Parlamentskorrespondenz Nr. 701 vom 13.10.2004

STRAFRECHTLICHES ENTSCHÄDIGUNGSGESETZ UND WEITERE JUSTIZTHEMEN

Konformität mit der Europäischen Menschenrechtskonvention hergestellt

Wien (PK) - In den Abendstunden verhandelte der Nationalrat eine Reihe von Vorlagen aus dem Justizausschuss.

ABGELTUNG FÜR MEDIZINISCHE VERSORGUNGSLEISTUNGEN IM STRAFVOLLZUG

Abgeordneter MIEDL (V) erklärte, es sei dies eine Materie, über die hoffentlich Konsens erzielt werde. Ein humaner Strafvollzug, der die Resozialisierung ermögliche, bedinge auch eine entsprechende Gesundheitsversorgung. Die diesbezüglichen Kosten seien exorbitant gestiegen, weshalb es einer adäquaten Übereinkunft bedurft habe, die nun mit den Ländern getroffen werden konnte. In diese Richtung sollte weitergearbeitet werden, so der Redner.

Abgeordneter PENDL (S) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zu dieser Vereinbarung und berichtete sodann über einzelne Aspekte des heimischen Strafvollzugs. Gerade der Gesundheitsbereich sei eine heikle Frage, derer man sich annehmen müsse, betonte der Redner.

Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) bekundete ebenfalls Zustimmung zu dieser "Konsensmaterie" und erläuterte die hinter dieser Vorlage stehende Problematik aus der Praxis. Hier habe bislang ein problematischer Zustand geherrscht, der nunmehr behoben werde, was zu begrüßen sei. Der hier eingeschlagene Weg sollte fortgesetzt werden.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) schloss sich der Meinung ihrer Vorredner an und sprach sich für die zustande gekommene "Mängelbehebung" im Bereich der Gesundheitsversorgung aus.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) wies darauf hin, dass es bei der vorliegenden Vereinbarung insgesamt um eine Summe in der Höhe von 17 Millionen Euro geht. Sie schließe sich der Meinung von Ex-Minister Böhmdorfer an, wonach eine Änderung in diesem Bereich herbeigeführt werden müsse. Enorm gestiegen seien die Kosten für die geistig unzurechnungsfähigen Rechtsbrecher, gab Brinek zu bedenken, weshalb man sich überlegen müsse, die präventiven Maßnahmen zu verstärken.

Die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten wurde einstimmig angenommen.

RECHTSHILFEABKOMMEN MIT POLEN, STRAFRECHTLICHES ENTSCHÄDIGUNGSGESETZ

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) erläuterte zunächst die Eckpunkte des Vertrages zwischen Österreich und Polen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Sodann ging sie auf das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz ein, das eine Neuregelung in diesem Bereich bringt. Die geschädigte Person könne in Hinkunft sofort die Zivilgerichte anrufen, ohne vorher eine Entscheidung der Strafgerichte herbeiführen zu müssen. Damit werde die Rechtsposition der Geschädigten verbessert, betonte sie. Ablehnen werde ihre Fraktion den Antrag des Abgeordneten Maier, da die darin enthaltenen Forderungen umgesetzt wurden.

Er halte es für unerträglich, dass es in Österreich Menschen gibt, die zu Unrecht in U-Haft genommen oder zu Unrecht verurteilt wurden, und dann jahrelang um ihre Rehabilitation und um ihre Entschädigungen kämpfen müssen, erklärte Abgeordneter Mag. MAIER (S). Auch mit der Änderung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes könnten derartige Probleme nicht gelöst werden.

Es sei unfair, wenn man mit Fehlern, die überall passieren können, Stimmung mache, meinte Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) in Richtung seines Vorredners. Außerdem sei es nicht richtig, dass zu Unrecht Verurteilte überhaupt keinen Rechtsschutz haben. Neben der Menschenrechtskonvention gewährleiste auch das Amtshaftungsgesetz, dass im Falle von Justizfehlern Schmerzengeld bezahlt wird. In Hinkunft gebe es nun das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz, das eine unbürokratische und sehr gute Lösung darstelle, ist Böhmdorfer überzeugt.

Es sei positiv, dass nun endlich ein neues Entschädigungsgesetz beschlossen werde, wie dies immer von der Opposition gefordert wurde, erklärte Abgeordnete Mag. STOISITS (G). Auch wenn sie der Vorlage schließlich zustimmen werde, gebe es doch einen Punkt, der ihrer Meinung nach nicht optimal geregelt sei. So erhalten nämlich jene Personen, die strafrechtlich verurteilt, aber zu Unrecht in U-Haft genommen wurden keine Entschädigung für die Zeit der gesetzwidrigen Anhaltung.

Das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz sei ein sehr wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, erklärte Bundesministerin Mag. MIKLAUTSCH. Einerseits würden damit die Bestimmungen menschenrechtskonform umgesetzt und andererseits werde die Geltendmachung wegen einer unschuldig erlittenen Haft wesentlich erleichtert. Nunmehr werde die Anrufung der Finanzprokuratur und in der Folge des Zivilgerichtes möglich sein, erläuterte sie.

Auch Abgeordneter DI Mag. REGLER (V) ist überzeugt davon, dass das Entschädigungsgesetz wesentliche Verbesserungen bringe. Als Beispiele nannte er die Anrufung der Zivilgerichte sowie die Abgeltung des ideellen Schadens. Was die Einschränkung des Ersatzanspruches angeht, so sei dies nur dann möglich, wenn die Zeit der Anhaltung auf die verhängte Strafe angerechnet wird. Auch die Haftung des Bundes könne vom Gericht nur dann gemildert oder ganz ausgeschlossen werden, wenn der volle Ersatz unangemessen wäre. Als Beispiel dafür führte Regler an, wenn eine von ihrem Partner verletzte Frau ihre Aussage später zurückzieht, um den Familienfrieden zu retten.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) stellte im Rahmen einer tatsächlichen Berichtigung klar, dass die Zahlung an den zu Unrecht verurteilten Peter Heidegger auf Basis des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes erfolgt ist.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) dankte zunächst Abgeordnetem Maier, dessen Einsatz in dieser Frage schließlich dazu geführt habe, dass das Entschädigungsgesetz heute beschlossen werden könne. Nicht zufrieden zeigte er sich darüber, dass Ausnahmen bezüglich der Entschädigung vorgesehen sind. Aus diesem Grund brachte einen Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen für das Gesetz an. Nicht ganz zufrieden sei man jedoch mit der Lösung bei den bedingten Strafen. Gewährleistet müsse auch werden, dass Menschen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, bei Zivilprozessen zu ihrem Recht kommen können.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) brachte zunächst einen V-F-Abänderungsantrag ein, der ein redaktionelles Versehen der Regierungsvorlage berichtigt. In Richtung seiner Vorrednerin wies er darauf hin, dass natürlich die Verfahrenshilfe vorgesehen sei, wenn Personen nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Was die Kritik von Jarolim anbelangt, so glaube er, dass den Gerichten ein gewisser Spielraum eingeräumt werden müsse. Er vertraue darauf, dass die Zivilgerichte diesen Spielraum maßvoll und angemessen nützen werden.

Die Sozialdemokraten seien mit der Regierungsvorlage grundsätzlich einverstanden, konstatierte Abgeordnete Mag. WURM (S). Wenn die Regierungsfraktionen auch noch dem S-Abänderungsantrag zustimmen könnten, dann wäre das Gesetz perfekt. Sehr zu begrüßen sei etwa die grundrechtskonforme Neugestaltung der Entschädigung für die strafrechtliche Anhaltung und Verurteilung sowie die Ausdehnung auf die sicherheitsbehördliche Verwahrung. Es sei außerdem nur recht und billig, dass Opfer von Rechtsirrtümern ordentlich entschädigt werden. Anstelle der Einrichtung einer Clearingstelle hätte sie sich gewünscht, dass ein weisungsfreier und ungebundener Opferanwalt installiert wird.

Abgeordneter DOPPLER (V) befasste sich in seiner Wortmeldung mit dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Das wesentliche Ziel einer solchen Vereinbarung sei die Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs, vor allem im Bereich der Postzustellung und der Übersetzungen.

Abgeordneter Dr. PUSWALD (S) wiederholte die Bedenken seiner Fraktion. Er warb daher dafür, den Abänderungsantrag der Sozialdemokraten zu unterstützen.

Abgeordneter PARNIGONI (S) befasste sich zunächst mit dem Rechtshilfeabkommen mit Polen und erläuterte die Eckpunkte des Vertrages. Was das Entschädigungsgesetz betrifft, so wurde diese Vorlage schon seit langem von den Sozialdemokraten eingefordert, erinnerte er.

Bei der Abstimmung wurde das Strafgerichtliche Entschädigungsgesetz in der Fassung des V-F-Abänderungsantrages einstimmig angenommen; der S-Abänderungsantrag fand hingegen keine Mehrheit.

Der Vertrag zwischen Österreich und Polen über die Rechtshilfe in Strafsachen wurde einstimmig genehmigt

Mehrheitlich angenommen wurde sodann der (negative) Ausschussbericht über den S-Antrag betreffend Novellierung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes.

ZIVILVERFAHRENS-NOVELLE, VERKEHR MIT BAUGRUNDSTÜCKEN, ANTRAG 379/A(E)

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) erläuterte, bei der Zivilverfahrens-Novelle 2004 gehe es u.a. um die Umsetzung des Datenschutzgesetzes, die Ausweitung der Verfahrenshilfe auf Verfahren im Ausland und um eine Steigerung der Effizienz von Musterprozessen nach dem Konsumentenschutzgesetz. Sie zeigte sich über den Vier-Parteien-Konsens in diesen Fragen erfreut.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ zur Zivilverfahrens-Novelle 2004 an und verwies auf die Bedeutung von Musterprozessen.  

Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) erachtet es, wie er anmerkte, als erfreulich, dass die Verfahrenshilfe international ausgebaut wird. Das sei eine gute Visitenkarte für Österreich, betonte er. Begrüßt wurde von Böhmdorfer auch die künftige Möglichkeit von Videoeinvernahmen, er sieht darin einen wichtigen Schritt zu Verfahrensbeschleunigungen.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) erklärte, der von Abgeordneter Fekter angesprochene Konsens beziehe sich nicht auf alle Punkte der Gesetzesnovelle, die Grünen begrüßten aber die Ausweitung der Verfahrenshilfe, die Verbesserung des Datenschutzes, die Einführung der Videoeinvernahme und die neuen Möglichkeiten der Verbandsklage. Ihr zufolge werden die Grünen der Zivilverfahrens-Novelle daher auch zustimmen, Moser forderte aber gleichzeitig die Einhaltung von Zusagen seitens der Justizministerin in weiteren Fragen ein.

Abgeordneter Mag. IKRATH (V) sprach im Zusammenhang mit der Zivilverfahrens-Novelle von einer sehr wichtigen gesetzlichen Materie, die vom Justizministerium präzise vorbereitet worden sei. Ihm zufolge haben sich die Verbandsklagen als Testverfahren zur Abklärung der Rechtslage für einen breiten Personenkreis in der Praxis bewährt, es sei daher sinnvoll, sie nicht nur bei Geldforderungen, sondern auch in anderen Fällen zu ermöglichen.

Auch Abgeordnete Mag. BECHER (S) zeigte sich über die Ausweitung der Verbandsklagen erfreut. Sie gab aber zu bedenken, dass Musterprozesse allein zu wenig seien, wenn das geklagte Unternehmen auf die Einhaltung der Verjährungsfristen bestehe. Als Beispiel aus der Praxis nannte sie in diesem Zusammenhang Musterverfahren gegen Banken wegen unzulässiger Zinsanpassungsklauseln bei Krediten.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) äußerte sich darüber zufrieden, dass es bei der Umsetzung von EU-Bestimmungen im Rahmen der Zivilverfahrens-Novelle nicht - wie ihrer Meinung nach in vielen anderen Fällen - zu einer Diskriminierung von Inländern komme und der Reisekostenersatz für Parteien, die Verfahrenshilfe genießen, künftig auch Österreichern gewährt werde.

Abgeordnete STADLBAUER (S) wies auf die Notwendigkeit hin, mit elektronisch geführten Registern im Justizbereich sensibel umzugehen. Schließlich könne über solche Register auf alle Verfahrensschritte zugegriffen werden. Kritik übte Stadlbauer daran, dass die Register schon eine gute Zeit ohne klare Richtlinien geführt würden und etwa nicht festgehalten sei, was einzutragen und was wie lange aufbewahrt werden müsse.  

Abgeordneter GLASER (V) äußerte sich positiv zur Zivilverfahrens-Novelle 2004 und hob u.a. die Möglichkeit von Zeugeneinvernahmen durch Videoaufzeichnungen hervor. Im Bereich des Datenschutzes gilt es seiner Meinung nach eine ausgewogene Linie zu finden.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) hielt fest, Recht haben und Recht bekommen sei nicht immer dasselbe. Das wüssten unzählige Österreicherinnen und Österreicher aus eigener Erfahrung. Die Politik hat nach Auffassung Grossmanns die Aufgabe, alle strukturellen Hürden aus dem Weg zu räumen, die den Zugang zum Recht verhindern. Als größte Hürde dabei bezeichnete sie dabei das Kostenrisiko, weshalb sie die Ausweitung von Verbandsklagen begrüßte.

Abgeordnete FRANZ (V) nahm zur Änderung des Liegenschaftsteilungsgesetzes Stellung und verwies auf den zum Teil hohen Kosten- und Verwaltungsaufwand für Gemeinden im Zusammenhang mit Verbücherungen. Sie würde sich über Verwaltungsvereinfachungen in diesem Bereich freuen, betonte sie.

Auch Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) setzte sich mit dem Liegenschaftsteilungsgesetz auseinander und machte darauf aufmerksam, dass sich SPÖ-Abgeordneter Johann Maier schon seit langem um eine Vereinfachung der Regelungen bemühe. In diesem Sinn zeigte sich Wittmann erfreut, dass sich nun eine Arbeitsgruppe mit diesem Thema befassen werde.

Abgeordneter PRASSL (V) wies darauf hin, dass durch die Änderung der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken Einsparungen und administrative Erleichterungen erzielt werden könnten.

Abgeordneter LEDOLTER (V) verwies insbesondere auf die Effizienzsteigerungen und die Einsparungen durch die Zivilverfahrens-Novelle. 

Die Zivilverfahrens-Novelle 2004 wurde vom Nationalrat einstimmig beschlossen. Ebenfalls einstimmig genehmigten die Abgeordneten die Änderung der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken und nahmen den Bericht des Justizausschusses über den SPÖ-Antrag 379/A(E) zur Kenntnis. Schließlich wurden auch die beiden Entschließungen des Justizausschusses - im Zusammenhang mit der Zivilverfahrens-Novelle und im Zusammenhang mit dem Liegenschaftsteilungsgesetz - einstimmig angenommen. (Forts.)