Parlamentskorrespondenz Nr. 915 vom 03.12.2004

UMFASSENDE ENERGIEDEBATTE IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS

Vor Dreiparteieneinigung für Ökostromgesetz-Novelle

Wien (PK) - Der Wirtschaftsausschuss eröffnete unter dem Vorsitz von Obmann Reinhold Mitterlehner seine heutige Sitzung mit einer ebenso umfassenden wie aktuellen energiepolitischen Debatte. Auf der Tagesordnung stand der Jahresbericht 2003 der Energie-Control (III-107 d.B.) mit den Schwerpunkten beschleunigte Entwicklung des europäischen Energiebinnenmarktes, Kyoto-Klimaschutzziele und Handel mit Emissionszertifikaten, Energiepreisentwicklung, Ökostrom-Boom in Österreich und Tätigkeit der Regulierungsbehörde E-Control.

Mit S-V-F-Mehrheit wurde die Tagesordnung um die Regierungsvorlage für eine Ökostromgesetz-Novelle 2004 (655 d.B.) ergänzt, zu der Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) einen umfangreichen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien vorlegte. Die verspätete Vorlage dieses Antrages rief heftige Kritik bei der Opposition hervor, für die die Sprecher der Regierungsparteien Verständnis zeigten. Inhaltlich ließen die grundsätzlich positiven Stellungnahmen der SPÖ eine Dreiparteien-Einigung möglich erscheinen, sodass sich die Ausschussmitglieder schließlich einstimmig darauf einigten, die Debatte über die Ökostromgesetz-Novelle am Donnerstag der nächsten Woche, dem ersten Plenarsitzungstag, um 7.30 Uhr fortzusetzen. Einen positiven Beschluss des Ausschusses vorausgesetzt, kann die Ökostromgesetz-Novelle - unter Absehen der 24-stündigen Auflagefrist - noch am selben Tag vom Nationalratsplenum verabschiedet werden.  

AUS DER DEBATTE ÜBER DEN E-CONTROL-BERICHT

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) kritisierte die Strompreisentwicklung, die für die privaten Haushalte nicht gehalten habe, was die Väter der Liberalisierung versprochen haben. Industrie-Strom wurde verbilligt, Strom für das Gewerbe kaum und für die Haushalte gar nicht. Als Ursachen nannte der Abgeordnete die Verdoppelung der Energieabgabe. Außerdem haben die Versorgungsunternehmen unwirtschaftliche Kraftwerke stillgelegt, wodurch das Stromangebot verknappt und die Preise erhöht wurden, analysierte Oberhaidinger. Der E-Control warf Oberhaidinger vor, Netzgebühren "über den Daumen zu peilen", wobei er es grundsätzlich für unmöglich hielt, die Strompreisentwicklung nur über die Netzgebühren zu beeinflussen. Darüber hinaus sah der Abgeordnete Gefahren für die Sicherheit der Stromversorgung und erkundigte sich mit Nachdruck nach der "österreichischen Stromlösung".

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) forderte seinen Vorredner auf zu beachten, dass die Energiemarktliberalisierung laut WIFO ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,3 % und eine Senkung der Lohnstückkosten um 2,5 % ermöglicht habe. Bei der Entwicklung der Strompreise sei zu beachten, dass die Energieabgabe verdoppelt wurde und Ökostromförderungszuschläge zu leisten seien. Die Industriepreise seien um 50 % gesunken, aber auch die Haushaltspreise konnten geringfügig gesenkt werden.

Abgeordneter Johann Moser (S) meinte dennoch, "das Kartenhaus Stromliberalisierung ist zusammengebrochen". Die Investitionen gehen sowohl beim Netzausbau wie bei den Kraftwerken zurück, klagte Moser und wies ebenfalls auf die sinkende Versorgungssicherheit hin. Außerdem kritisierte Moser mangelnde Rechtssicherheit für die Stromversorger kleiner Städte und nicht nachvollziehbare Berechnungen der Verteilungskosten.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) konstatierte dramatischen Handlungsbedarf in der Energiepolitik, da die Daten des gut gestalteten Berichts deutlich zeigten, dass Europa mit einer großen Energielücke rechnen müsse. Sie sei nur durch den Einsatz zusätzlicher traditioneller Energiequellen zu schließen. Es fehle aber die Investitionsneigung. Die Arbeit der E-Control sei sehr wichtig, weil der Energiemarkt nach wie vor unvollkommen sei und eine oligopolistische Struktur aufweise. Gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen Oberhaidinger appellierte Bauer an den Wirtschaftsminister, am Ziel einer großen österreichischen Energie-Lösung festzuhalten.

Abgeordneter Karl-Heinz Kopf (V) zeigte sich froh darüber, eine unabhängige Kontrollbehörde geschaffen zu haben, die zum Funktionieren des Energiemarktes beitrage. Der Markt sei noch unvollkommen und die E-Control stehe noch vor großen Herausforderungen. Kopf attestierte ihr aber Erfolge bei der Korrektur von Netztarifen - eine dritte Runde sei derzeit im Gange - und machte darauf aufmerksam, dass die unterschiedlichen Tarifstufen teilweise nicht geografisch, sondern historisch erklärbar seien. Diese Unterschiede könne man nicht fortschreiben, es brauche den Einsatz von Benchmarks. Die Liberalisierung habe zu beträchtlichen Effizienzsteigerungen bei den Energieversorgern geführt, die teilweise Kompensation der Preissenkungen durch Steuererhöhungen habe mit der Liberalisierung nichts zu tun.

Abgeordneter Werner Kogler (G) erinnerte daran, dass die Grünen immer dafür waren, die alten Strukturen in der E-Wirtschaft aufzubrechen, die Auswirkungen einer Liberalisierung aber nie allzu optimistisch betrachtet haben. Koglers Fragen an die E-Control und an den Ressortleiter galten der Netzauslastung im Süden Österreichs, wobei er an die Belastung des Netzes durch Pumpstromtransporte, vor allem aber auch durch grenzüberschreitende Transitlieferungen von Atomstrom dachte, die den Anti-Atom-Auftritt Österreichs in Europa unglaubwürdig machten. Hinsichtlich der notwendigen Investitionen sollte man nicht so tun, als gehe es nur darum, den Strompreis so niedrig wie möglich zu halten.

Auch wenn klar sei, dass man bei der Substitution alter Erzeugungskapazitäten nicht ohne Großkraftwerke auskommen werde, sollte man sich nicht von der Nachhaltigkeit verabschieden und dies durch Berechungen untermauern, bei denen man volkswirtschaftliche Aspekte unberücksichtigt lasse. Kogler argumentierte mit regionalwirtschaftlichen Effekten und der Substitution von Erdölimporten für die Ökostromförderung. Es gehe nicht nur um die Windkraft, sondern auch darum, Biomasse-Projekte zu fördern, die knapp unter der betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsgrenze liegen. Er sehe keinen Grund dafür, bei der Ökostromentwicklung eine positive Entwicklung zum Stillstand zu bringen.

Die E-Control kritisierte Kogler wegen tendenziöser Darstellungen und Inseraten gegen die Ökostrom-Branche. "Es kann nicht Sache einer unabhängigen Kontrollbehörde sein, sich an Kampagnen der Industriellenvereinigung zu beteiligen".

Der Geschäftsführer der Energie-Control DI Walter Boltz beantwortete die aufgeworfenen Fragen der Abgeordneten, indem er feststellte, dass die Energiemarktliberalisierung den Kunden durchaus etwas gebracht habe. Der Haushaltsstromtarif sei über fünf Jahre hinweg konstant geblieben, Großabnehmer haben zunächst stark profitiert, ihre Preise steigen zuletzt aber wieder, das Gewerbe verzeichne nach wie vor Vorteile. Die Frage, was ohne Liberalisierung gewesen wäre, sei mittlerweile nicht mehr seriös zu beantworten, sagte der E-Control-Geschäftsführer.

Investitionsmittel für das Stromnetz seien vorhanden, auch in Erzeugungskapazitäten werde in den nächsten Jahren investiert werden. 25 % der Stromerzeugung werden gefördert, das sei ein hoher Wert, laut Boltz ein zu hoher, weil er eine Einschränkung kommerzieller Investitionen befürchten lasse.

Es habe sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, dass es nicht möglich sei, den Stromverbrauch vom Wachstum zu entkoppeln. Es sei möglich, den Energiebedarf zu entkoppeln, der Stromverbrauch nehme aber zu.

Die weisungsfreie Energiekontrollkommission habe die Aufgabe, durch Anhörungen die Kostenbasis für die Netztarife zu ermitteln. Der Einsatz von Benchmarks sei auf Widerstand von Unternehmens- und Eigentümervertretern gestoßen und daher nicht realisiert worden.

Auch für kleine Unternehmen bestehe weitgehende Rechtssicherheit, sagte DI Boltz und berichtete über den Abschluss höchstgerichtlicher Verfahren sowie über die Hilfestellung, die die E-Control den Unternehmen biete. Die Netzbetreiber haben in den letzten Jahren Rationalisierungsfortschritte erzielt und geben die Kostensenkungen an ihre Kunden weiter. "Die Netze werde heute effizienter geführt", sagte Boltz. Es sei der E-Control auch gelungen, die Transparenz der Kostenberechnungen zu erhöhen. Der "Tarifkalkulator" auf der E-Control-Homepage verzeichne bereits 1,2 Millionen  Anfragen. Außerdem informierte Boltz über die Beratungstätigkeit der E-Control.

Das Management des Nord-Süd-Engpasses im 380-KV-Netz koste 18 Mill. €, also mehr als Bau und Betrieb der geplanten Leitung, die den Ausgleich der Erzeugungsüberkapazitäten im Nord-Osten des Bundesgebietes und des Strombedarfs im Süden kosten würde. Die Nord-Süd-Leitung werde zu 20 % für Stromtransit und zu 80 % für den Inlandsverbrauch genützt.

Auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein forderte die Opposition auf, bei ihrer Kritik an der Strompreisentwicklung zu beachten, dass eine 20-prozentige Liberalisierungsrendite von der Abgabenentwicklung teilweise kompensiert werde. Das hohe Maß an Stromversorgungssicherheit in Österreich sei international anerkannt, unterstrich der Minister, bekannte sich aber zugleich zum Ringschluss der 380-KV-Leitung in der Steiermark und in Salzburg.

Der Energie Austria habe sowohl die EU-Kommission als auch österreichische Institutionen grünes Licht gegeben. Er halte eine derartige Bündelung der Kräfte für sinnvoll und wolle "die Flinte keineswegs ins Korn werfen", bekräftigte der Wirtschaftsminister.

Zum Thema Ökostrom hielt der Minister einmal mehr fest, dass eine Tonne CO2-Einsparung im Emissionshandel 5 € bis 10 € koste, bei Investitionen in Windenergie aber 100 €, bei Biomasse 200 € und bei Photovoltaik gar 900 € bis 1.000 €.

Auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten Kurt Eder (S) bekräftigte der Wirtschaftsminister seine Unterstützung für das Projekt einer Erdgas-Pipeline aus dem Iran nach Europa.

Der E-Control-Bericht 2003 wurde mit V-F-Mehrheit zur Kenntnis genommen.

START DER DEBATTE ÜBER DIE ÖKOSTROMGESETZ-NOVELLE 2004

Abgeordnete Eva Glawischnig (G) hielt fest, dass das geltende Ökostromgesetz zwei Jahre lang gut funktioniert habe und bedauerte, dass der Wirtschaftsminister nicht bereit sei, Effizienzprobleme per Verordnung zu lösen, sondern einen Novellenentwurf vorgelegt habe, der trotz zunehmender CO2-Probleme, eines steigenden Ölpreises und wachsender Atomstromimporte auf eine Kürzung der Ökostrom-Förderung um 80 % hinauslaufe. Dies sei umso bedauerlicher, als Österreich bei der Erfüllung der Klimaschutzverpflichtungen ohnehin schon im letzten Drittel vergleichbarer Länder liege. Auch Glawischnig warf der E-Control vor, sich einer Kampagne gegen die Ökostrom-Branche angeschlossen zu haben. Kritisch kommentierte die Abgeordnete die Änderungen für Kraft-Wärme-Kopplungen, die Auswirkungen des First Come/First Serve-Prinzips, die Einführung eines Effizienzvergleichsverfahrens für Windkraftprojekte und den Entfall der generellen Abnahmegarantie für Ökostrom.

Abgeordneter Karl-Heinz Kopf (V) brachte zunächst seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Grünen nun mit dem Ökostromgesetz ein Gesetz lobten, dem sie nicht zugestimmt haben. Die Ausführungen Koglers und Glawischnigs zeigten zudem, dass Kostenbetrachtungen für Grüne nicht relevant seien. Das Ökostromgesetz habe einen Schub für Ökostrom gebracht, zugleich aber auch eine unerwartete Kostendynamik entstehen lassen. Eine Kumulierung unerwünschter Effekte habe zu einer Überförderung geführt. Darauf zu reagieren sei die Verantwortung des Gesetzgebers. Kopf legte einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien vor, der vorsah, die Förderung für alte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen unverändert zu lassen, nicht ausgenützte Mittel aber zeitlich befristet auch für neue Anlagen zur Verfügung zu stellen. Eine Investitionsförderung werde auch für mittlere Wasserkraftwerke (10 bis 20 MW) eingeführt, um "Heruntertypisierungen" zu vermeiden.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) merkte grundsätzlich an, dass das geltende Ökostromgesetz seine Ziele bei der Windkraft bereits erfüllt habe und auch andere Ökostrombereiche auf gutem Weg seien. Man habe die Kostenentwicklung aber nicht richtig eingeschätzt, daher sei es notwendig, eine Novellierung herbeizuführen.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) hielt die Kritik der Grünen nicht für nachvollziehbar und wies auf die Tatsache hin, dass Windkraftbetreiber mit garantierten 10-Prozent-Renditen auf 10 Jahre werben. Hofmann begrüßte auch die Vorkehrungen gegen das "Heruntertypisieren" von Kleinkraftwerken, um Förderungsmittel zu erhalten, weil dies einer Ressourcenvergeudung gleichkomme.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein begrüßte die grundsätzlich Einigung von ÖVP, FPÖ und SPÖ bei der Ökostrom-Novellierung und machte darauf aufmerksam, dass Europa beim Klimaschutz von Indien, China und den USA allein gelassen wurde und angesichts von 20 Millionen Arbeitslosen nicht darauf verzichten könne, seine Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Der Minister erinnerte an die vergleichsweise ungünstige Effizienz des Ökostroms bei der CO2-Einsparung im Vergleich zu betriebswirtschaftlichen Instrumenten und machte darauf aufmerksam, dass im Rahmen des Ökostromgesetzes auch Geld des Steuerzahlers investiert werde.

Das Ziel einer effizienteren Ökostromförderung sei nur auf gesetzlichem Wege erreichbar, sagte der Minister und zeigte sich überzeugt, dass die Förderung des Ökostroms etwas Gutes sei, "aber es ist derzeit zu viel des Guten".

Auf Antrag des Abgeordneten Georg Oberhaidinger (S) beschloss der Ausschuss einstimmig, die Debatte über die Ökostromgesetz-Novelle 2004 und über den dazu eingebrachten Abänderungsantrag auf Donnerstag, den 9. Dezember,  um 7.30 Uhr zu vertagen, die Ökostromgesetz-Novelle soll noch am selben Tag unter Absehen von der 24-stündigen Auflagefrist vom Nationalratsplenum beschlossen werden.

(Fortsetzung)