Parlamentskorrespondenz Nr. 266 vom 19.04.2005

KONTROVERSIELLE DEBATTE UM GERICHTSMEDIZIN IM RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS

Auskunftspersonen legen ihre Sicht der Dinge dar

Wien (PK) - In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Rechnungshofausschuss ein weiteres Mal mit der bereits mehrfach vertagten Materie der Situation an der Grazer und der Wiener Gerichtsmedizin (III-106 d.B.), zu der dieses Mal Auskunftspersonen gehört wurden. In der ersten Runde, die der Lage am Wiener gerichtsmedizinischen Institut gewidmet war, standen den Mitgliedern des Ausschusses Sektionschef Sigurd Höllinger, der ehemalige Institutsleiter Manfred Hochmeister und der Rektor der MU Wien, Wolfgang Schütz, zur Verfügung.

Abgeordneter Christian Puswald (S) verwies eingangs auf eine DVD, die vom Rechnungshof gefilmtes Material enthalte, welche die unmöglichen Zustände an der Gerichtsmedizin dokumentierten. Die baulichen Verhältnisse dort seien unerträglich, wie mit den Leichen umgegangen werde, pietätlos, die Zustände ganz allgemein unzumutbar, zumal für jene, die dort arbeiten müssten. Dies alles sei eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig, meinte Puswald, der auf eine dringende Änderung der Bedingungen drängte.

Abgeordneter Roderich Regler (V) befasste sich mit den Abrechnungen für Sachverständigengutachten und forderte eine ansprechende Abgeltung für die Betreffenden in Lehre und Forschung. Der Rechnungshof habe hier eine klare, nachvollziehbare, transparente Regelung eingemahnt, und dieser Empfehlung sollte man entsprechend Folge leisten, meinte der Mandatar.

Abgeordneter Kurt Grünewald (V) wies auf die Verantwortung des Ministeriums hin. Dieses hätte Zeit und Möglichkeiten gehabt, hier fristgerecht einzugreifen und somit eine weitere Verschlechterung der Lage hintanhalten können. Der Rechnungshof habe schon seit über 10 Jahren immer wieder auf die prekäre Situation hingewiesen, Konsequenzen seien aber ausgeblieben, so Grünewald, der die Verantwortung des Dienstgebers für seine Arbeitnehmer einmahnte und auch auf die juristischen Aspekte der Causa einging. Das Ministerium lasse die Universität in dieser Frage im Stich, beklagte der Redner.

Abgeordneter Herbert Haupt (F) hielt ebenfalls fest, dass das gerichtsmedizinische Institut in Wien aus dem letzten Loch pfeife. Er kritisierte den Umgang mit Hochmeister, der von Anfang an am Institut einem Mobbing ausgesetzt gewesen sei und schließlich mit einer anonymen Anzeige mundtot gemacht werden sollte. Derartige Vorgänge ließen große Sorge hinsichtlich der Qualität der Ausbildung entstehen. Die Kritik des Rechnungshofes spreche für sich, zudem seien einige Aspekte dieser Causa ja bereits Gegenstand juristischer Prüfung. Der Rektor solle seine Verantwortung wahrnehmen, meinte Haupt, die bisherige Leitung stärken und für entsprechende bauliche Verbesserungen Sorge tragen. Konkret wies Haupt noch auf den Vorwurf hin, wonach einzelne Mitarbeiter des Instituts in der Dienstzeit Privatgutachten unter Ausnutzung der institutionellen Infrastruktur erstellt hätten und mahnte auch hier die Verantwortung des Rektors ein.

Hochmeister erklärte, er sei von Anfang an durch die Sachverständigen behindert worden. Als er am 1.1.2004 seinen Dienst angetreten habe, da wollte er den Weltruf der Wiener Gerichtsmedizin wiederherstellen, doch sei er auf katastrophale Zustände und massive Widerstände gestoßen. Man habe ihm den Personalstand systematisch verringert und die EDV-Anlage abgeschaltet. Zeitweise habe er ohne Sekretärin das Auslangen finden müssen, die Sachverständigen seien ihren diversen Nebenbeschäftigungen nachgegangen. Für ihn habe sich bald der Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betruges ergeben, doch sei er schließlich abberufen worden und habe seitdem keinerlei Informationen mehr erhalten. Generell votierte Hochmeister für höchstes wissenschaftliches Niveau, wofür es allerdings entsprechende Änderungen, auch baulicher Natur, brauche.

Höllinger sagte, er habe gerüchteweise von diesen Verfehlungen gehört, werte diese aber als persönliches Fehlverhalten, das aufzuklären Aufgabe der Justiz sei. Der Sektionschef erläuterte die Vorgangsweise des Ministeriums und ortete den Kern der Fehlentwicklung in der Strafprozessordnung, die derzeit einzelne Sachverständige statt der Universität als solche beauftrage. Dies müsse geändert werden, sonst sei eine ordentliche Gebarung gar nicht möglich. Der diesbezügliche Anstoß des Rechnungshofes sollte daher aufgegriffen werden, meinte Höllinger, der weiters darauf hinwies, dass durch das neue Universitätsgesetz nicht länger das Ministerium, sondern die Universität selbst für diese Sache zuständig sei.

Schütz plädierte eingangs dafür, Lehre und Forschungstätigkeit in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen, diene sie doch wesentlich der Profilbildung des Instituts. Hinsichtlich der Gutachtertätigkeit votierte er für eine Lösung im Sinne des Instituts. Das Problem sei hier die fehlende StPO-Novelle. Schütz legte seine Sicht der Entwicklung am Institut dar und erläuterte die Motive, die seitens des Rektorats zur gewählten Vorgangsweise führten. Schütz urgierte einen raschen Neubau und meinte, man möge den Vorschlägen des Rechnungshofes entsprechen.

Am Institut für gerichtliche Medizin der Uni Wien sei derzeit der Zustand eingetreten, dass jene Personen, die alles verursacht haben, weiterhin dort tätig sind und Gutachten durchführen, gab Rechnungshofpräsident Josef Moser zu bedenken. Man müsse sich überlegen, welche Schritte gegenüber jenen Personen angebracht sind, die das Institut bisher konkurrenziert haben und Nutznießer des Systems waren. Wenn alles wieder in geordneten Bahnen verlaufen soll, genügend Zeit für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen soll, dann wäre es nach Auffassung des Rechnungshofes am sinnvollsten, wenn die Sachverständigentätigkeit zu einer Pflichtaufgabe der Medizinischen Universitäten wird; dadurch würde sich auch eine gesonderte Vergütung an die Sachverständigen erübrigen. Auf jeden Fall müssten entsprechende Konsequenzen gezogen werden, betonte Moser, und der Rechnungshof werde diese Causa auch mit Nachdruck weiterverfolgen.

Eduard Leinzinger, der Vorstand des Instituts für Gerichtliche Medizin an der Universität Graz, wies zunächst darauf hin, dass er seit 1997 die Kostenersätze eingestellt habe. Mit dem UOG 1993 habe sich die Situation noch zugespitzt, da die bislang zweckgebundenen Kostenersätze an die Finanzprokuratur überwiesen werden mussten. Sehr problematisch sei auch die Personalsituation, da das Grazer Institut mit 7 Akademikern und 11 Nicht-Akademikern auskommen müsse. Mit diesem Stab soll jedoch ein Einzugsgebiet von insgesamt 1,8 Millionen Menschen betreut werden, gab er zu bedenken. Dies führe u.a. auch dazu, dass die Forschung quasi nur mehr in der Freizeit durchgeführt werden kann. Außerdem wäre das Institut längst ausgehungert, wenn es nur auf die öffentlichen Mittel angewiesen wäre. Er sei sehr interessiert daran, dass eine vernünftige Regelung für die Zukunft gefunden wird, wobei die Gerichtsmediziner alle an einem Strang ziehen müssen.

Der Rektor der Medizinischen Universität Graz Gerhard Franz Walter sprach die Kostenersatzermittlung an und wies darauf hin, dass eine Wirtschaftsprüfungskanzlei damit beauftragt wurde, diese für die Jahre 2001 bis 2003 durchzuführen. Die Unterlagen seien dem Rechnungshof zur Verfügung gestellt worden. Man habe auch der Staatsanwaltschaft die Unterlagen übermittelt. Univ.-Prof. Leinzinger habe eine Selbstanzeige gemacht, disziplinarrechtliche Maßnahmen wurden eingeleitet, das Verfahren ruhe aber so lange, bis die Staatsanwaltschaft ihre Erhebungen abgeschlossen habe. Gegenüber der Universität wurden alle Unterlagen vorgelegt, unterstrich der Rektor, und mit dem Steuerberater von Leinziger durchgearbeitet. Für die Jahre 2001 bis 2003 wäre ein Kostenersatz in sechsstelliger Höhe zu leisten gewesen; es wurde auch ein sechsstelliger Betrag der Medizinischen Universität überwiesen. Offen seien noch die tatsächlich von Leinzinger geleisteten Aufwendungen für das Institut.

RH-Präsident Josef Moser machte darauf aufmerksam, dass in Graz nur punktuell Vergleichsdaten erhoben wurden; im Rahmen einer Follow-up-Überprüfung werde man sich näher damit befassen.

Die Verhandlungen über den Wahrnehmungsbericht des RH über Teilgebiete der Gebarung des Bundes (III-106 d.B.) wurden vertagt. Einen Vertagungsbeschluss gab es auch zum Wahrnehmungsbericht des RH in III-139 d.B. Mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien wurde der Wahrnehmungsbericht des RH über die Budgetkonsolidierung (III-82 d.B.) zur Kenntnis genommen. (Schluss)