Parlamentskorrespondenz Nr. 300 vom 26.04.2005

VERTEIDIGUNGSAUSSCHUSS: MINISTER PLATTER SKIZZIERT BUNDESHEER-REFORM

Opposition: Umsetzung der Reform durch Eurofighter-Kosten gefährdet

Wien (PK) - Der Stand der ressortinternen Vorbereitungsarbeiten für die Heeresreform, deren Zeitplan und Detailfragen wie die geplanten Kasernenverkäufe, standen im Mittelpunkt der aktuellen Aussprache mit Bundesminister Günter Platter in der heutigen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses. In einem einleitenden Statement informierte der Minister die Abgeordneten zunächst über das Ziel der Reform, die Heeresstruktur dem geänderten Bedrohungsbild anzupassen. Dabei folge sein Ressort den Empfehlungen der Bundesheerreform-Kommission.

Insgesamt 700 Experten haben unter dem Titel "Management 2010" mit der Streitkräfteplanung begonnen und im Jänner 2005 ein erstes Ergebnis vorgelegt, berichtete der Minister. Die Streitkräfteplanung werde derzeit im Heer breit diskutiert und soll demnächst abgeschlossen werden. Im Vordergrund stehe eine schlankere Verwaltung, um mehr Soldaten zur Truppe zu bringen, wobei das angestrebte Verhältnis zwischen Verwaltung und Soldaten 1:1 betragen soll.

Die Mob-Stärke des Heeres soll von 110.000 auf 55.000, die derzeit sechs Kommanden auf zwei, ein "Kommando Streitkräfte" und ein "Kommando für Einsatzunterstützung", reduziert werden. Die Zahl der Brigaden soll von fünf auf vier und jene der Bataillone von 36 auf 27 verringert werden. Zugleich sollen Brigaden und Bataillone besser befüllt und in ihrer Qualität verbessert werden.

An den Militärkommanden werde festgehalten, deren Verwaltung soll aber im Durchschnitt um 40 % reduziert werden.

Festhalten will der Verteidigungsminister auch an der Wehrpflicht, die Dauer des Grundwehrdienstes werde aber ab 1.1.2006 auf sechs Monate reduziert. Zur Attraktivierung des Grundwehrdienstes zählen die Vermeidung von Leerläufen, bessere Schulungsmöglichkeiten, bessere Einstiegsgehälter für Frauen und eine Bezahlung von 820 € netto pro Monat als Anreiz für verlängerten Grundwehrdienst.

Hinsichtlich seiner neuen Aufgabenschwerpunkte soll das Bundesheer künftig imstande sein, 1.500 Soldaten permanent in das Ausland zu entsenden (derzeit 1.100); mittelfristig sei an die Aufstellung einer Brigade gedacht, die ein Jahr lang im Ausland tätig sein kann.

Die Aufgaben im Inland - sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze und Katastrophenhilfe - werden künftig nicht vernachlässigt, die Zahl der Soldaten, die für Katastropheneinsätze zur Verfügung stehen sollen, gibt der Minister mit mindestens 10.000 an, tatsächlich werden es aber 14.000 sein, versicherte Platter.

Und nicht zuletzt stellte Minister Platter fest, dass für ihn die Aufrechterhaltung der Luftraumüberwachung unverzichtbar sei.

Abschließend appellierte der Ressortchef noch an die Abgeordneten, in Standortfragen auf Populismus zu verzichten, die Gesamtreform im Auge zu behalten und den Weg des parteiübergreifenden Konsenses nicht zu verlassen. Über den Verkauf von Liegenschaften werde er nach Abschluss der Streitkräfteplanung das Gespräch mit den Landeshauptleuten führen, wobei Platter festhielt, dass die Einsparung von 40 % der Kasernen und Liegenschaften eine Voraussetzung für die Bundesheerreform sei. Es sei sein Ziel, die Bundesheerreform noch vor dem Sommer zu beschließen.

STELLUNGNAHMEN UND FRAGEN DER ABGEORDNETEN ZUR BUNDESHEERREFORM

Abgeordneter Anton Gaal (S) stellte im Hinblick auf die morgige Sondersitzung zum Thema Eurofighterbeschaffung einmal mehr fest, dass es sich dabei für ihn um "nicht notwendiges Kriegsgerät" handle. Die hohen Kosten dieser Kampfflugzeuge schränkten den budgetären Spielraum des Heeres ein. Er, Gaal, habe die Sorge, dass für die Umsetzung der Bundesheerreform zu wenig Geld vorhanden sei. Die Umsetzung der Bundesheerreform eröffne dem Verteidigungsminister Spielräume, die er nutzen sollte, um Einwendungen von Parteien, Bundesländern und Gewerkschaften zu berücksichtigen und die Verunsicherung im Heer zu beseitigen. Gaals Detailfragen richteten sich auf das künftige Standortekonzept und die geplanten Kasernenverkäufe.

Abgeordneter Walter Murauer (V) lobte das Ressort und die Arbeit der Experten an der Umsetzung der Empfehlungen der Bundesheerreform-Kommission. Positiv sah Murauer, dass dabei der Konsens im Vordergrund stehe und betonte die Gleichwertigkeit der in- wie der auswärtigen Aufgaben des Bundesheeres. Murauer bekannte sich zur Erhaltung der Militärkommanden, verteidigte einmal mehr die Anschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen und erkundigte sich nach der Zukunft der Miliz.

Abgeordneter Markus Fauland (F) konzentrierte sich auf Detailfragen nach den Standorten des Kommandos "Streitkräfte", auf finanzielle Anreize für Milizsoldaten und auf die Zukunft der Truppenübungen.

Abgeordneter Peter Pilz (G) erkundigte sich, ob die Aufteilung des Kommandos "Streitkräfte" auf zwei Orte auf eine Intervention Klubobmann Scheibners zurückgehe und mit parteipolitischen Postenbesetzungen im Zusammenhang stehe. Weiters wollte der Abgeordnete wissen, ob die von Abgeordnetem Darabos veröffentlichte Liste mit Kasernen, die geschlossen werden sollen, ein Originalpapier des Ministeriums sei. Weitere Fragen betrafen den zu erwartenden Erlös aus Kasernenverkäufen und die Begründung für die Absicht des Ministers, die Wehrpflicht über das Ende des Assistenzeinsatzes an der Ostgrenze hinaus aufrecht zu erhalten.

Abgeordneter Norbert Darabos (S) erneuerte seitens der SPÖ das Angebot an den Verteidigungsminister, die Wehrpflichtverkürzung auf sechs Monate gesetzlich abzusichern, und erinnerte daran, dass der Konsens über die Veräußerung militärischer Liegenschaften nicht 40 % der Kasernen, sondern 40 % der Liegenschaften meinte.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (S) drängte auf die Einbindung der Personalvertretung in die Bundesheerreform und wollte wissen, wer nach den internen Turbulenzen in der FPÖ der Ansprechpartner des  Verteidigungsministers beim Koalitionspartner in Sachen Heeresreform sei.

MINISTER PLATTER: FINANZIERUNG DER HEERESREFORM IST UNGEFÄHRDET 

Verteidigungsminister Günter Platter räumte in seinen Antworten ein, dass die Bundesheerreform - wie jede Reform - im Bundesheer Verunsicherung auslöse. Diese Verunsicherung werde aber klein gehalten, weil die Reform breit diskutiert werde. Die Finanzierung der Reform bereite ihm keine Sorge, sagte Platter, und wies darauf hin, dass derzeit durch die Beschaffung von Kampfanzügen, Kugel- und Splitterschutzwesten, von 108 Lkw, 20 Radpanzern vom Typ "Dingo" und Notarztfahrzeugen wesentliche Investitionen in die Zukunft des Bundesheeres erfolgen.

Die von Abgeordnetem Darabos veröffentlichte Liste über die Schließung von Kasernen sei kein offizielles Dokument des Ressorts. Das Ministerium habe alle militärischen Liegenschaften bewertet, eine Liste über zu verkaufende Objekte könne aber erst nach Abschluss der Streitkräfteplanung erstellt werden. Die Veräußerung der Liegenschaften soll rasch erfolgen, je nach Planung werde aber bei einzelnen Objekten eine Übergangsphase notwendig sein, teilte der Ressortleiter mit.

Die Miliz werde künftig die Funktion eines Expertenpools erfüllen, mit dem das Bundesheer das berufliche Know-how von Milizsoldaten nützt. Zudem wird die Miliz zur Befüllung von Brigaden und Bataillonen beitragen. Über einen finanziellen Anreiz, eine spezielle Milizprämie, werde diskutiert. In Diskussion stehe auch noch die Frage, ob das Kommando Streitkräfte an einem oder an zwei Standorten lokalisiert werde.

 

Seine Gesprächspartner beim Koalitionspartner seien nach wie vor Klubobmann Scheibner und Ausschussobmann Bösch, sagte der Minister und lobte die hervorragende Zusammenarbeit.

In einer dritten Verhandlungsrunde plädierte Abgeordnete Katharina Pfeffer (S) für die Erstellung eines Sozialplans und gegen die geplante Reduzierung der Militärmusik, Abgeordneter Stefan Prähauser (S) verlangte aus Salzburger Sicht die Einbindung der Gemeinden in die Verhandlungen über Kasernenverkäufe. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) erkundigte sich nach dem Projekt "Bundesheerangehörige im Justizressort" und Abgeordneter Werner Kummerer (S) verlangte die Durchführung von Überwachungsflügen an der Ostgrenze.

Abgeordneter Peter Pilz (G) warf dem Verteidigungsminister vor, den Ausschuss über Details des Eurofighterbeschaffung falsch informiert zu haben und brachte den Verzicht auf die Erfüllung von Muss-Anforderungen im Kaufvertrag, auf zu gering bezifferte Betriebskosten sowie den Umstand zur Sprache, dass das Ressort erst nach dem Kauf der Eurofighter eine Kosten- und Leistungsrechnung erstellt habe.

Hinsichtlich der Bundesheerreform appellierte Pilz an die SPÖ, statt ihres "Kasernenpopulismus" beim Konsens zu bleiben, der laute, 40 % der Liegenschaften zu verkaufen.

Bundesminister Günter Platter berichtete abschließend von Gesprächen mit der Personalvertretung über einen Sozialplan und bekundete die Absicht, dafür zu sorgen, dass das Bundesheer auch künftig in allen Bundesländern vertreten sei. Soldaten, die das Bundesheer nach ihrer Aktivzeit verlassen, können mit Unterstützung des Heeres beim Übertritt in das zivile Berufsleben rechnen, sagte der Minister und berichtete von Gesprächen mit der Wirtschaftskammer über Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, die im Umfang von 27.000 € für ein Jahr pro Person vom Heer finanzieren werden sollen.

Sein Eintreten für die Beibehaltung der Wehrpflicht auch nach Ende des Assistenzeinsatzes an der Ostgrenze begründete der Verteidigungsminister mit der Notwendigkeit, Katastrophen- und Assistenzeinsätze durchzuführen. Die Erfahrungen beim Einsatz und beim Übertritt von Angehörigen seines Ressorts zum Justizressort seien positiv. Überwachungsflüge an der Ostgrenze werden regelmäßig durchgeführt, teilte der Minister mit und erinnerte beim Thema Eurofighter daran, dass zusätzliche Kosten, die bei jeder anderen Typenentscheidung auch angefallen wären, nicht als Eurofighter-Betriebskosten zu betrachten seien. (Schluss)