Parlamentskorrespondenz Nr. 935 vom 10.12.2004

FRAGESTUNDE MIT SOZIALMINISTER HAUPT IM NATIONALRAT

Themenpalette von Pflegegeld bis Pensionsharmonisierung

Wien (PK) - Nationalratspräsident Khol eröffnete die heutige 90. Sitzung des Nationalrats mit einer Fragestunde, in der der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz den Abgeordneten detaillierte Auskünfte über Fragen zu den Themen Pflegegeldvalorisierung, Schwerarbeiterregelung, Konsumentenschutz-Musterprozesse und zur Pensionsharmonisierung gab.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte Präsident Khol mit, dass auf verlangen der Grünen um 15 Uhr eine Kurzdebatte mit der Gesundheitsministerin über ihre Anfragebeantwortung 2160/AB zur Schließung der bakteriologisch-serologischen Geschäftsstelle in Linz abgehalten wird.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G): Halten Sie die nunmehr erstmalige Valorisierung des Pflegegeldes in Höhe von 2 % - somit 0,25 % jährlich durchgerechnet für die letzten 8 Jahre – für ausreichend?

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Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. HAUPT referierte die Geschichte des Pflegegelds seit der Beschlussfassung im Jahre 1993 und gab bekannt, dass das Pflegegeld unter Berücksichtigung aller Änderungen und Verbesserungen für Pflegebedürftige seit damals im Durchschnitt um insgesamt 13 % gestiegen ist. Diese Erhöhung sei keinesfalls ausreichend, um die mittlerweile eingetretene Teuerung abzugelten, hielt der Sozialminister fest.

Der Sozialminister zeigte sich froh darüber, dass das Bundesland Kärnten bereits im März 2004 eine Erhöhung der Pflegegeldes um 2 % beschlossen habe und auch Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Niederösterreich das Pflegegeld bereits um 2 % angehoben haben. Er hoffe, dass im Jahr 2005 der bundesweite Gleichklang beim Pflegegeld erreicht werde und das Pflegegeld auch in Zukunft harmonisch weiter entwickelt werden könne.

In seinen Antworten auf Zusatzfragen erinnerte der Bundesminister an Versuche von sozialdemokratischer Seite, das Pflegegeld abzuschaffen. Haupt wies solche Vorschläge zurück und trat entschieden für die Beibehaltung des Pflegegeldes ein.

Die Ansicht der SP-Abgeordneten LAPP, die Erhöhung des Pflegegeldes werde durch die Besteuerung der Unfallrenten finanziert, wies der Ressortleiter entschieden zurück.

Abgeordnetem Mag. TANCSITS (V) berichtete der Minister von ersten Ergebnissen eines Pilotversuchs, die Zuerkennung des Pflegegeldes nicht nur durch Ärzte, sondern verstärkt auch durch Angehörige von Pflegeberufen prüfen zu lassen: das Ergebnis habe eine Verschlechterung für die Pflegebedürftigen ergeben, er halte es daher für sinnvoll, an der bisherigen Regelung festzuhalten.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) wollte wissen, was der Sozialminister von dem Vorschlag der SPÖ halte, das Pflegegeld an ein bestimmtes Einkommen zu binden. Minister Haupt sagte dazu, er denke an keine Änderung. Für ihn stelle die Einführung des Pflegegelds durch Sozialminister Hesoun im Jahr 1993 einen Meilenstein in der österreichischen Sozialgesetzgebung dar. Er denke an Verbesserungen und Verstärkungen des Pflegegeldes sowie an zusätzliche Leistungen in der Zukunft.

Abgeordneter WALCH (F): Werden Frauen von der Schwerarbeiterregelung profitieren können, wenn das Regelpensionsalter und das Schwerarbeiterpensionsalter das 60. Lebensjahr ist?

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Der SOZIALMINISTER informierte darüber, dass das Frauenpensionsalter ab dem Jahr 2024 60 Jahre beträgt und dann bis 2034 auf 65 Jahre angehoben wird. Es gibt aber schon heute eine Gruppe von Frauen, nämlich die Beamtinnen, die dasselbe Pensionsantrittsalter haben wie die Männer. Von der Schwerarbeiterregelung werden diese Frauen ab 2007 profitieren können, etwa solche, die in psychiatrischen Anstalten arbeiten und viele Nachtdienste leisten müssen. Frauen, die im ASVG versichert sind, profitieren bis 2024 stärker von ihrem verfassungsrechtlich fixierten früheren Pensionsantrittsalter als von der Schwerarbeiterregelung, die ab 1.1.2007 in Kraft treten wird (dazu auch Zusatzfrage der Abgeordneten WEINZINGER, G).

An der Definition der Schwerarbeit arbeitet derzeit eine Expertengruppe, die bemüht ist, die fünf Kriterien, die für Nacht-, Schicht- und Schwerarbeit maßgeblich sind, zu berücksichtigen. "Es wird nicht schwer sein, Schwerarbeit eindeutig zu definieren", sagte Minister Haupt. Wichtig werde es sein, von Gesundheitsprävention in der Arbeitswelt nicht nur zu reden, sondern konkrete Maßnahmen in Hinblick auf diese Priorität zu setzen, auch wenn allen klar sei, dass die Betriebe unter dem Konkurrenzdruck des Weltmarktes stehen, erfuhr Abgeordneter KECK (S).

Krankenpflegepersonal wird in den Genuss der Schwerarbeiterregelung kommen, sofern es sich um Nachtarbeit, um Arbeit in psychiatrischen Anstalten, in Intensivstationen und in Drogenstationen handelt. Es sei aber nicht daran gedacht, den Fehler vergangener Jahre zu wiederholen und ganze Berufsgruppen in die Schwerarbeit hineinzunehmen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S): Welche Änderungen der Zivilprozessordnung haben Sie als Konsumentenschutzminister vorgeschlagen, damit in Zukunft Musterprozesse ohne höchstes Kostenrisiko durchgeführt werden können?

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Bundesminister HAUPT erinnerte an einen Textvorschlag seines Ressorts, der mit dem Justizministerium und dem Verein für Konsumenteninformation koordiniert wurde, sowie daran, dass der Justizausschuss die Ressortleiterin aufgefordert hat, gesetzliche Möglichkeiten für die ökonomische Bewältigung von Massenklagen zu prüfen. Ein zwischen den Ressorts mit der Anwaltschaft akkordierter Text sieht vor, dass die Verjährung der Ansprüche gehemmt wird, wenn das Verfahren über den Antrag eines klagsbefugten Verbandes durch das Gericht unterbrochen wird. Der Minister bedauert, dass dazu kein Initiativantrag des Klubs eingebracht wird, er habe keinen Einfluss auf die parlamentarischen Beratungen, sagte der Minister, unterstrich aber seine Meinung, dass der genannte Gesetzesvorschlag "das Licht der Welt des Justizausschusses erblicken sollte". Dies auch deshalb, um die Ansprüche kleiner Tankstellenpächter gegenüber den Ölmultis besser zur Geltung bringen zu können. Finanzschwache sollen nicht länger in kostspieligen Parallelverfahren "in die Knie gezwungen und ausverkauft werden können", sagte der Minister. In diesem Zusammenhang machte Abgeordnete Dr. MOSER (G) auf einen diesbezüglichen Initiativantrag ihrer Fraktion aufmerksam.  

Sein Ressort habe in den letzten zwei Jahren 231 Musterverfahren geführt, 8 davon verglichen, 6 verloren und die restlichen alle gewonnen, beispielsweise Zinsenverfahren gegen Banken. Aufgrund des genannten Gesetzentwurfes könnten solche Verfahren für die Konsumenten und für die Steuerzahler wesentlich kostengünstiger geführt werden, teilte der Minister auf eine Zusatzfrage mit.

Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) brachte das Verbandsklagerecht der Senioren zur Sprache. Der Minister hielt es in diesem Zusammenhang für überlegenswert, einzelnen Teilorganisationen der Pensionistenkurie die Klagslegitimation einzuräumen. Er sei auch am Abschluss einer Seniorenversicherung interessiert, um hohe Risken der Verbände abzudecken und dafür zu sorgen, dass das Klagsrecht der Seniorenkurie nicht mangels finanzieller Möglichkeiten zu "totem Recht" werde.

Abgeordneter WÖGINGER (V): Wieso ist die Pensionsharmonisierung gerade für Junge „fair und gerecht“?

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Bundesminister Mag. HAUPT unterstrich das Ziel der Bundesregierung, die Beitragsgerechtigkeit zu verwirklichen. Mit einem beitragsorientierten persönlichen Pensionskonto wird dem Versicherungsprinzip entsprochen: Die Höhe der Pension eines Versicherten hängt von der Höhe der Beiträge ab, die für ihn geleistet werden. Die junge Generation wird davon profitieren, weil ein Hinausschieben notwendiger Reformen bedeutet hätte, dass die heute junge Generation die Last von drei Generationen zu tragen gehabt hätte. Die Erstreckung der Übergangsfristen, die harmonische Belastung von drei Generationen und die Steuerreform gibt den Jungen durch die Absenkung der Abgabenquote die Chance, in ihrer Aktivzeit Kapital für die zweite und dritte Säule Kapital freizumachen. Die Abfertigung Neu ermögliche überdies, in eine Pensionsvorsorge in der zweiten Säule umzusteigen. Für die Jungen sei mit der Harmonisierung klar, dass sie in der Zukunft eine der besten Pensionsversicherungen in Europa haben werde. Gewinner der Harmonisierung sind die Frauen, die Familien- und Pflegeleistungen erbringen sowie die jüngere Generation insgesamt. Der älteren Generation kommt zugute, dass die Pensionen nicht mehr nach dem 1995 eingeführten - sehr komplizierten - Nettoprinzip erhöht werden, sondern mit dem Lebenshaltungsindex. Bis 2010 sollen durch die weitere Senkungen der Abgabenquote insgesamt 7 % des Einkommens für Eigenvorsorge freigemacht werden - die junge Generation kann mit der Pensionsharmonisierung sehr zufrieden sein, sagte der Bundesminister und erinnerte daran, dass diese Pensionsreform im Unterschied zu der "verwässerten Pensionsreform" der neunziger Jahre eine langfristige Pensionssicherung bringe (dazu auch Zusatzfrage des Abgeordneten LICHTENEGGER, F).

Zum Thema demographische Entwicklung stellte der Minister fest, dass Österreich hinsichtlich des Anteils der Erwerbstätigen in der Gruppe der über 55-Jährigen einen deutlichen Nachholbedarf gegenüber anderen europäischen Ländern hat. Die Erreichung des diesbezüglichen Barcelona-Ziels sei in Österreich ab 2010 aufgrund des früheren -  verfassungsrechtlich abgesicherten - Pensionsantrittsalters der Frauen bis 2024 nur schwer möglich, weil 40 % der Beschäftigten mit 60 Jahren in Pension gehen können. Dazu komme das spätere Eintrittsalter die Arbeitswelt und die Verkürzung der Beitragsphase infolge der längeren Ausbildung wegen der erwünschten Akademisierung der Gesellschaft und des hohen Maturantenanteils (51 % der Mädchen und 48 % der Burschen). In einzelnen Berufsgruppen, etwa bei den Bauern und im Bergbau muss schon heute ein Aktiver mehr als einen Pensionisten erhalten. Wie sich das Verhältnis zwischen Aktiven und Pensionisten in den kommenden Jahrzehnten entwickelt, werde davon abhängen, wie die derzeit niedrige Geburtenrate in den kommenden Jahren ausfallen wird.

Abgeordnete MANDAK (G) zeigte sich verwundert darüber, dass die Abgeordneten der Regierungsfraktionen Fragen zum Inhalt eines Gesetzes stellen, dem sie bereits zugestimmt haben. Sozialminister Haupt sagte dazu, er wisse aus eigener Wahrnehmung, dass die Abgeordneten Wöginger und Lichtenegger sehr gut über die Pensionsreform Bescheid wissen und zeigte sich dankbar für die Gelegenheit, in der Fragestunde umfassend über die Pensionsharmonierung informieren zu können. Zum Rücktritt des Innenministers - eine Frage der Abgeordneten Heinisch-Hoseck (S) - wollte sich Bundesminister Haupt nicht äußern, weil dies kein Thema seines Ressortbereichs sei. (Schluss)