Parlamentskorrespondenz Nr. 799 vom 09.11.2004

GRÜNE: REGIERUNG HUNGERT UNIVERSITÄTEN AUS

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) - Thema der heutigen Aktuellen Stunde am Beginn der Sitzung des Nationalrats war die Situation an den Österreichischen Universitäten. Die Grünen hatten die Debatte unter dem Titel "Uni-Notstand: Die finanzielle Aushungerung der Universitäten durch die Bundesregierung" verlangt. Begründet wurde sie von Abgeordnetem Dr. VAN DER BELLEN (G).

Am Beginn seiner Wortmeldung stellte Van der Bellen die Frage, ob die Universitäten nun den gleichen Weg gehen sollen wie der Finanzminister mit dem Budget 2005, nämlich den Weg in die Verschuldung. Den Universitäten fehlten Millionen, beklagte Van der Bellen, und berichtete von Vorschlägen seitens der Banken an Universitäten, Kreditschulden eventuell mit den Studiengebühren zu verpfänden. Selbstverständlich sei dieser Vorschlag von den Universitäten nicht angenommen worden, denn davor könne man nur warnen. Wenn man aber so weit gekommen sei, dann könne man nicht mehr von Weltklasseuniversitäten sprechen, dann sei das als "Geschwafel" zu bewerten. Vielmehr wende die Regierung "provinzielle Tricks" an, um das zu verhindern.

Van der Bellen kritisierte, dass die Studiengebühren nicht additiv, sondern nur substitutiv zur Verfügung stünden, womit die Regierung ihr Versprechen gebrochen hätte. Ebenso wenig hätte die Ministerin ihre Zusage eingehalten, Zusatzkosten abzugelten, wie sie durch Versicherungsprämien, Infrastruktur oder Personal entstünden. Wenn die Situation nicht so traurig wäre, so Van der Bellen, denn schließlich gehe es um die Zukunft des Landes mit entsprechenden produktiven Effekten für die Wirtschaft, dann müsste man über all das lachen. Die Ministerin ziehe sich aus der Verantwortung zurück, die StudentInnen könnten auf Grund der Zustände ihr Studium nicht in der vorgesehenen Zeit abschließen, sie müssten daher arbeiten gehen, was zusätzlich das Studium verlängere. Ziehe man des weiteren in Betracht, dass im kommenden Jahr zirka 1.500 LehrerInnen an den Pflichtschulen fehlen werden, so sehe die Zukunft auf dem Bildungssektor traurig aus. Mit Sorge erwarte er den nächsten PISA-Bericht.

Diesen Feststellungen widersprach Bundesministerin GEHRER heftig. Sie stehle sich keineswegs aus der Verantwortung, bekräftigte sie, und sie könne nur unterstreichen, dass das Universitäts-Gesetz 2002 zügig umgesetzt werde und zusätzliche Zahlungen geleistet würden. Das Grundbudget der Universitäten betrage rund 1,66 Mrd. €, dazu kämen Aufwendungen für Gehaltssteigerungen, Mieten, Implementierungskosten, Pensionskosten, Überstunden, Dienstalterszulage etc. Rechne man die Studienbeiträge hinzu, bekämen die Universitäten 6 % mehr als im Vorjahr.

Darüber hinaus stelle der Staat zusätzliche Mittel für die Infrastruktur zur Verfügung. Die Eröffnungsbilanzen hätten ersichtlich gemacht, was in den letzten Jahrzehnten verabsäumt worden sei. Die Universitäten erhielten daher in den nächsten Jahren 68 Mill. € zur Verbesserung der Infrastruktur, jedoch nicht auf Grund des Gießkannenprinzips, sondern schwerpunktmäßig auf Grund von begründeten Anträgen zusätzlich. Wer meine, 68 Mill. € seien nichts, der habe den Bezug zum Geld verloren, sagte Gehrer. Des weiteren hätten die Universitäten im Jahr 2002 für die Infrastruktur 50 Mill. € bekommen, für Neu- und Umbauten kämen 165 Mill. € dazu, allein heuer seien dies 30 Mill. €. Damit liege die Bundesregierung längst bei den 100 Mill. € für die Jahre 2004 bis 2006 als zusätzliche Mittel für die Universitäten, so wie dies von der Opposition gefordert werde.

Natürlich, so die Ministerin weiter, stünden die Universitäten vor großen Herausforderungen und sie könne nur bestätigen, dass diese das Universitätsgesetz sehr zügig und professionell umsetzten. Auch die Studienbedingungen seien äußerst gut, 331 Stellen würden heuer neu ausgeschrieben und das Ministerium werde gemeinsam mit den Universitäten das Budget erarbeiten. Den Universitäten nütze es wenig, bemerkte Gehrer, wenn man sie dauernd schlecht rede. Es wäre gut, wenn sie von der Politik mehr positives Feedback bekämen. Im Gegensatz zur Opposition würden die österreichischen Universitäten im Ausland sehr gut bewertet und auch die Universitätsreform des Jahres 2002 werde in anderen Staaten positiv diskutiert. Gehrer wies abschließend auf die Investition in Exzellenzzentren hin, welche sich zu Weltklasseinstituten entwickelten.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) schloss sich dem Appell der Ministerin an, die Universitäten nicht schlecht zu reden und stellte anhand einer Zeitungsmeldung aus dem Jahr 1977 fest, dass jedes Jahr zu Semesterbeginn vom Chaos geredet werde. Die Wortmeldung von Abgeordnetem Van der Bellen kritisierte sie ihrerseits als "pauschale Polemik" und "Geschwafel". Im Gegensatz dazu handle die Regierung und betreibe eine Politik der Konsolidierung. Bei einer Budgeterhöhung von 6 % könne man keineswegs von Notstand reden, betonte Brinek. Niemand behaupte, dass man in üppigen Zeiten lebe, aber selbst der Vorsitzende der Rektorenkonferenz habe bestätigt, dass man mit den Mitteln leben könne. Die Opposition agiere mit falschen Zahlen und es stünde ihr an, gerade anlässlich einer Debatte um die Universitäten differenzierter zu argumentieren.

Als "unfähig" bezeichnete Abgeordneter DDR. NIEDERWIESER (S) die Bildungspolitik der Regierung und des Parlaments und versuchte dies anhand von Fakten zu untermauern: Das Budget sei absolut unzureichend und habe noch im Jahr 1999 einen Anteil am Gesamtbudget von 4,99 % gehabt. Heuer stünde es bei 3,86 %; die Studiengebühren hätten keine Verbesserung gebracht; die Motivation an den Universitäten liege auf Grund der Reform am Boden, da viele an der Mitsprache ausgeschlossen seien; der Regierungseinfluss sei so groß wie nie zuvor; viele Absolventen hätten keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, was eine Vergeudung geistiger Ressourcen darstelle und die Dienstrechtsnovelle 2004 richte großen Schaden an, da der Abschluss des Bakkalaureats nicht als akademischer Abschluss gewertet werden soll. Dies werde negativ in die Privatwirtschaft ausstrahlen. Es sei daher Zeit, dass diese Bildungspolitik ein Ende finde und abgelöst werde, schloss Niederwieser.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) konterte, dass sogar die SPÖ-Gewerkschafter gegen die Gleichsetzung von Bakkalaureat und Magisterium seien. Weiters führte sie ins Treffen, dass der Anteil des Wissenschaftsbudgets im Jahr 1997 bei 1,02 % des BIP gelegen sei, im Jahr 2004 sich der Anteil auf 1,36 % erhöhe. Alle Universitäten bekämen im Schnitt 6 % mehr, die Universität Wien sogar um 11 % mehr an Budgetmitteln. Österreich liege laut OECD unter 26 Ländern bei den Ausgaben pro Student an 9. Stelle, und noch vor Deutschland und Finnland. Durch die Universitätsreform würden die Universitäten massiv gefordert, da mehr Eigenverantwortung auch ein Umdenken voraussetze. Dieses Gesetz biete riesige Chancen für attraktive Forschung und Studienplätze, sagte Achleitner, und räumte ein, dass jede Umstrukturierung auch Probleme mit sich brächte. Umso mehr brauchten die Universitäten Unterstützung und Motivation, keineswegs aber ein Schlechtreden. Die Opposition wisse offensichtlich nicht, was sie wolle, denn einerseits spreche sie sich für zentrale planwirtschaftliche Universitäten aus, andererseits für weniger Einfluss des Staates. Achleitner rief in diesem Zusammenhang Grüne und SPÖ auf, die Universitäten arbeiten zu lassen und aufzuhören, auf Kosten der Universitäten Parteipolitik zu machen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) hinterfragte die Argumentation der Ministerin zur Budgetsteigerung und schilderte Fälle an den Universitäten von kontaminiertem Wasser, desolaten Baubeständen und nicht vorhandenen Mitteln, an der Universitätsklinik Innsbruck Überstunden zu bezahlen. Durch die Reform seien nun neue Kosten entstanden und mit weniger Personal könne man die Defizite keineswegs in den Griff bekommen. Bundesministerin Gehrer sage daher nicht die Wahrheit, denn im Jahr 2003 hätten die Universitäten mit 107 Mill. € weniger zu arbeiten und im Jahr 2004 erreiche man das Budget aus dem Jahr 1999. Wenn unter all diesen Voraussetzungen von Eliteuniversitäten gesprochen werde, so sei das damit zu vergleichen, wenn man einen Gourmettempel in einem Land der Mangelernährung bauen wollte.

In Reaktion auf die vorangegangenen Wortmeldungen stellte Bundesministerin GEHRER aus ihrer Sicht klar, dass sie selbst nicht von Eliteuniversitäten spreche. Es stünde jedoch ein Vorschlag im Raum, der von einer Arbeitsgruppe geprüft werde. Aus ihrem Munde höre man auch nichts von sagenhaften Budgetsteigerungen, sie möchte aber feststellen, dass die Universitäten über ein gesichertes Budget verfügten. In diesem Zusammenhang zitierte sie eine Tabelle aus dem "Standard", wonach es im Jahr 1997 unter Bundesminister Scholten und Bundeskanzler Klima das niedrigste Budget für die Universitäten gegeben habe. Seither seien wiederum Steigerungen zu verzeichnen. Gehrer unterstrich noch einmal, dass die von der Opposition geforderten 100 Mill. € zur Verfügung stünden, nämlich 68 Mill. € für Infrastruktur und allein 30 Mill. € heuer für Bauvorhaben. Das Erasmus-Programm werde auch nicht gekürzt, bekräftigte sie, und die Publizistik stelle ein gutes Beispiel dafür dar, wie man die Diskussion versachlichen und die Probleme in den Griff bekommen könne.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) kritisierte den "reißerischen" Titel der Aktuellen Stunde und bezichtigte die Opposition der "Panikmache". Mehr Geld könne doch nicht zum Aushungern führen, merkte er an, und wies auf den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz hin, der die finanziellen Herausforderungen für bewältigbar halte. Von den über 100 Studienrichtungen in Wien komme es lediglich an sechs zu Engpässen. Die Universitäten bekämen jährlich mehr als 2 Mrd. €, argumentierte Donnerbauer, und durch das Universitäts-Gesetz 2002 könnten die Universitäten die Mittel dort einsetzen, wo sie es für sinnvoll und effizient hielten. Wie seine Vorrednerin Achleitner wies er auf internationale Vergleiche hin und hielt fest, dass in Österreich bereits eine Forschungsquote von 2,27 % erreicht worden sei. Die Opposition hänge an einem veralteten Modell, nämlich die Universitäten als Dienststellen des Bundes anzusehen. Die Opposition solle endlich mit ihrer Verunsicherungspolitik aufhören, forderte Donnerbauer.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) kritisierte die Ministerin, die den Eindruck vermittle, alles sei in Ordnung, obwohl dies nicht stimme. In dieser schwierigen und verzweifelten Situation leisteten die Universitäten Hervorragendes, sagte Kuntzl. Um die Lage zu illustrieren, zitierte sie Berichte, wie sie auf der Homepage der Österreichischen Hochschülerschaft nachzulesen seien und die den Notstand an den Universitäten verdeutlichten. Trotz Studiengebühren würden die Bedingungen schlechter, von Weltklasseuniversitäten sei man weit entfernt. Das Hochschulbudget werde, gemessen am Gesamtbudget, immer weniger, sagte Kuntzl. Wäre die SPÖ-Politik fortgesetzt worden, könnten die Universitäten heute mit 280 Mill. € mehr rechnen. Sie appellierte an die Ministerin, Gespräche mit Hochschulangehörigen nicht zu verweigern.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) meinte, in der Landesverteidigung würde man diese Aktuelle Stunde als „klassischen Rohrkrepierer“ bezeichnen, weil all das, was von Grüner Seite gekommen ist, enttäuschend gewesen sei. Das hänge auch damit zusammen, dass die Grünen noch nie Regierungsverantwortung tragen mussten. Nach der heutigen Rede von Dr. Van der Bellen könne man nur hoffen, dass sie nicht so schnell Verantwortung übernehmen werden. Auch äußerte der Abgeordnete seine Ansicht, dass die Grünen andere Sorgen haben, da sie sich in letzter Zeit zu keinem brisanten Thema wie Gesundheitsreform, Finanzausgleich geäußert haben.

Abgeordnete SBURNY (G) warf ihrem Vorredner vor, kein Wort zur Bildungs- und Uni-Politik gesagt zu haben. Aus ihrer Sicht lautet die zentrale Frage nicht, ob die Globalbudgets um 1,3 % gestiegen und die Gesamtaufwendungen für die Universitäten um 0,4 % gesunken sind, Faktum sei viel mehr, die Situation an den Universitäten sei trist und die Lage verschlechtere sich weiter. Die Bedingungen für die Studierenden verschlechtern sich laufend, sie haben mit der Einführung der Studiengebühren angefangen, weil sie länger für ihr Studium als vorher brauchen, weil sie arbeiten müssen, um ihr Studium finanzieren zu können. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)