Parlamentskorrespondenz Nr. 521 vom 20.06.2005

IM INNENAUSSCHUSS DEBATTE ÜBER NIEDERLASSUNGS- UND AUFENTHALTSGESETZ

Expertenhearing zum Komplex Fremdenrecht

Wien (PK) – Der Innenausschuss hat für seine heutige Sitzung Experten vorerst zum Thema Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geladen.

Bundesministerin Liese Prokop betonte, man habe versucht, den Vollzug zwischen dem Fremden- und Arbeitsmarktverfahren zu harmonisieren, ihn einfacher zu gestalten durch eine eigene Kartenform, in der der Aufenthaltstitel gewährleistet wird, und vor allem die Integration verstärkt zu fördern und Frauen besser als bisher zu schützen. Bei Personen, die sich legal in Österreich befinden und sich hier länger aufhalten wollen, wird es in Zukunft weniger Ausnahmen bei der Integrationsvereinbarung geben, unterstrich sie. Die Grundkenntnisse der deutschen Sprache sind eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, die Arbeit, Wohnen bis hin zu Freizeit umfasst. Der Umfang der Sprachkurse wird verdreifacht und es wird auch ein Alphabetisierungskurs für jene, die das benötigen, vorgeschaltet.

Der Frauenschutz wird laut Prokop deutlich verbessert. Frauen werden in Hinkunft eine fremdenrechtliche Unabhängigkeit des Aufenthaltstitels besitzen und damit ihre Ansprüche nicht verlieren; das bedeutet, dass nach dem Tod des Ehepartners oder nach einer Scheidung oder nach Vorfällen der Gewalt keine unterhaltsrechtlichen Konsequenzen mehr gegeben sein werden.

Bundesminister Martin Bartenstein meinte zu den Schnittstellen Ausländerbeschäftigungsgesetz zum Fremdenrecht und zum Teil zum Asylrecht so wie vor ihm Prokop, in Zukunft soll jeder arbeitsberechtigt sein, der/die legal im Land ist. Das sei unter dem Titel „Synchronisierung“ zu verstehen und bedeute, dass alle Berechtigungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, auch Arbeitserlaubnis und Befreiungsschein, nur mehr bei Vorliegen eines Aufenthaltstitels erteilt werden können; das sei bisher nur bei Beschäftigungsbewilligungen der Fall gewesen. Davon seien im Wesentlichen Saisoniers betroffen.

Nicht EU-Familienangehörige von Österreichern – das beschränke sich auf Ehegatten und Kinder unter 18 Jahren – seien künftig nur dann vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen, wenn sie zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz berechtigt sind. Bisher sei es so gewesen, dass solche Angehörigen auch mit Touristenvisum einreisen konnten und bereits während des mehrere Monate dauernden Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung arbeiten konnten; das habe in der Praxis Scheinehen und Scheinadoptionen begünstigt.

Das Verfahren soll vereinfacht werden. Schlüsselkräfte und ihre Familienangehörigen erhalten nach 18 Monaten mit neu geschaffener Niederlassungsbewilligung unbeschränkt freien Zugang zum Arbeitsmarkt; bisher war dazu eine Beschäftigungsbewilligung bzw. eine Arbeitserlaubnis erforderlich.

Es soll weniger Bürokratie geben; es ist keine eigene Arbeitsbewilligung im Sinne eines eigenen Dokuments im Falle einer vorliegenden unbeschränkten Niederlassungsbewilligung notwendig.

Neu ist, dass künftig Saisoniers aus EU-Drittländern, die nicht der Visumpflicht unterliegen, für eine Saisonbeschäftigung ein Visum im Heimatland beantragen müssen.

Ferner werde es eine Information der Fremdenbehörden über ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses von Saisoniers geben; dafür werden die Geschäftsstellen des AMS zuständig sein, um Kontrollen zu erleichtern.

Asylwerber mit subsidiärem Abschiebeschutz haben künftig so wie anerkannte Konventionsflüchtlinge mit Asylbescheid automatisch freien Zugang zum Arbeitsmarkt.

Die Neuerungen werden keine nennenswerten Auswirkungen haben, weil der Rückstau beim Familiennachzug inzwischen weitgehend abgebaut sein sollte und die bisher nachgezogenen Familienangehörigen zum überwiegenden Teil auch bereits einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten haben, strich Bartenstein heraus.

Mathias Bitschnau (wissenschaftlicher Mitarbeiter von RA Andreas Oberhofer): Die Ausstellung der Dokumente in Kartenform stelle eine Erleichterung für die Vollziehung und für die Fremden dar, da es in der Praxis in Familien mit Kindern üblich ist, die ausländischen Pässe für zwei Jahre auszustellen; es entstehe ein extremer Kostenaufwand, die Niederlassungsbewilligung jedes Mal in den Pass eintragen zu lassen. Der Arbeitsmarktzugang bei Drittstaatsangehörigen von Österreichern ist laut neuem Gesetz mit Erteilung der Niederlassungsbewilligung möglich; die Möglichkeit, über ein Reisevisum einzureisen und ohne Niederlassungsbewilligung in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, war bisher möglich, wird aber in Zukunft nicht mehr möglich sein. Ferner gebe es eine Verschärfung bei den Scheinehen und der Möglichkeit der Bestrafung von Scheinehen. Problematisch stellen sich aus Sicht des Redners die Fristen (werden auf drei Monate gekürzt) für die Prüfung der Scheinehe durch die Fremdenpolizeibehörde dar.

Dunja Bogdanovic (Beratungszentrum für Migranten) führte aus ihrer Sicht einige Kritikpunkte an: § 11, allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel, § 47, Familienangehörige österreichischer StaatsbürgerInnen (die Ansprüche werden im Vergleich zur geltenden Rechtslage verschlechtert), und § 20 Abs. 4, Erlöschen von Aufenthaltstiteln nach mehr als zwölfmonatigem Aufenthalt außerhalb des EWR. Im Zusammenhang mit der Integrationsvereinbarung und der Tatsache, dass Spracherwerb nur ein Teil der Integration ist, werden von ihr zusätzliche Angebote zur Anerkennung und Nostrifizierung im Ausland erworbener Qualifikationen vorgeschlagen. Die persönliche Erstantragstellung bei Vertretungsbehörden im Ausland könne eine massives Zugangshindernis werden, betonte sie und sah als massiven Rückschritt die Wiedereinführung von Aufenthaltsverboten für in Österreich geborene oder von klein auf aufgewachsene Fremde an. Begrüßt wird von ihr ausdrücklich § 46 Abs. 5, Niederlassungsbewilligung unbeschränkt für Familienangehörige von bestimmten Fremden nach einem Jahr.

Herbert Buchinger vom AMS Österreich sprach davon, dass das AMS nur am Rande mit der Gesetzesmaterie Fremdenrecht zu tun habe, sah aber die Gesetzesmaterie als kompliziert an, werden dorch verschiedene differenzierte Niederlassungstitel geschaffen, wobei der Übergang von einem Status zum anderen offensichtlich möglich ist und es werden, um zu beobachten, welche Ausländer gerade mit welchem Niederlassungsstatus im Land sind, umfangreiche gegenseitige Verständigungs- und Meldepflichten zwischen Fremdenpolizeibehörden, AMS und kontrollierenden Organen der Zollbehörden eingeführt. Er regte an, diesen Datenaustausch moderner zu gestalten, statt bei der schriftlichen Verständigung zu bleiben.

Ein „kleines Risiko“ im Hinblick auf Beschäftigung besteht seiner Meinung nach im Rahmen der Niederlassungsbewilligung für Selbständige; so können Niederlassungsbewilligungen erteilt werden ohne materielle Prüfung, welche Bedeutung diese selbständige Tätigkeit für die österreichische Volkswirtschaft hat.

Alexander Janda, Geschäftsführer des Integrationsfonds, befasste sich mit der praktischen Umsetzung der Integrationsvereinbarung. Die Integrationsvereinbarung ist seit 1.1.2003 in Kraft, es habe sich in den ersten Monate der Umsetzung gezeigt, dass es eine große Zahl an Ausnahmen gibt und dass ein signifikanter Teil der ausländischer Bürger über Deutschsprachkenntnisse auf A1-Niveau verfügen. Insgesamt haben mehr als 5.000 Personen sprachliche Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der Integrationsvereinbarung absolviert. In vielen Fällen konnte festgestellt werden, dass über diese 100-Stunden-Kurse hinaus noch zusätzliche Kurse gemacht werden wollen, um das Sprachniveau weiter zu verbessern. Es ist auch gelungen, migrantengerechtes Lehrmaterial zu entwickeln. Das Angebot der Kurse ist sehr breit, etwa 60 Anbieter führen bundesweit an 600 Standorten solche Sprachkurse durch. Erfreulich war aus seiner Sicht auch, dass es eine breite finanzielle Unterstützung der Länder und Gemeinden gegeben hat.

Es werde die mit dem Fremdenrechtspaket 2003 begonnene Harmonisierung und Abstimmung von Aufenthalt und Beschäftigung weiter fortgeführt, strich Maria Kaun von der Wirtschaftskammer Österreich heraus. In Zukunft wird es nur mehr ein Aufenthaltsdokument geben, das zum Zugang zum Arbeitsmarkt berechtigt. Die Niederlassungsbewilligung – Schlüsselkraft gibt es seit 2003, jetzt ist neu, dass sie beim ersten Mal für die Dauer von 18 Monaten erteilt wird; das AMS muss allerdings das Vorliegen der Schlüsselkraft-Kriterien vorab bestätigen. Die Verlängerung der Schlüsselkraft-Bewilligung heißt in Zukunft „Niederlassungsbewilligung unbeschränkt“, ein Dokument, das Schlüsselkräfte in Verlängerung nach der ersten Bewilligung erhalten. Das Dokument gilt für 12 Monate; auch hier muss das AMS bestätigen, dass die Person als Schlüsselkraft in den letzten 12 Monaten beschäftigt war. Die „Niederlassungsbewilligung unbeschränkt“ für jene Personen, die nicht Schlüsselkräfte sind, sondern Angehörige von Personen, die einen Daueraufenthalt EG haben, hieß früher Niederlassungsnachweis (wurde für 10 Jahre ausgestellt) und nun „Daueraufenthalt EG“ (wird ausgestellt für fünf Jahre).

EWR-Bürger mussten sich bisher nur durch die Vorlage ihres Reisepasses ausweisen, um in Österreich leben und arbeiten zu dürfen, nun müssen sie ein Dokument (Anmeldebescheinigung) beantragen, wenn sie länger als 3 Monate in Österreich niedergelassen bleiben.

Im Zusammenhang mit den Saison-Arbeitskräfte deponierte sie den Wunsch, dass es zu keinem längeren und komplizierteren Verfahren kommt. Diese Kräfte brauchen in Zukunft ein Aufenthaltsreisevisum, das im Ausland bei der ausländischen Vertretungsbehörde beantragt werden muss. Personen, die sichtvermerksfrei einreisen konnten, wie Kroaten und Rumänen, konnten das bisher im Österreich beantragen. Die Expertin sah die Gefahr einer Verfahrenverlängerung und ersuchte, man möge überlegen, ob man nicht eine Inlandsbeantragung und eine Verlängerung im Inland wieder einführen könnte.

Hans-Jürgen Krumm von der Universität Wien betrachtete die Problematik aus der Sicht eines Sprachwissenschaftlers. Das Gesetz bringe im Hinblick auf die Integrationsvereinbarung eine quantitative, aber keine qualitative Verbesserung, meinte er. Die Zuwanderer haben allein die Last sehr hoher Kosten zu tragen, zudem gebe es noch Sanktionen, wenn man dies nicht rechtzeitig schafft. Sollen Sprachförderung und Integration gelingen, müssten die aufenthaltsrechtlichen und Sprachförderungsmaßnahmen stärker entkoppelt werden. Sanktionen für Menschen, die ohnehin unter schwierigen Lebensumständen existieren, verhindern erfolgreiches Lernen und demotivieren und schaffen eher Abkapselung als Integration. Hinzu komme noch, dass sich die Sprachwissenschaft weltweit einig ist, dass eine Förderung in der Zweitsprache nur gelingt, wenn die Erstsprache anerkannt und nicht verdrängt wird. Die vorgesehenen Deutschkurse müssten daher auf einer Didaktik der Mehrsprachigkeit basieren, die die vorhandenen Sprachen der Zuwanderer nutzt und als Bestandteil ihrer Kommunikationsfähigkeit ansieht. Daher wäre es notwendig, die Ausgestaltung der Integrationsvereinbarung in die Hände des Bildungsministeriums zu legen.

Ingrid Nowotny (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) befasste sich mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Österreich ist ein Land mit einem sehr hohen Anteil an Drittstaatsausländern auf dem Arbeitsmarkt, hob sie hervor. Ursprünglich diente es der Abhilfe eines Arbeitskräftemangels durch Zulassung von Arbeitskräften aus externen Arbeitsmärkten unter strenger Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Es hat den Interessenausgleich zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu bewältigen, es hat aber auch faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Es soll Lohndumping verhindern. Es ist auch immer darauf zu achten, dass der Familiennachzug das zusätzliche Arbeitskräftepotential vergrößert, ja multipliziert. Das habe keine negativen Folgen, in Zeiten des Wachstums mehrt die Immigration den Wohlstand. Allerdings ist in Zeiten der steigenden Arbeitslosigkeit mit dem Instrument der Zulassung zum Arbeitsmarkt umso verantwortungsvoller umzugehen, meinte sie. Nicht mehr allein der konkrete Arbeitskräftebedarf soll für die Migrationspolitik entscheidend sein, sondern die potentielle Integrierbarkeit der zugewanderten Bevölkerung in den Arbeitsmarkt.

Johannes Peyerl (BAK) bezog sich in seiner Wortmeldung auf die prekären Arbeitsverhältnisse. Während für die Saisoniers die Grundlage de facto unangetastet bleibt, wird eine neue Möglichkeit von prekären Arbeitsverhältnissen durch die Selbständigen geschaffen. Sobald nur ein Auftrag vorhanden ist, kann man eine Aufenthaltsbewilligung bekommen, wobei bei diesen Aufträgen keine Schlüsselkraft-Kriterien geprüft werden. Sobald ein Auftrag da ist, kann die Aufenthaltsbewilligung immer wieder erneuert werden. Daher machte der Redner auf die Gefahr der Scheinselbständigkeit aufmerksam. Es bestehe die Gefahr, dass viele ausländische Personen nach Österreich kommen und ohne sozialen Schutz arbeiten, als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren wären, keinen Kollektivvertragslohn bezahlt bekommen, keinen Urlaub haben, nicht der Arbeitslosenversicherung unterliegen und kein Recht auf Familienzusammenführung haben. Im Augenblick gebe es keinen Grund für diese Bestimmung, meinte der Experte. (Forts./Debatte)