Parlamentskorrespondenz Nr. 663 vom 05.10.2004

RAUCH-KALLAT INFORMIERT AUSSCHUSS ÜBER AKTUELLE GESUNDHEITSVORHABEN

Ministerin bezeichnet Gesundheitsagenturen als faires Angebot

Wien (PK) - Bei der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses wurde die Debatte über den Gesundheitsbericht 2003 zum Anlass genommen, um auch über künftige Reformprojekte zu sprechen. Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ging insbesondere auf die vielen Fragen hinsichtlich der geplanten Gesundheitsagenturen ein und wies einleitend darauf hin, dass darüber noch eingehend mit allen Beteiligten diskutiert werde. Sie sei aber überzeugt, dass ein faires Angebot unterbreitet wurde, das einerseits die föderalen Strukturen berücksichtige und andererseits eine Steuerungsmöglichkeit des Bundes vorsehe. Weiters standen noch drei Regierungsvorlagen, u.a. eine Änderung des Gentechnik- und des Lebensmittelgesetzes, sowie zahlreiche Anträge der Opposition auf der Tagesordnung.

Zu Beginn der Sitzung brachte Abgeordneter Manfred Lackner (S) den Antrag ein, den Gesundheitsbericht 2003 nicht im Ausschuss endzuerledigen. Angesichts der anstehenden Reformvorhaben wäre es notwendig, im Plenum ausführlich über gesundheitspolitische Themen zu diskutieren. - Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Der ausführliche und informative Bericht, der den Zeitraum 1999 bis 2001 umfasst, stelle eine Standortbestimmung des österreichischen Gesundheitswesens dar, meinte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat. Darauf aufbauend wurden die Konzepte für eine zukünftige Gesundheitsreform entwickelt, die darauf abzielt, das gute österreichische System noch weiter zu verbessern. Für besonders wichtig erachtete sie, dass die strukturellen Schwächen behoben werden und dass es in Hinkunft eine bessere Koordination und Kooperation im gesamten Gesundheitswesen gibt. Sie habe auch den Obersten Sanitätsrat gebeten, Ziele zu erarbeiten, informierte die Ressortleiterin, wobei ein Expertenpapier bereits vorgelegt wurde.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) dankte zunächst für den umfangreichen und aufschlussreichen Bericht. Allerdings sei eine große Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand und den angestrebten Zielen feststellbar, gab er zu bedenken. Als Beispiel führte er die psychosoziale Versorgung an, wo es großen Handlungsbedarf gebe. So wurde etwa die "Psychotherapie auf Krankenschein" noch immer nicht in die Realität umgesetzt. Eine Unterversorgung ortete der G-Redner auch im Bereich der Rehabilitation. Der Bericht belege auch, dass die Eigenleistungen stark angestiegen sind; einem weiteren Ausbau von Selbstbehalten erteilte er daher eine klare Absage.

Auch G-Abgeordneter Karl Öllinger kritisierte, dass es sich bei vielen Zielen um bloße Absichtserklärungen handle. Er könne beispielsweise nicht erkennen, wie nun konkret die Finanzierung des Gesundheitssektors langfristig gesichert werden soll. Unzufrieden zeigte er sich auch mit der Chefarztpflichtverordnung, die seiner Meinung nach immens unbürokratisch sei. Er schlug vor, dass man damit bis zur Einführung der Chipkarte in einem Jahr noch zuwarten soll. Auch dem Vorschlag hinsichtlich der Einführung von Gesundheitsagenturen konnte er wenig abgewinnen. Für ihn sei es sinnvoller, die Ebene der neun Länderkrankenkassen zu erhalten und den Hauptverband als Steuer- und Kontrolleinheit zu etablieren.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) kam zu dem Schluss, dass seit Februar 2000 in der Gesundheitspolitik sehr wenig passiert sei. Zudem seien die öffentlichen Leistungen kontinuierlich gesunken, währenddessen der private Anteil angestiegen ist. Diesem Urteil schloss sich auch seine Fraktionskollegin Beate Schasching an. Außerdem setzte sie sich für den Ausbau der Bewegungsvorsorge sowie für ein breites Sportangebot an den Schulen ein.

Österreich habe noch immer das fünftbeste Gesundheitssystem der Welt, war Abgeordneter Erwin Rasinger (V) überzeugt. Der Konsens, dass alle Menschen unabhängig vom Alter und vom Einkommen den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung haben sollen, wurde nie in Frage gestellt. Wichtig sei auch, dass nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch jene Zeitspanne angestiegen sei, in der ein beschwerdefreies Leben möglich ist.

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (F) sprach von einem guten und umfassenden Nachschlagewerk. Ihm lag insbesondere die Prävention sowie die Diabetes-Aufklärung am Herzen, da immer mehr Jugendliche von der Zuckerkrankheit betroffen sind.

Abgeordnete Barbara Riener (V) befasste sich vor allem mit der psychosozialen Versorgung in Österreich. Sie war der Meinung, dass das Schnittstellenmanagement noch verbessert und das Bettenangebot für psychosomatische Krankheiten ausgebaut werden müsse.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) stellte eine Reihe von Detailfragen in bezug auf die geplanten Gesundheitsagenturen (Stimmverhältnis, Rechtskonstruktion, finanzielle Zuständigkeit etc.).

Die Finanzierung des Gesundheitswesens stelle natürlich eine Kernfrage dar, meinte Bundesministerin Maria Rauch-Kallat. Mit der durchgeführten Beitragsharmonisierung - manche Beiträge wurden auch abgesenkt - konnte man 400 Mill. € lukrieren, was aber noch zu wenig sei. Von den neun Gebietskrankenkassen seien vor allem drei gefährdet, nämlich die Wiener, die Kärntner und die burgenländische GKK. Nach der Durchführung der behördlichen Einschau wurden Konsolidierungskonzepte erarbeitet, die im Rahmen der Gesundheitsreform umgesetzt werden sollen.

Eine bessere Koordination sei auch hinsichtlich der medizinischen Daten erforderlich, war die Gesundheitsministerin überzeugt. Ein wichtiges Ziel stelle daher die Einführung eines elektronischen Gesundheitsaktes dar, auf dem alle wichtigen Daten der Patienten gespeichert werden sollen und der natürlich strengen Zugriffsbeschränkungen unterliegt. Dieses Projekt sollte 2007/2008 umgesetzt werden, kündigte sie an.

Sie informierte weiters über die Vorsorgeuntersuchung Neu, wobei insbesondere untere Einkommens- und Bildungsschichten angesprochen werden sollen. Für sehr wichtig erachtete Rauch-Kallat die Gesundheitserziehung schon im Kindergarten und in den Schulen sowie den Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Ein großes Augenmerk werde auf den Bereich der psychosozialen Gesundheitsversorgung gelegt, zu dem es heuer auch einen Schwerpunkt im Rahmen des Fonds „Gesundes Österreich“ geben soll. Die Tatsache, dass Psychotherapie auf Krankenschein noch immer nicht umgesetzt wurde, sei für sie höchst unbefriedigend. Sie habe daher einen erfahrenen Psychotherapeuten gebeten, ein Mediationsverfahren durchzuführen, das letztlich zu einer Einigung innerhalb der Berufsgruppe der Psychotherapeuten geführt habe. Es liege nun der Beschluss vor, dass eine gesetzliche Interessenvertretung eingerichtet werden soll, teilte Rauch-Kallat erfreut mit. Damit sei auch der Weg frei für einen Gesamtvertrag mit den Krankenkassen.

Was die Chefarztpflichtverordnung angeht, so habe man versucht, eine Lösung für einen Zustand zu finden, der von den Patienten als Schikane empfunden wird. Die angesprochene "Faxlösung" wurde bisher schon von der Bauern- und der Gewerbekrankenkasse praktiziert und habe sich dort bewährt, erklärte die Ministerin. Es sei noch offen, welche Regelung schließlich gefunden wird, aber es gehe ihr in erster Linie darum, den Ärzten mehr Verantwortung zu übertragen.

Der Abgeordneten Schasching teilte sie noch mit, dass der Frauengesundheitsbericht, der auch einen konkreten Maßnahmenkatalog enthalten wird, bis Jänner 2005 vorgelegt werden soll. Es sei erfreulich, dass die "Gender-Medizin" nun auch in Österreich ein wichtiges Thema geworden sei. So habe man z.B. festgestellt, dass Frauen drei- bis viermal häufiger als Männer an den Folgen eines Herzinfarktes sterben, da sie andere Symptome haben, die von den Frauen selbst und auch von den Ärzten oft nicht richtig erkannt werden.

Die Vorlage eine Reform des Hauptverbandes betreffend sei derzeit in Begutachtung und werde sodann im Ministerrat behandelt, ehe sie dem Parlament zugeleitet werde, wo die entsprechenden Diskussionen darüber stattfinden könnten, meinte Rauch-Kallat weiter. Sie ging zudem auf die gesetzten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ein, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten bereits gesetzt worden seien. Viel sei auch in Sachen Vorsorgeuntersuchung geschehen, wo es eine relevante Reform geben werde, in deren Zuge diese Untersuchung auf geschlechts- und altersspezifische Bedürfnisse vermehrt eingehen werden könne. Im übrigen werde auch der Prävention noch mehr Augenmerk, auch in finanzieller Hinsicht, gewidmet werden, kündigte die Ministerin an.

In einer weiteren Fragerunde standen vor allem finanzielle Aspekte im Vordergrund der Wortmeldungen. Abgeordnete Christine Lapp (S) befasste sich mit der angedachten Lösung einer Ausgliederung der Spitäler und beleuchtete dieses Thema auch aus finanzieller Sicht. Weiters wollte sie von der Bundesministerin wissen, ob im Zusammenhang mit der Reform der Krankenkassen ihrerseits an Selbstbehalte, höhere Beiträge oder ähnliches gedacht sei. Schließlich relevierte sie die Preisentwicklung bei Medikamenten. Abgeordnete Erika Scharer (S) thematisierte die von der Bundesministerin angesprochenen Gesundheitsziele und wollte Informationen über einen diesbezüglichen Zeitplan. Abgeordneter Karl Öllinger (G) zeigte sich besorgt darüber, dass die Versorgungsqualität im medizinischen Bereich sinken könne. Die Spitzenmedizin sei zwar in Österreich weiterhin hervorragend, die Frage sei aber, ob alle Menschen in Österreich den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung hätten. Sein Fraktionskollege Kurt Grünewald forderte in diesem Zusammenhang einheitliche Qualitätsstandards ein. Während Abgeordneter Erwin Kaipel (S) noch einmal den Hauptverband ansprach, unterstrich Abgeordneter Erwin Spindelberger (gleichfalls S) die Frage nach den finanziellen Aspekten einer Gesundheitsreform.

Gesundheitsministerin Rauch-Kallat sprach sich für eine strenge Trennung zwischen Gesundheitsdienstleistung und Finanziers aus, wozu eine Ausgliederung der Krankenanstalten ein Weg sein könnte. Diese Zielsetzung sei gleichwohl politisch nicht durchführbar, weil kein Land bereit wäre, sich von seinen Eigentümerrechten zu trennen. Dennoch wäre eine Ausgliederung im Sinne vermehrter Kostentransparenz wünschenswert, meinte die Ressortleiterin. Dies betreffe auch die Sozialversicherungsträger. Ziel sei es jedenfalls, bis Herbst zu einer Lösung zu kommen. Derzeit würden diese Fragen im Rahmen des Finanzausgleichs behandelt, es gebe aber auch eine inhaltliche Debatte mit den zuständigen Landesreferenten, so Rauch-Kallat. Hinsichtlich der Gesundheitsziele sagte das Regierungsmitglied, es handle sich hier um ein Expertenpapier, das eine Diskussionsgrundlage darstelle.

In weiteren Wortmeldungen sprachen die S-Abgeordneten Johann Maier u.a. die Mercks-Rückrufaktion von Vioxx an und Kai Jan Krainer die e-card, die eine Verwaltungsvereinfachung bringen sollte, an. Ministerin Maria Rauch-Kallat meinte, die e-card werde hoffentlich 2005 flächendeckend funktionsfähig sein; für Jänner sei ein Probebetrieb in Aussicht genommen. Dass die Sozialversicherungen auf Einnahmen – immerhin bringe die Krankenscheingebühr 47 Mill. - nicht verzichten wollen, räumte die Ressortchefin ein und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass laut ASVG der Hauptverband für die Krankenversicherungsträger jährlich eine Verordnung zu erlassen habe, in der festgelegt werde, ob und in welcher Höhe Gebühren eingehoben werden. Einmal mehr betonte sie, dass sie sich mit einem Serviceentgelt von 10 Euro anfreunden könne.

Der Gesundheitsbericht wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ zur Kenntnis genommen und somit einer Enderledigung zugeführt. (Forts.)