Parlamentskorrespondenz Nr. 372 vom 11.05.2005

AUSSENPOLITISCHER AUSKLANG IM NATIONALRAT

Wien (PK) - Vorlagen aus dem Außenpolitischen Ausschuss standen am Ende der Tagesordnung. Unter einem wurden zunächst ein Informationsabkommen auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit mit Weißrussland, ein Katastrophen-Hilfeabkommen mit Kroatien, der WIPO-Vertrag und der WIPO-Urheberrechtsvertrag, Änderungen der WHO-Satzung (Art. 7, Art. 74, Art. 24 und Art. 25) und eine Immunitätsregelung für die Bediensteten der Europäischen Verteidigungsagentur debattiert.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) setzte sich mit dem Abkommen zwischen Österreich und Weißrussland über Informationsaustausch auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes auseinander und wertete die Unterzeichnung des Abkommens als wichtigen Schritt. Generell hält er es, wie er sagte, für notwendig, dass Österreich seine Stimme gegen die Kernkraft erhebe.

Abgeordneter HEINZL (S) befasste sich mit der Europäischen Verteidigungsagentur und kritisierte, dass Außenministerin Plassnik den Abgeordneten im Außenpolitischen Ausschuss eine Reihe von Fragen nicht beantworten habe können. Unter anderem stellt sich Heinzl die Frage, wieso Österreich aufgrund eines Ratsbeschlusses automatisch Mitglied der Europäischen Verteidigungsagentur sein solle, Dänemark ihr aber nicht angehöre. Aufgrund der zahlreichen offenen Fragen kündigte Heinzl die Ablehnung der Regierungsvorlage durch die SPÖ an.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) hielt in Richtung seines Vorredners fest, Österreich sei bereits 2000/2001 der Europäischen Verteidigungsagentur beigetreten. Dies sei auch im Parlament diskutiert worden. Die Europäische Verteidigungsagentur sei nichts Böses und nichts Gefährliches, betonte er, sie unterstütze Forschungsprojekte und nehme Planungsarbeiten vor. Für Scheibner ist es unverständlich, dass die SPÖ die nunmehrige Regierungsvorlage ablehnen wolle.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) bedauerte, dass sich der Nationalrat nicht mit dem Außenpolitischen Bericht befasse und richtete an Außenministerin Plassnik den Appell, in künftigen Berichten klarzumachen, welche Position Österreichs zu zentralen außenpolitischen Fragen einnehme. Die Regierungsvorlage betreffend die Europäische Verteidigungsagentur wird Lunacek zufolge auch von den Grünen abgelehnt, wobei sie ähnliche Argumente wie Abgeordneter Heinzl geltend machte und die mangelnde Information des Parlaments kritisierte.

Außenministerin Dr. PLASSNIK skizzierte, die Europäische Verteidigungsagentur diene der Zusammenarbeit der europäischen Staaten in Fragen der Rüstungsforschung und der Beschaffung.  Sie befinde sich erst im Aufbau. Alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark hätten ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt, auch andere neutrale Staaten wie Schweden oder Irland. Dänemark habe, so Plassnik, ein opt-out in sicherheitspolitischen Belangen.

Abgeordnete FELZMANN (V) hielt fest, Österreich sei eine Kulturnation, besonders Musik und Literatur seien immer schon Exportschlager gewesen. Daher habe Rechtsschutz für geistiges Eigentum auch für Österreich eine große Bedeutung. Felzmann begrüßte in diesem Sinn den WIPO-Urheberrechtsvertrag und den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger.

Abgeordneter DI KUMMERER (S) erklärte, niemand fürchte sich vor der Europäischen Verteidigungsagentur. Die Abgeordneten seien aber nicht ausreichend informiert worden. Weder im Plenum noch in den EU-Ausschüssen sei über den Betritt Österreichs zur Agentur diskutiert worden. Kummerer wies überdies darauf hin, dass erst die neue EU-Verfassung die Basis für die Agentur bilde.

Abgeordneter MURAUER (V) machte darauf aufmerksam, dass auch andere neutrale Staaten wie Schweden und Finnland Mitglieder der Europäischen Verteidigungsagentur seien. Das Parlament sei über die Teilnahme Österreichs verständigt worden. Ausdrücklich begrüßt wurde von Murauer, dass Außenministerin Plassnik  in der Außenpolitik einen Schwerpunkt Balkan setze und hob unter anderem das Katastrophenhilfeabkommen mit Kroatien hervor.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) signalisierte die Zustimmung der SPÖ zum Abkommen zwischen Österreich und Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und zeigte sich über das Abkommen erfreut.

Abgeordneter LEDOLTER (V) hält es, wie er sagte, für unverständlich, dass die Opposition heute Vormittag der EU-Verfassung zugestimmt habe, nunmehr aber die Regierungsvorlage betreffend die Europäische Verteidigungsagentur ablehnen wolle. Zum Abkommen zwischen Österreich und Weißrussland über Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes merkte er an, es sei wichtig, dass solche Vereinbarungen auch in der Praxis funktionierten.

Sämtliche Abkommen und Verträge mit Ausnahme der Regierungsvorlage betreffend die Europäische Verteidigungsagentur wurden vom Nationalrat einstimmig angenommen. Diese Regierungsvorlage wurde mehrheitlich beschlossen.

Zwei Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit standen in der Folge auf der Tagesordnung. Das erste betrifft Zusammenarbeit zwischen EU einerseits und Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama anderseits, das zweite die Zusammenarbeit der EU mit den Mitgliedstaaten der Andengemeinschaft (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela).

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) führte aus, die Grünen könnten den beiden vorliegenden Abkommen "leider" keine Zustimmung geben. Grundsätzlich mache ein Ausbau des politischen Dialogs mit dem Staaten des Andenpakts und anderen lateinamerikanischen Staaten zwar Sinn, meinte sie, diese Abkommen dienten aber in erster Linie der Vorbereitung von Freihandelsabkommen, welche jedoch, wie etliche Beispiele zeigten, negative Auswirkungen auf die betroffenen Länder hätten. Unter anderem werde etwa der Faktor Nachhaltigkeit zu wenig berücksichtigt. Folge von Freihandelsabkommen seien, wie Studien Lunacek zufolge zeigen, die Zerstörung der Landwirtschaft in den betroffenen Ländern und Umweltzerstörungen.

Abgeordneter Mag. BRADER (V) hielt seiner Vorrednerin entgegen, dass die vorliegenden Abkommen für beide Seiten Vorteile hätten. Der Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft sei nicht auf Freihandelsabkommen zurückzuführen, unterstrich er, sondern auf die generelle Modernisierung eines Staates.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) erachtet eine verstärke Kooperation der EU mit lateinamerikanischen Staaten für einen wichtigen Schritt. Sie äußerte die Hoffnung auf einen dauerhaften und intensiven Dialog mit den betroffenen Ländern.

Auch Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) begrüßte die beiden vorliegenden Abkommen und kündigte die Zustimmung des Freiheitlichen Klubs an.

Abgeordneter GLASER (V) unterstrich die Notwendigkeit des Dialogs mit den Staaten Lateinamerikas und betonte, es gehe nicht zuletzt um die Achtung der Menschenrechte, den Durchbruch der Rechtsstaatlichkeit, die Beseitigung der politischen Instabilität, die Bekämpfung von Drogen und den Schutz der Naturressourcen. Die Ablehnung der Grünen wertete er als "unschlüssig".

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) konstatierte, er glaube, dass die Chancen der vorliegenden Abkommen etwaige Probleme überwiegen. Der Dialog, der vereinbart worden sei, sei ein vernünftiger, bekräftigte er.

Beide Abkommen wurden vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit angenommen.

ANTRAG : GEDENKTAG GEGEN WEIBLICHE GENITALVERSTÜMMELUNG

Die weibliche Genitalverstümmelung stelle vor allem in Afrika ein riesiges Problem dar, meinte Abgeordnete Mag. HAKL (V), weltweit seien über 155 Millionen Frauen davon betroffen. In dem vorliegenden Antrag werden 28 afrikanische Staaten angeführt, wo diese grausame Tradition noch immer gang und gebe ist. Allerdings gibt es auch viele arabische Länder, wie z.B. Ägypten, wo Genitalverstümmelung praktiziert wird. Es sei daher wichtig, einen internationalen Gedenktag zu diesem Thema zu etablieren.

Nach ihrer Teilnahme an einer Konferenz in Afrika habe sie hier in Österreich gemeinsam mit anderen Frauen und Männern eine Plattform gegen Genitalverstümmelung gegründet, informierte Abgeordnete BAYR (S). Es gehe den Mitgliedern darum, auf diese "wahnsinnige Tradition" aufmerksam zu machen, die täglich tausende Mädchen ihrer Selbstbestimmung und ihrer sexuellen Freiheit beraubt. Sie hoffe nun, dass die Außenministerin bei der UNO mit dem Anliegen erfolgreich sein wird, den 6. Februar als internationalen Gedenktag gegen Genitalverstümmelung zu etablieren.

Genitalverstümmelung sei eine zutiefst frauenfeindliche Handlung, betonte Abgeordnete DI ACHLEITNER (F), und es sei erschütternd, dass über 150 Millionen Frauen weltweit davon betroffen sind. Die Rednerin erinnerte daran, dass unter dem Justizminister Böhmdorfer ein Gesetz erlassen wurde, wonach Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung angehen wird. Hauptproblem bei dieser Thematik sei, dass noch immer viele Frauen glauben, solch ein Eingriff sei notwendig, um von der Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Aufklärungsmaßnahmen und Bewusstseinsarbeit vor Ort seien daher dringend notwendig, forderte Achleitner. Deshalb unterstütze ihre Fraktion ganz besonders diesen Antrag.

In den letzten Jahren habe sich zum Glück einiges geändert, meinte Abgeordnete Mag. LUNACEK (G), denn mittlerweile gebe es nun auch in vielen afrikanischen Staaten selbst schon Frauenorganisationen, die sich gegen die Genitalverstümmelung zur Wehr setzen und Aufklärungsarbeit leisten. Bedauerlicherweise komme es aber auch in Europa zu solchen Misshandlungen, weshalb es gut sei, dass die Aufmerksamkeit gegenüber diesem Thema größer geworden ist.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) schloss sich ihren Vorrednerinnen an. Auch sie wies darauf hin, dass diese 5000 Jahre alte Praxis nicht nur in afrikanischen Ländern besteht, sondern auch bei Migrantinnen in Österreich. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich 8.000 Frauen davon betroffen sind, jährlich kommen etwa weitere 100 Frauen dazu. In Wien gibt es bereits eine Beratungsstelle, wo medizinische und psychische Hilfe angeboten wird, informierte Becher. Sie wünschte sich, dass auch der Bund Mittel zur Verfügung stellt und dass weibliche Genitalverstümmelung als Asylgrund anerkannt wird.

Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

ANTRAG : HANDELN GEGEN MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN DARFUR

Die Kolonialzeit habe in Afrika dazu geführt, dass Grenzen entstanden sind, die weder auf ethnische Unterschiede, Stammeszugehörigkeiten noch auf Großlandschaften Rücksicht genommen haben, erklärte Abgeordneter DI REGLER (V). Das habe in den letzten Jahrzehnten zu zahlreichen Konflikten geführt. Im Sudan z.B. habe die schwarzafrikanische Bevölkerung des christlichen Südens viele Jahre einen Krieg gegen die arabisch-islamische Bevölkerung im Norden geführt, der im Jahr 2004 endlich beendet werden konnte. Dieser Konflikt habe aber auch auf die Dafur-Provinzen übergegriffen, zeigte Regler auf. Hunderttausende Menschen sind bereits auf der Flucht, zehntausende sind gestorben, die humanitäre Situation ist katastrophal. Mit der heutigen Resolution wird die Außenministerin ersucht, den Friedensprozess weiterhin voll zu unterstützen und für die rasche Umsetzung der Sicherheitsratsresolutionen einzutreten.

Abgeordneter SCHIEDER (S) zeigte sich froh darüber, dass es bei dieser Thematik zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist. Er machte darauf aufmerksam, dass es in der nächsten Zeit noch andere derartige Anliegen geben wird. Österreich übernehme bald den EU-Vorsitz und die Abgeordneten seien daher aufgefordert, in wichtigen außenpolitischen Fragen Stellung zu beziehen.

Dieses Thema verdeutliche, wie wichtig es sei, dass Europa in außen- und sicherheitspolitischen Fragen eine gemeinsame Position vertritt und überall dort tätig wird, wo Menschenrechte verletzt werden, meinte Abgeordneter SCHEIBNER (F). Er hoffe, dass dieser Entschließungsantrag einen - wenn auch sehr kleinen - Beitrag dazu liefert, dass Europa eine konsequentere Haltung einnimmt.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) unterstrich die Aussagen ihres Vorredners. In dem vorliegenden Antrag werde die Außenministerin dezidiert ersucht, sowohl im Rahmen der Vereinten Nationen, der EU als auch auf bilateraler Ebene die Forderungen des Nationalrats zu vertreten. Es sei inzwischen bekannt, dass die sudanesische Regierung immer wieder selbst die Milizen bewaffnet hat und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist. Es müssten daher die bestehenden internationalen Sanktionsmöglichkeiten viel mehr genutzt werden, forderte sie.

Der Bericht des außenpolitischen Ausschusses wurde einstimmig zur Kenntnis genommen; die dem Bericht beigedruckte Entschließung wurde ebenfalls einstimmig angenommen.

Der SPÖ-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Beschaffung von Kampfflugzeugen, der am Ende der Debatte abgestimmt wurde, blieb in der Minderheit. (Schluss)