Parlamentskorrespondenz Nr. 900 vom 02.12.2004

UMWELTAUSSCHUSS VERABSCHIEDET AWG-NOVELLE 2004 MIT F-V-MEHRHEIT

SPÖ und Grüne befürchten Belastungen für Gemeinden und Bürger

Wien (PK) - Im Mittelpunkt des zweiten Teils der heutigen Sitzung des Umweltausschusses stand die Debatte über den Regierungsentwurf für eine Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2004 (672 d.B.). Sie bringt die Umsetzung der EU-Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, der Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie), der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (EAG-Richtlinie) sowie der Entscheidung zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien (Deponieentscheidung). - Der Beschluss erfolgte mit der Mehrheit der Regierungsparteien in der Fassung eines von F-Abgeordnetem Klaus Wittauer vorgelegten umfangreichen Abänderungsantrages.

Die Oppositionssprecher, allen voran die Abgeordneten Hannes Bauer und Kai Jan Krainer (beide S) sowie Heidemarie Rest-Hinterseer (G) kritisierten die aus ihrer Sicht "schwammige" Formulierung für die von der EU-Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur Übernahme der Entsorgungskosten durch die Hersteller von Elektrogeräten und äußerten die Sorge, dass diese Kosten bei den Gemeinden und damit in Form von Müllgebühren bei den Konsumenten "hängenbleiben" werden. -  Umweltminister Josef Pröll bemühte sich demgegenüber, diese Sorgen zu zerstreuen: Die Verpflichtung der Hersteller, die Entsorgungskosten zu tragen, zähle zu den Eckpunkten des Gesetzes. Die Interessen der Gemeinden seien berücksichtigt und klargestellt, dass die Bürger Altgeräte gratis bei den Sammelstellen der Gemeinden oder bei den Händlern abgeben können. Über die Details haben Hersteller und Gemeinden Vereinbarungen zu treffen.    

Anträge der SPÖ zur Kennzeichnung bepfandeter Mehrwegverpackungen, insbesondere von Getränkeflaschen (437/A und 244/A) sowie zur Einführung von Sanktionen (Geldstrafen) bei Verstößen gegen die Getränkezielverordnung (29/A[E]) fanden keine Zustimmung der Ausschussmehrheit, sie blieben in der Minderheit der Antragsteller.

Auch der Vorschlag der Grünen, für Mobiltelefone ein bundesweites Pfandsystem einzuführen (321/A[E]), um zu verhindern, dass gefährliche Stoffe wie Cadmium in die Umwelt gelangen, wurde abgelehnt, die Antragsteller blieben mit der SPÖ in der Minderheit. - Umweltminister Pröll hatte argumentiert, das Problem Alt-Handy-Entsorgung sei mit der AWG-Novelle gelöst.

DIE DETAILS DER AWG-NOVELLE

Im Einzelnen wird die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Prüfung sowie allenfalls Durchführung einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Erstellung umweltbezogener Pläne und Programme (etwa von Abfallbewirtschaftungsplänen) und die Öffentlichkeitsbeteiligung, einschließlich NGOs an UVP-Vorhaben und IPPC-Verfahren sowie der Zugang der Parteien zu den Gerichten geregelt.

Hersteller und Importeure von Elektro- und Elektronik-Altgeräten werden verpflichtet, Sammelstellen einzurichten und sich an einem Sammel- und Verwertungssystem für historische Geräte zu beteiligen. Die Gemeinden müssen Abgabestellen für Elektro- und Elektronik-Altgeräte einrichten.

Außerdem werden rechtliche Rahmenbedingungen für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für die Sammlung und Behandlung bestimmter Abfälle geschaffen und die Verpflichtung des Abfallbesitzers verankert, Abfälle vor der Übergabe an den Deponieinhaber untersuchen zu lassen. Abfallsammler und –behandler werden zur Registrierung verpflichtet und Klarstellungen im Anlagenrecht und bei Behandlungsaufträgen getroffen. Im Detail geregelt wird die kostenlose Rückgabemöglichkeit für Altgeräte aus privaten Haushalten und die Verpflichtung des Handels, bei Neukauf eines Elektro- oder Elektronikgerätes ein Altgerät derselben Art oder Funktion kostenlos zurückzunehmen ("1:1-Regelung"). Das Sammelziel von 4 kg pro Einwohner und Jahr soll bis Ende 2006 erreicht werden. Für die umweltgerechte Behandlung der gesammelten Altgeräte sind Hersteller und Importeure verantwortlich. Umweltgefährdende Bestandteile müssen einer speziellen Behandlung zugeführt werden. Für Altgeräte gelten Verwertungsquoten, die bis Ende 2006 zu erreichen sind.

Die Finanzierung des Transportes der Haushalts-Altgeräte von den Sammel- bzw. Abgabestellen sowie der Behandlung haben die Hersteller und Importeure zu tragen ("Produzentenverantwortung"). Für so genannte historische Altgeräte (von vor dem 14. August 2005) müssen sich Hersteller und Importeure an einem Sammel- und Verwertungssystem beteiligen. Für Altgeräte aus Gewerbe und Industrie sind grundsätzlich die Hersteller verantwortlich. Ergänzt werden diese Punkte um Bestimmungen zur Kennzeichnung von Elektro- und Elektronikgeräten.

Für Altgeräte aus dem Distanzhandel ("e-commerce") soll eine spezielle Finanzierungsregelung gelten. Dazu kommt ein Verbot bestimmter umweltgefährdender Substanzen (Schwermetalle) bei der Produktion sowie beim In-Verkehr-Setzen elektrischer und elektronischer Geräte.

AUSZÜGE AUS DER DEBATTE

Abgeordnete Helga Machne (V) begrüßte es, dass die Entsorgung von Elektro-Altgeräten künftig von den Unternehmen finanziert werde und der Bürger dafür nichts mehr zu bezahlen habe.

Abgeordneter Gerhard Steier (S) äußerte die Befürchtung, die vorgesehene Koordinierungsstelle werde als "Lobbystelle der Hersteller" fungieren. 

Umweltminister Josef Pröll erinnerte daran, dass die AWG-Novelle nicht nur Maßnahmen für die Entsorgung alter Elektrogeräte enthalte, sondern auch Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Öffentlichkeitsrichtlinie und Bestimmungen für die strategische Umweltprüfung.

Fragen zur Entsorgung von Elektronik-Schrott beantwortete der Ressortleiter mit dem Hinweis darauf, dass die Eckpunkte der neuen Regelung gesetzlich fixiert seien, die Umsetzung aber per Verordnung geregelt werde. Im Vorfeld der Regierungsvorlage seien intensive Diskussionen mit den Gemeinden und der Wirtschaft geführt worden. Pröll betonte das Ziel, jene Stoffe, die wiederverwertbar seien, in die Produktionskette zurückzuführen. Der Bürger könne Altgeräte gratis bei der Gemeinde oder beim Händler abgeben. Die Frage der Finanzierung der vorgesehenen Sammelstellen sei eindeutig geregelt. Hersteller und Gemeinden werden dafür Übereinkommen zu treffen haben.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) äußerte demgegenüber die Befürchtung, die Kosten für die Entsorgung elektronischer Altgeräte könnten bei den Gemeinden hängen bleiben, sodass die Konsumenten die Entsorgung letztlich über die Müllgebühr bezahlen müssen. Dies etwa dann, wenn sich Gemeinden und Hersteller über die Finanzierung der gesetzlich vorgeschriebenen Sammelstellen nicht einigen können. Abgeordneter Krainer schlug daher vor, im Gesetz ausdrücklich festzuschreiben, dass die Hersteller die Kosten für die Entsorgung der Altgeräte tragen müssen.

Außerdem machte Abgeordneter Krainer auf das Problem aufmerksam, dass für die Entsorgung von Kühlschränken bereits 45 Mill. € von den Konsumenten eingehoben wurden. "Was passiert mit diesem Geld?"

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (G) sah einen Widerspruch zwischen AWG-Novelle und EU-Richtlinie, die vorsehe, dass die Hersteller die Entsorgungskosten tragen, nicht die in der AWG-Novelle vorgesehenen Kommunen.

Bundesminister Josef Pröll unterstrich die Verpflichtung der Hersteller, die Entsorgungskosten zu tragen. Wichtig sei, dass die Bürger den Müll gratis abgeben können. Das Gesetz regle klar, dass die Gemeinden und die Hersteller sich zu einigen haben.

Die Interessen der Gemeinden werden berücksichtigt, hielt der Minister fest.

Die Geldmittel, die unter dem Titel "Kühlschrankpickerl" gesammelt wurden, werden zurückerstattet, wenn die Bürger ihre Kühlschränke abgeben, versicherte der Ressortleiter. Dass die vorgesehene Koordinierungsstelle von der Wirtschaftskammer geführt werde, wollte der Umweltminister nicht ausschließen. Die Frage der Abgeordneten Rest-Hinterseer, ob er bereit sei, ein Pfandsystem für Mobiltelefone einzuheben, beantwortete der Minister im Hinblick auf die Lösungen im Zuge der AWG-Novelle mit einem klaren Nein. (Schluss)