Parlamentskorrespondenz Nr. 912 vom 03.12.2004

ARBEITNEHMERiNNEN SOLLEN NICHT IN PENSIONSKORRIDOR GEZWUNGEN WERDEN

Alle Parteien befürworten Maluspflicht für Unternehmen

Wien (PK) – Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hatte heute eine umfangreiche Tagesordnung zu bewältigen. EU-Anpassungen wurden vorgenommen, Gesetzesänderungen angepasst und oppositionelle Anträge behandelt.

EINMALBEITRAG DER UNTERNEHMER ZUR ARBEITSLOSENVERSICHERUNG

ÖVP und FPÖ schlagen eine Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes vor. Es geht um den Einmalbeitrag zur Arbeitslosenversicherung, den Unternehmen entrichten müssen, wenn sie eine/-n über 50-jährige/-n ArbeitnehmerIn kündigen, der/die länger als 10 Jahre im Betrieb beschäftigt war. Dieser Malus war bisher nicht zu entrichten, wenn der/die ArbeitnehmerIn zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Frühpension erfüllt hat. Da ein vorzeitiger Pensionsantritt in Hinkunft jedoch mit Abschlägen verbunden ist und die Koalitionsparteien ArbeitnehmerInnen nicht zur Inanspruchnahme der reduzierten Korridorpension zwingen wollen, soll die Maluspflicht des Dienstgebers dem Antrag zufolge auch dann aufrecht bleiben, wenn der/die gekündigte DienstnehmerIn die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Korridorpension erfüllt.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, seine Fraktion werde zustimmen, wenngleich die Verbesserungen absolut unzureichend seien. S-Abgeordneter Dietmar Keck hielt den Malus für zu gering und regte an, im Zusammenhang mit der Korridorpension über einen besseren Kündigungsschutz nachzudenken, da im Arbeiterbereich die Leistungsfähigkeit eines 62-Jährigen nicht mehr die eines 30- oder 40-Jährigen sei. Seine Fraktionskollegin Christine Lapp wollte wissen, wie viele Dienstgeber Maluszahlungen leisten. F-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek meinte, in Hinkunft könne jemand mit 62 Jahren wählen, ob er in die Arbeitslosigkeit geht und somit geringere Abschläge hat oder ob er Versicherungszeiten erwerben möchte. Die Maluspflicht des Dienstgebers bleibe auf jeden Fall aufrecht.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) wollte wissen, warum Frauen den Korridor nicht in Anspruch nehmen können. Die Realität in den Betrieben ist eine andere, betonte S-Abgeordneter Richard Leutner, weil die Menschen - besonders Frauen - bereits vor dem 62. Lebensjahr gekündigt werden. Daher habe die SPÖ ein umfassendes Begleitpaket zur Pensionsreform und zum Harmonisierungsgesetz verlangt. Die vorgesehenen Maßnahmen stellen für ihn nur eine „Minimalanpassung an das Harmonisierungsvorhaben“ dar, eine Lösung des Problems sei es aber nicht, unterstrich er.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) sprach von einem wichtigen Schritt, der mit dem vorliegenden Antrag gesetzt werde, weil man ein „Abdrängen aus dem Arbeitsmarkt bzw. ein Ermuntern zum Abgang aus dem Arbeitsmarkt“ hintanhalten wolle. Auch möchte er den Schutzmechanismus, der zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr besteht, auf das 53. bis 65. Lebensjahr verschieben. Die Korridorpension, unterstrich er, sei keine Ergänzung, auch kein gleitender Übergang in die Pension, sondern beruhe auf Freiwilligkeit.

Bundesminister Martin Bartenstein machte darauf aufmerksam, dass es den Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer noch gebe. Er räumte ein, dass seit einigen Monaten die Arbeitslosigkeit von Frauen zunehme, wenngleich sie im November leicht zurückgegangen sei.

Die EU lässt das in Österreich bestehende unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen nicht zu; in den meisten EU-Ländern gibt es das auch nicht mehr. Wenn man für Frauen eine Korridorpensionsregelung schaffen würde, würde man neues Recht schaffen, was laut EU-Recht nicht zulässig ist.

Über die Abschläge im Rahmen der Korridorpension gab es Übereinstimmung mit den Sozialpartnern, betonte Bartenstein. Zudem hätten die Sozialpartner die Forderung erhoben, dass die Korridorpension schon mit 62 Jahren und nicht erst mit 63 Jahren in Anspruch genommen werden kann.

Abgeordneter Richard Leutner (S) warf ein, bei der Konstruktion der Korridorpension komme es darauf auf, auf welchem Zeitpunkt die Harmonisierungsbestrebungen aufsetzen.

Der Antrag wurde mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

ARBEITSZEIT-SONDERREGELUNG FÜR FLIEGENDES PERSONAL

Da die gänzliche Ausnahme des Bordpersonals aus dem Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes und die teilweise Ausnahme vom Arbeitsruhegesetz dem EU-Recht widersprechen, wird eine Änderung des Arbeitszeit - und Arbeitsruhegesetzes notwendig. In Hinkunft wird es eine Sonderregelung für die Arbeitszeit des fliegenden Personals im AZG unter Beibehaltung des bisherigen Systems der bescheidmäßigen Festsetzung von Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten sowie den Anspruch auf mindestens 96 arbeitsfreie Kalendertage pro Jahr bzw. mindestens sieben arbeitsfreie Kalendertage pro Monat geben, die im Voraus bekannt zu geben sind.

Abgeordneter Franz Riepl (S) gab bekannt, dass die SPÖ die Vorlage ablehnen werde, weil die Festlegung per Verordnung und Bescheid nicht akzeptabel sei und eine Umgehung der Arbeitnehmermitbestimmung darstelle. Das sei ein weiteres Beispiel, wie die Bundesregierung mit Arbeitnehmerinteressen umgehe. In die gleiche Richtung argumentierte G-Abgeordneter Karl Öllinger und wies darauf hin, dass man mit derartigen Regelungen den Beschäftigten und dem Transportgewerbe keinen guten Dienst erweise. Bisher sei auch schon die bescheidmäßige Festlegung möglich gewesen, erklärte V-Abgeordneter Walter Tancsits. Abgeordneter Richard Leutner (S) machte darauf aufmerksam, dass einige Artikel der EU-Richtlinie hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes nicht in die Regierungsvorlage übernommen wurden.

Die Regierungsvorlage wurde in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrages mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien beschlossen.

REGELUNGEN DES AGRARRECHTS-ÄNDERUNGSGESETZES WERDEN INS LANDARBEITSGESETZ ÜBERNOMMEN

Die Bestimmungen des Agrarrechts-Änderungsgesetzes 2000 wurden bisher im Landarbeitsgesetz nicht nachvollzogen. Aus diesem Grund hat die Regierung einen Entwurf vorgelegt, um die Reformen bei der Gleichstellung der Arbeitnehmergruppen, die Aliquotierung des Urlaubs, den Entfall der Postensuchtage sowie die Bestimmungen zur Familienhospizkarenz auch bei den Landarbeitern umzusetzen. Auch werden die bisher im Landarbeitsgesetz normierten Haushaltstage für Dienstnehmerinnen mit eigenem Haushalt sowie das Frauennachtarbeitsverbot entfallen. Auf dem Gebiet des Dienstnehmerschutzes ist es primäres Ziel dieser Novelle, die Zahl der Arbeitsunfälle weiter zu senken, die landwirtschaftlichen Betriebe aber gleichzeitig von bürokratischen Hemmnissen zu entlasten und Kosten so weit wie möglich zu senken. Dazu kommt ein Diskriminierungsverbot für befristet beschäftigte Dienstnehmer, die gesetzliche Verankerung der Informationspflichten beim Betriebsübergang und die Schaffung einer verfassungskonformen Haftungsregelung. (547 d.B.)

Abgeordneter Richard Leutner (S) wies darauf hin, dass der Wegfall der Urlaubsaliquotierung Verluste für die Arbeitnehmer im Ausmaß von 5 Mrd. Schilling gebracht habe. Bestimmungen, die die Situation der Arbeitnehmer verschlechtern, könne die SPÖ nicht zustimmen. Abgeordneter Karl Öllinger (G) stellte die Frage, weshalb man ein eigenes Landarbeitsgesetz brauche und ob man daran denke, für alle unselbständig Beschäftigten ein einheitliches Arbeits- bzw. Arbeitnehmerschutzgesetz zu schaffen. Abgeordnete Christine Lapp(S) wollte wissen, ob für die Landarbeiter auch die Familienhospizkarenz eingeführt werde.

Die Vorlage (in der Fassung eines Abänderungsantrages) wurde teils einstimmig, teils mit V-F-Mehrheit verabschiedet.

NACHTSCHWERARBEITSGESETZ SOLL SOWOHL AUF NACHTARBEIT ALS AUCH AUF SCHWERARBEIT AUSGEDEHNT WERDEN – SPÖ-FORDERUNG ABERMALS VERTAGT

Für die Ausdehnung des Anspruchs auf Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und Sonderruhegeld nach den Bestimmungen des Nachtschwerarbeitsgesetz es sowohl auf Nachtarbeit als auch auf Schwerarbeit tritt die SPÖ ein. Nicht nur Nachtschwerarbeit, sondern Nachtarbeit und Schwerarbeit brächten, wie Studien zeigten, Gesundheitsrisken und eine Verkürzung der Lebenserwartung, untermauern die Antragsteller ihr Verlangen.

In einem Abänderungsantrag erstrecken die Sozialdemokraten die Frist für eine Neuregelung bis zum 31. Jänner 2005.

Die arbeitsmedizinischen Erkenntnisse sind gesichert und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachgewiesen, bekräftigte Abgeordneter Karl Öllinger (G). Es sei ein Arbeitskreis eingerichtet worden, der sich mit der Schwerarbeit befasst, teilte F-Abgeordneter Maximilian Walch mit und brachte den Antrag ein, die Verhandlungen zu vertagen. Minister Martin Bartenstein stellte in Abrede, dass es Studien über die Lebenserwartung von Schwerarbeitern gebe, ihm sei nur eine Studie aus Linz über die voest bekannt. Diese Studie besagt, erläuterte Abgeordneter Dietmar Keck (S), dass das durchschnittliche Todesalter bei der voest – die Zahlen stammen aus der Sterbekasse - 59,6 Jahre betrage; Arbeitsmediziner hätten in nationalen und internationalen Studien darauf hingewiesen, dass die Nachtarbeit eine immense Belastung darstelle, fügte Keck an. Im Rahmen der Diskussion über die Sterbetafeln meldete sich auch Bundesminister Herbert Haupt zu Wort und teilte mit, dass 18 % der Männer und 8,7 % der Frauen nicht das 60. Lebensjahr erreichen, das 65. Lebensjahr erleben über 22 % der Männer und mehr als 10 % der Frauen nicht.

Zum dritten Mal wurde die Behandlung dieses S-Antrages vertagt. (Forts. Hauptverband)