Parlamentskorrespondenz Nr. 739 vom 20.10.2004

PRÖLL: NACHHALTIGE ENERGIEVERSORGUNG IST SCHLÜSSELFRAGE DER ZUKUNFT

Umweltausschuss: SPÖ und Grüne mit Klimaschutzmaßnahmen unzufrieden

Wien (PK) - Die Tagesordnung, die der Umweltausschuss unter seiner Obfrau Eva Glawischnig heute Nachmittag erledigte, bot den Abgeordneten zunächst Gelegenheit für eine generelle Bestandsaufnahme der umweltpolitischen Lage in Österreich anhand des "Siebenten Umweltkontrollberichts" (III-91 d.B. und Zu III-91 d.B.), dessen Qualität als Informationsquelle allgemein gewürdigt wurde. Der einstimmigen Kenntnisnahme und Enderledigung ging eine detailreiche Debatte über alle Aspekte der Umweltpolitik voraus. Der Bericht stellt der Umwelt in Österreich in weiten Teilen ein gutes Zeugnis aus, dokumentiert die hohe Qualität der Gewässer und der Böden, weist auf die Abnahme wesentlicher Luftschadstoffe (Kohlenmonoxid, Schwefel, Blei), auf die Erfolge der Abfallwirtschaft, der agrarischen Umweltprogramme und des Biolandbaus hin. Die großen umweltpolitischen Herausforderungen sah der Minister beim Klimaschutz, den Verkehrsemissionen, der Stickoxid- und Staubbelastung, der Bodenversiegelung, bei der Artenvielfalt und beim Lärm. Der Schwerpunkt der Umweltpolitik liegt für den Umweltminister in den kommenden Jahren bei Klimaforschung und Klimapolitik. Als Schlüsselfrage für die Zukunft bezeichnete Pröll eine nachhaltige Energieversorgung und zeigte sich in diesem Zusammenhang stolz auf die führende Position Österreich beim Einsatz erneuerbarer Energieträger.    

Nach Ablehnung eines Antrages der Oppositionsparteien auf öffentliche Debatte des Umweltkontrollberichts im Plenum durch die Ausschussmehrheit eröffnete SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer die Debatte mit einem umfangreichen SPÖ-Fragenkatalog an Bundesminister Pröll, der thematisch von der Altlastensanierung über den Bodenschutz, die CO2-Problematik, Naturschutz und Raumordnung bis hin zu den Wildschäden in den Wäldern reichte.

Abgeordneter Heidemarie Rest-Hinterseer (G) kritisierte den weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen, der Österreich immer weiter vom Kyoto-Ziel entferne, und interessierte sich für den Zeitplan des Ministers für die Erfüllung der Klimaschutzziele. Ihre weiteren Fragen richteten sich auf die Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002, wobei sie den naturnahen Wasserbau präferierte, sowie auf den Einsatz des Planungsinstruments Raumordnung, um Flächenverluste und Bodenversiegelung zu vermeiden. Schließlich klagte die Rednerin über die mangelhafte Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinie Natura 2000.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) registrierte Verbesserungen in der Umweltsituation, aber auch Bereiche, wo Verbesserungsbedarf bestehe. Er ging auf das wachsende Mobilitätsbedürfnis der Menschen ein, das die Verkehrsemissionen steigen lasse, und knüpfte daran die Frage an Minister Pröll, wie dessen Feinstaubstrategie aussehe.

Abgeordneter Klaus Wittauer (F) sprach stolz vom Vorbild Österreich beim Umweltschutz in der Landwirtschaft, zeigte sich aber zugleich beunruhigt über den starken Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche. "Die Landschaft wächst in manchen Regionen immer mehr zu", klagte der Abgeordnete.

Die Abgeordneten Hannes Missethon und Erwin Hornek (beide V) brachen einmal mehr eine Lanze für den Einsatz erneuerbarer Energieträger auch als Kraftstoff für Fahrzeuge.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) sah den Melker Prozess von Seiten Tschechiens als nicht erfüllt an, drängte auf eine Steigerung der Energieeffizienz und zeigte sich entsetzt über Pläne zur Beimengung von Biokraftstoff, weil er dies für ökonomischen und ökologischen Unsinn halte.

Umweltminister Josef Pröll beantwortete die zahlreichen Fragen der Abgeordneten im Detail. Er berichtete von Erfolgen bei der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder, wo durch Naturverjüngung die Artenvielfalt verbessert werde. Er dränge gegenüber den Bundesländern darauf, die Jagdpläne einzuhalten, um den Wildschäden entgegenzuwirken. Hinsichtlich des neuen Systems in der EU-Chemikalienpolitik bereite sein Ressort ein Informationssystem für die Bundesländer und den Handel vor.

Kritik der SPÖ an seiner Gentechnikpolitik wies der Minister zurück. Österreich sei gerüstet für den Fall, dass gentechnisch veränderte Organismen in der EU zugelassen werden. Es gebe klare Haftungs-, Kennzeichnungs- und Registrierungsregeln. Antworten auf die Frage, wie die Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten Organismen und gentechnikfreier Agrarproduktion in Österreich möglich sei, werden Vorsorgegesetze geben, in denen spezielle Koexistenzkriterien gelten werden. Zu beantworten sei auch die Frage, wo eine solche Koexistenz unter den besonderen kleinräumigen und kleinbetrieblichen Agrarbedingungen in Österreich nicht möglich sei. Der Versuch, Oberösterreich als gentechnikfreie Zone einzurichten, sei bedauerlicherweise gescheitert, nun werde man versuchen, auf freiwilliger Basis weiter zu kommen. Österreich betreibt laut Minister Pröll in der Gentechnikfrage eine extrem restriktive Politik, die dem maximalen Schutz der Biobauern sowie jener konventionellen Bauern diene, die auf Gentechnik verzichten wollen. Die Hauptzuständigkeit liege bei den Bundesländern.

Der Feinstaubproblematik will der Umweltminister durch steuerliche Maßnahmen bei der Neuzulassung von Diesel-Pkw zu Leibe rücken; für die Industrie entwickle das Umweltbundesamt derzeit eine spezielle Staubstrategie. Eine Novelle des Immissionsschutzgesetzes Luft sei in Ausarbeitung, der Partikelfilter für Dieselfahrzeuge werde nicht die einzige Maßnahme bleiben. 

Antworten auf die Lärmfrage müssten vorrangig die Länder geben, sagte der Minister, eine Regierungsvorlage gemeinsam mit dem Verkehrsministerium werde demnächst in Begutachtung gehen.

Auch beim Thema Naturschutz seien die Bundesländer angesprochen; Managementpläne seien in Ausarbeitung; das Projekt "Autofreier Tourismus" verzeichne Fortschritte.

Beim Thema Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe 2002 kündigte der Minister eine Studie an, die das Ereignis selbst, seine Auswirkungen und die aus den Erfahrungen mit dem Krisenmanagement zu ziehenden Konsequenzen umfassend darstellt. Anders als in den siebziger Jahren wolle man heute "dem Fluss wieder Raum geben" und Retentionsbecken sowie Flächen für Hochwässer bereitstellen. 

Ursache für die großen Fortschritte bei der Wasserqualität sei der für Europa einzigartige Kanalanschlussgrad von 86 %, teilte der Minister mit.

Verbesserungen bei der Bodenerosion konnten durch den Einsatz des ÖPUL erzielt werden. Die Erfolge bei der Verringerung der Nitratbelastung zeige, dass Österreich bei der Umsetzung der diesbezüglichen EU-Richtlinie die richtige Vorgangsweise gewählt habe.

Die Verantwortung für Raumordnung und Maßnahmen gegen die Zersiedelung liege bei den Ländern, hielt der Minister fest, der den Abgeordneten Hannes Bauer (S) und Heidemarie Rest-Hinterseer (G) Recht gab, die auf die hohen Folgekosten der Zersiedelung, bei der Wasserentsorgung und durch Verkehrszunahme hinwiesen. Auch die Artenvielfalt leide unter der Bodenversiegelung, räumte der Minister ein. Zum Verlust agrarischer Produktionsflächen sei agrarpolitisch entgegenzuwirken, hielt der Bundesminister fest.

Als eine zentrale Schlüsselfrage für die Zukunft sah Pröll die Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung. Die Energieeffizienz sei zu steigern, hinsichtlich der Raumwärme durch die nach dem neuen Finanzausgleich zu verhandelnden Staatsverträge mit den Ländern, und durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe in der Energieproduktion, aber auch im Kraftstoffbereich, wie dies sein Biokraftstoffpaket vorsehe. Auf diese Weise könne eine weitere Million Tonnen an CO2-Emissionen zur Erreichung des Kyoto-Ziels eingespart werden.

Der Melker Prozess werde nicht verletzt, sondern in allen Punkten sehr genau umgesetzt, stellte der Umweltminister fest.

Die Finanzierung der Altlastensanierung sei durch die Altlastensanierungsverordnung gesichert, ein neuen Gesetzentwurf, der unter anderem einen rascheren Zugriff auf Grundstücke ermöglichen soll, kündigte der Minister für 2005 an.   

MEHR RECHTSSICHERHEIT BEIM EMISSIONSHANDEL

Im letzten Mai ist das Emissionszertifikategesetz in Kraft getreten, das Industrieunternehmen und EVUs die Möglichkeit gibt, sich bei der Erreichung der Kyoto-Ziele am Emissionshandel zu beteiligen. Der Umweltausschuss verabschiedete heute mit den Stimmen der Regierungsparteien eine erste Novelle zu diesem neuen Gesetz, die mehr Rechtssicherheit für Anlageninhaber schaffen soll. Der Umweltminister soll per Bescheid feststellen können, dass Anlagen, die keine oder nur mehr geringe Emissionen aufweisen, weil deren Produktion auf andere Anlagen desselben Eigentümers übertragen wurden, nicht als stillgelegt gelten (624 d.B.). Ein ebenfalls angenommener Abänderungsantrag enthielt technische Verbesserungen.

In der Debatte erinnerte Abgeordnete Marianne Rest-Hinterseer (G) an die Ablehnung des Emissionszertifikategesetzes durch ihre Fraktion, weil es keine Emissionsziele enthalte, eine weitere CO2-Zunahme befürchten lasse und zu einem "katastrophalen" Allokationsplan geführt habe. Die Novelle trage dieser Kritik nicht Rechnung und werde daher von den Grünen abgelehnt.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) wertete es als Kompliment der EU für Österreich, dass Brüssel nur eine marginale Korrektur am Allokationsplan verlangt habe. Die Grünen ersuchte Kopf, zu berücksichtigen, dass der Klimaschutz nicht dazu führen könne, die gegenwärtigen Wachstumssignale abzuwürgen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) konnte nur Detailänderungen erkennen, die die CO2-Situation nicht verbessern würden. Ihre Fraktionskollegen Gerhard Steier und Hannes Bauer stellten Detailfragen zur Durchführungsverordnung und verlangten stärkere Investitionsanreize für Energiesparmaßnahmen.

Abgeordneter Klaus Wittauer (F) begrüßte die Gesetzesänderung und forderte die Opposition auf, das gemeinsame Ziel des Klimaschutzes im Auge zu behalten.

Umweltminister Josef Pröll wertete den Allokationsplan für die Emissionszertifikate als Ausdruck eines vernünftigen Ausgleichs zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen und bekannte sich nachdrücklich zum Emissionshandel als einem ökonomischen Instrument zur Senkung der CO2-Emissionen.

Die Durchführungsverordnung zum Emissionszertifikategesetz werde Mitte November herauskommen, kündigte der Minister an. Die CO2-Emissionen der E-Wirtschaft liegen deutlich unter ihrem Ausstoß vom Jahr 1990, erfuhr SP-Abgeordneter Krainer auf seine diesbezügliche Frage.

MODERNERER STRAHLENSCHUTZ

Eine Anpassung des Strahlenschutzgesetzes sowie des Maß- und Eichgesetzes an insgesamt fünf EU-Richtlinien bringt Ergänzungen und definitorische Neuerungen für die Kontrolle von Strahlenquellen, beim Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern sowie der Bevölkerung und bei der Kontrolle grenzüberschreitender Transporte radioaktiver Abfälle. Hinsichtlich der Radon-Belastung in Wohnräumen sieht das Gesetz Forschungen zur Verminderung der Radonbelastung und Aufklärungsmaßnahmen vor (620 d.B.).

Nach positiven Wortmeldungen von Sprechern aller Fraktionen und der Beantwortung von Detailfragen der Abgeordneten durch Umweltminister Josef Pröll wurde die Regierungsvorlage mit V-F-G-Mehrheit unter Berücksichtigung eines formalen Abänderungsantrages der Regierungsparteien verabschiedet.

Wie Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) ausführte, behalte sich die SPÖ ihre Zustimmung für das Plenum vor, sofern bis dahin geklärt werden könne, ob der befürchtete Mangel an Sachverständigen bei den Verwaltungsverfahren behoben werden könne. - Der Ressortleiter sah diesbezüglich kein Problem.

MEHR INFORMATION UND TRANSPARENZ

Einhellige Zustimmung erzielte auch das Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (654 d.B.). Es zielt auf die Förderung der Transparenz bei Entscheidungsverfahren und auf die Stärkung der öffentlichen Unterstützung für Entscheidungen über die Umwelt.

In einer von zustimmenden Wortmeldungen der Abgeordneten geprägten Debatte drängte Ausschussobfrau Eva Glawischnig darauf, die Bürger über ihre neuen Rechte auf Umweltinformationen aufzuklären, und begrüßte ausdrücklich die Ausweitung des Umweltbegriffs etwa auch auf die Qualität von Lebensmitteln.

Umweltminister Josef Pröll zerstreute Bedenken der Abgeordneten Petra Bayr (S), die finanzielle Mehrkosten für die auskunftgebenden Stellen und das Ressort angesprochen hatte. Er rechne nicht mit überbordenden Anfragen, sagte der Ressortleiter und wies auf das kostengünstige Informationsmittel Internet hin. (Schluss)