Parlamentskorrespondenz Nr. 929 vom 09.12.2004

SPÖ FÜR ABSCHAFFUNG DER ZWEIDRITTELMEHRHEIT IN SCHULFRAGEN

Nationalrat diskutiert PISA-Studie

Wien (PK) - Als "deprimierend und dramatisch" bezeichnete der Erstunterzeichner der Dringlichen Anfrage, Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G), die Ergebnisse der letzten PISA-Studie. Österreich sei in allen getesteten Kompetenzen zurückgefallen und nehme unter den drei deutschsprachigen Ländern nunmehr den letzten Platz ein. Noch beunruhigender sei die Tatsache, dass man im obersten Bewertungsbereich hinter Ländern wie Neuseeland, Australien und Finnland liege und im untersten Bereich schon vor drei Jahren unterdurchschnittlich bewertet worden sei. Damals habe man die Alarmzeichen jedoch nicht aufgenommen, sondern die Ergebnisse schön geredet.

Nun wiesen 20 % eines Jahrganges, das seien zirka 18.000 Schülerinnen und Schüler, eklatante Leseschwächen auf, und diese würden nun in die Arbeitswelt entlassen. Was hier heranwachse, sei eine "Hilfsarbeiterkolonne" für die nächsten 20 bis 30 Jahre und bedeute hohe Arbeitslosigkeit. Dieses Alarmzeichen allerhöchsten Ranges müsse ernsthaft aufgegriffen werden, denn das gehe alle an.

Van der Bellen wies Aussagen zurück, wonach Eltern bzw. Lehrerinnen und Lehrer Schuld am schlechten Ergebnis seien. Die Arbeitswelt übe auf die Eltern großen Druck aus, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten mehr und mehr flexibel sein und jeder Feiertag werde in Frage gestellt. Der Grüne Klubobmann zweifelte auch die hohen Pro-Kopf-Ausgaben für die Bildung an. Er rechnete vor, dass, multipliziert man die angegebenen Zahlen pro Schülerin und Schüler, 10 Mrd. € ausgegeben werden müssten. Tatsächlich weise das Budget aber nur rund 5,6 Mrd. € auf. Offensichtlich seien auch die Zahlen schön geredet worden, sagte Van der Bellen, und die Kürzungen der Förderstunden und der Begleitlehrerinnen und -lehrer seien damit unter einem anderen Licht zu sehen.

PISA 2 habe einen Schock ausgelöst. Er hoffe aber, dass sich alle Parteien, die Gewerkschaft und auch die NGOs zusammensetzen, um sich des Themas mit Leidenschaft zu widmen, ohne aber alte Positionen mit Leidenschaft zu vertreten. Die Resultate der Zukunftskommission sollten nun ernst genommen werden und man müsse mehr Gewicht auf die nicht kognitiven Fächer, wie Sprachausbildung und musischen Unterricht, Wert legen. Schule sei ganzheitlich zu verstehen, und Ministerin Gehrer habe nun die letzte Chance zu zeigen, dass sie einem Zukunftsministerium vorstehe und keine Vertreterin einer "verzopften Dogmatik" oder einer "dogmatischen Verzopftheit" sei.

Bundesministerin GEHRER unterstrich, dass es ihr um die Verbesserung der Unterrichtsqualität und um die Jugend gehe. Ihr Ziel sei es, besser zu werden. Die Bildungsministerin machte darauf aufmerksam, dass PISA viele Kompetenzen nicht geprüft habe, wie z.B. musische oder soziale Kompetenzen. Aber auch diese gehörten zur Schule dazu, und die WHO-Studie zeige deutlich, dass sich die Schülerinnen und Schüler an den österreichischen Schulen wohl fühlen. Gehrer betonte auch, dass die jetzt geprüften Jugendlichen von den Stundenkürzungen noch nicht betroffen seien. Die Entlastungen seien aber von Expertinnen und Experten sowie von der Opposition gefordert worden.

In Beantwortung der konkreten Fragen meinte sie, Maßnahmen hätten im Schulbereich eine lange Anlaufzeit und könnten in drei Jahren kaum Auswirkungen haben. Zur Förderung der Lesekompetenz habe man bedeutend mehr als 280.000 € eingesetzt, sagte Gehrer und nannte in diesem Zusammenhang den Förderunterricht, Zuschläge für den Unterricht von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache, Lesescreening sowie die Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrerinnen und Lehrer. Durch 12 Mill. € zusätzlich pro Jahr könnten rund 450 Dienstposten geschaffen werden. Auch habe man die Methodik in der Volksschule geändert. Man verwende weniger Lückentexte, weniger Kopien und lege wieder mehr Wert auf das Abschreiben von Tafelbildern. Im Hinblick auf Schulmodelle anderer Länder meinte sie, dass man nicht eins zu eins kopieren könne. Man werde sich an den Niederlanden orientieren, da diese ein differenziertes Schulsystem hätten. Jedenfalls sei das PISA-Zentrum beauftragt, eine vertiefte Auswertung durchzuführen. Sie wolle auch über die Gesamtfrage der Klassenwiederholungen diskutieren. Schließlich sprach sie sich für pädagogisch innovative Konzepte aus. Wesentlich sei die Individualisierung und die Unterrichtsqualität. Keineswegs, so Gehrer, habe sie den Eltern die Schuld zugewiesen.

Zu den von Van der Bellen angeschnittenen Budgetzahlen bemerkte Gehrer, dass die Datenerhebung von der Statistik Austria vorgenommen werde und international genormt sei. Bei den Zahlen seien auch die Ausgaben für das Personal, für die Verwaltung, für den Schulbau, für die Pensionsanteile sowie Ausgaben der Gemeinden und private Ausgaben enthalten.

Abschließend appellierte Gehrer, ein konstruktives Gespräch zu führen, die Scheuklappen auf allen Seiten abzulegen und ein konstruktives Klima für die Bildung zu schaffen.

Abgeordneter BROSZ (G) kritisierte, von der Ministerin keine konkreten Antworten auf die gestellten Fragen erhalten zu haben. Unzufrieden zeigte er sich auch mit ihrer Erklärung hinsichtlich der Budgetdaten und hielt fest, dass laut Auskunft der OECD Pensionsleistungen nicht eingerechnet werden dürften. Auch vor der Kürzung von Unterrichtsstunden habe man falsche Daten bezüglich der Stundenanzahl in der achten Schulstufe weitergeleitet. Die Niederlande hätten kein so früh differenzierendes Schulsystem, sondern eine sieben Jahre dauernde Grundschule, meinte Brosz korrigierend.

Als größtes Problem des österreichischen Schulsystems sah Brosz die soziale Kluft, da die soziale Herkunft für den weiteren Schulweg entscheidend sei. Hier lehne es die Ministerin leider ab zu diskutieren, bedauerte Brosz. Als bedenklich wertete er die geringe Motivation der Schülerinnen und Schüler.

Abgeordneter AMON (V) gab zu, dass die Ergebnisse nicht erfreulich seien und man sie ernst nehmen müsse. Es sei jedoch falsch, nun in Selbstgeißelung zu verfallen, da eine Fülle von Studien, welche unterschiedliche Bereiche durchleuchten, den österreichischen Schulen wiederum ein gutes Zeugnis ausstellten. So fänden Schulabgängerinnen und -abgänger in hohem Ausmaß einen Arbeitsplatz, was auf die hervorragenden berufsbildenden Schulen und das duale Ausbildungssystem zurückzuführen sei.

Amon wies auf eine Fülle von bereits gesetzten Maßnahmen hin, wie die "verlässliche Volksschule", die Straffung der Lehrpläne, die Verstärkung der Autonomie und das Programm "Lesefit". Damit all dies Erfolge zeige, brauche man gut zehn Jahre, sagte er. Man müsse auch fragen, wo die Fehler im Unterricht passieren, wie unterrichtet werde und wer unterrichte. Dem Vorschlag Gusenbauers, bei den Lehrerinnen und Lehrern ein Auswahlverfahren einzuführen, konnte Amon einiges abgewinnen.

Die Zukunftskommission habe in Ruhe arbeiten können, stellte Amon fest, die Ergebnisse würden Ende Jänner vorliegen. Dann sei die Politik am Zug und man werde sich im Unterrichtsausschuss inhaltlich und zeitlich intensiv damit auseinandersetzen, und zwar ohne Pawlowsche Reflexe.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) kritisierte den Umgang der ÖVP mit Kritik. Ergebnisse, die nicht passten, würden relativiert. Die österreichischen Kinder seien nicht dümmer und die österreichischen Lehrerinnen und Lehrer nicht schlechter, die Bildungspolitik der ÖVP sei jedoch von vorgestern. Als die jetzt getesteten Kinder in die Schule eingetreten seien, sei Gehrer bereits Bildungsministerin gewesen, und das Ergebnis dieser PISA-Studie sei das Ergebnis ihrer Bildungspolitik.

Bildungspolitik sei eine Kernfrage der Gesellschafts- und Zukunftspolitik, und was man hier verabsäume, das könne man auch durch die beste Sozialpolitik nicht aufholen, hielt Gusenbauer fest. Es sei schade, dass sich die ÖVP der Reform verweigere. Die ÖVP habe die Kindergartenmilliarde gestrichen, der Nachhilfeunterricht boome und der Leistungsdruck sei enorm. Die PISA-Studie zeige, welche Schulmodelle die besten Ergebnisse brächten. Die Vorschläge zur Verbesserung des Systems lägen auf dem Tisch, die Ministerin müsse nur ihre Blockade beenden und aus ihrem Versagen die Konsequenzen ziehen. Leider habe sie bisher gegen alle Vorschläge der Zwischenberichte Widerstand geleistet. Gusenbauer schlug in diesem Zusammenhang vor, die Zweidrittelmehrheit in Schulfragen abzuschaffen, wodurch die ÖVP-Blockadepolitik zu Ende gehen und sich die Schule aus der Umklammerung der ÖVP befreien könne.

Abgeordnete ROSSMANN (F) wies die Sozialdemokraten darauf hin, dass die Schüler, die jetzt beim Pisa-Test schlecht abgeschnitten haben, in der Ära Scholten eingeschult wurden. Wenn man der Bundesministerin Gehrer nun die alleinige Schuld für diese Situation geben wolle, dann mache man es sich wirklich zu einfach. Nach Ansicht von Rossmann müsse man sich die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen näher ansehen, denn die Sorgen der Kinder werden vermehrt in die Schulen getragen. Die Tatsache, dass gerade den Hauptschulen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde, sei das Spiegelbild einer verfehlten Integrationspolitik, gab Rossmann zu bedenken. Bei der Pisa-Studie wurden nur 4.500 Schüler befragt, was ihrer Ansicht nach nicht wirklich aussagekräftig sei. Es müsste daher eine österreichweite repräsentative Studie durchgeführt werden, die eine genauere Analyse ermöglicht und insbesondere auf das Stadt-Land-Gefälle sowie auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen näher eingeht, forderte Rossmann. Schließlich brachte sie noch einen V-F-Entschließungsantrag betreffend nachhaltige Reformmaßnahmen zur Steigerung der Qualität des österreichischen Bildungssystems im Rahmen eines Gesamtkonzepts ein.

Die Pisa-Studie sei selbstverständlich eine repräsentative Untersuchung, merkte Abgeordnete MANDAK (G) in Richtung ihrer Vorrednerin an. Was die Resultate angeht, so sei es sehr beunruhigend, wenn ein Viertel der Jugendlichen nicht sinnerfassend lesen können. Die Mängel seien nun schon seit drei Jahren bekannt, aber die Unterrichtsministerin habe nichts getan, kritisierte Mandak. Es sollte nun wohl allen klar sein, dass das österreichische Schulsystem grundlegend reformiert werden muss. Die Defizite gehen ihrer Meinung nach sehr zu Lasten der Familien, zumal pro Jahr 57 Mill. € für Nachhilfestunden ausgegeben werden. Jene Schüler, deren Eltern sich die private Nachhilfe leisten können, haben dadurch natürlich höhere Chancen, eine bessere Ausbildung zu bekommen. Mandak bedauerte auch, dass keine Enquete zu den Ergebnissen der Pisa-Studie abgehalten wird.

Die ÖVP stelle sich der Pisa-Studie und einer notwendigen Analyse, bekräftigte Abgeordnete Dr. BRINEK (V). Politische Reflexe, wie etwa organisationsrechtliche Vorschläge (Stichwort Ganztagsschule/Gesamtschule), führten jedoch in die Irre. Topographische Aspekte seien nämlich genauso maßgebend für eine ganztägige Schulbetreuung wie pädagogische, familienpolitische und sozialpolitische. Handlungsbedarf sehe sie auch bei den Volksschulen, wo das Augenmerk stärker als bisher auf das sinnerfassende Lesen und den Erwerb der Kulturtechniken zu richten sei. Sie unterstütze daher den Vorschlag der Wiener ÖVP, das letzte Kindergartenjahr bzw. das erste Vorschuljahr zu nützen, um die Deutschkenntnisse abzusichern. Wichtig sei auch, sich verstärkt um die männlichen Risikoschüler zu kümmern, forderte Brinek. Grundsätzlich solle nun ein gemeinsamer Reformdialog gestartet werden, wo alle Fakten auf den Tisch gelegt werden und ohne Scheuklappen diskutiert werde.

Sodann legte sie noch einen V-F-Entschließungsantrag vor, in dem die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht werden, dem Nationalrat einen Vorschlag über eine entsprechende Verfassungsänderung zur Reduktion des Erfordernisses von qualifizierten Mehrheiten bei Schulgesetzen zu unterbreiten, damit Reformmaßnahmen im Schulbereich rascher und effizienter umgesetzt werden können.

Das Projekt, das österreichische Schulsystem grundlegend zu ändern, habe einen denkbar schlechten Start, urteilte Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S). Die beiden Regierungsparteien schmeißen der Opposition einfach einen Antrag auf den Tisch, ohne vorher mit Abgeordneten der SPÖ und der Grünen geredet zu haben, sagte er. Bedauerlich sei, dass nicht schon längst reagiert wurde, denn die Schwächen sind schon seit dem Jahr 2000 bekannt. Die Sozialdemokraten haben immer wieder gefordert, die Vorschläge der Zukunftskommission umzusetzen, erinnerte Niederwieser. Seine Fraktion nehme aber die Einladung zu einer gemeinsamen Diskussion gerne an. Grundsätzlich glaube er, dass alle Schulsysteme, die die Kinder bereits ab dem 10. Lebensjahr in Schwächere und Stärkere trennen, gerade die Schwächsten benachteiligen.

Abgeordneter WITTAUER (V) warnte davor, die Pisa-Studie überzubewerten. Die österreichischen Schulen seien international noch immer hoch angesehen und viele Manager loben die hohe Ausbildungsqualität der Schüler. In einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ ist sogar nachzulesen, dass manche Länder bereits gezielt darauf hinarbeiten, um bei der Pisa-Studie gut abzuschneiden. Was die ausländischen Schüler angeht, so trete er dafür ein, dass sie zunächst die deutsche Sprache lernen sollen und erst dann in die Pflichtschulen gehen können. Es sind gemeinsame Anstrengungen erforderlich, um das Bildungsniveau zu heben, und er hoffe, dass auch die Sozialdemokraten und die Grünen konstruktive Vorschläge einbringen werden.

Abgeordnete SBURNY (G) bedauerte, dass die Regierungsparteien "mauern", bevor die Diskussion überhaupt begonnen hat. Zunächst habe es so ausgeschaut, als würden die Ergebnisse der Pisa-Studie dazu führen, dass alte Modelle überdacht werden. Mittlerweile werde aber der Hinweis auf die Gesamtschule sofort als Pawlowscher Reflex qualifiziert, über gewisse Themen dürfe überhaupt nicht mehr diskutiert werden. Die Grünen seien gerne bereit, in einen Dialog einzutreten, aber nur dann, wenn der Dialog gemeinsam geplant wird und alle Zahlen auf den Tisch kommen, betonte Sburny.

Es sei übertrieben, wenn angesichts der Ergebnisse der Pisa-Studie gleich von einer nationalen Katastrophe gesprochen werde, meinte Abgeordneter Dr. BRADER (V). Er sei prinzipiell der Auffassung, dass Bildung schwer messbar ist, weil sie als untrennbare Einheit von Wissen und Haltung zu verstehen ist. Interessant sei auch, dass Österreich hinsichtlich der frühzeitigen Schulabbrecher mit 9 % wesentlich besser abschneide als z.B. Finnland. Außerdem gehen die Kinder in Österreich gerne zur Schule, und er verstehe daher nicht, warum das Schulsystem oft so schlecht dargestellt werde. Da es in Österreich aber viele Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache gibt, müsse der ausreichende Spracherwerb vor dem Schuleintritt gewährleistet werden.

Abgeordnete SCHASCHING (S) warf der Unterrichtsministerin Reformunwilligkeit und eine schulpolitische Blockadepolitik vor. Alle oppositionellen Anträge, die im Ausschuss eingebracht wurden, sind vertagt oder abgelehnt worden, erinnerte sie. Bei den Maßnahmen der Bundesregierung, die als Reformen verkauft wurden, habe es sich in Wahrheit um eine Sparpolitik gehandelt. So wurden etwa über 2,7 Millionen Unterrichtsstunden im gesamten Schulwesen "weggespart" und es gebe um 5.000 Pflichtschullehrer weniger.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) gab zu bedenken, dass jedes Land andere Rahmenbedingungen habe und die Situation in Finnland nicht so einfach übertragen werden könne. So sei etwa in Österreich der Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in den letzten vier Jahren um ein Drittel auf 9 % gestiegen; in Finnland liege dieser Prozentsatz konstant bei 1,8 %. Ein Problem sei sicher die Leseschwäche, führte Rosenkranz weiter aus. Dabei müsse man aber bedenken, dass die getesteten Jugendlichen bereits in der Ära Scholten eingeschult wurden und diese Kulturtechnik damals hätten erlernen sollen.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) warf den Antragstellern der Regierungsparteien vor, nicht in allen Bereichen der Schulgesetzgebung auf die einfache Mehrheit zurückgehen zu wollen. So könne man einen Reformdialog nicht beginnen, sagte der Abgeordnete. Die FPÖ habe ihren Sündenbock für die Schulmisere offenbar bereits gefunden: die Ausländerkinder, merkte Öllinger kritisch an und legte seitens der Grünen einen Entschließungsantrag zur Abschaffung qualifizierter Mehrheiten bei Schulgesetzen vor. Dies sei die Voraussetzung für Reformen im Schulwesen.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) machte die Regierungsparteien für die Misere im Schulwesen verantwortlich. Man kenne die Leistungsdefizite der Schüler schon seit Jahren. Die Ministerin habe in ihrer Bildungspolitik "schwach begonnen, dann aber stark nachgelassen". Der wichtigste "Rohstoff" des Landes seien gut ausgebildete Menschen. Schon die erste PISA-Studie habe aufgezeigt, dass Österreich diesen Rohstoff vergeude. Reformen, wie sie die PISA-Studien empfehlen - wobei die Empfehlungen viele traditionelle schulpolitische Forderungen der SPÖ enthalten - habe Ministerin Gehrer stets abgeblockt. Aus den Kindergärten - den laut Grossmann besten pädagogischen Einrichtungen des Landes - kommen wissensdurstige Kinder, bei denen sich aber nach wenigen Jahren Schule der "Schulfrust" einstelle.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) zeigte kein Verständnis für die geringe Aufregung bei den Regierungsparteien über die verheerenden Ergebnisse der PISA-Studie. Die viel beschworene "Unaufgeregtheit" sei in Wahrheit "Unernst", kritisierte Kuntzl. "Wir brauchen keinen Reformdialog, sondern ernsthafte parlamentarische Verhandlungen mit Experten und Schulpartnern". Den Vorwurf, die SPÖ habe Reformen blockiert, wies Kuntzl zurück - die Regierungsparteien hätten keine Vorschläge auf den Tisch gelegt. Die Vorschläge der Zukunftskommission hätten, so wichtig sie waren, zu nichts geführt. Wer hier blockiert habe, sei klar. Es sei Sache der Regierungsparteien, sich zu bewegen und über Reformvorschläge zu verhandeln, stellte Abgeordnete Kuntzl fest. Schließlich entgegnete sie auch den Vorwürfen, die Eltern seien für das blamable Ergebnis der PISA-Studie verantwortlich. Für die Lernergebnisse in den Schulen sind die Schulen verantwortlich, schloss Kuntzl.

Bei der Abstimmung erzielte der V-F-Entschließungsantrag zum Thema "Reformdialog Bildung" ebenso eine Mehrheit wie der V-F-Entschließungsantrag betreffend rasche und effiziente Umsetzung von Schulreformmaßnahmen. In der Minderheit blieb hingegen der Entschließungsantrag der Grünen mit dem Titel "Abschaffung der qualifizierten Mehrheit in der Schulgesetzgebung als Voraussetzung für Reformen". (Schluss Dringliche)