Parlamentskorrespondenz Nr. 737 vom 20.10.2004

IM INNENAUSSCHUSS DIE SICHERHEIT DES JAHRES 2003 AUF DEM PRÜFSTAND

Strasser: In Traiskirchen wird wieder Lebensqualität möglich sein

Wien (PK) - In der Diskussion im Innenausschuss über den Sicherheitsbericht 2003 (III-89 d.B.), der gegen die Stimmen der Oppositionsparteien im Ausschuss erwartungsgemäß enderledigt und mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien zur Kenntnis genommen wurde, wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es im vergangenen Jahr mehr Verbrechen und Vergehen und eine geringere Aufklärungsquote gegeben hat.

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass in Österreich 2003 insgesamt 643.286 strafbare Handlungen (148.758 Verbrechen und 494.528 Vergehen) begangen wurden. Das sind um 8,7 % mehr als im Jahr 2002. In Wien nahm im Vergleich dieser beiden Jahre die Zahl der strafbaren Handlungen um 21,5 %, in Tirol um 4,2 %, in Niederösterreich um 2,8 % und in Oberösterreich um 2,8 % zu. Rechnet man die Kriminalität im Straßenverkehr ab, ergibt sich folgendes Bild: Österreichweit wurden 604.273 strafbare Handlungen begangen; das sind 9,4 % mehr als im Jahr 2002. Auch bei der Gesamtkriminalität ohne Straßenverkehr verzeichnete Wien eine Steigerung der strafbaren Handlungen um 22,5 %, gefolgt von Tirol mit einer Steigerung von 4,1 %. Die Aufklärungsquote betrug im Jahr 2003 38,5 %, was ein Minus von 2,3 % gegenüber dem Jahr 2002 bedeutet.

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben gab es Jahr 2003 86.494, davon waren 403 Verbrechen. 466.888 strafbare Handlungen waren gegen fremdes Eigentum gerichtet, hievon waren 136.824 Verbrechen. 3.773 Fälle an strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit wurden bekannt (1.523 Verbrechen, 2.250 Vergehen).

Bevor die Abgeordneten in medias res gingen, wurde der Antrag der SPÖ auf Debatte des Berichtes im Plenum des Nationalrates besprochen und schlussendlich mit VP-FP-Mehrheit abgelehnt. Abgeordneter Peter Pilz (G) meinte im Zusammenhang mit den heutigen verstärkten Sicherheitsvorkehrungen durch Kräfte der Sicherheitsexekutive angesichts des Besuches des israelischen Staatspräsidenten Katzav, es sei nicht Aufgabe eines Abgeordneten, Angehörigen der Sicherheitsexekutive nachzuweisen, dass er Nationalratsabgeordneter sei; seiner Meinung nach müssen personelle Vorkehrungen getroffen werden, damit ein Abgeordneter ungehindert das Hohe Haus betreten kann, gleichgültig ob er einen Ausweis bei sich trage oder nicht. ÖVP-Abgeordneter Günter Kößl sprach von einer „äußerst korrekten“ Vorgangsweise der Exekutive und sein Fraktionskollege Werner Miedl, der auch Vorsitzender des Sicherheitskomitees des Parlaments ist, wies darauf hin, dass die Exekutive genaue Instruktionen, wie vorzugehen sei, erhalten habe. Werde man nicht erkannt, dann habe man sich auszuweisen, bekräftigte Miedl.

Laut S-Abgeordnetem Anton Gaal bestätigen seriöse Umfragen, dass sich die Wiener weniger sicher fühlen und sie die meiste Furcht vor Einbruch, Diebstahl und Raubüberfälle haben. Daher forderte er mehr Prävention und vor allem mehr Sicherheitsexekutive vor Ort ein. Die angekündigten 570 neuen Polizisten, die sich vorerst einer monatelangen Ausbildung unterziehen müssen, stellen seiner Ansicht nach nur „einen Tropfen auf einen heißen Stein“ dar; allein in Wien fehlen 1.000 Exekutivkräfte. Der Sparkurs der Bundesregierung, dem sich auch der Innenminister beugen müsse, gefährde die Sicherheit im Lande, konstatierte Gaal und fuhr fort: Die Bundesregierung ist imstande, mit ihrer Sicherheitspolitik in wenigen Monaten das zu zerstören, was wir in Jahrzehnten mit Unterstützung der Bevölkerung und der Beamten aufgebaut haben. Es fehle im Exekutivbereich nicht nur Personal, sondern es gebe auch keine Aufstiegskurse und keine Fortbildungskurse; zudem habe man mehr Pensionsabgänge als Neuzugänge zu verzeichnen. Gaal wies auch auf die Verunsicherung der Beamten hin und trat dafür ein, dass die konstruktiven Vorschläge der SPÖ in die Regierungsüberlegungen eingebaut werden.

Österreich ist keine Insel in Europa, betonte Abgeordneter Günter Kößl (V). Er führte die steigende Kriminalität auf die offenen Grenzen – seit Jahren gebe es keine Visapflicht nach Rumänien -, auf die steigende Zahl an Asylwerbern und Flüchtlingen und auf die internationale und organisierte Kriminalität zurück. Um die neuen Herausforderungen wirksam bekämpfen zu können, habe man die Struktur der Exekutive, die noch aus der K&k-Zeit stamme, abändern müssen.

Die Fragen des G-Abgeordneten Peter Pilz bezogen sich u.a. auf das Fremdeninformationssystem, die Rasterfahndung und die eventuell telefonische Genehmigung eines Richters für eine Telefonüberwachung.

F-Abgeordnete Helene Partik-Pable wollte etwas über die internationale Zusammenarbeit, Maßnahmen zur besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität und über die Beschmierungen etwa von Häusern und ÖBB-Zügen – immerhin hat die ÖBB dadurch einen Schaden von 500.000 € erlitten – erfahren. Ihre Fragen an die Justizministerin betrafen die Haftdauer.

Abgeordneter Walter Posch (S) warf dem Minister vor, den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates hinsichtlich einer humanen Flüchtlings- und Asylpolitik nicht nachgekommen zu sein. Er kritisierte auch die Aussagen des Ministers in einem Interview. Weiter wollte er wissen, wann mit einem neuen Entwurf für ein Asylgesetz zu rechnen sei.

Abgeordneter Norbert Kapeller (V) vertrat die Meinung, man könne bei der Kriminalitätsstatistik den Weg eines Querschnittvergleiches gehen. Seine konkrete Frage betrafen die 36 Mill. € mehr für die Sicherheit.

Abgeordneter Johann Maier (S) meinte, die steigende Kriminalität hänge sehr wohl mit den Personaleinsparungen seit dem Jahr 2000 zusammen. So entspreche etwa der Personalstand der Sicherheitswache Salzburg dem Stand von 1992/93 und der der Kripo Salzburg jenem der siebziger Jahre. Ein Grund für die steigende Kriminalität sah der Redner in der mangelnden Präsenz von Polizisten auf der Straße. Er wies auch darauf hin, dass die Aufklärungsquote keine Aussagen bezüglich der Schuld treffe. Konkret befasste er sich mit der Sicherheit auf Fußballplätzen und einem etwaigen Stadionverbot für Gewalttäter, mit der Korruption und Wirtschaftskriminalität, dem Subventionsbetrug und mit Veranstaltungen nach dem Landesveranstaltungsgesetz, in denen u.a. illegaler Prostitution nachgegangen werde.

Die Fragenkomplexe von Abgeordnetem Alfred Schöls (V) betrafen die internationale Kriminalität und den internationalen Terrorismus sowie die Zusammenarbeit mit den neuen EU-Mitgliedsländern im Rahmen der Europol.

Abgeordneter Otto Pendl (S) warf der Regierung vor, gegen längst bekannte Entwicklungen keine Maßnahmen ergriffen zu haben. Das gelte für den personellen, organisatorischen, aber auch technischen und Ausrüstungsbereich. Der Exekutive dankte er für die Arbeit, die sie unter den schwierigsten Bedingungen für die ÖsterreicherInnen leiste. Er sprach auch den Überbelag in den Gefängnissen an und hielt es für notwendig, die Justizministerin bei ihrem Wunsch nach mehr Personal und mehr Geld zu unterstützen.

Abgeordneter Walter Murauer (V) wies darauf hin, dass mit dem Fall des Eisernen Vorhanges die Kriminalität zugenommen habe, weil Österreich das erste Anlaufland darstelle. Welche Maßnahmen wurden international und national getroffen, um neuen sicherheitspolitischen Gefährdungen entgegenzutreten?, lautete seine Frage. Im Zusammenhang mit der Drogenkriminalität bekräftigte er den Standpunkt seiner Partei dazu: „mit aller Konsequenz und aller Härte gegen Drogendealer vorzugehen“.

Innenminister Ernst Strasser meinte einleitend zu Abgeordnetem Pilz, es sei korrekt gewesen, dass der Beamte nach der Identität der Person gefragt habe; Pilz habe seine Identität jedoch nicht bekanntgegeben. Außerdem entspreche die Vorgangsweise der Hausordnung des Parlaments.

Zu den an ihn gerichteten Fragen meinte der Chef des Innenressorts, man nehme sehr wohl die Probleme in Wien ernst; jedoch könne er die Vorschläge Wiens, das Magistrat der Stadt Wien solle die Wiener Polizei übernehmen und die Polizeidirektion Wien möge in vier Teile zergliedert werden, nicht ernst nehmen.

Bis dato habe es noch keinen Fall der Rasterfahndung gegeben.

Die Polizeireform, die seit Oktober 2003 wirksam sei, habe sich auf die Sicherheitssituation in Wien sehr günstig ausgewirkt.

Nach Ansicht des Ressorts könne kein signifikanter Anstieg der Beschmierungen festgestellt werden.

Die Kriminalität rumänischer Staatsbürger habe im Jahr 2003 rasant zugenommen. Durch die gute Zusammenarbeit mit den rumänischen Kollegen, so Strasser, konnte die Kriminalität aus Rumänien stark zurückgedrängt werden. Nun befinden sich georgische und moldavische Gruppen im Vormarsch.

Im Frühjahr 2000 gab es 2.300 betreute Asylwerber, jetzt seien es über 23.000, teilte Strasser mit. In gemeinsamer Anstrengung von Gemeinden, Ländern und Bund sei es gelungen, dass der allergrößte Teil der sich jahrelang illegal in Österreich aufgehaltenen Personen in die Bundesbetreuung gekommen ist. In der Übergangsphase habe es Schwierigkeiten gegeben, räumte der Minister ein, in Traiskirchen werde es wieder die Zahl an Betreuten geben, die auch eine Lebensqualität in der Region ermöglicht.

Das VfGH-Erkenntnis zum Asylgesetz werde nach Ansicht des Ressortleiters dazu führen, dass Österreich für Asylwerber wieder „interessanter und attraktiver“ wird. Man rechne damit, dass man 550 Asylwerber pro Monat in der Bundesbetreuung hat, was zu einer Ungewissheit für die Asylwerber, zur Anhebung der Kosten für den Bund und die Länder sowie zu einer unangenehmen Situation für die österreichische Bevölkerung führen werde. Vorerst müsse man aber die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses abwarten.

Ein erheblicher Teil von Korruption und Wirtschaftskriminalität werde derzeit nicht erkannt, gab Strasser zu. Nach internationalem Kodex befinde sich Österreich unter mehr als 200 Ländern an 13. Stelle.

Bezüglich der Veranstaltungen nach dem Landesveranstaltungsgesetz habe man insbesondere mit der Stadt Wien Kontakt aufgenommen; es gebe einige derartige Fälle zu bearbeiten, sagte der Bundesminister.

Eine Bundesregierung kann nicht den Anfall an Kriminalität beeinflussen, betonte Strasser in Richtung des S-Abgeordneten Pendl, aber eine verantwortungsbewusste Bundesregierung habe darauf zu reagieren und Ressourcen entsprechend einzusetzen.

Auch Bundesministerin Karin Miklautsch wies darauf hin, dass es seit dem Jahr 1997 keinen einzigen Fall einer Rasterfahndung gegeben habe. Für eine Telefonüberwachung müsse ein schriftlicher Beschluss vorliegen; die Telekom als Betreiber verlange automatisch eine schriftliche Beschlussausfertigung, aus der Art und Umfang der Überwachung hervorgehe.

Eine Passage im Bericht erläuternd meinte die Ministerin, bei den österreichischen Staatsbürgern sei die durchschnittliche Haftdauer und bei den ausländischen Staatsbürgern die Zahl der Häftlinge gestiegen.

Im Zuge der Budgetberatungen sei es ihr gelungen, mehr Personal (250 Planstellen) und mehr Geld für die Justizwache zu erreichen; dieses zusätzliche Personal stehe aufgrund der Ausbildung aber erst im Sommer/Herbst 2005 zur Verfügung. Daher habe sie Überlegungen angestellt, wie man die aktuelle Situation bewältigen könne. Eine der Überlegungen habe sich auf den Assistenzeinsatz des Bundesheeres bezogen, was nach Art. 79 B-VG und § 2 Wehrgesetz möglich wäre.

In einer weiteren Fragerunde wurden etwa folgende Themen angesprochen: Falschgeldkriminalität, elektronische Überwachung von Häftlingen (Abgeordneter Miedl, V), Menschenhandel und Kulturdiebstahl (Abgeordnete Elisabeth Hlavac, S), Jugendkriminalität und internationaler Terrorismus (Abgeordneter Markus Fauland, F), Straftaten im Zusammenhang mit dem Nachtleben (Abgeordnete Katharina Pfeffer, S), Hilfeleistungen bei Katastrophen (Abgeordneter Karl Freund, V), Sicherheitsgefühl der Menschen (Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig, S), eigene Stadtpolizei für Innsbruck (Abgeordnete Gisela Wurm, S) und Umgang mit der österreichischen Bundesverfassung angesichts der Verfassungswidrigkeit des Zivildienstgesetzes (Abgeordneter Peter Pilz, G). Ausschussobmann Rudolf Parnigoni gab bekannt, dass laut einer APA-Meldung der Verfassungsgerichtshof die Ausgliederung der Zivildienstverwaltung aufgehoben habe.

Bundesminister Ernst Strasser teilte mit, dass es hinsichtlich der Falschgeldkriminalität eine internationale Zusammenarbeit vor allem mit Bulgarien gebe, weil dort ein großes Know-how zur Verfügung stehe; ein Falschgeldspezialist befinde sich auch in Wien.

Bezüglich der Prostitution arbeite man in den Städten mit den Magistraten zusammen. Es wurde auch eine Reihe von operativen Maßnahmen wie verdeckte Ermittlung, Sondereinheiten und eigene Analyseeinheit beim BKA ergriffen.

Klöster, Stifte und andere Institutionen erhalten Beratung darüber, wie sie ihre Kulturschätze besser schützen können.

Zu dem Problemkreis Kriminalität und ländliche Regionen verwies Strasser darauf, dass entlang internationaler Verkehrsstraßen, aber auch in großen Gewerbegebieten Kriminalität vermehrt anfalle.

Zum Erkenntnis des VfGH betreffend Aufhebung der Ausgliederung der Zivildienstverwaltung meinte der Bundesminister, es sei dieses Erkenntnis zur Kenntnis zu nehmen. „Es werde gute Gründe geben, warum diese Entscheidung gekommen sei.“ Es wird alles getan werden, um die gute Arbeit der letzten zwei Jahre zu erhalten. Bis 31.12.2005 habe man Zeit, dem Erkenntnis Rechnung zu tragen.

Bundesministerin Karin Miklautsch gab bekannt, es werden Überlegungen angestellt, für welche Deliktstypen ein elektronischer Hausarrest möglich sei. In diesem Zusammenhang kündigte die Ressortleiterin eine Fachenquete zum Strafvollzug am 8. und 9. November in ihrem Ressort an. (Schluss)