Parlamentskorrespondenz Nr. 451 vom 01.06.2005

WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSRECHTLICHE THEMEN IM JUSTIZAUSSCHUSS

Gesellschaftsrecht, Exekutionsordnung, Kartellrecht, Wettbewerbsrecht

Wien (PK) - Wirtschafts- und gesellschaftsrechtliche Materien waren ein der Schwerpunkt der Sitzung des Justizausschusses unter der Vorsitzführung von Obfrau Maria Theresia Fekter. Auf der - bei Sitzungsbeginn umgereihten - Tagesordnung standen zunächst das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz, die Exekutionsordnungsnovelle und das Kartellgesetz sowie die Wettbewerbsgesetznovelle. Die Änderung des Gesellschaftsrechts passierte den Ausschuss mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen; die Exekutionsordnungs-Novelle fand im Ausschuss bei getrennter Abstimmung teils einstimmige, teils mehrheitliche Zustimmung. Mit Stimmenmehrheit wurden auch das Kartellgesetz und die Wettbewerbsgesetznovelle verabschiedet.

V-F-MEHRHEIT FÜR GESELLSCHAFTSRECHTSÄNDERUNGSGESETZ

Angesichts Aufsehen erregender Konzernzusammenbrüche hatte der Nationalrat am 29. Jänner 2004 in einer Entschließung von der Bundesregierung Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in börsenotierte Unternehmen und in die Finanzmärkte verlangt. In der entsprechenden Regierungsvorlage sollten u.a. Regelungen des Österreichischen Corporate Governance Kodex ("ÖCGK") in das Aktienrecht übernommen werden. Konkret geht es um eine höhere Qualität der Abschlussprüfung, um bessere Finanzinformationen und um den Kampf gegen den Insiderhandel.

Die Redner der Opposition kritisierten vor allem die "Verwässerung", die die Vorlage auf dem Weg ihrer Entstehung erfahren habe. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) kündigte daher an, seine Fraktion werden dem Entwurf nicht zustimmen. Er vertrat die Ansicht, man hzätte den Corporate Governance Code eins zu eins ins Gesetz übernehmen können. Sein Fraktionskollege Johann Maier vermisste die erwünschte Transparenz bei Vorstandsgehältern und forderte eine Bilanzprüfungsstelle ein. Abgeordneter Christian Puswald konstatierte, dass im Zuge der Verhandlungen aus einer Konsensmaterie eine Dissensmaterie geworden sei. Zudem werde schon bald eine weitere Überarbeitung nötig sein. Abgeordnete Gisela Wurm wies darauf hin, dass man nun bereits wieder das Pensionskassengesetz ändern müsse.

Abgeordneter Werner Kogler (G) kündigte die "vorläufige Nichtzustimmung" seiner Fraktion an , räumte aber ein, dass die Vorlage eine Verbesserung gegenüber dem aktuellen Stand bringe, gegenüber einem bereits erreichten Diskussionsstand aber einen Rückschritt darstelle. Im Detail trat auch Kogler für mehr Transparenz ein; hier hätten sich leider die Lobbys durchgesetzt. Auch die Abschaffung der Unterscheidung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit wurde von ihm bemängelt.

VP-Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer hingegen sah in der Vorlage einen ausgewogenen Kompromiss; sie brachte eine Ausschussfeststellung ein, in der festgehalten wird, dass als "wichtiger Grund" für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern grob pflichtwideriges und gesellschaftsschädigendes Verhalten gelten soll. Ihre Fraktionskollegin merkte an, dass Widerstände gegen Gehaltsoffenlegung auch von Magistratsbeamten und aus Kammern gekommen seien. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) wies darauf hin, dass selbstverpflichtende Erklärungen wie der Corporate Governance Code sich aufhören würden, wenn man sie immer gleich zu Gesetzen machte. Abgeordneter Michael Ikrath (V) sah in der Ausgewogenheit, die das Gesetz auszeichne, eine Stärkung des österreichischen Kapitalmarkts; die Novelle sei daher optimal gelungen. Den Sozialdemokraten warf Ikrath vor, einen mehr planwirtschaftlichen Ansatz zu verfolgen.

Abgeordneter Dieter Böhmdorfer (F)  - der schon als Justizminister an der Formulierung des Gesetzes gearbeitet hatte - bedauerte, dass es für die Vorlage keinen breiten Konsens gebe und meinte, die Vorlage sei ein "riesiger Schritt" im Richtung Sicherung des Wirtschaftsstandorts. Böhmdorfers Fraktionskollege Herbert Haupt räumte ein, sich mehr gewünscht zu haben; als Problem sah er weniger die Aktivbezüge von Managern als die Abfertigungsregelungen.

Justizministerin Karin Miklautsch erinnerte an den Ausgangspunkt der Novelle, nämlich die Entschließung des Nationalrats. Diese sei - in vielen Verhandlungen mit verschiedenen Interessengruppen - umgesetzt worden, in Form eines Maßnahmenpakets zur Stärkung des Vertrauens in den Wirtschaftsstandort Österreich. Österreich sei, verglichen mit Deutschland, in vielen Bereichen strenger, betonte die Ministerin. Die Offenlegung von Vorstandsgehältern habe sich in Deutschland nicht bewährt. Die eingeforderte Bilanzprüfungsstelle werde kommen, kündigte sie an.

Die Vorlage wurde in der Fassung eines Abänderungsantrags - mit dem die letzten finanzrechtlichen Entwicklungen berücksichtigt wurden - mit den Stimmen der Regierungsfraktionen angenommen, ebenso die genannte Ausschussfeststellung.

TEILS EINSTIMMIG, TEILS MIT MEHRHEIT FÜR EXEKUTIONSORDNUNGSNOVELLE

Ziele eines Entwurfs einer Exekutionsordnungs-Novelle 2005 sind vor allem ein Ausbau des IT-Einsatzes im Exekutionsverfahren und die Anpassung der Exekutionsordnung an die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel sowie Adaptierungen der Vergütungen der Gerichtsvollzieher nach dem Vollzugsgebührengesetz. Im Einzelnen soll durch Erhöhung der Wertgrenze des vereinfachten Bewilligungsverfahrens und die Änderungen bei Abgabe des Vermögensverzeichnisses der IT-Einsatz im Exekutionsverfahren forciert werden.

Grundsätzliche Zustimmung seiner Fraktion, aber die Ablehnung eines Abschnitts der Exekutionsordnungsnovelle (§ 54b Abs 1) kündigte Abgeordneter Johann Maier (S) für seine Fraktion an. Bedenken äußerte er u.a. im Zusammenhang mit Exekutionskosten, die den Verpflichteten derart belasten könnten, dass es ihm unmöglich würde, seine Schulden zu begleichen.

Auch die Grünen könnten der Vorlage derzeit nicht zustimmen, führte Abgeordnete Terezija Stoisits für ihre Fraktion aus. Sie fand die Verdreifachung der Wertgrenze auf 30.000 € übertrieben, einen pauschalen Kostenersatz von 20 € hingegen "lächerlich".

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) erläuterte Einzelheiten der Vorlage und meinte, entsprechende Regelungen hätten einen starken Hintergrund in der Praxis.

Justizministerin Karin Miklautsch meinte, im Hinblick auf die erfolgreiche Praxis bei Mahnverfahren sollte diese Praxis beibehalten werden. Auch die Ministerin erläuterte Details des Einsatzes der Elektronik in Exekutionsverfahren.

Eine Ausschussfeststellung trifft Klarstellungen für Fälle vor, in denen jemand in ein Exekutionsverfahren als Verpflichteter einbezogen wird, weil der betreibende Gläubiger eine neue Anschrift oder einen neuen Namen des Schuldners angegeben hat.

Die Ziffer 11 der Vorlage fand nur die Zustimmung der Regierungsfraktionen; der Rest sowie die Ausschussfeststellung passierten den Ausschuss mit den Stimmen aller Fraktionen.

BREITE MEHRHEIT FÜR KARTELLGESETZ UND WETTBEWERBSGESETZ

Weiters beschloss der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsparteien und in weiten Teilen auch mit den Stimmen der SPÖ ein Kartellgesetz 2005, durch das die entsprechenden Regelungen weitgehend an das Gemeinschaftsrecht angeglichen werden. Kartelle werden demnach grundsätzlich verboten. Das nicht mehr zeitgemäße System der "Kartellverwaltung", die Regelung unverbindlicher Verbandsempfehlungen, das Kartellregister und das Verbot unverbindlicher Preisempfehlungen sowie die Sonderbehandlung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen entfallen. Über das Gemeinschaftsrecht hinaus wird das Kartellverbot auf einseitige Wettbewerbsbeschränkungen ausgedehnt.

Für bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen kann nun das Kartellverbot unter bestimmten Voraussetzungen in Einzelfällen wie auch für Gruppen als nicht anwendbar erklärt werden. Dazu zählen Bagatellkartelle von Unternehmern, deren inländischer Marktanteil unter 5 % liegt, die "Buchpreisbindung" und Wettbewerbsbeschränkungen bei der Förderung von Genossenschaften sowie im Banken- und Agrarbereich.

Damit im Zusammenhang stand auch eine Novelle zum Wettbewerbsgesetz, die der Ausschuss ebenfalls mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPÖ verabschiedete. Das neue Gesetz stellt die Zuständigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde für die Unterstützung der EU-Kommission und deren Zusammenwirken mit der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten klar. Um die Aufdeckung von Kartellen zu erleichtern, wird nach dem Vorbild vieler EU-Mitgliedstaaten auch in Österreich ein Kronzeugenprogramm eingeführt. Es sieht als Gegenleistung für die "uneingeschränkt aus freien Stücken erfolgte Offenlegung von Informationen zu einem Kartell" entweder völlige Straffreiheit oder eine wesentlichen Reduzierung der Strafe vor. Zu beiden Gesetzen lagen dem Ausschuss Abänderungsanträge der Regierungsparteien vor, die jeweils Präzisierungen enthielten und mit V-F-S-Mehrheit angenommen wurden.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) begrüßte die Übernahme der europäischen Kartellrechtssystematik und sah im Wegfall der Genehmigungspflicht vor allem eine Entlastung der Verwaltung.

Grundsätzlich zustimmend zum Kartellgesetz äußerte sich auch Abgeordneter Johann Maier (S), der allerdings Einwände gegen den Passus des Gesetzes erhob, der die Akteneinsicht von am Verfahren nicht als Parteien beteiligten Personen von der Zustimmung der Prozessparteien abhängig macht.

Abgeordneter Werner Kogler (G) hielt die Formulierung der Kronzeugenregelung im Wettbewerbsgesetz für nicht zielführend und vermisste insbesondere einen Rechtsanspruch auf Straffreiheit. Im Kartellrecht wiederum hätte sich Kogler Verbesserungen bei der Fusionskontrolle erwartet.

Justizministerin Karin Miklautsch kündigte ein Handbuch der Bundeswettbewerbsbehörde an, in dem die Voraussetzungen für die Anwendung der Kronzeugenregelung festgelegt werden sollen.

(Fortsetzung)