Parlamentskorrespondenz Nr. 253 vom 15.04.2005

ÖSTERREICH WILL EU-BUDGET NACH WIE VOR MIT 1 % DES BNE BEGRENZEN

Bundeskanzler unterrichtet Nationalrat über aktuelle EU-Vorhaben

Wien (PK) - Österreich tritt - gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden - nach wie vor dafür ein, die Ausgaben im EU-Haushalt mit 1 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu begrenzen und die Förderungen stärker auf die wirtschaftsschwächeren EU-Mitgliedstaaten zu konzentrieren. Das geht aus einem Bericht von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an den Nationalrat hervor. Schüssel informiert die Abgeordneten in diesem Bericht über aktuelle EU-Vorhaben in seinem Zuständigkeitsbereich und darüber, welche Positionen die Regierung zu den einzelnen Punkten einnimmt. (III-125 d.B.)

Eines der zentralen aktuellen EU-Vorhaben ist die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik. Ziel dieser Politik ist es, wirtschaftliche und soziale Unterschiede innerhalb der Unionsgrenzen zu verringern. In diesem Sinn ist man beispielsweise bestrebt, ärmere Regionen durch gezielte Förderungen wirtschaftlich an die reicheren Regionen heranzuführen, dafür stehen verschiedene Fördertöpfe - Kohäsionsfonds, Strukturfonds - zur Verfügung. Das derzeitige Programm läuft Ende 2006 aus, für die Jahre 2007 bis 2013 soll ein neues Programm erarbeitet werden, wobei nicht zuletzt die jüngste EU-Erweiterung Auswirkungen auf die Mittelverteilung haben wird.

Die österreichische Regierung unterstützt, wie aus dem Bericht hervorgeht, den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Kohäsionspolitik künftig stärker an den strategischen Zielen der Union wie Wachstum und Beschäftigung auszurichten, gibt aber zu bedenken, dass das von der Kommission vorgeschlagene finanzielle Gesamtvolumen - insgesamt 336,3 Mrd. € für die beiden Strukturfonds und den Kohäsionsfonds für die Periode 2007 bis 2013 - mit der österreichischen Zielsetzung, die Ausgaben der EU auf 1 % des BNE zu beschränken, nicht kompatibel ist. Zudem fordert die Regierung ausreichend Spielraum für eine Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten und lehnt Pläne der Kommission ab, regionale Unternehmensbeihilfen in den "reichen" Mitgliedstaaten ab 2007 fast vollständig zu verbieten.

Auf Österreich werden sich die Vorschläge der EU-Kommission dem Bericht zufolge dahingehend auswirken, dass das Burgenland - dank seiner günstigen Wirtschaftsentwicklung - in der nächsten Programmperiode seinen besonderen Förderstatus als Ziel-1-Gebiet verliert, es wird voraussichtlich aber eine Übergangsunterstützung erhalten. Weiters ist für jedes Bundesland ein Regionalprogramm zur Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und - ähnlich wie bisher - ein nationales Beschäftigungsprogramm in Aussicht genommen. Auch die Programme zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sollen beibehalten werden.

Der Bundeskanzler weist in seinem Bericht darüber hinaus auf die Absicht der EU-Kommission hin, die Rechtsetzung auf EU-Ebene qualitativ zu verbessern und entsprechende Strategien wieder aufzugreifen. Unter anderem will die Kommission bei ihrer legislativen Arbeit verstärkt darauf achten, dass das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigt werden, sowie eine ausreichende Einbindung der Zivilgesellschaft - Interessenvertretungen, NGO - sicherstellen. Auch das Instrument der Folgenabschätzung soll verstärkt zum Einsatz kommen. Weiters hat die Kommission angekündigt, Verletzungen des Gemeinschaftsrechts rigoros ahnden zu wollen.

Besonders intensiv und engagiert will sich Österreich, wie es im Bericht heißt, Plänen der EU widmen, das Mandat der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien zu erweitern und diese in eine Europäische Menschenrechtsagentur umzuwandeln. Hauptaufgabe der Menschenrechtsagentur soll es sein, menschenrechtlich relevante Informationen zu sammeln, aufzubereiten und damit EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten zu unterstützen.

Vom aktuellen Arbeitsprogramm des Rates - dem Gremium, in dem die jeweils zuständigen Minister der EU-Staaten gemeinsame Entscheidungen fällen - betreffen u.a. folgende Vorhaben den Kompetenzbereich des Bundeskanzleramtes: die Unterzeichnung des Vertrags zum Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union, die Weiterentwicklung der so genannten Lissabon-Strategie, ein neues Kulturprogramm für die Jahre 2007 bis 2013 mit dem Ziel, die kulturelle Zusammenarbeit in Europa auszubauen und damit einen Beitrag zur Entwicklung einer europäischen Identität zu leisten, die Fortsetzung des MEDIA-Programms zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Film- und Fernsehwirtschaft und der Verbreitung europäischer Filme, ein neues System für die Initiative "Kulturhauptstadt Europas" ab 2009, die Anpassung der "Fernsehrichtlinie" an geänderte wirtschaftliche und technologische Gegebenheiten, die Fortführung einer Initiative zur Entwicklung der Informationsgesellschaft unter dem Titel "i2010" und der Start eines mehrjährigen Programms ("Safer Internet") zur Förderung der sicheren Nutzung des Internet und neuer Online-Technologien.

Eine in Diskussion befindliche Empfehlung der EU in Bezug auf ein wirksames Recht auf Gegendarstellung in allen Medien hat die Regierung bereits mit einem dem Parlament vorgelegten Vorschlag zur Novellierung des Mediengesetzes vorweggenommen. Mit dieser Gesetzesänderung soll das Recht auf Gegendarstellung auf den Online-Bereich ausgedehnt werden. Die geplante Empfehlung der EU umfasst außerdem die Stärkung der Medienkompetenz Jugendlicher, die Bewertung und Klassifizierung audiovisueller Inhalte und die Bekämpfung aller Arten von Diskriminierung in sämtlichen Medien.

Als bedeutende voraussichtliche Themen der vier EU-Gipfel in diesem Jahr nennt der Bericht u.a. die Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie, die nächste Finanzielle Vorschau der EU 2007 bis 2013, ein neues Fünfjahresprogramm zur Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die Überprüfung des Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung, den im September stattfindenden "Major Event" der Vereinten Nationen zur Überprüfung der Fortschritte bei der Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele (MDG), den Klimawandel, die laufenden WTO-Verhandlungen und die EU-Pläne zur qualitativen Verbesserung der Rechtsetzung ("Better Regulation").

Der Bericht des Bundeskanzleramtes ist auf der Website des Parlaments unter dem Menüpunkt Parlamentarisches Geschehen - Verhandlungsgegenstände im Volltext abrufbar. (Schluss)