Parlamentskorrespondenz Nr. 457 vom 03.06.2005

MENSCHENRECHTE IN CHINA: VIER-PARTEIEN-ANTRAG KOMMT

Menschenrechtsausschuss vertagt vier Anträge der Opposition

Wien (PK) - Zum ersten Mal seit ihrer Ernennung zur Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten war heute Ursula Plassnik Gast im Ausschuss für Menschenrechte, und entsprechend herzlich wurde sie von Ausschuss-Obfrau Terezija Stoisits begrüßt. Auf der Tagesordnung standen drei Anträge der Grünen und ein Antrag der Sozialdemokraten sowie eine Aktuelle Aussprache zum Thema Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus (zur Aussprache siehe PK Nr. 458). Der Antrag der Grünen betreffend Menschenrechtsverletzungen in China wurde einstimmig vertagt, nachdem Vertreter aller Fraktionen sich für die Formulierung eines Vier-Parteien-Antrags in dieser Sache bis Herbst ausgesprochen hatten. Die drei restlichen Anträge wurden jeweils mit den Stimmen der Regierungsfraktionen vertagt.

ANTRAG DER GRÜNEN ZU MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN CHINA VERTAGT

In dem Entschließungsantrag wird die österreichische Bundesregierung aufgefordert, sich auf bilateraler und internationaler Ebene um eine Verbesserung der Menschenrechtslage in China zu bemühen, und zwar nicht nur im Wege der "stillen Diplomatie". Die AntragstellerInnen sprechen sich auch für den Fortbestand des Waffenembargos aus, sollte sich die Situation nicht verbessern.

Abgeordnete Ulrika Lunacek (G) wies eingangs darauf hin, dass es in den letzten Jahren immer wieder und in verschiedenen Zusammenhängen zu öffentlichen Debatten über Menschenrechtsverletzungen in China gekommen sei. China sei das Land mit den meisten vollstreckten Todesurteilen, es gebe Sklaverei, Zwangsarbeit und Folter, zudem gebe es Probleme bei Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit sowie in der Situation der Minderheiten, u.a. in Tibet. Lunacek betonte, es sei wichtig, die Menschenrechtssituation in bilateralen Kontakten anzusprechen; ausdrücklich sprach sie sich gegen eine Aufhebung des Waffenembargos der EU aus.

Die Situation der Menschenrechte werde stets angesprochen, replizierte Abgeordneter Matthias Ellmauer (V), gab aber zu bedenken, dass durch einen Dialog mehr erreicht werden könne als durch Konfrontation. Dies hätte sich etwa bei Todesurteilen gezeigt, die im Zuge dieses Dialogs überprüft und zum Teil in Haftstrafen umgewandelt worden seien. In diesem Sinn regte Ellmauer Gespräche zu einem Vier-Parteien-Antrag an und betonte die Bereitschaft seiner Fraktion dazu.

Abgeordnete der Sozialdemokraten unterstrichen die seit Jahrzehnten guten Beziehungen Österreichs mit China und warnten davor, Außenpolitik mit Menschenrechtsfragen zu verquicken (Georg Oberhaidinger), betonten die Bemühungen um Integration des altchinesischen Gewerkschaftsbundes in den internationale Dachverband der Gewerkschaften (Renate Csörgits) und verwiesen auf die EU-Beschlusslage bezüglich des Waffenembargos (Walter Posch). Abgeordneter Posch legte einen Abänderungsantrag zum Antrag der Grünen vor.

Auch F-Abgeordnete Elke Achleitner sprach sich für einen Vier-Parteien-Antrag und gegen den Weg der Konfrontation aus, ebenso ihr Fraktionskollege Maximilian Walch.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) meinte, es habe "ein wenig lang gedauert" bis zur Bereitschaft für einen Vier-Parteien-Antrag; immerhin liege ihr Antrag seit dem 18. November 2004 vor. Es gehe aber darum, die Außenministerin im Menschenrechtsdialog mit China zu unterstützen.

Außenministerin Ursula Plassnik merkte an, dass es im Menschenrechtsdialog der EU mit China gewisse Fortschritte gebe; Ziele aus österreichischer Sicht seien weiterhin auf den Feldern bürgerliche und politische Rechte, Todesstrafe und allgemein im Justizbereich gegeben. Die 21. Runde in diesem Dialog werde Anfang des kommenden Jahres in Wien stattfinden. Das Thema Tibet werde stets angesprochen; zur Frage Waffenembargo gebe es keine neuen Entwicklungen. Sie sei "dankbar" für alle Initiativen, die klar machten, was die Vorstellungen der EU und Österreichs auf diesem Gebiet sind. So werde auch der ins Auge gefasste einstimmige Beschluss entsprechende Beachtung als deutliche Willensäußerung finden.

Der Vertagungsantrag fand die Zustimmung aller Fraktionen.

G- ANTRAG ZUM 12. UND 14. ZUSATZPROTOKOLL ZUR EMRK

Die Grünen fordern, dass die Regierung dem Nationalrat die notwendigen Vorlagen zur Ratifizierung des 12. und des 14. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention vorlegt. Beide Zusatzprotokolle wurden von Österreich bereits unterzeichnet. Das 12. Zusatzprotokoll sieht einen allgemeinen Diskriminierungsschutz vor, der auch Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung umfasst. Das 14. Zusatzprotokoll sieht vor, die mittel- und langfristige Wirksamkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu sichern. Damit soll auch gewährleistet werden, dass Individualbeschwerden in angemessener Frist behandelt werden können.

Von den Regierungsfraktionen wurde im Ausschuss betont, dass das Ziel nicht Verzögerung sei, sondern das Finden eines gemeinsamen innerstaatlichen Weges, da mit der Umsetzung ja Bund, Länder und Gemeinden befasst wären. "Zuerst die innerstaatliche Abklärung, dann die Ratifizierung", sei die Linie. Zudem habe das 14. Zusatzprotokoll vor kurzem den Ministerrat passiert und werde schon demnächst im Parlament zu behandeln sein. In diesem Sinn äußerten sich die Abgeordneten Matthias Ellmauer und Roderich Regler (beide V) sowie Maximilian Walch (F).

Die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen bemängelten die zögerliche Vorgangsweise Österreichs, das in diesen Fragen auch einmal eine Vorreiter-Rolle übernehmen könnte; in den letzten fünf Jahren sei auf diesem Gebiet offenbar wenig geschehen (Anita Fleckl, S, und Ulrike Lunacek, G). Die Befürchtungen von SprecherInnen der Regierungsfraktionen, mit der Annahme des Antrags für mehr Arbeit für den EuGH zu sorgen, wiesen sie zurück und zeigten Unverständnis für die damit verbundene Vernachlässigung des Diskriminierungsschutzes (Gabriele Heinisch-Hosek, Ulrike Lunacek, Terezija Stoisits, Walter Posch).

Außenministerin Ursula Plassnik verwies im Zusammenhang mit dem 14. Zusatzprotokoll auf über 40.000 neue Beschwerdefälle im Jahr 2004, denen 718 Urteile gegenüber stünden, was dringenden Reformbedarf signalisiere. Plassnik ersuchte daher um zügige Ratifizierung. - Im Zusammenhang mit dem 12. Zusatzprotokoll wies die Ministerin darauf hin, dass Österreich sich immer für den Gleichheitsgrundsatz eingesetzt habe, mit dem Protokoll aber eine Ausweitung verbunden sei. 11 von 46 Mitgliedern des Europarats, davon drei Mitglieder der EU, haben das Zusatzprotokoll ratifiziert, stelle die Ministerin klar.

Der von Abgeordnetem Ellmauer (V) gestellte Vertagungsantrag fand die Mehrheit der Koalitionsfraktionen.

S- ANTRAG ÜBER EINHALTUNG DES INTERNATIONALEN PAKTS ÜBER WIRTSCHAFTLICHE, SOZIALE UND KULTURELLE RECHTE

Unter Hinweis auf den im Dezember 1978 ratifizierten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (WSK) meinen Abgeordnete der SPÖ durch die von der Regierung getroffenen Maßnahmen habe sich die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen weiter geöffnet, atypische Beschäftigungsverhältnisse und geringfügige Entlohnung nähmen zu, die Arbeitslosigkeit sei rasant im Steigen begriffen, ein angemessener Lebensunterhalt könne während der Zeit der Arbeitslosigkeit nicht aufrecht erhalten werden und Erwerbslose könnten das Recht auf Bildung nicht in Anspruch nehmen. Die Antragstellerinnen und -steller fordern daher die Bundesregierung auf, bis Juni 2005 eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, damit die in den Artikeln 7, 11 und 13 des genannten Paktes aufgelisteten Grundrechte gesetzlich gewährleistet werden.

Abgeordnete der Koalitionsfraktionen wiesen die im Antrag und in der Ausschussdebatte vorgebrachte Kritik der Opposition zurück. Abgeordneter Matthias Ellmauer (V) verwies etwa darauf, dass der Staatenbericht Österreich in der ersten Novemberhälfte im zuständigen UN-Ausschuss debattiert werde. Auch die hohe Sozialquote in Österreich widerlege die Kritik der Opposition. Ellmauer plädierte dafür, den Bericht des UN-Komitees abzuwarten. In ähnlichem Sinn äußerten sich die Abgeordneten Fekter und Scheucher-Pichler (beide V) sowie Walch (F), der sich auch kritisch gegen die Gewerkschaft wandte.

Die Opposition äußerte wenig Hoffnung auf Besserung (Walter Posch, S) und befürchtete eine Zuspitzung der Armutssituation (Erwin Spindelberger, S). Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) übte grundsätzlich Kritik an der Vertagungspraxis der Koalitionsfraktionen, während Abgeordnete Renate Csörgits (S) die Kritik an der Gewerkschaft energisch zurückwies.

Warum nicht jetzt eine gemeinsame Vorgangsweise, warum erst warten auf den Bericht, fragte Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen vertagt.

G- ANTRAG ZUM ZUSATZPROTOKOLL ZUR ANTI-FOLTER-KONVENTION

Die Bundesregierung wird in dem Antrag von den Grünen aufgefordert, die Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das von den Vereinten Nationen im Dezember 2002 angenommen wurde, "unverzüglich" einzuleiten.

Am Wort "unverzüglich" entzündete sich die Kritik der Regierungsfraktionen. Nachdem Bundesministerin Ursula Plassnik auf die komplexe Zuständigkeit in der Materie (mehrere Ressorts, Länder, Gemeinden) hingewiesen und für entsprechende Klärung vor der Ratifizierung plädiert hatte, äußerten sich die Abgeordneten Ellmauer und Fekter (beide V) und Achleitner (F) in ähnlichem Sinn.

Der Antrag sei nunmehr zwei Jahre und einen Monat alt, es habe also ausreichend Zeit zur Klärung gegeben, hielt dem Abgeordnete Terezija Stoisits (G) entgegen. Die Argumente, mit dem Antrag sollten die Koordinierungsbemühungen des Außenamtes in der Frage unterstützt werden (Abgeordnete Stoisits und Lunacek, beide G) verfingen ebenso wenig wie die Anregung des Abgeordneten Walter Posch (S), der Menschenrechtsbeirat könnte unabhängig gestellt und mit der Aufgabe der begleitenden Kontrolle beauftragt werden.

Vertagung mit Regierungsmehrheit.

(Fortsetzung)