Parlamentskorrespondenz Nr. 320 vom 28.04.2005

EU-VERFASSUNG: VERFASSUNGSAUSSCHUSS EMPFIEHLT RATIFIKATION

Abgeordnete sehen zum Verfassungsvertrag keine Alternative

Wien (PK) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats sprach sich heute einstimmig für die Ratifizierung der EU-Verfassung aus. Damit wurde ein weiterer wichtiger Schritt im Ratifikationsprozess gesetzt. Nun ist das Plenum des Nationalrats am Zug, es wird voraussichtlich am 12. Mai über die EU-Verfassung beraten und abstimmen.

Dem Beschluss des Verfassungsausschusses waren mehrstündige Beratungen der Abgeordneten mit Verfassungs- und EU-Rechts-Experten sowie mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Außenministerin Ursula Plassnik und Vizekanzler Hubert Gorbach vorangegangen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 321/2005). Dabei sprachen sich alle vier parlamentarischen Fraktionen, trotz Kritik im Detail, für die neue Verfassung aus und bekräftigten, dass es zum Verfassungsvertrag keine Alternative gebe. Positiv bewerten die Abgeordneten etwa die Ausweitung der Rechte der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments, die Aufnahme eines  Wertekatalogs in die EU-Verfassung und die Integration der Grundrechtscharta.

Seitens der Experten wurde darauf verwiesen, dass die EU-Verfassung u.a. eine Vereinfachung der Texte, eine Erleichterung der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene, eine Stärkung des Parlamentarismus und eine Klärung der Kompetenzen bringe. Universitätsprofessor Michael Holoubek (Wirtschaftsuniversität Wien) rechnet zudem damit, dass die Integration der Grundrechtscharta in die EU-Verfassung auch konkrete Auswirkungen auf die österreichische Gesetzgebung haben wird. Österreichische Gesetze, die EU-Recht umsetzen, werden künftig am Maßstab der Grundrechtscharta zu messen sein, betonte er.

"Sehr zufrieden" mit der EU-Verfassung zeigte sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Es sei zwar nicht alles perfekt, erklärte er, es sei aber keine Frage, dass der Verfassungsvertrag auf alle Fragen eine bessere Antwort gebe als das bisherige komplizierte Vertragswerk. Die in der Verfassung verankerten Werte und Ziele der Union wie Frieden, bürgerliche Freiheiten, Nachhaltigkeit und Beschäftigung würden auf die ungeteilte Zustimmung aller Bürgerinnen und Bürger Europas stoßen, zeigte sich Schüssel überzeugt.

Von der Opposition scharf kritisiert wurde die Weigerung der Koalitionsparteien, das Expertenhearing im Verfassungsausschuss öffentlich abzuhalten. Ebenso lehnten ÖVP und Freiheitliche es ab, eine Bürgerinitiative betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung mit dem Verfassungsvertrag mitzuverhandeln.

Ein Antrag der Grünen auf Ausschussfeststellung, in dem die Bindung von Auslandseinsätzen an ein UNO-Mandat verlangt wird, wurde von den Abgeordneten der ÖVP, des freiheitlichen Parlamentsklubs und einigen SPÖ-Abgeordneten abgelehnt und fand somit nicht die erforderliche Mehrheit.

Ziel der EU-Verfassung ist es, die EU-Verträge zu vereinfachen und die Zuständigkeiten der Union und ihrer Mitgliedstaaten deutlicher voneinander abzugrenzen. Gleichzeitig will man die demokratische Legitimität der Entscheidungen auf EU-Ebene erhöhen und die EU-Politik transparenter und effizienter machen.

Um in Kraft treten zu können, muss die Verfassung, die sämtliche bisherigen EU-Verträge ersetzt, von allen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament ratifiziert werden. In Österreich ist dafür eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat erforderlich. Wird der in Aussicht genommene Ratifikationsfahrplan eingehalten, könnte das Ratifikationsverfahren in Österreich Ende Mai abgeschlossen sein.

Abseits der EU-Verfassung beschloss der Verfassungsausschuss, einen Gesetzentwurf der Regierung, der auf die Verankerung der österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung abzielt, jenem Unterausschuss des Verfassungsausschusses zuzuweisen, der sich bereits mit mehreren Anträgen, Entschließungsanträgen und einer Petition zu diesem Thema befasst.

Von ÖVP und Freiheitlichen zu Beginn der Sitzung abgelehnt worden war die von der Opposition verlangte Ergänzung der Tagesordnung um einen Antrag der Grünen betreffend Änderung des Wahlmodus für den Bundesratspräsidenten und um einen Neuwahlantrag der SPÖ. (Fortsetzung)