Parlamentskorrespondenz Nr. 284 vom 22.04.2005

JAHRESVORSCHAU DES FINANZMINISTERIUMS AUF VORHABEN DER EU 2005

Wien (PK) - Finanzminister Karlheinz Grasser hat dem Nationalrat erstmals eine Jahresvorschau 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates vorgelegt (III-137 d.B.).

Dem Bericht, über den der Finanzausschuss in seiner nächsten Sitzung am 28. April (11 Uhr, Budgetsaal) ÖFFENTLICH debattieren wird, ist zu entnehmen, dass die Europäische Kommission (EK) ihren Arbeitsschwerpunkt für 2005 bei der Halbzeitüberarbeitung der Lissabon-Strategie und damit bei der Förderung des Wirtschaftswachstums und der Erhöhung der Beschäftigung sieht. Darüber hinaus stehen der Kommission die Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 sowie die Umsetzung des Den-Haag-Programmes zur Sicherung der persönlichen Freiheit und Sicherheit ins Haus.

Generell nennt die Kommission vier politische Prioritäten – Prosperität, Solidarität, Sicherheit und außenpolitische Verantwortung - für ihre Arbeit im laufenden Jahr und ordnet ihnen konkrete Vorhaben wie folgt zu:

PROSPERITÄT

Rasche Umsetzung der Lissabon-Reformagenda, stabilitätsorientierte Makropolitik, Europäische Wachstumsinitiative und Weiterentwicklung des Binnenmarktes in Schlüsselbereichen.

SOLIDARITÄT

Steigerung der Mobilität von Arbeitskräften, Lösung des demographischen Problems, Anpassungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (Zucker, Bananen, ländliche Entwicklung) und Umsetzung des Kyoto-Abkommens.

SICHERHEIT

Ausweitung der Grenzkontrollen, Anpassung von Asyl- und Einwanderungsbestimmungen, bessere Informationsnetzwerke im Kampf gegen den Terrorismus.

AUSSENPOLITISCHE VERANTWORTUNG

Beitrittsvorbereitung Bulgariens und Rumäniens, Verhandlungen mit Kroatien, Eröffnung von Verhandlungen mit der Türkei, Aufbau eines politischen Rahmenwerks mit den EU-Nachbarländern, Überarbeitung der EZA-Milleniumsziele am UNO-Gipfel im September, Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklungsfinanzierung und Doha-Entwicklungsrunde.

DIE POSITION ÖSTERREICHS ZU AKTUELLEN INITIATIVEN DER KOMMISSION 

Bei der REFORM DES STABILITÄTS- UND WACHSTUMSPAKTES hält Österreich an einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik fest. Lediglich zur Erfüllung von Lissabon-Zielen sollen geringfügige Überschreitungen der 3%-Defizitgrenze erlaubt sein, sofern sie innerhalb eines Jahres wieder beseitigt werden.

Österreich befürwortet einen Richtlinienvorschlag zur weitgehenden HARMONISIERUNG DES MASSENZAHLUNGSVERKEHR in der Gemeinschaft unter Maßgabe einer ausgewogenen Balance zwischen den Kosten für die Banken und dem Konsumentenschutz.

Beim Thema GRÜNBUCH ZUR FINANZDIENSTLEISTUNGSINTEGRATION 2005-2010 unterstützt Österreich die EK-Initiative zu einem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (FSAP) und will die europäische Finanz- und Kapitalmarktaufsicht weiter entwickeln.

Eine Bestandsaufnahme über Fortschritte bei der "VERBESSERUNG DER LEGISLATIVE ZUR ERHÖHUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT" veranlasst den Finanzminister zur Feststellung, dass Österreich den "Aktionsplan zur Vereinfachung und Verbesserung des Regelumfelds" für Unternehmen unterstützt, sofern dabei Zielsetzungen im Sozial- und Umweltbereich berücksichtigt werden.

Ab 2008 soll eine neue Generation von Informationsnetzwerken die BETRUGSBEKÄMPFUNG AUF DEM STEUER- UND ZOLLSEKTOR erleichtern und die Sicherheit an den EU-Außengrenzen verbessern, teilt die EK mit. – Österreich unterstützt den Ausbau eines neuen EDV-Finanznetzwerkes, will aber Fragen der Datensicherheit umfassend geklärt sehen.

OPERATIVES JAHRESPROGRAMM DES RATES

Zu den Beschlüssen des ECOFIN vom 8. März 2005 für die inhaltliche Vorbereitung der nächsten GRUNDZÜGE DER WIRTSCHAFTSPOLITIK und für die künftige Umsetzung der LISSABONSTRATEGIE stellt der Finanzminister fest, er unterstütze die Fokussierung auf Wachstum und Beschäftigung im Rahmen der Lissabonstrategie. Das Wachstums will Grasser durch eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik, mehr Innovation, Wissensbasierung und stärkere Flexibilität am Arbeitsmarkt stärken. Die Umsetzung der Lissabonstrategie setzt laut Grasser eine kohärente europäische Wirtschaftspolitik voraus.

FINANZIELLE VORAUSSCHAU 2007 BIS 2013 – AGENDA 2007

Der Europäische Rat will bis Mitte 2005 eine politische Einigung über das Finanzpaket 2007 erzielen und bis Ende 2005 die diesbezüglichen Vorschläge annehmen. Das Paket umfasst unter anderem die Finanzvorschau 2007-2013 und Änderungsvorschläge für das Eigenmittelsystem, die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Rat, EP und EK sowie von Gemeinschaftspolitiken (Strukturfonds, Forschung und Entwicklung, Transeuropäische Netze).

Bei allen Entscheidungen zur AGENDA 2007 geht es Österreich um die längerfristige Tragfähigkeit der Gemeinschaftspolitiken und ihrer Finanzierung. Für künftige Aufgaben wie die Aufnahme neuer Staaten in die EU seien schon jetzt Finanzierungsspielräume zu schaffen. Der Ausgabenrahmen für die kommende Finanzperiode sei daher mit 1 % des EU-BNP zu begrenzen. Klare Prioritäten seien zu setzen und die Ansprüche der wirtschaftlich stärkeren Mitgliedstaaten gegenüber dem Gemeinschaftshaushalt bereits heute zu verringern. Dies erleichtere und vereinfache die Finanzierung künftiger Aufgaben. Insofern werde schon heute über die Eckpunkte der Agenda 2014 verhandelt.

AKTIONSPLAN FÜR FINANZDIENSTLEISTUNGEN (FSAP)

Dieser Aktionsplan soll 2005 weiter konsolidiert und Fortschritte bei den Richtlinienvorschlägen für BASEL II, die DRITTE GELDWÄSCHE-RICHTLINIE, die UMSETZUNG DER SONDEREMPFEHLUNG VII DER FATF, beim RECHTSRAHMEN FÜR CLEARING UND SETTLEMENT, der SOLVABILITÄT II und für RÜCKVERSICHERER erzielt werden.

Bei BASEL II trägt Österreich den im Dezember 2004 erreichten Kompromiss zwischen Stabilisierung der Banken und der Sicherung einer kostengünstigen Fremdkapitalfinanzierung für KMU mit.

Mit der 3. GELDWÄSCHE-RICHTLINIE zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung soll verhindert werden, dass das Finanzsystem, aber auch andere Berufsgruppen zu Zwecken der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung missbraucht

werden. Es geht um erhöhte Sorgfaltspflichten gegenüber politisch exponierten Personen und die Identifizierung des tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten. – Österreich trägt den im ECOFIN im Dezember 2004 erreichten Kompromiss mit.

Eine eigene Verordnung dient der UMSETZUNG DER SONDEREMPFEHLUNG VII der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF). Um die Finanzierung des Terrorismus zu bekämpfen, sollen alle Zahlungsströme nachvollziehbar werden. Banken sollen bei Überweisungen Angaben zur Person des Auftraggebers übermitteln. -

Österreich begrüßt die Umsetzung der Sonderempfehlung mittels Verordnung grundsätzlich, verlangt aber eine Ausnahme für inländische Überweisungen von Kleinstbeträgen bis 150 €, um das System der "Gratiserlagscheine" für bestimmte Spendenorganisationen aufrechtzuerhalten.

Österreich unterstützt die Initiative der Kommission, unter dem Titel RECHTSRAHMEN FÜR CLEARING UND SETTLEMENT einheitliche Bedingungen für die Wertpapierverrechnung und –abrechnung zu schaffen und damit den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen auf dem Gebiet des Wertpapierrechts zu komplettieren. Für Österreich ist eine einheitliche Definition von Clearing und Settlement wichtig.

Österreich ist auch für einen harmonisierten Massenzahlungsverkehr, wie ihn der neue RECHTSRAHMEN FÜR DEN ZAHLUNGSVERKEHR IM BINNENMARKT ("NLF“) vorsieht. Es verlangt aber die Ausgewogenheit zwischen Bankkosten und Konsumentenschutz und eine risikoadäquate Aufsicht für neue Zahlungsdienstleister, die "Payment Institutions“.  

Analog zum 3 Säulen-Ansatz von Basel II ist unter dem Titel SOLVABILITÄT II eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften für die Bildung von Rückstellungen der Versicherungen vorgesehen. Dazu gehören erweiterte Kapitalvorschriften für Versicherungen, verbesserte aufsichtsbehördliche Prüfverfahren und verbesserte Informations-(Offenlegungs-)pflichten für die Unternehmen. -  Österreich befürwortet die Gewährleistung eines hohen Schutzes der Versicherungsnehmer und eine angemessene Abbildung der Risiken im Versicherungsgeschäft.

Schließlich tritt Österreich auch für den Vorschlag der Kommission ein, einen europäischen Pass für Rückversicherer unter behördlicher Aufsicht des Herkunftsstaates der Unternehmen einzuführen.

STEUERANGELEGENHEITEN

Der Schwerpunkt liegt bei der Vervollständigung und Modernisierung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sowie bei der Kodifizierung und Vereinfachung bestehender Gemeinschaftsregelungen.

Bei der UMSATZSTEUER soll durch eine Richtlinienänderung der Ort der Besteuerung eines Dienstleisters vom Sitz des Unternehmers zum Sitz des Empfängers der Dienstleistung verlagert werden. Österreich hat besonderes Interesse an einer zügigen Annahme dieses Vorschlags, weil dadurch die EU-Konformität seiner Rechtslage beim grenzüberschreitenden Fahrzeug-Leasing gesichert wäre.

Die für Mitte 2005 geplante Vorlage eines Richtlinienvorschlages für die Umsatz-Besteuerung der LETZTVERBRAUCHER von Dienstleistungen zielt auf eine bessere Besteuerung ohne erheblich höhere Verwaltungsbelastungen. Dienstleistungen, die meist elektronisch aus der Entfernung erbracht werden, wie Telekommunikations-, Fernseh- und Rundfunkdienste oder Fernkurse, sollen am Ort des Leistungsempfängers besteuert werden. Der Verwaltungsaufwand soll durch One-Stop-Shops vermindert werden. - Österreich unterstützt diesen Vorschlag, weil es sich erwartet, dass steuersatzbedingte Wettbewerbsverzerrungen hintan gehalten werden.

Grundsätzlich positiv sieht Österreich auch die Absicht, für international tätige Unternehmen eine „EINZIGE ANLAUFSTELLE“, den One-Stop-Shop für fiskalische Verpflichtungen zu schaffen. Dabei geht es um die Registrierung für MwSt-Zwecke, Steuererklärungen, Geltendmachen des Vorsteuerabzugs und die Steuerentrichtung. Die Fragen der Kosten dieses Systems und der Betrugsanfälligkeit sollen aber noch geprüft werden.

Die Ausweitung des ANWENDUNGSBEREICHES ERMÄSSIGTER MEHRWERTSTEUER-SÄTZE lehnt Österreich ebenso ab wie eine Verlängerung der Ende 2005 auslaufenden Begünstigungen für arbeitsintensive Dienstleistungen.

Die Absicht, die RICHTLINIE ÜBER DAS GEMEINSAME MEHRWERTSTEUER-SYSTEM neu zu kodifizieren und zu vereinfachen, begrüßt Österreich, will diese Materie in der Zeit seiner EU-Präsidentschaft aber nicht prioritär behandeln.

Für wünschenswert hält Österreich eine Verordnung, die für die korrekte und einheitlicher Anwendung der geltenden MEHRWERTSTEUER-VORSCHRIFTEN sorgt.

Österreich begrüßt grundsätzlich die Fortsetzung und Verbesserung der E-COMMERCE-REGELN FÜR DRITTLANDSUNTERNEHMER.

Österreich unterstützt auch die Straffung der Ausnahmeregelungen bei der Anwendung der 6. MEHRWERTSTEUER-RICHTLINIE, vor allem auch wegen der Bestimmungen zur Betrugsbekämpfung.

VERBRAUCHSSTEUERN

Österreich spricht sich für neue Bestimmungen bei Beförderungen zu gewerblichen Zwecken aus. Bei privaten Verbringungen wird der bisherige restriktive Standpunkt beibehalten. Auch die beabsichtigten Vereinfachungen und das Ziel, Gesetzeslücken zu schließen, sieht Österreich grundsätzlich positiv.

ZOLLANGELEGENHEITEN

Für die geplante GENERAL-REFORM DES ZOLLKODEX, die die Mitgliedsstaaten aufgrund eines Gesamtvorschlags der Kommission diskutieren, sagt Österreich seine Unterstützung zu und setzt folgende Schwerpunkte: Verankerung eines "Single Window"-Ansatzes (=Koordination der Verwaltungen untereinander) im Zollkodex, Reduzierung auf drei Verfahrensarten und Straffung der Zollschuldrechtsbestimmungen, wobei die Folgewirkungen des subjektiven Verschuldens und des Entstehens der Abgabenschuld getrennt werden sollen.

Österreich unterstützt die Bemühungen um eine einheitliche Abwicklung der Zollverfahren unter Nutzung der jeweils fortgeschrittensten Informationstechnologie. Dies setze aber auch eine engere Abstimmung und operationelle Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen voraus, hält Österreich fest. (Schluss)