Parlamentskorrespondenz Nr. 958 vom 20.12.2004

RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS: EUROFIGHTER-BERICHT PLENUMSREIF

Heftige Debatte, keine weiteren Auskünfte, Abstimmung ohne S/G

Wien (PK) - Der Obmann des Rechnungshofausschusses Werner Kogler nahm heute Morgen die Ausschussberatungen zum Wahrnehmungsbericht über Luftraumüberwachungsflugzeuge (III-72 d.B.) wieder auf, die er am 27. Oktober nach beinahe 18-stündiger Ausschussdebatte unterbrochen hatte. Auf dem Verhandlungstisch lagen neben dem Rechnungshofbericht 12 Anträge der Oppositionsparteien auf Ladung weiterer Auskunftspersonen: Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Klubobmann Herbert Scheibner, Landeshauptmann Jörg Haider, FP-Experten Günter Barnet, General Peter Corrieri, General Horst Pleiner, Ministerialrat i.R. Herbert Hillingrathner, Brigadier Wolfgang Katter, Brigadier Josef Bernecker, Rechnungshofpräsidenten a.D. Franz Fiedler, Generalmajor Othmar Commenda und Ministerialrat a.D. Heribert Wagner.

In einer überaus heftigen Debatte unterstrichen zunächst die SP-Abgeordneten mit Christine Lapp und Günther Kräuter an der Spitze neuerlich die Notwendigkeit, die Auskunftspersonen zu hören und so "Licht ins Dunkel" des größten Rüstungsgeschäftes der Zweiten Republik zu bringen. Abgeordneter Peter Pilz (G) warf den Regierungsparteien "Arbeitsverweigerung" vor und machte sie für einen "parlamentarischen Kontrollnotstand" verantwortlich. Diesen Vorwürfen traten die Abgeordneten Hermann Gahr (V) und Detlev Neudeck (F) entschieden entgegen: Der Rechnungshofbericht sei ausführlich debattiert und alle Fragen beantwortet worden. Eine Ladung von Finanzminister Grasser, worauf sich die Debatte zuletzt konzentrierte, sei nicht notwendig, weil Grasser in Dringlichen Anfragen umfassend Auskunft über die Eurofighter-Beschaffung gegeben habe. - Bei der Abstimmung lehnten die Regierungsparteien zunächst die Ladungsanträge der Opposition ab und nahmen dann den Bericht des Rechnungshofes in Abwesenheit der Oppositionsabgeordneten - sie hatten das Ausschusslokal zuvor verlassen - mit einer Gegenstimme (Obmann Werner Kogler, G) zur Kenntnis.

AUS DER DEBATTE      

Abgeordnete Christine Lapp (S) unterstrich, dass es wichtig sei, die beantragten Auskunftspersonen zu laden, weil sie nahe am Entscheidungsgeschehen waren und "Licht ins Dunkel" bringen könnten.

Abgeordneter Detlev Neudeck (F) forderte die Opposition auf, endlich in der Sache etwas weiter zu bringen, statt nur darauf zu setzen, politisches Kleingeld zu wechseln. Es könne nicht Aufgabe des Rechnungshofausschusses sein, den Rechnungshof zu kontrollieren. Wo Fragen in der Debatte auftauchten, seien sie beantwortet worden. Finanzminister Grasser habe alle in mehreren Dringlichen Anfragen an ihn gestellte Fragen ausreichend beantwortet.

Abgeordneter Günther Kräuter (S) erinnerte daran, dass der Ausschuss das größte Rüstungsgeschäft der Zweiten Republik zu behandeln habe, und hielt es für unverständlich, dass sich die Regierungsparteien weigerten, den Finanzminister im Ausschuss zu hören, von Grasser wisse man doch, dass er Einfluss auf die Typenentscheidung genommen habe. Kräuter kündigte einen Minderheitsbericht der SPÖ an.

Abgeordneter Roderich Regler (V) sah angesichts des umfangreichen und positiven Rechnungshofberichts und nach der über 40 Stunden dauernden Ausschussdiskussion keinen Grund, Konsequenzen zu ziehen. Alle gestellten Fragen seien ausreichend diskutiert und beantwortet worden. Regler beantragte daher, den Rechnungshofbericht zur Kenntnis zu nehmen und an das Plenum weiter zu leiten.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) plädierte dafür, Finanzminister Grasser zu laden, um ihn zu fragen, warum er den Eurofighterkauf zunächst abgelehnt habe, dann aber "über Nacht" umgeschwenkt sei und gesagt habe: "Das ist das beste Flugzeug".

Abgeordneter Peter Pilz (G) fasste in Form einer chronologischen Darstellung noch einmal alle Fragen zusammen, die aus seiner Sicht offen geblieben seien. Die Firma EADS hätte nie eine Chance auf den Zuschlag gehabt, wäre das Verteidigungsministerium beim ursprünglichen Pflichtenheft geblieben, weil EADS keine Zwischenlösung anbieten konnte, es sei völlig klar gewesen, dass sie ab 2005 keine Flugzeuge liefern könne, erinnerte Pilz. Versuche des Finanzministers und einiger Militärs, in die Ausschreibung einzugreifen, legen für Pilz den Verdacht der Manipulation und der Schiebung nahe und lasse nach den Motiven für diese Einflussnahme fragen. Einmal mehr wies Pilz auch darauf hin, dass der Eurofighter über 1 Mrd. € mehr koste als das billigste Konkurrenzprodukt. Dennoch seien ÖVP und FPÖ nicht bereit, jene Auskunftspersonen zu laden, die über diese Vorgänge und über die Motive der handelnden Personen Auskunft geben könnten. In diesem Zusammenhang warf Pilz den Abgeordneten der Koalitionsparteien "Arbeitsverweigerung" vor, durch die sie einen "Kontrollnotstand im Parlament" ausgelöst hätten. Pilz wiederholte auch den Verdacht der Korruption und fragte die Abgeordneten der Regierungsparteien: "Warum wollen Sie das nicht untersuchen?"

Er wolle den Finanzminister zu all jenen Punkten befragen, die der Rechnungshof nicht geprüft habe, sagte Abgeordneter Pilz, weil es darum gehe, nachzuweisen, dass der Kaufvertrag mit EADS nicht korrekt zustande gekommen sei, ein Nachweis, der es möglich machen würde, den Schaden, der der Republik durch dieses Geschäft erwachse, auf Null zu reduzieren. Pilz warf den ÖVP-Abgeordneten vor, ihre Aufgaben als Abgeordnete zu missachten und fügte hinzu: "Wir können nicht einfach zusehen, wie parlamentarische Einrichtungen Stück für Stück arbeitsunfähig gemacht werden".

Abgeordneter Werner Kogler (G) warnte ebenfalls davor, den Rechnungshofausschuss selbst ad absurdum zu führen, und unterstrich die Forderung, Auskunftspersonen zu hören, da Minister Platter sich seiner Wahrnehmung nach überfordert gezeigt habe, über die Motive leitender Beamter seines Ressorts Auskunft zu geben. Der Ausschussvorsitzende berichtete über Bemühungen, einen Kompromiss zwischen Opposition und Regierungsparteien herbeizuführen, indem man die Zahl der zu ladenden Auskunftspersonen von zwölf auf eins reduziert. "Völlig schleierhaft" sei ihm, warum die Regierungsparteien nicht bereit seien, die Kontrolle beim größten militärischen Beschaffungsvorgang der Zweiten Republik intensiver zu gestalten als ehedem bei der Anschaffung von Stiefeln und Uniformen.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) wies den Vorwurf der Arbeitsverweigerung zurück und erinnerte an die vielstündigen Ausschussberatungen, die öffentlichen Debatten und zahlreichen Besprechungen der Ausschussmitglieder außerhalb des Ausschusses. Von einem "Kontrollnotstand" könne keine Rede sein, sagte der Abgeordnete und begründete, warum seine Fraktion einer Ladung des Finanzministers nicht zustimme: Karl-Heinz Grasser habe alle Fragen, die an ihn gerichtet wurden, in Dringlichen Anfragen ausreichend beantwortet. Verteidigungsminister Platter sei im Rechnungshofausschuss Rede und Antwort gestanden, all dies habe aber nur zu weiteren Ladungswünschen der Opposition geführt.

Einmal mehr betonte Hermann Gahr auch die wirtschaftliche Bedeutung des Eurofighter-Geschäfts. Die Gegengeschäfte ermöglichen vielen kleinen und mittleren Betrieben, in neue Geschäftsfelder einzusteigen. Und darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Entwicklungen, die für die Zukunft Österreichs wichtig sind. Der vorliegende Rechnungshofbericht wurde sachlich diskutiert - "Wir können diese Debatte abschließen und den Bericht an das Plenum liefern", schloss Gahr.

Auch Abgeordneter Detlev Neudeck (F) wies den von Abgeordnetem Pilz behaupteten "Kontrollnotstand" zurück und zitierte aus öffentlichen Erklärungen, unter anderem im Nationalratsplenum, in denen der ehemalige Verteidigungsminister Scheibner klar Auskunft über seine Entscheidung pro Eurofighter und seinen diesbezüglichen Antrag an den Ministerrat gegeben habe. Finanzminister Grasser habe insgesamt 100 Fragen zum Thema "Eurofighter" eindeutig beantwortet. Die Zeitverzögerung bei der Behandlung dieses Rechnungshofberichts sei nicht von den Regierungsparteien zu verantworten, sondern von der Opposition. (Fortsetzung)