Parlamentskorrespondenz Nr. 261 vom 19.04.2005

RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS DEBATTIERT EINKOMMENSENTWICKLUNG

SPÖ warnt angesichts hoher Wohnungskosten vor englischen Zuständen

Wien (PK) – Der Rechnungshofausschuss debattierte heute unter der Verhandlungsleitung seines Obmannes Werner Kogler den Bericht gemäß Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003 (III-115 d.B.), der ein von allen Abgeordneten mit Lob bedachtes umfassendes Bild der durchschnittlichen Einkommen der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2003 gibt. Nach einer lebhaften Debatte wurde der Bericht mit den Stimmen der Koalitionsparteien zur Kenntnis genommen.

Die SPÖ-Abgeordneten Ruth Becher, Christian Faul und Kurt Gassner konzentrierten sich auf die sich weiter öffnende Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, auf die zunehmende Diskrepanz zwischen wachsenden Lebenshaltungskosten bei mäßiger Lohnentwicklung und explodierenden Unternehmensgewinnen, während ÖVP-Abgeordnete Carina Felzmann darauf aufmerksam machte, dass die meisten der Selbständigen in Klein- und Kleinstbetrieben unterdurchschnittliche Einkommen erzielten. Rechnungshofpräsident Josef Moser warnte anhand konkreter Beispiele vor Missverständnissen, die entstehen können, wenn man die Durschnittseinkommen (Medianeinkommen) großer Gruppen vergleiche, ohne Parameter wie Teilzeit- und Vollzeitanteile oder den jeweiligen Altersdurchschnitt zu berücksichtigen. Für künftige Einkommensberichte stellte der Rechnungshofpräsident daher eine vertiefte und stärker auf die Verteilung der Einkommen eingehende Darstellung in Aussicht.

Eingangs der Sitzung hatte Rechnungshofpräsident Josef Moser erläutert, warum der Rechnungshof über die Bezüge in Betrieben, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, gemäß Art. 1 §8 Abs. 3 des Bezügebegrenzungsgesetzes nicht berichten könne. Zahlreiche Rechtsträger haben, teilte Moser mit, unter Berufung auf den Datenschutz lediglich anonyme Meldungen erstattet, denen weder die Namen von Personen noch die ihnen zuzuordnenden Bezüge oder Pensionen entnommen werden konnten. Vielfach sei auch die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes oder die Mitteilungspflicht in Abrede gestellt worden. Infolgedessen hat der Rechnungshof im Oktober 2000 Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig gemacht, die nach einer Vorabentscheidung des EuGH im Mai 2003 zum VfGH-Erkenntnis führte, dass „die Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie der Anwendung jener Bestimmungen des Bezügebegrenzungsgesetzes entgegenstehen, die eine namentliche Offenlegung der Bezüge und der Beschaffung von Daten zu diesem Zweck ermöglichen.“

DURCHSCHNITTLICHE EINKOMMEN DER ÖSTERREICHER/INNEN 

Der Bericht des Rechnungshofes gibt ein umfassendes Bild der durchschnittlichen Einkommen der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2003: Unselbständig Erwerbstätige verdienten im Durchschnitt 21.060 € (Frauen: 15.380 €, Männer: 25.830 €). Das Nettoeinkommen der Unselbständigen lag 2003 bei 15.470 € (Frauen: 12.000 €, Männer: 18.320 €). Ganzjährig Vollzeiterwerbstätige verdienten 2003 brutto 29.840 € (Frauen: 25.360 €, Männer: 32.160 €).

Das Bruttoeinkommen der Pensionisten lag 2003 durchschnittlich bei 14.220 € (Frauen: 10.640 €, Männer: 19.550 €), das Nettoeinkommen betrug 2003 durchschnittlich 12.930 € (Frauen: 10.260 €, Männer: 16.440 €). Gegenüber 2002 betrug die Steigerung der Bruttoeinkommen 2,4 % (Frauen: 1,6%, Männer: 2,7%), die Nettoeinkommen sind um 2,5% gestiegen (Frauen: 1,9%, Männer: 2,1%).

EINE LEBHAFTE DEBATTE UM VERTEILUNGSPROBLEME BEI DEN EINKOMMEN

In der Debatte lobte Abgeordnete Ruth Becher (S) die umfassende Darstellung der Daten, die bedauerlicherweise dokumentierten, dass Arbeiterinnen von 2002 auf 2003 erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen mussten und die Einkommensschere gegenüber den männlichen Kollegen weiter gestiegen sei. Als Ursachen nannte Becher die schlechtere Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und deren hohen Teilzeitanteil. Die Abgeordnete interessierte sich für Vorschläge des Rechnungshofpräsidenten zur Verbesserung der Situation.

Abgeordnete Magda Bleckmann (F) erkundigte sich nach den Kosten des vorliegenden Berichts und wollte wissen, ob und wie ausgegliederte Unternehmen in Zukunft geprüft werden könnten.

Abgeordneter Christian Faul (S) machte in diesem Zusammenhang auf Tendenzen in Deutschland, Frankreich und Italien aufmerksam, die Gehälter in öffentlichen Betrieben offen zu legen. Als dramatisch bezeichnete der Redner die enormen Steigerungen bei den Kosten für die Erhaltung von Eigentumswohnungen (14 %), bei den Mieten (7 %), bei Energie (8,3 %) und bei Treibstoffen (16 %). Angesichts sehr moderater Lohnsteigerungen, sei es daher ein Problem, wenn Unternehmensgewinne zugleich explosionsartig steigen. Faul warnte vor Zuständen wie in England, wo sich immer mehr Menschen ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) hielt es für problematisch, dass zwar Politiker und öffentlich Bedienstete ihre Einkommen offen legen müssen, die Angestellten staatsnaher Betriebe sich aber im Schutz einer EuGH-Entscheidung vor der Offenlegung ihrer Einkommen drücken können. „Einkommen ist nichts Schlechtes, sofern man es verdient. Es spricht nichts gegen Transparenz bei den Bezügen“, zeigte sich Gaßner überzeugt und wollte wissen, wie es nun nach der VfGH-Entscheidung weitergehe.

Abgeordnete Carina Felzmann (V) forderte die SPÖ dazu auf, in ihrer Kritik an Unternehmensgewinnen nicht zu übersehen, dass 90 % der Selbständigen in Klein- und Kleinstbetrieben über weit unterdurchschnittliche Einkommen verfügen.

Abgeordneter Roderich Regler (V) meinte, der Rechnungshof habe lediglich die Aufgabe, Einkommensdaten darzustellen, nicht aber, sie zu bewerten.

Abgeordneter Werner Kogler (G) hielt in seiner Wortmeldung fest, dass die Gewinne großer Unternehmen stärker steigen als die Bruttolöhne, und dass die Löhne in den niedrigeren Kategorien stärker zurückgehen als in den oberen Einkommensbereichen, woraus auch für ihn ein Verteilungsproblem entstehe, mit dem man sich intensiv auseinandersetzen sollte. Dasselbe gelte für die Einkommen von Frauen, bei denen sich der hohe Teilzeitanteil negativ auswirke.

Rechnungshofpräsident Josef Moser ging auf die an ihn gerichteten Fragen im Detail ein, wobei er darauf aufmerksam machte, dass Vergleiche der Einkommen von Männern und Frauen, öffentlich Bediensteten und Beschäftigten in der Privatwirtschaft sowie zwischen Aktiven und Pensionisten häufig missverständlich seien, sofern sie sich nur auf die Medianeinkommen beziehen. Hinter den Medianeinkommen stehen oft sehr unterschiedliche Einkommen, daher sei der Vergleich der Durchschnittswerte problematisch. Ein Beispiel: Das höhere Durchschnittseinkommen von Beamten habe seinen Grund unter anderem auch im wesentlich höheren Durchschnittsalter der Beamten von 45 Jahren gegenüber Angestellten mit 38 Jahren und Arbeitern mit 36 Jahren. Beim Vergleich von Durchschnittspensionen machte der Rechnungshofpräsident wiederum auf den „Kohorteneffekt“ aufmerksam: Jahr für Jahr sterben alte Pensionisten mit relativ kleinen Pensionen, während jüngere Pensionisten mit relativ höheren Pensionen nachrücken, der bloße Vergleich von Medianpensionen verdecke diese Differenzierung. Präsident Moser schlug dem Ausschuss daher vor, künftigen Einkommensberichten einen allgemeinen Textteil mit vertieften Darstellungen voranzustellen, die gezielter als bisher versuchten, solche Missverständnisse zu vermeiden. Moser bot auch an, stärker auf Verteilungseffekte und auf die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen einzugehen. Eine Bewertung der Fakten sei Aufgabe der Abgeordneten, nicht des Rechnungshofes. Den statistischen Datenteil könnte der Rechnungshof künftig in Form einer CD-ROM oder via Internet zugänglich machen. Die Kosten des Einkommensberichts bezifferte Präsident mit 260.000 €.

Mit der Frage der namentlichen Nennung von Einkommen in Betrieben, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, habe sich der Österreich-Konvent befasst und festgestellt, dass dies eine Neufassung des Bezügebegrenzungsgesetzes voraussetze, informierte der Rechnungshofpräsident. (Fortsetzung)