vorfeld akkordiert habe. Die Ministerin nannte konkrete Details des Verfassungsentwurfs und wies u.a. darauf hin, dass das Europäische Parlament auf 750 Mitglieder vergrößert werden solle, wodurch auch die kleinsten Staaten mindestens sechs Abgeordnete stellen würden und so in allen Ausschüssen vertreten wären. Persönlich meine sie, eine Annahme des Verfassungsvertrages mit der verfassungsmäßigen Mehrheit im Nationalrat sei ausreichend, eine europaweite Volksbefragung wäre eine Alternative, die aber schwierig zu bewerkstelligen sei, zumal manche Länder dieses Instrumentarium gar nicht kennen würden.

Hinsichtlich des österreichischen Kommissars meinte Ferrero-Waldner, es sei nun am Kommissionspräsidenten, die einzelnen Portfolios zusammenzustellen, dann müsse man sich fragen, wer eigne sich wofür. Zu den Schwerpunkten des österreichischen Ratsvorsitzes zählte die Ministerin den EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel, das Treffen der EU mit den USA und Kanada, einen EU-Russland-Gipfel, die Zukunft des Balkans und die Nachbarschaftspolitik der EU mit der Ukraine und dem Kaukasus sowie die weitere Vertiefung der Beziehungen mit den asiatischen Partnern.

EINE SERIE INTERNATIONALER ABKOMMEN

Einstimmig angenommen wurde ein bilaterales Abkommen mit Jordanien zur gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen. Dieses Übereinkommen schafft den entsprechenden völkerrechtlichen Rahmen für derartige Fälle. Es umfasst auch vorbeugende Maßnahmen, definiert u.a. die entsprechenden Kontaktstellen und erleichtert den Grenzübertritt für Hilfskräfte im Katastrophenfall. (468 d.B.)

Ohne Diskussion angenommen wurden die beiden folgenden Punkte der Tagesordnung. Das betrifft zum einen die Beendigung des aufgrund aktuellerer rechtlicher Bestimmungen innerhalb der EU, des EWR und bilateraler Übereinkommen gegenstandslos gewordene Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen mit der Schweiz (513 d.B.) sowie zum andern

ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorganisation über den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unterliegenden Informationen. Die Unterzeichnung dieses Abkommens durch Österreich bedeutet, dass Österreichische WissenschaftlerInnen und Unternehmen gleichberechtigten Zugang zu wichtigen Ausschreibungen und Aufträgen der ESA, insbesondere für Galileo, das weltweite unabhängige europäische Radionavigationsnetz, erhalten. (411 d.B.)

Nach kurzer Debatte, in der nach einer Intervention von Ausschuss-Obmann Schieder klargestellt wurde, dass es sich in der Materie ausschließlich um Maßnahmen innerhalb der EU handle, wurde dem

Übereinkommen, mit dem Österreich EU-Recht - das EU-Truppenstatut - übernimmt und die Rechtsstellung der zum Militärstab der EU für die Erfüllung der so genannten Petersberger Aufgaben abgestellten Personen geregelt wird, (457 d.B.) sowie dem Übereinkommen zwischen den EU-Mitgliedsländern betreffend einen gegenseitigen Anspruchsverzicht der EU-Mitgliedsländer im Falle von Schäden bei EU-Krisenbewältigungsoperationen außerhalb der Mitgliedsstaaten (519 d.B.) einstimmig die Zustimmung erteilt.

Im Januar 2004 wurde von den Mitgliedsstaaten der EU ein Mechanismus zur Verwaltung der Finanzierung der gemeinsamen Kosten der Operationen der EU mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen namens "Athena" eingerichtet. Ein eigener Rechtsakt regelt nun die erforderlichen Privilegien und Immunitäten im Zusammenhang mit "Athena". Der entsprechenden Vorschlag erteilte der Ausschuss ohne Debatte einhellig die Zustimmung. (515 d.B.)

Ein weiteres Abkommen regelt die Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits. Für die EU ist Chile ein wichtiger Exportmarkt, und da das Land weder Vollmitglied des MERCOSUR noch der Andengemeinschaft ist, bedarf es - wie im Falle Mexikos - zur Erweiterung, Erleichterung und Vertiefung der Beziehungen eines eigenen bilateralen Abkommens. (549 d.B.) In der Debatte über die Vorlage sprach SP-Abgeordnete Christine Muttonen die Frage der Minderheitenrechte, insbesondere der indigenen Bevölkerung, sowie das Thema der zur Zeit der Diktatur verschwundenen Personen an. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) äußerte Bedenken hinsichtlich des in das Abkommen integrierten Investitionsschutzabkommens und stellte einen Zusammenhang mit den nach den Jahren der Militärdiktatur noch nicht wieder hergestellten gewerkschaftlichen Strukturen in Chile her. Außerdem kritisierte sie das "demokratiepolitische Defizit" beim Zustandekommen des Abkommens sowie umweltpolitische Mängel.

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hingegen sieht in dem Abkommen einen Beitrag gerade zur Förderung der Demokratie in Chile sowie - im Sinne eines "Modellabkommens" - in ganz Lateinamerika. In Richtung Abgeordneter Muttonen erklärte sie, Minderheitenrechte wie die Frage der indigenen Bevölkerung seien nicht in dem Abkommen thematisiert, aber im Zusammenhang mit Menschenrechten inkludiert. Das Abkommen fand bei der Abstimmung eine Mehrheit.

Ein Antrag der Grünen, dass hinsichtlich der Schulden des Irak die Legitimität bzw. Illegitimität von Forderungen geprüft und illegitime Forderungen zur Gänze erlassen werden sollen, wurde auf mit Hinweis darauf, dass ein gleich lautender Antrag dem Finanzausschuss vorliege, mit Mehrheit vertagt. (328/A[E])

Nach kurzer Debatte, in der die Abgeordneten Petra Bayr (S), Karin Hakl (V) und Ulrike Lunacek (G) ihrer Freude über die Vierparteien-Einigung auf einen gemeinsamen Antrag Ausdruck gaben, der für rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan eintritt, wurde dieser Antrag einstimmig angenommen. (428/A[E])

Ausschussobmann Peter Schieder verabschiedete in dieser Sitzung zwei Mitglieder des Gremiums: Evelin Lichtenberger, die in das Europäische Parlament, und Eduard Mainoni, der auf die Regierungsbank wechselt. (Schluss)