Parlamentskorrespondenz Nr. 669 vom 06.10.2004

JUSTIZAUSSCHUSS: WEITERE REFORMEN IM JUSTIZBEREICH PLENUMSREIF

Verbesserungen im Entschädigungsrecht passieren Ausschuss

Wien (PK) - Der Justizausschuss des Nationalrats hat heute unter dem Vorsitz seiner Obfrau Maria Theresia Fekter in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause eine Reihe von Vorlagen im Sinn der Weiterführung von Reformmaßnahmen im Justizbereich plenumsreif gemacht. Die Sitzung war die erste, in der die neue Justizministerin Karin Miklautsch ihr Ressort im Ausschuss vertrat.

Erster Punkt der Tagesordnung war eine Vereinbarung nach Art. 15a B-VG, das die teilweise Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen öffentlicher Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten durch die Länder an den Bund regelt. Die Vorlage wurde einstimmig angenommen. Die Regelung gilt rückwirkend für die Jahre 2003 und 2004; für die folgenden Jahre erfolgt die Regelung über den Finanzausgleich. Damit wird der Tarif an den der Sozialversicherungsträger angeglichen. Die Höhe der jährlichen Ausgleichszahlung beträgt rund 8,5 Mill. €. (622 d.B.)

In der Debatte regte Abgeordnete Terezija Stoisits (G) eine grundsätzliche Debatte an, zumal die letzte große Strafgesetznovelle vor einem Jahrzehnt beschlossen worden sei. Grundsätzliche Überlegungen seien auch im Zusammenhang mit dem wachsenden Druck infolge zunehmender Aufgaben und knapper Personaldecke - ein Punkt, den auch S-Abgeordneter Otto Pendl ansprach - sowie mit im Vollzug auftretenden Missständen angezeigt. Während Abgeordnete Gisela Wurm (S) Kostenfragen thematisierte, wies Abgeordnete Helene Partik-Pable auf die spezielle Zunahme der Kosten in der Betreuung geistig abnormer Rechtsbrecher hin. VP-Abgeordnete Gertrude Brinek lobte die Vorlage, weil damit eine "ehrliche Rechnung" erfolge, es handle sich nicht um eine "Bereicherungsaktion des Bundes".

Justizministerin Karin Miklautsch betonte, man sei sich in ihrem Ressort der Probleme bewusst und man sei auf innere wie äußere Sicherheit in den Strafanstalten bedacht. Missstände im Strafvollzug stellte sie in Richtung der Abgeordneten Stoisits in Abrede. Bezüglich einer großen Strafgesetznovelle bestünden derzeit in ihrem Ressort keine Pläne, eine offene Diskussion in Fachkreisen würde geführt, um die entsprechende Notwendigkeit zu klären. Verhandlungen mit den Ländern in Kostenfragen seien schwierig, erklärte die Ministerin weiter; eine klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Bund und Ländern wäre wünschenswert. Sie hoffe in dieser Frage auf eine Klärung durch den Österreich-Konvent.

Einstimmig gebilligt wurde ein Zusatzvertrag mit Polen zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, durch den die Rechtshilfe auf strafbare Handlungen, die in einem der beiden Vertragsstaaten in die Zuständigkeit des Gerichts und im anderen Vertragsstaat in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde fallen, ausgedehnt wird. (518 d.B.)

Eine ausführliche Debatte ergab sich zum Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005, mit dem die einschlägigen Bestimmungen aus dem Jahr 1969 geändert werden, die teilweise der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen. Zudem wird auch Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens statuiert, also quasi ein Schmerzengeld für den Verlust der persönlichen Freiheit geschaffen. Die geschädigte Person soll in Hinkunft unmittelbar die Zivilgerichte anrufen können, ohne dass zuvor eine positive Entscheidung der Strafgerichte erfolgen muss. (618 d.B.) Unter einem diskutiert wurde ein SP-Antrag, der u.a.

Verfahrenshilfe und eine verpflichtende Beratung über mögliche Ersatzansprüche vorsieht. (65/A[E])

Die Sprecher der Oppositionsfraktionen betonten die Wichtigkeit des Themas und signalisierten grundsätzliche Zustimmung, zumal mit der Regelung Menschenrechts-Konformität hergestellt werde. Nach Auffassung von Abgeordnetem Johann Maier (S) blieben allerdings grundsätzliche Probleme bestehen. Eine enorme Steigerung bei der Untersuchungshaft führte zu vermehrten Verfahrenseinstellungen, monierte Maier und fasste pointiert zusammen: "Es wird zu schnell eingesperrt."

Sprecher aller Fraktionen (z.B. die Abgeordneten Johann Maier, S, Gabriela Moser, G, Dieter Böhmdorfer, F, und Heribert Donnerbauer, V) sehen in dem Gesetz einen deutlichen Fortschritt, wobei von Seiten der Opposition an einzelnen Punkten Kritik geübt wurde. So sehen die G-Abgeordneten Gabriela Moser (G) und Terezija Stoistis die Einschränkung von Ersatzansprüchen im Zusammenhang mit bedingten Verurteilungen als problematisch an. Die S-Abgeordneten Johannes Jarolim und Gisela Wurm kritisierten die steigende Zahl von Haftfällen, ihre Fraktionskollegen Peter Wittmann und Christian Puswald erläuterten ihrer Ansicht problematische Bestimmungen anhand von Fällen aus ihrer anwaltlichen Praxis. Die gesetzlich geregelte Aufklärung von Angeklagten über ihre Rechte - auf die etwa Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) hinwies - erweise sich nach Meinung sozialdemokratischer Mandatare (Wittmann, Jarolim, Puswald) als ungenügend. Mit einem von den Regierungsfraktionen eingebrachten Abänderungsantrag soll dafür vorgesorgt werden, dass Gerichte nicht mit vorsorglich eingebrachten Rechtsmitteln überschwemmt werden.

Vorsitzende Maria Theresia Fekter stellte in Aussicht, dass bis zur Debatte der Vorlage im Plenum des Nationalrats allenfalls notwendige oder wünschenswerte Klarstellungen erfolgen. Dies vorausgesetzt, stellten Sprecher der Oppositionsfraktionen in Aussicht, der Vorlage in 3. Lesung zuzustimmen.

Die Regierungsvorlage - über die von den Sozialdemokraten eine getrennte Abstimmung verlangt worden war - wurde teils einstimmig, teils mit Mehrheit angenommen. Der S-Antrag blieb in der Minderheit der Oppositionsfraktionen. (Fortsetzung)