Parlamentskorrespondenz Nr. 123 vom 02.03.2005

EINHELLIGES LOB FÜR DIE EUROPÄISCHE VERFASSUNG

Erste Befassung des Plenums mit neuer EU-Verfassung

Wien (PK) – Eine Tagesordnung mit zum Teil "heißen" Themen erwartete heute die Abgeordneten bei der 96. Sitzung des Nationalrats: Erster Punkt der Tagesordnung war die Budgetrede von Finanzminister Grasser, ein zuletzt heftig debattiertes Thema - die Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes - folgte als Punkt 3.

Nationalratspräsident Andreas Khol begrüßte am Beginn der Sitzung Bundespräsident Heinz Fischer, der der Budgetrede traditionell beiwohnte.

Vor Eingang in die Tagesordung kündigte der Präsident die Abhaltung von Kurzdebatten an. Um 15 Uhr werden die Abgeordneten die Beantwortung 2327/AB der Anfrage 2358/J zum Tod des Schubhäftlings Edwin Ndubu durch die Justizministerin besprechen. Danach stehen Fristsetzungsanträge bis 30. März 2005 zur Debatte, und zwar über den SP-Entschließungsantrag 523/A(E) „Vorgänge rund um den geplanten Stadionbau in Klagenfurt“ (Sportausschuss) sowie G-Antrag 86/A (Sozialausschuss) „Änderung des Opferfürsorgegesetzes“.

Nach der Budgetrede des Finanzministers - die Erste Lesung zum Bundesvoranschlag 2006 ist für morgen, Donnerstag, angesetzt - stand die Europäische Verfassung auf der Tagesordnung.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) erklärte, der Weg, den Österreich in dieser Frage gehe, sei ein guter. Er entspreche der heimischen Rechtsordnung und setze auch den anderen Ländern gegenüber ein wichtiges Signal. Die europäische Verfassung gebe unserem Kontinent ein neues Gesicht, und daher unterstütze die ÖVP als Europapartei diesen Prozess. Man habe diesen Weg auch gewählt, weil man eine Volksabstimmung nicht a priori ausschließen wolle, doch sei eine solche Volksabstimmung nur dann sinnvoll, wenn es sich um ein kontroversielles Thema handeln würde. Er sei aber überzeugt, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung diese Verfassung unterstütze.

Der Redner ging auf die Details des Verfassungsentwurfs ein und zeigte sich mit diesen zufrieden. Europa stehe mit diesem Entwurf für Demokratie, und das sei ein wichtiges Markenzeichen. Andere Kontinente könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Seine Partei setze sich mit Überzeugung für diese Verfassung ein, betonte der Redner.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) sprach sich ebenfalls für die Ratifizierung dieser Verfassung aus, zumal die Rechte der Bürger gestärkt und die Rechtsverbindlichkeit einer Grundrechtscharta geschaffen würde. Damit werde die EU bürgerfreundlicher, und deshalb trete seine Partei für diese Verfassung ein. Zudem werde die EU handlungsfähiger, und auch das sei ein wichtiger Schritt.

Einem kam auf die wirtschaftsliberale Ausrichtung der EU zu sprechen. Diese Ausrichtung zu ändern sei eine Aufgabe der Politik. Diese Verfassung abzulehnen sei daher nicht zweckmäßig, denn sie biete den Rahmen für politisches Agieren, wie sich auch in Sicherheitsfragen zeige, so Einem, der auch der Befürchtung entgegentrat, diese Verfassung werde Österreichs Neutralität obsolet machen. Darauf deute in diesem Verfassungstext nichts hin, weshalb auch in dieser Frage seitens seiner Partei keine Bedenken bestehen. Zur Frage einer Volksabstimmung meinte der Redner, man möge die Politiker arbeiten lassen, sie würden ihre Arbeit seriös machen.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) signalisierte gleichfalls Zustimmung. Auch seine Partei sei für diese Verfassung, weil sie notwendig sei, um eine Union der 25 und bald 27 Staaten funktionsfähig zu halten. Diese Verfassung biete klarere Kompetenzen, werte das Europäische Parlament auf und enthalte weitere Verbesserungen, die seine Partei unterstütze.

Gleichwohl werden die Freiheitlichen die weitere Entwicklung genau beobachten, da es nötig sei, darauf zu achten, wie sich die neuen Regelungen in der Praxis bewähren. Hinsichtlich der Idee einer Volksabstimmung meinte der Redner, er könne die Argumente seiner Vorredner nicht nachzuvollziehen. Er trete für eine europaweite Volksabstimmung am Ende des Ratifikationsprozesses ein. Er halte es für notwendig, die Bürger in diesen Prozess einzubinden, weshalb er für eine Volksabstimmung votiere.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) erinnerte an das seinerzeitige Scheitern der Verhandlungen von Nizza, wo es den Regierungen nicht gelungen war, eine tatsächliche politische Union zu schaffen. Daraus war seinerzeit die Idee entstanden, einen europäischen Konvent ins Leben zu rufen. Dieser Konvent erarbeitete einen Entwurf, der allerdings durch die Regierungsvertreter entschärft worden sei und der ihrer Fraktion noch lieber gewesen wäre als jene Version, die nun vorliege.

Konkret habe man im Vorfeld die Chance auf eine Volksabstimmung vertan. Ihre Fraktion wolle eine solche Abstimmung auf europäischer Ebene, und dafür werde sie auch weiterhin eintreten. Der Entwurf beinhalte gleichwohl einige wichtige Fortschritte, die in die richtige Richtung wiesen. Deshalb spreche sich ihre Fraktion für diesen Entwurf aus und werde sich dafür einsetzen, diese Verfassung weiterzuentwickeln.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL erläuterte, weshalb diese Verfassung so wichtig sei. Die alten Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß, man brauche ein Regelwerk, das Antworten auf die Fragen der Zeit gebe und den neuen Strukturen der EU Rechnung trage. In diesem Zusammenhang dankte der Kanzler den österreichischen Politikern, die an den Vorarbeiten zu diesem Entwurf beteiligt waren.

Der Kanzler ging auf die einzelnen Punkte des Entwurfs im Detail ein und sprach sich dafür aus, diesen "ganz großen Wurf" im Interesse der Union umzusetzen. Die sich abzeichnende Einstimmigkeit in dieser Frage freue ihn sehr, da dies ein wichtiges Signal sei. Zu einer allfälligen Volksabstimmung meinte der Kanzler, die Komplexität dieser Materie eigne sich nicht für eine Vielzahl von Volksabstimmungen. Er halte es immer noch für sinnvoll, das europäische Volk gemeinsam über diese Verfassung zu befragen, doch habe er leider keinerlei Unterstützung für diese Idee in Europa gefunden. Er sei aber überzeugt, dass diese europäische Volksabstimmung eines Tages noch kommen werde.

Vizekanzler GORBACH meinte, diese Verfassung stelle eine neue Qualität dar, die Europa mit mehr Transparenz ausstatte und den Mitgliedsländern mehr Möglichkeiten einräume. Die Werte der Union würden erstmals festgeschrieben, mit der Verankerung der Grundrechte würden diese nun auch verbindlich. Der Verfassungsvertrag habe weitere positive Auswirkungen, er sei daher zu begrüßen, so das Regierungsmitglied. Gleichzeitig wies der Vizekanzler auf die unbefriedigende Situation hinsichtlich der Atomfrage hin und sprach sich für ein Auslaufen des Euratom-Vertrages aus.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) meinte, eine Volksabstimmung sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht notwendig, so sähen es jedenfalls die Experten. Sie sei daher der Meinung, dass das Parlament hier entscheiden solle, denn die Abgeordneten seien vom Volk mit seiner Vertretung betraut. Die Rednerin stellte dem Entwurf ein positives Zeugnis aus und trat für seine Annahme ein.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) erläuterte das gewählte zweistufige Verfahren zur Ratifikation des Verfassungsentwurfs und meinte, diese Vorgangsweise sei sehr klug und weise. Man müsse sich sehr gewissenhaft mit diesen Verträgen auseinandersetzen und sollte alle Einwendungen entsprechend genau prüfen. Er glaube aber nicht, dass eine Volksabstimmung notwendig sei. Die Verfassung sei ein Schritt in die richtige Richtung, sie sollte daher unterstützt werden.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) unterstrich die Unterstützung seiner Fraktion für die gewählte Vorgangsweise, beklagte aber den mangelnden Enthusiasmus, handle es sich bei diesem Verfassungsentwurf doch um ein wichtiges Dokument in Richtung einer politischeren Union. Die wichtigen Visionen für das Projekt Europa bräuchten eine bessere Verankerung in der Bevölkerung, und hier bleibe noch einiges an politischer Arbeit zu tun. Hinsichtlich einer Volksabstimmung meinte der Redner, sollte es eine europäische Volksabstimmung nicht geben, dürfe eine nationale Volksabstimmung zumindest nicht ausgeschlossen sein.

Abgeordnete SBURNY (G) nannte die europäische Verfassung einen großen Fortschritt, würden doch wichtige demokratiepolitische Forderungen erfüllt, weshalb ihre Fraktion, bei allen Kritikpunkten, die es - etwa die neoliberalen Aspekte - auch gebe, für die Annahme dieser Verfassung eintrete.

Die Vorlage wurde einstimmig angenommen.

(Schluss Verfassung/Forts. NR)