Parlamentskorrespondenz Nr. 673 vom 06.10.2004

EUROFIGHTER: DISKUSSION IM RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS ÜBER GEGENGESCHÄFTE

Parlament/Rechnungshofausschuss

Wien (PK) - Das Thema Gegengeschäfte bildete - nach der Frage der Typenentscheidung - heute den zweiten Schwerpunkt bei der Debatte im Rechnungshofausschuss des Nationalrats über den Kauf der Eurofighter. Der für die Abwicklung der Gegengeschäfte zuständige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein nahm dabei auch zu von der Opposition aufgegriffenen aktuellen Medienberichten Stellung und wies sämtliche Vorwürfe in diesem Zusammenhang zurück. Sowohl das von EADS eingereichte Gegengeschäftsprojekt betreffend die Fachhochschule Joanneum als auch jenes betreffend die TU Graz seien vom Wirtschaftsressort nicht bewilligt, sondern im Gegenteil bei EADS beeinsprucht worden, unterstrich er.

Als Grund dafür führte Bartenstein an, dass für beide Projekte keine Empfehlung der "Plattform Gegengeschäfte" vorliege, zudem liegen ihm zufolge die von EADS tatsächlich aufgewendeten Beträge im Falle der Fachhochschule Joanneum deutlich unter dem angegebenen Wert von 7,85 Mill. €. Er wies allerdings darauf hin, dass die von EADS dazu eingereichte Gegengeschäftsbestätigung von der Fachhochschule Joanneum gestempelt und unterschrieben sei. Das Projekt der TU Graz sei hingegen nicht firmenmäßig gezeichnet.

Der Wirtschaftsminister hielt darüber hinaus fest, dass in allen fünf öffentlich diskutierten Fällen, wo Firmen behauptet hätten, sie hätten trotz Eintragung in die Gegengeschäftsliste von Gegengeschäften nichts gewusst, die von EADS vorgelegten Gegengeschäftsbestätigungen firmenmäßig gezeichnet gewesen seien. Die Betroffenen hätten sich mittlerweile entschuldigt und als Grund für ihre Fehlaussagen Urlaub, Vertretung, Krankheit oder Fehleinschätzung genannt.

Generell versicherte Bartenstein, das Wirtschaftsressort bemühe sich bei den Gegengeschäften um maximale Transparenz. Er sah sich allerdings nicht in der Lage, dem Rechnungshofausschuss den Rahmenvertrag zwischen der Republik Österreich und EADS über die Gegengeschäfte offen zu legen und begründete dies mit vereinbarter Vertraulichkeit. Der Vertrag sei sehr günstig für Österreich, betonte der Minister, EADS wolle im Hinblick auf andere Märkte keine Offenlegung.

Zuvor hatte Abgeordneter Günter Kräuter (S) die Vorgangsweise des Wirtschaftsressorts bei der Abwicklung der Gegengeschäfte in Frage gestellt und von einem Missbrauch sowohl von Klein- und Mittelbetrieben als auch von Bildungseinrichtungen gesprochen. Auf der einen Seite bekämen die Universitäten keine Mittel und würden ausgehungert, klagte er, andererseits müssten sie für Gegengeschäfte herhalten, die nicht stattgefunden haben.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) zeigte sich dem gegenüber über das bisherige Ausmaß der Gegengeschäfte erfreut. Viele klein- und mittelständische Unternehmen, die sonst nicht die Chance hätten, international zu punkten, erhielten durch die Gegengeschäfte die Möglichkeit auf dem internationalen Technologiemarkt Fuß zu fassen, skizzierte er. Ihm zufolge gibt es viele positive Beispiele von Gegengeschäften, wobei er auf zwei konkrete Projekte näher einging. Beim Kauf des Saab-Gripen hätte Österreich sicher nicht dieses Ausmaß an Gegengeschäften lukrieren können, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter Detlev Neudeck (F) erkundigte sich nach den Sanktionen, sollte EADS seine Gegengeschäftsverpflichtung nicht einhalten. Sowohl er als auch Abgeordneter Peter Pilz (G)  wollten außerdem wissen, wie es passieren konnte, dass Firmen ohne ihr Wissen in die Gegengeschäftsliste aufgenommen wurden.

Abgeordnete Ruth Becher (S) verwies auf eine Aussage von Wirtschaftsexperten, wonach Gegengeschäftsverpflichtungen zumindest teilweise durch höhere Kosten für das Grundprodukt ausgeglichen würden. Sie sieht darin eine Wirtschaftsförderung auf Kosten der Steuerzahler.

Abgeordneter Walter Murauer (V) machte geltend, dass der Eurofighter nicht auf Grund der Gegengeschäfte gekauft worden sei, diese seien aber eine "lukrative und besonders wertvolle Begleiterscheinung". Konkret verwies er auf einen Fall in Oberösterreich, wo Aufträge aus Gegengeschäften bereits zu einer Firmenerweiterung und zu Personalaufstockung geführt hätten.

Ausschussvorsitzender Werner Kogler (G) machte auf einen vom Rechnungshof aufgezeigten "systemimmanenten Bewertungsfehler" bei der Beurteilung der Gegengeschäftsangebote aufmerksam. Demnach führe ein höherer Beschaffungspreis automatisch zu einem höheren Volumen bei den Gegengeschäften.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies in Beantwortung der Detailfragen der Abgeordneten darauf hin, dass die Gegengeschäfte bei der Typenentscheidung letztendlich keine Rolle gespielt hätten. Die Regierung hätte sie nur dann für die Kaufentscheidung herangezogen, wenn die Abfangjäger-Angebote gleichwertig oder annähernd gleichwertig gewesen wären. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.

Die Kritik des Rechnungshofs am Bewertungsschema für die Gegengeschäfte nannte Bartenstein als in Teilen für ihn nachvollziehbar, hielt aber gleichzeitig fest, sein Ressort teile die Meinung des Rechnungshofes nicht ganz. Generell habe man versucht, bei den Gegengeschäften herauszuholen, was gehe, sagte Bartenstein, wobei man bei der Höhe der Pönale nicht ganz das Ziel erreicht habe, dafür aber mit 240 % ein sehr hohes Volumen erzielen konnte. Prinzipiell sind nach Angaben des Wirtschaftsministers die Gegengeschäftsangebote von Saab und EADS durchaus vergleichbar gewesen.

Die Pönalbestimmungen gehen Bartenstein zufolge in die Richtung, dass, sollten die angepeilten Meilensteine um mehr als 25 % unterschritten werden, das jeweils fehlende Volumen im gleichen Ausmaß auf das Gesamtvolumen der Gegengeschäfte aufgeschlagen werde.

Das Argument, dass Gegengeschäftsverpflichtungen zu höheren Kaufpreisen führten, sei für ihn, so Bartenstein, nicht nachvollziehbar.

Die "Plattform Gegengeschäfte" bezeichnete der Wirtschaftsminister als wichtige Stütze seines Ressorts bei der Bewertung der Gegengeschäfte. In diesem Gremium sitzen ihm zufolge u. a. Vertreter der zuständigen Ministerien, der Arbeiterkammer, eines Universitätsinstituts, des Wifo und des Rates für Forschung und Technologie. Gebe die Plattform keine Empfehlung für eine von EADS eingereichte Gegengeschäftsbestätigung ab, würden die Fälle einer genauen Prüfung unterzogen und gegebenenfalls beeinsprucht.

In einer zweiten Verhandlungsrunde beantworteten Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Rechnungshofpräsident Josef Moser weitere Detailfragen der Abgeordneten.

Die von Abgeordnetem Erwin Kaipel (S) zitierte Ansicht des Ökonomen Streissler, Kompensationsgeschäfte hätten keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, konnte sich der Wirtschaftsminister nicht anschließen. Die von Abgeordnetem Kräuter angesprochenen Projekte der Fachhochschule Joanneum und der TU Graz seien von seinem Haus nicht anerkannt worden. Auf die Frage des Abgeordneten Kogler, wie die ursächliche Zuordnung von Geschäften zur Eurofighter‑Beschaffung vorgenommen werde, räumte der Minister ein, dass dies in Einzelfall schwierig sein könne. Sein Haus stehe aber klar auf der Seite des Steuerzahlers und lege strenge Beurteilungskriterien an. Faktum sei jedenfalls, dass das Eurofighter‑Geschäft mit der Firma EADS den Einstieg der österreichischen Wirtschaft in den Klub der europäischen Hochtechnologie bedeute.

Rechnungshofpräsident Josef Moser erklärte an einem praktischen Beispiel die Kritik des Rechnungshofs an der Bewertungsmethode für die Kompensationsangebote, weil diese Methode höherpreisige Angebote bevorzuge.

Nach Erledigung der Rednerliste und einer Sitzungsunterbrechung, in der die Fraktionsführer des Rechnungshofausschusses eine kurze Besprechung abhielten, unterbrach Ausschussobmann Werner Kogler die Beratungen des Rechnungshofausschusses auf unbestimmte Zeit.

Laut Homepage des Wirtschaftsministeriums sind bisher Kompensationsgeschäfte im Ausmaß von rund 1,6 Mrd. € als anrechnungsfähig bewertet worden. Insgesamt hat sich EADS zu Gegengeschäften im Ausmaß von 4 Mrd. € verpflichtet, die binnen 15 Jahren abgeschlossen werden müssen.

Der Rechnungshof skizziert in seinem Bericht (III-72 d.B.), dass ein Beirat im Wirtschaftsressort die Ausschreibung der Gegengeschäfte und einen Bewertungskatalog erstellt hatte und die Firmen Eurofighter, Saab sowie die US-Regierung für die Firma Lockheed Martin ihre Gegengeschäftsangebote fristgerecht bis zum 23. Jänner 2002 vorgelegt hatten. Eine Plattform, großteils aus Mitgliedern dieses Beirates bestehend, nahm dann die Bewertung und Reihung der Angebote vor. Dabei kamen ein Bewertungskatalog und ein IT-unterstütztes mathematisches Bewertungsschema zum Einsatz, das im Zentrum des Interesses der Rechnungshofprüfer stand. Sie stellten fest, dass dieses Schema eine "hohe Bandbreite" aufwies und "durch die Verknüpfung von qualitativen und quantitativen Merkmalen höherpreisige Angebote bevorzugte". Kritisch merkt der Rechnungshof überdies an, dass weder die Anwendung noch die Auswertung des Rechenschemas durch die Plattformteilnehmer vom Ressort hinterfragt worden seien.

Darüber hinaus ruft der Rechnungshof in seinem Bericht Erinnerung, dass das Verteidigungsressort, das für die Bewertung des Grundgeschäfts zuständig war, die Reihung der Gegengeschäfte nur dann in seine Entscheidung einzubeziehen hatte, wenn es die Bewertung der Angebote des Grundgeschäfts als gleichwertig erkannt hätte. Da der RH aber keinen Schriftverkehr zwischen den beiden Ressorts vorfand, habe er nicht nachvollziehen können, ob und inwieweit die Gegengeschäftsreihung des Wirtschaftsressorts Einfluss auf die Typenentscheidung genommen hatte.

Der Rechnungshof empfahl dem Wirtschaftsministerium in diesem Sinn, bei künftigen Gegengeschäftsbewertungen den Plattformteilnehmern klare Vorgaben und Aufgabenstellungen zu geben und damit für aussagekräftige Ergebnisse zu sorgen. Die Bewertungsvorgänge sollten umfassend dokumentiert werden, um sie objektiv und transparent zu gestalten. Schließlich sollten nach Meinung des Rechnungshofes mathematische Bewertungsmodelle auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit hinterfragt und ihre Umsetzung evaluiert werden.  (Schluss)